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Gott
Ich war schon immer der Meinung, dass jeder gute Kurzgeschichtler früher oder später eine Story über Gott schreiben muss. Die meisten Schreiber können sich ein ausgefallenes Mordszenario ausdenken, in allen Einzelheiten einen Blowjob beschreiben, oder sich eine kitschige Liebesgeschichte zusammenreimen. Aber über Gott zu schreiben, sich wirklich damit auseinanderzusetzen, nun, das muss man erst mal hinkriegen.
Ich selbst bin dieser Aufgabe lange Zeit aus dem Weg gegangen. Jahrelang habe ich meine Protagonisten ficken, saufen und schlechte Witze reißen lassen, die meisten von ihnen ohne den Hauch eines Gewissens, und wenn ich ehrlich bin, fühlte ich mich gut dabei. Zeitweilig glaubte ich sogar, dass ich ewig so weitermachen konnte, einfach drauflos tippen wie es mir gerade in den Sinn kam, frei, lustig, ohne Verantwortung. Ohne Konsequenzen.
Aber ab und zu, wenn ich nachts im Bett lag und mich gerade am sichersten fühlte, packte mich auf einmal eine unbestimmte Angst, als würde mir jemand eine kalte Hand um den Hals legen.
In solchen Augenblicken wusste ich dann immer, dass ich nicht schummeln konnte. Ich hatte einen Termin mit Gott, und da führte keinen Weg dran vorbei. Fragte sich nur, wie viel Zeit mir noch blieb.
Letzte Woche war es dann soweit. Ich kam von der Arbeit nach Hause, setzte mich an meinen Laptop, und machte grinsend meinen Word Prozessor auf. Mir war eine tolle Idee gekommen über einen homosexuellen Medizinstudenten, der sich von seinem Mitbewohner durch geschickte Manipulation zu ausgefallenen Sexspielchen überreden läßt.
Ich hatte die ersten Sätzen schon geschrieben, als mich plötzlich wieder die kalte Angst packte, diesmal so klar und deutlich wie noch nie. Ich blieb sitzen und versuchte mich zu beruhigen. Meine Hände zitterten. War es so weit?
Ich sah aus meinem Fenster auf den Parkplatz. Es war früh am Abend, große schwarze Wolken türmten sich am Horizont auf.
Ich atmete tief durch.
Los geht’s.
Ich löschte das Geschriebene und setzte mich aufrecht hin. Dieses Treffen hatte ich lange genug vor mir her geschoben. Genug damit.
Ich stürzte mich vielleicht etwas unvorbereitet in das Unterfangen, aber an guten Einfällen sollte es mir nicht mangeln. Schließlich dachte ich nicht zum ersten Mal darüber nach.
Da war die Idee mit dem pädophilien Priester, der davon überzeugt ist, dass er Gottes Liebe schenkt. Oder der Jihad-Terrorist, der kurz vor seinem Selbstmordattentat etwas Trauriges sieht, einen Mann mit Down Syndrom, oder vielleicht ein kleines Mädchen mit einer Hasenscharte – etwas das man nicht den Christen in die Schuhe schiebe kann – und zum ersten Mal in seinem Leben beginnt er an seinem Glauben zu zweifeln. Auf einmal weiß der Terrorist nicht mehr, ob dieser Gott, für dessen Güte er zu sterben bereit ist, wirklich auch so gut ist.
Meine Lippen weiteten sich zu einem breiten boshaften Lächeln. Das mit dem Jihad-Terroristen war ja perfekt. Schon sein Handeln war anklagend genug, aber wenn ich dann auch noch seine Gedanken benutzte, um unser aller Zweifel gegen Gott zum Ausdruck zu bringen, und das von einem Terroristen ... nun, das war ja genial!
Ich begann zu schreiben:
Es war ein heißer Tag in Bagdad. Die Sonne brannte am Zenit wie ein Feuerball.
Plötzlich hörte ich eine Stimme: Pass besser auf, was du da machst!
Ich sprang hoch und sah mich um. Ich lebte alleine, außer mir dürfte niemand hier sein.
„Wer ist da?“
Du weißt, wer mit dir spricht.
