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Grenzenlos
Grenzenlos
„Hast du Zeit für einen, der dich übers Wochenende besuchen will?“, fragte er damals am Telefon. Wir sahen uns gelegentlich; doch wir blickten uns plötzlich anders an und saugten nicht nur an Zigaretten, sondern auch an unseren Mündern.
Er hat mir mit den Bartstoppeln die Haut auf- und mit seiner Stimme das Herz angekratzt.
Seine Worte verwirrten mich. Die Hand, die leicht über meinen Oberschenkel glitt, führte bisher einen Füller, wenn er sich mit mir beschäftigte. Seit Jahren kamen die Kuverts aus der Schweiz und ich wusste vieles von ihm und doch wenig.
Wie misst man die Länge eines Wochenendes ohne Grenze von Sonne und Mond?
Er ging und kam wieder.
„Ich habe dir etwas mitgebracht, hör es dir an“, bat er mich und der Sänger sang von ein Lied, das ich nicht verstand. Es war in unserer Sprache, aber den Inhalt konnte ich nicht erfassen.
Hilflos war ich seinen irritierten Blicken ausgesetzt, während ich mich bemühte, den Text in mir aufzunehmen, zu verstehen. Verduzt gab ich zu: „Excuse, ich versteh’s nicht“.
Mein Hirn war ausgeschaltet. Kopfschüttelnd stand ich neben mir.
„Ich geh dann“, sagte er. Seine grünen Augen blickten mich fest an.
„Und komm sicher eine lange Zeit nicht wieder.“
Die LP ließ er bei mir.
Die nächsten Wochen hörte ich immer wieder dieses Lied:“ Und versteh, wenn ich geh ...“
Wir sahen uns ein halbes Jahr später.
Ich brachte ihm das Album zurück.
„Lang hab ich gebraucht.“
„Ja, aber dafür haben wir nun eine noch längere Freundschaft vor uns“, sagte er mir und küsste mich zart auf die Wange.