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Gruppentherapie

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03.10.2001
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Gruppentherapie

„So. Heute ist also auch die Katja in unserer Gruppe. Zuerst wollen wir alle gemeinsam unser neues Mitglied begrüßen! Hallo, Katja.“
„Hallo Katja!“
„Wie geht es dir? Möchtest du uns erzählen, was dir auf der Seele liegt?"
„Also ... ähm ... ich ... ich ... weiß nicht..“
Der Schweiß steht mir auf der Stirn und meine feuchten Hände versuchen, sich an dem harten Stuhl festzukrallen.
„Wollen wir Katja den Einstieg etwas leichter machen, indem wir uns mal kurz vorstellen? Ihr könnt sicher alle noch nachempfinden, wie euer erstes Mal in der Gruppe gewesen ist, nicht wahr?“
„JA!“
„Prima. Detlef, möchtest du heute den Anfang machen?“
„Also, ich bin der Detlef. Ich bin dreiundvierzig Jahre alt, geschieden und habe zwei Kinder.“
„Sehr gut, Detlef. Erzähl uns von deinem Problem.“
„Immer wenn ich eine hübsche Frau auf der Straße sehe, muß ich die Hosen fallen lassen und zwanghaft masturbieren.“ Dicke Tränen kullern über sein vernarbtes Gesicht. Kaum verständlich, mit gebrochener, wimmernder Stimme führt er sein Geständnis fort:
„Ich kann nichts dagegen tun. Aber warum müssen diese dreisten Dinger auch nackt durch die Einkaufspassagen laufen? Sie machen das, um mich zu quälen. Sie demütigen mich mit ihren schamlos nackten Brüsten und enthaarten Venushügeln.“
„Ruhig Detlef. Wir wissen alle, wie sehr du leidest. Aber wir haben schon besprochen, daß sie nicht nackt sind... “
„Ach ja?“ Seine Tränen sind versiegt und nun erreicht die purpurne Zornesröte sein Gesicht. „Sie sind nackt!“ schreit er mit fast hysterischer Stimme. „Splitterfasernackt! Meinen Sie, ich bin krank? Glauben Sie, ich bilde mir das ein?“
„Detlef, es ist alles in Ordnung. Natürlich glaube ich nicht, daß du krank bist. Aber du weißt doch, daß es völlig normal ist, daß die Frauen nackt laufen. Sie sollen uns Männern doch gefallen.“
„Aber Herr Doktor.“
„Entschuldige Linda, möchtest du etwas dazu sagen?“
„Und ob ich das will. Es ist eine Unverschämtheit, was Sie gerade von sich gegeben haben. Sie gehören also doch zu den Männern, die uns Frauen nur als Lustobjekte sehen? Masturbieren Sie auch auf der Straße?“ Ihre Stimme fängt an zu zittern. „Ich dachte, Sie wären anders. Wie können Sie mir das antun?“
„Linda, möchtest du vielleicht fortfahren? Erzähl uns doch von dir...“
„Erst müssen Sie sagen, daß Frauen nicht nackt auf der Straße laufen müssen, um euch zu gefallen. Sagen Sie, daß Detlef ein kranker Spinner ist.“
„Ach Linda, wir haben das doch schon oft in der Gruppe ausdiskutiert.“
„Sagen Sie es!“ Fest entschlossen, jetzt bockig zu sein, verschränkt Linda ihre wulstigen Arme vor Brust.
„OK, Linda. Du hast natürlich Recht. Aber wir müssen lernen, Verständnis zu zeigen. Wir können doch nicht wie Neandertaler aufeinander losgehen, nur weil jemand eine andere Meinung hat. Wir müssen Detlefs Meinung akzeptieren. Und Detlef muß unsere Meinungen akzeptieren. Was meinst du, Linda?“
„Es tut mir leid, Detlef.“
„Detlef?“
„Ich hab doch gar nichts gemacht.“
„DETLEF?“
„Mir tut es auch leid.“
„Sehr gut. Ich sehe, ihr macht Fortschritte. Doch nun stell dich doch bitte kurz vor, Linda.“
„Ich heiße Linda und bin lesbisch.“
„Phantastisch, Linda. Ist es nicht eine Wohltat, seine Fehler zu erkennen?“
„Na ja...“
„Bitte schildere uns noch etwas deutlicher dein Problem.“
„Ich stehe auf Frauen.“
„Linda, arbeite nicht gegen die Gruppe. Wie stehst du zu Männern?“
„Männer? Diese verrückten, triebgesteuerten Kreaturen? Ich hasse sie, ich verabscheue sie.“
„Hervorragend. Wieso verabscheust du sie?“
„WIeso? Dazu fallen mir eine Milliarden Gründe ein. Sind Sie sicher, daß Katja die alle hören möchte?“
„Katja, möchtest du antworten?“
„Also, ähm ... vielleicht nicht alle auf einmal?“
„OK, Linda. Versuchen wir es anders. Wie geht es deinem Mann?“
„Hoffentlich schmort er in der Hölle und läßt sich jeden Tag aufs Neue vom Teufel persönlich in den A...“
„Linda, nicht so aggressiv. Atme tief durch ... Ja, so ist es gut. Merkst du schon, wie du dich besser fühlst? Ja? Soll ich für dich fortfahren?“
Ein zustimmendes Nicken.
„Katja, Linda hatte eine sehr, sehr schwere Kindheit, die wir hier unter anderem auch aufarbeiten werden und müssen. Der Grund, weshalb sie hier ist, liegt in einem großen Fehler, den sie einmal gemacht hat. Sie hat ihre drei Brüder, ihren Vater und ihren Ehemann ... na ja, sagen wir mal ... kastriert.“
„Es war kein Fehler. Es geschah ihnen recht. Sie waren Ausgeburten der Hölle. So wie alle Männer...“
„Natürlich, Linda. Wir verstehen dich sehr gut. Nicht wahr?“
Ja!
„Fein. Oh, ich sehe, wir neigen uns dem Ende unserer kleinen Plauderstunde. Vielleicht möchte Katja uns jetzt doch von ihrem Problem erzählen. Katja, weshalb bist du hier?“