Die Stimme kam direkt aus meinem Kopf und war tief und männlich, wie Bruce Willis, wenn man Kopfhörer aufhat.
„Das kann nicht sein“, sagte ich.
Das kann sehr wohl sein, hier spricht Gott.
„Aber…“
Nichts aber. Du bist kurz davor, gegen das dritte Gebot zu stoßen. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.
„Was heisst hier missbrauchen? Ich schreibe Literatur.“
Wohl kaum. Du wirfst nur ein schlechtes Licht auf mich.
„Na und? Noch nie was von künstlerischer Freiheit gehört?“
Natürlich, ich habe sie erfunden, aber das was du vorhast, geht zu weit.
„Inwiefern?“
Diese Geschichte wird zu schlecht sein, meines Namens nicht würdig.
„Woher willst du das wissen?“
Gott seufzte. Also wer mir solche Fragen stellt…
„Okay gut … warum wird die Geschichte so schlecht sein?“
Zu viele Klischees, keine originellen Gedanken, kein Humor.
„Aber die Szene mit dem kleinen Mädchen mit der Hasenscharte wird doch herzzerreißend sein.“
Ohhh ... eine Hasenscharte. Da kommen mir ja die Tränen.
„Ach komm! Dir gefällt die Geschichte nur deswegen nicht, weil sie knüppelhart mit dir abrechnet. Ich werde den Terroristen vermenschlichen, ich werde das Böse als ein Gottesirrtum darstellen, und deswegen willst du sie verhindern. Dir ist lieber, dass ich hundert Stories über Sünder schreibe, als eine schlechte über dich.“
Ich sage es dir ganz ehrlich, Albert, du bist nicht gut genug für diese Geschichte.
„Bullshit! Ich kann das! Du versuchst mich nur zu verunsichern.“
Du wirst auf deine Leser wirken wie ein kleinkarierter Philosoph, der mal etwas Tiefsinniges in die Welt setzten will. Sie wird vor Affektiertheit nur so triefen, und wenn du sie deinen Freunden zeigst, werden sie höflich nicken, weil man angesichts so viel Kitsch kaum etwa anderes tun kann. Jeder Außenstehende wird es sofort zerreißen.
„Ist mir egal. Offensichtlich habe ich einen freien Willen, ansonsten müsstest du nicht mit mir diskutieren. Ich ziehe es durch. Ein bisschen Kritik ... was soll da schon groß passieren?“
Im schlimmsten Falle schmorst du für alle Ewigkeit in der Hölle.
„Was?“
So sind die Regeln.
„Du willst mich wegen einer schlechten Geschichte in die Hölle schicken?“
Je nachdem wie schlecht sie ausfällt.
„Das ist doch gemein!“
Wäre dir vielleicht lieber, du wärst nie geboren?
„Aber … nein, nein, das glaube ich nicht. Du willst mich nur einschüchtern. Ohne Gottesfurcht kein Gott, so ist es doch.“
Überleg dir gut, was du machst, Albert.
„Ich schreibe die Geschichte.“
Überlege es dir gut.
„Du kannst mir nichts antun.“
Kann ich sehr wohl, Albert.
„Nein, kannst du nicht.“
Ich schrieb weiter:
Ali atmete schwer und er schwitzte, nicht zuletzt wegen der Ladung Sprengsatz, die er unter seinem Hemd trug. Konnten sie das sehen? Nein, die Menschen auf dem Marktplatz gingen an ihm vorbei ohne aufzuschauen. Niemand ahnte nur das Geringste. Ali lächelte. Er hatte Angst, aber er war auch aufgeregt, ähnlich einem Fußballer, der kurz vor seinem ersten Länderspiel steht. Dies war sein Moment.
Das ist doch zum Kotzen! Eine Fußballmetapher. Also bitte!
Ali wanderte in die Mitte des Marktplatzes, dort, wo am meisten los war. Er wollte möglichst viele Ungläubige mit in den Tod reißen. Er war sich sicher, dass er Gott damit den größten Dienst erweisen würde.
Dafür kommst du in die Hölle, ich sag's dir.
