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Graue Flecken
Er saß in einer dunklen Ecke, versteckt vor den Blicken anderer. Er saß dort und wartete. In den letzten Tagen war er gewachsen, groß und stark geworden. Er war bereit für die Herausforderungen, die ihn erwarteten.
Nun bot sich ihm die Chance. Die Wände verschoben sich und er sah Licht in sein Versteck hineinfallen. Dies war seine Chance, seine Zeit. Er schlich sich der Öffnung entgegen, spürte zum erstenmal seit seiner Ankunft die kühle Luft auf seinem Körper.
Er pirschte vorsichtig an den Wänden entlang, durch die nächste Tür.
Ein dunkler Flur lag vor ihm. War er aus seinem Versteck nur hervorgekommen um an einem anderen dunklen Ort zu warten? Nein. Das war er nicht. Er musste weiter voran kommen. Vor ihm eine Tür. Offen. Vorsichtig schlich er durch sie hindurch. Ein großer weißer Raum. Er sah viele graue Flecken an der Wand. Hatten hier andere seiner Art den Tod gefunden? Zerschmettert an dieser weißen, kalten Wand? Ihm schauderte. Er musste sich verstecken, sonst würde ihn womöglich das gleiche Schicksal ereilen. Hinter sich hörte er Schritte. Sie kamen näher. Ein Vorhang hing vor ihm. Er drückte sich an die Wand dahinter und nutzte den Vorhang als Sichtschutz vor dem Unbekannten, welches auf ihn zukam.
Durch die Tür hindurch schritt ein großes riesenartiges Etwas. Es sah sich kurz um. Vielleicht hatte es ihn nicht entdeckt. Er hoffte, bangte, seine Stärke war verflogen. Bewegungslos kauerte er in der Ecke und wartete auf sein Schicksal. Vielleicht hatte er wirklich Glück und konnte sich noch davonstehlen. Vielleicht. Er mobilisierte seine letzten Kräfte um zitternd zu der Tür zurückzukriechen. Ganz leise und behutsam. Doch zu spät. Dieses grausige Etwas kam wieder. Mit einer riesigen unförmigen Keule in der Hand. "Schnell vielleicht kann ich noch entkommen!", dachte er. Aus den Augenwinkeln sah er den Riesen ausholen. Die nächste Sekunde strich in Zeitlupe an ihm vorbei. Die Keule kam immer näher. Er war zu langsam. Konnte sich nicht zur Wehr setzen. Die letzte Chance zur Flucht war verstrichen. Er spürte die Keule auf seinem Kopf aufsetzen, dann Schwärze und Nichts. Sein lebloser, zerschmetterter Körper fiel herab. Auf den kalten Fußboden. Zurück blieb nur ein grauer Fleck an der Wand. Auf dem Fußboden lag sein ehemals runder, nun zerdrückter, unförmiger Körper, verstreut daneben seine acht Beine.
"Schon wieder so ein Ding" dachte der Riese. "Die geben auch nie auf."