Keiner hatte gemerkt, wie ich die Pistole aus meiner Jacke zog. Nachdem der letzte Schuß verstummt war, antwortete ich leise:
„Ich hasse Gruppentherapien und besonders diese aalglatten, Verständnis heuchelnden Psychotherapeuten.“

Tja, Herr Doktor, genau so und nicht anders ist es gewesen.

Herr Doktor?

Ich bekam keine Antwort.


© Pandora (K.B.), 2001

 

dazufällt mir nur ein Wort ein....G E N I A L!!!!! Echt tierisch gut. Darf ich den Kopieren und per Mail verschicken?

 

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Meiner Meinung nach sehr gut geschriebene Satire, auch wenn (oder gerade weil) ich kurz ueber das Ende nachdenken musste. Ich waere erfreut, mehr Satiren dieser Art zu lesen.

 

da fällt mir nur ein wort ein: DANKE :-)

liebe grüße,pandora

 

Ja, so muß Satire sein.
Ich hab mich echt schlapp gelacht.

Allerdings finde ich das Ende etwas zu abgedroschen, da war ich etwas enttäuscht.

Vielleicht hätte es gereicht, ihm einen Topf Spagetthi oder Farbe oder was weiß ich über den Kopf zu gießen...hmmm...genauso abgedroschen. :(
Ach, schreib doch, was du willst. :D

Aber schreib auf jeden Fall mehr solche Geschichten und vergiß nicht, sie hier zu posten. :cool:


Gruß.....Ingrid

 

Hallo Ingrid,

freu mich, daß dir meine kleine Satire gefallen hat.
Zum Thema abgedroschen kann ich nur sagen:

Wenn Katja einfach nur die gesamte Therapiegruppe abgemurkst hätte, wär es wahrlich abgedroschen bzw. nicht sehr kreativ gewesen.
Aber daß sie die Therapierunde gekillt hat UND den Doktor, dem sie es hinterher erzählt, auch noch umbringt, macht die ganze Sache schon noch etwas kreativer, oder? ;)

So long,
Pandora

 

Aber daß sie die Therapierunde gekillt hat UND den Doktor, dem sie es hinterher erzählt, auch noch umbringt, macht die ganze Sache schon noch etwas kreativer, oder?

Okay, wenn es so da stehen würde, dann ja.
Das ist deinem Schluß, nicht mal, nachdem du erzählt hast, wie es gemeint sein soll, aber nicht zu entnehmen.
Lies noch mal nach.....objektiv.