Ob Gott für Ali im Himmel einen besonders noblen Platz bereit hielt? Ali sah sich auf einer weißen Wolke durch die Luft schweben. Zu seiner rechten saß Gott, zu seiner Linken ein paar Jungfrauen. Der Prophet Jesus fuhr auf einer benachbarten Wolke vorbei, hielt beide Daumen hoch und grinste ihm zu. Auch er ließ es sich gut gehen. Er trug ein weißes Gewand, hatte einen Lorbeerkranz um den Kopf und aß Trauben. Ein wenig sah er aus wie Caesar, der römische Feldherr. Warte mal, das war doch der römische Feldherr!
Jetzt drehst du völlig durch.
Plötzlich sah Ali etwas, dass ihn aus seinen Gedanken riss. Es war ein kleines Mädchen mit langem schwarzem Haar und braunen Augen, wie sie nur Frauen aus dem Orient haben. Ali ging das Herz auf. Aus ihr würde mal eine tolle Ehefrau werden, sollte sie die Explosion überleben. Vielleicht stellte er sich doch besser ein wenig weiter nach…
Das Mädchen wandte sich ihm plötzlich zu – bisher hatte Ali sie nur von der Seite gesehen – und sah ihn an. Ali stockte der Atem. Er hatte sich geirrt. Aus diesem Mädchen könnte nie eine Ehefrau werden, geschweige denn eine tolle Ehefrau. Ihr Mund war furchtbar entstellt. Die obere Lippe war entzweit und ein Teil der rechten Nasenflügel fehlte. Ali kannte diese Mißbildung leider nur zu gut. Samet, sein kleiner Bruder...
Ali biss sich auf die Zähne. Ali hatte immer an Gott geglaubt, aber wenn es eine Sache gab, die ihn unsicher machte, und mochte dieser Funke Zweifel noch so klein sein, dann war er das Schicksal Samets, seines kleinen Bruders mit den sanften Augen und dem hellen Lache. Wie hatte Gott ihm das antun können? Wieso hatte Samet mit fünfzehn wegrennen müssen? Warum hatten die anderen im Dorf ihm das Leben so verdammt schwer gemacht? Ob er überhaupt noch lebte? Wenn ja, dann kämpfte er sicher im Krieg, aber auf welcher Seite?
So viele Fragen. Und nun dieses Mädchen. Ali konnte es einfach nicht fassen. Wie war es möglich, dass ausgerechnet jetzt, wo er Gott doch am nächsten stehen musste, diese Zweifel wieder auftauchten. Ali zwang sich dem Blick des Mädchens stand zu halten.
Seine Hände begannen zu zittern. Er wollte das Mädchen nicht töten. Ihre Eltern arbeiteten sicher für die Ungläubigen, ansonsten wäre sie gar nicht hier, aber Ali wollte es trotzdem nicht tun. Was, wenn er sich irrte? Was, wenn es überhaupt keine weiße Wolke gab?
Ich warne dich ein letztes Mal, Albert. Mit dir spricht der Herr, dein Gott, Herrscher über alles, was jemals war, ist und sein wird. An meiner Güte kannst du zweifeln, aber an meiner Rachsucht nicht. Sie ist in der Bibel bestens dokumentiert. Schaue selbst nach, wenn du mir nicht glaubst. Unterbinde dieses Schreiben sofort, oder erleide für immer die Qualen des Feuers.
Ich blickte auf den blinkenden Cursor am Bildschirm. In jedem Leben kommt der Punkt, wo man sich entweder für oder gegen Gott entscheiden muss. Dies war mein Augenblick. Ich entschied mich dagegen, und schrieb weiter.
Aber auch davor war Ali gewarnt worden. Was hatte sein Meister immer zu ihm gesagt? Dich werden Zweifel überkommen, mein Sohn, sei gewappnet. Das ist entweder Luzifer, der dich in Versuchung führen will, oder Gott, der deine Liebe testet. Höre auf dein Herz. Gott dein Vater im Himmel ist immer bei dir. Wenn du tief in dich gehst, kannst du ihn hören. Er ist immer bei dir.