Gruß.....Ingrid

PS: ist nicht böse gemeint, soll nur helfen.

 

Hallo Ingrid,

ich dachte eigentlich der jetzte Satz wäre klar.

Tja, Herr Doktor, genau so und nicht anders ist es gewesen.

Herr Doktor?

Ich bekam keine Antwort.


Sicher muß man darüber etwas nachdenken,(Was damit auch beabsichtigt war) aber ich denke, einen andere Schlußfolgerung läßt dieser Ausdruck doch nicht zu, oder?
Wie hast du es denn verstanden?
Ich glaube, die andern, die es gelesen haben, haben es so verstanden, wie ich es oben erklärt habe...

So long, Pandora

 

Das sie den Doc abgeknallt hat, war mir klar.
Ich kann aber nicht rauslesen, daß sie vorher noch schnell alle Mitglieder der Therapiegruppe abgeknallt hat.

Ich will das eigentlich gar nicht so extrem vertiefen. Ich finde die Geschichte doch toll, wie ich schon sagte. Hab eben rausgelesen, daß sie nur den Doc abgeknallt hat, und das war mein Kritikpunkt mit dem "abgedroschen". Wenn das nicht so ist, hab ich es eben nur falsch verstanden...kann ja mal vorkommen. :D

Gruß.....Ingrid

 

Hi Ingrid,
war ja auch net böse gemeint. Ich weiß, daß ich es "schwierig" (wenn ich das so sagen darf) ausgedrückt habe.
Aber hier nochmal ein Zitat, das eigentlich zeigen sollte, daß sie alle abgeknallt hat:

Keiner hat gemerkt, wie ich die Pistole aus meiner Jacke zog. Nachdem der letzte Schuß verstummt war, antwortete ich leise:
„Ich hasse Gruppentherapien und besonders diese aalglatten, Verständnis heuchelnden Psychotherapeuten.“
Dann erzählt sie es ja dem andern Doc irgendwann irgendwo später"Tja, Herr Doktor so und nicht anders ist es gewesen"

So long, Pandora ;)

 

Netter Text! Natürlich kann ich es nicht gut heißen, Leute abzuknallen - liebe Kinder, nicht nachmachen! - aber Satire darf bekanntlich alles.
Ist auch ganz gut und flott geschrieben und ich kann dem Typen nur zustimmen: Die Frauen sind selber schuld, wenn sie nackt rumlaufen! :D

Übrigens erinnert mich das ganze an Maxwell´s Silverhammer von den Beatles. :) Wer weiß schon, WAS verrückt ist?!?

 

Danke, Rainer ;)

Sag mal, wie hast du das Ende verstanden?

so long, pandora

 

Na, sie hat erst die ganze Therapiegruppen weggepustet, dann ist sie in ne Geschlossene gekommen und hat irgendwie den hiesigen Psychiater umgelegt. Oder liege ich damit falsch?

 

Ja genau, Rainer.
(Ob sie in der Geschlossenen gelandet ist, weiß ich nicht so genau. kann ja auch sein, daß sie straffrei davon gekommen ist. alle mögl. Zeugen sind ja tot :) )
Ich hab das auch nur gefragt, weil Itschi meinte, daß genau das, was du aus der Geschichte erkannt hast, nicht ersichtlich wäre (selbst nach meiner Erklärung nicht)
Naja, wenn du's verstanden hast, so wie's gemeint war, bin ich zu frieden.
Werd dieses erfreuliche Ereignis gleich Montag morgen meinem Psychater berichten :messer: hehe

so long, Pandora

 

Tja, da kann ich mich meinen Vorgängern nur anschließen: DAS ist Satire! Sie ist gut geschrieben, an keiner Stelle lanweilig und ich konnte mich an vielen Stellen halb totlachen.

Etwas schade fand ich allerdings, dass sich nicht noch ein weiterer Charakter vorstellen konnte. Z.B. einer mit Paranoia vor seinen Schuhen...

Nun denn, es sollte nicht sein. Dennoch: *lob, lob, lob*

Gruß, Gin

[Beitrag editiert von: Gina am 22.01.2002 um 16:47]

 

hmm, noch eine schaurig-schöne (und diesmla sogar lustige) story von pandora ....... (und endlich schaffe ich es mal von meinem heim PC ins netz zuu gehen und diese kritik zu veröffentlichen *g*)

an sich eine schöne geschichte, deren kritik mir, wegen des ungewöhnlichen Genre's vielleicht etwas schwerer fällt. Aber ich werds versuchen und (wie immer) mein bestes geben.