Ali schloß die Augen und ging tief in sich. Er spürte die heiße Mittagssonne auf seinen Augenlidern, und hörte die Menschenmenge rings um sich herum. Einen Augenblick lang blieben seine Zweifel bestehen, doch dann fühlte er wie eine angenehme Brise ihn umschloß und durch seine Kleidung fuhr. Gott war tatsächlich noch bei ihm. Er ging mit der linken Hand unter seinem Hemd, und tastete die Bombe ab, bis er den Auslöser fand. Er musste jetzt nur noch auf den Kopf drücken. Gott ist immer bei dir, hörte er seinen Meister sagen, er ist immer bei dir. Ali sprach ein letztes Gebet, erhob den Kopf zum Himmel und
Eine warme Hand ergriff mein Handgelenk ehe ich die letzten Worte eingeben konnte. Ich drehte mich um, und sah einen alten Herrn mit einem langen weißen Bart hinter mir stehen. Sein Gesichtsausdruck war ruhig. Die Augen schwarz wie die Nacht.
„Genug“, sagte der alte Herr.
Ich erhob mich vom Stuhl, und er ließ von meiner Hand ab.
„Ist schon gut, mein Sohn, ich weiß, du hast es nicht immer leicht gehabt in deinem Leben. Dein Vater ist weggegangen, als du noch sehr klein warst, Lena hat dich für einen anderen verlassen, du fürchtest dich vor dem Alleinsein, du fürchtest dich vor dem Alter und du fürchtest den Tod.“
„Wie …“
„Es ist okay, ich verstehe dich, du brauchst nicht mehr traurig sein, du kannst zu mir kommen. Es ist okay.“
„Aber, ich habe mich doch bereits gegen dich entschieden.“
Der Mann breitete die Arme aus und lächelte voller Wärme. „Mein Sohn“, sagte er immer noch strahlend, „ich bin doch für dich da.“
„Aber ich habe gesündigt, ich habe den Text trotzdem geschrieben, du hast doch gesagt …“
„Dass du in die Hölle kommst? Also bitte, glaubst du wirklich, ich könnte dir das antun? Ich liebe dich doch, Albert. Du bist bei mir sicher, ich beschütze dich, ich verspreche es dir.“
Ich machte einen Schritt nach hinten, aber er ging nach vorn, seine Arme noch ausgebreitet, die Stimme tief und klar. Er war sehr groß, an die zwei Meter.
„Komm zu mir, mein Sohn.“
Plötzlich fühlte ich mich schwach. Ich blieb stehen und schloß die Augen. Er umarmte mich und druckte meinen Kopf an seine warme Brust. Er roch angenehm nach Lebkuchen, und er fühlte sich so gut an, so sicher, so …
„Warte mal“, sagte ich. Ich löste mich aus seinem Griff. „Soll das heißen, dass ich meine Geschichte nicht veröffentlichen darf?“
Er lächelte. „Also wirklich Albert, liegt dir wirklich so viel an dieser Geschichte?“
„Ja, sehr viel sogar. Ich will sie veröffentlichen.“
Ich sah etwas hinter seinen Augen aufflackern.
„Albert, warum machst du dir das Leben so schwer?“
„Ich werde diese Geschichte veröffentlichen, Gott.“
„Dann musst du ohne mich auskommen.“
„Dann ist es eben so.“
Gottes Gesichtsausdruck änderte sich jetzt. Seine Stirn legte sich in Falten, sein Unterkiffer schob sich vor und seine Augen wurden klein und hart wie Kieselsteine.
„Du kleiner Drecksack! Dafür wirst du zahlen!“
„Fick dich, Gott, ich will dich nicht und ich brauche dich auch nicht! Ich bin mein eigener Mensch und ich bin frei! Frei zu tun und denken und schreiben, was ich will. Tschau!“
Gottes rechter Arm zischte wie ein Tentakel hervor, packte mich am Hals, und hob mich vom Boden hoch. Meine Füße schwebten frei in der Luft.
„Lass mich … los. Ich bekomm … keine Luft!“
Gottes Augen glühten plötzlich wie heiße Kohlen. „Du gehörst mir!“
„Nein!“
„Dann werde ich dich leiden lassen!“
„Hör auf!“
Ich schlug zwei Mal mit voller Wucht gegen seinen Arm, und dann ließ er mich los. Ich fiel zu Boden und stand gleich wieder auf.
Gott lehnte sich gegen meinen Schreibtisch und holte tief Luft. Er sah jetzt viel kleiner aus. Und älter. Er war ganz bleich im Gesicht.
Ich machte einen Schritt auf ihn zu.
„Was hast du vor?“, fragte er mit großen Augen, die jetzt blau waren.
Ich ballte meine Faust.
„Ich richte meinen ganzen Zorn auf dich, du alter Sack!“
„Aber … aber …“ Er lehnte sich weiter nach hinten, rutschte aus, und fiel dann zu Boden.
Ich stellte mich über ihn und sah auf ihn herab.
Er hob die Hände vors Gesicht und krümmte sich. „Bitte tu mir nichts, ich bin doch nur ein alter Mann, du wirst doch keinen alten Mann …“
Ich trat ihm mit voller Wucht in die Rippen.
Er schrie wie am Spieß. „Das tut so weh, oh bitte nicht.“
Ich trat wieder zu. Seine Schreie waren so laut, dass ich gar nichts anderes wahrnahm. Mir taten die Ohren weh. Endlich hörte er auf und sah mich an.
„Schämst du dich denn nicht? Hast du denn keine Moral? Du sollst nicht töten. Steht in der Bibel! Du kannst doch keinen alten Mann zu Tode treten!“
„Deine Moral ist zum Kotzen, ich habe meine eigene, und die ist der deinen weit überlegen.“
„Glaubst du das wirklich? Schau dich doch an. An Mord denkst du. Ich sehe es in deinen Augen. Du bist ein Mörder, ein Tier, eine Bestie! Wie kannst du nur?“
Schlagartig wurde mir klar, dass Mord wirklich die einzige Möglichkeit war. Wenn ich ihn nicht umbrachte, würde er immer wieder zurückkehren. Ich musste ihn beseitigen, ein für allemal. Ich musste Gott töten.
Ich lief in die Küche, und kehrte wenig später mit einem Steakmesser in der Hand zurück. Das war leider die gefährlichste Waffe, die ich finden konnte. Gott war gerade dabei, sich aus dem Staub zu machen. Er krabbelte zur Eingangstür hinaus.
Ich packte ihn an seinem weißen Gewand und zerrte ihn wieder ins Haus. Er war federleicht.
„Nicht so schnell...“
„Neiiiiiiiin! Lass mich!“
Jetzt weinte er.
„Bitte tu mir nichts! Bitte!“
Ich holte weit aus, das Messer funkelte über meinen Kopf, doch dann zögerte ich. Gott war kein alter Mann mehr. Er war jetzt ein kleiner Junge, vielleicht acht oder neun Jahre alt. Er hatte aschblondes Haar, eine hohe Stirn und er sah genauso wie … ich. Wie ich mit acht Jahren. Ich lag vor mir auf dem Boden.
„Bitte bringe mich nicht um“, sagte der kleine Albert. „Bitte, ich will doch nur dein Freund sein. Ich will dir nichts Böses. Ich habe Angst, so sehr Angst. Wo ist denn Mama? Und wo ist Papa. Wo ist er?“
„Ich weiß nicht, wo er ist“, sagte ich gequält. „Ich weiß es nicht.“
„Bleibst du bei mir, bis er wieder da ist? Bis ich ihn wieder sehen kann?“
Ich sah dem Jungen in die Augen. Sie waren blau. Ich hatte aber keine blauen Augen. Noch nie gehabt.
Ich ließ das Messer runtersausen und stach den kleinen Jungen mitten ins Herz. Die Klinge ging glatt durch sein Brustbein.
Er schrie auf, und plötzlich war er wieder der alte Mann. „Nein! Nein! Aber warum denn?“
Ich stach wieder zu. „Für die Kreuzzüge! Und das ist für die Hexenverbrennung! Und für Galileo! Und das für all die misshandelten Kinder! Und das für den elften September!
Das Blut spritzte in alle Richtungen, Gott schrie schon lange nicht mehr, aber ich machte weiter, stach immer wieder zu.
"Und für die Taliban! Und Bush! Und für das Kondomverbot! Und für Tieropfer. Und für Menschenopfer …"
drückte auf den Knopf. Ali starb sofort und riss 29 Kinder, Frauen und Männer mit sich in den Tod. Auch das kleine Mädchen mit der Hasenscharte starb.