Also, ich bin der Detlef. Ich bin 43 Jahre alt, geschieden ...

*gg* Nimms mir nich übel, aber warum müssen solche Charaktere immer Detlef heißen? Es ist ein seltsames Klischee, das mir (euch vielleicht nicht) schon öfter begegnet ist. Immer, wenn es um Deppen geht, heissen sie Detlef.

Dicke Tränen kullern über sein vernarbtes Gesicht.

Hehe, hast du schonmal darüber nachgedacht auch mal was für die rubrik "Kinder" zu schreiben?
Tatsächlich scheint es auf dem zweiten Blick doch reinzupassen. Schließlich verkörpert Detlef (für mich) ein unschuldiges Kind, das einfach nicht begreift, das es etwas falsch gemacht hat. Er denkt nicht wie ein erwachsener Mensch, sondern ...... eben wie ein Kind (wenn man mal von dem masturbieren absieht ;-)

„Detlef, es ist alles in Ordnung. Natürlich glaube ich nicht, daß du krank bist. Aber ..." ....... „Linda, möchtest du vielleicht fortfahren? Erzähl uns doch von dir...“

ein sehr schönes und vor allem kein künstlich wirkendes beispiel, wie dieser Therapeut (auch allgemein gesehen) vorgeht, was ja schließlich ausschlaggebend für das ende der story ist.
hat mir gut gefallen ...

[QUOTE Tja, Herr Doktor, genau so und nicht anders ist es gewesen.

Herr Doktor?

Ich bekam keine Antwort. [/QUOTE]

Ein interessantes ende. Vor allem, weil nicht auf Anhieb klar wird, was es bedeutet. Ich habe es erst beim zweiten, genaueren lesen verstanden. Aber das beste an diesem Ende für mich ist zweifelos, das erst der letzte Satz die Geschichte vollständig auflöst und erklärt.


Schlussendlich halte ich diese Story für mehr als gelungen (auch wenn ich mich normalerweise aus diesem Genre fernhalte ;-). Vor allem die Dialoge sind genial und fehlerfrei (ich konnte jedenfalls keine entdecken) aufgebaut. Wie ich bereits bei "Wiedersehen" (denke ich) erwähnt habe, ist dein Stil ...... ungewöhnlich. das betrifft nicht nur die Art, wie du die Story's schreibst, sondern auch der Inhalt. Mir gefällt es.

Ich hoffe, du kannst was damit anfangen,

machs jut,

The Angellus

PS: Ich übernehme keine verantwortung für eventuelle (häufiger vorkommende) rechtschreibgrausamkeiten ;-)!

 

Hi Angellus,
erstmal danke für deine positive Kritik :)
Hier meine Stellungnahme:

*gg* Nimms mir nich übel, aber warum müssen solche Charaktere immer Detlef heißen? Es ist ein seltsames Klischee, das mir (euch vielleicht nicht) schon öfter begegnet ist. Immer, wenn es um Deppen geht, heissen sie Detlef.

Es ist ein gängiges Klischee. Ohne Frage. Doch die Geschichte lebt von Klischees. Darum geht es schließlich. :D

Ich freue mich, dass dir meine kleine Satire gefallen hat.

Liebe Grüße, Pan

 

Hallo Pandora!

Auch ich habe mir deine Satire mal zu Gemüte geführt und muss ebenfalls gestehen, großen Gefallen daran gefunden zu haben.
Die Geschichte bzw. die Dialoge sind recht flott geschrieben und man kann sich dann und wann ein Schmunzeln kaum unterdrücken.
:thumbsup: :engel: :thumbsup:

Nichtsdestotroz sind meinen Adleraugen zwei potentielle Mängel aufgefallen:

Ihr könnt sicher alle noch nachempfinden, wie euer erstes Mal in der Gruppe, nicht wahr?“
Selbstredend gibt es zwei Möglichkeiten, die Teilkonstruktion des Satzes aufzufassen:
Entweder als Vergleich oder als Rückblende.
Als Vergleich ist e sicherlich richtig geschrieben, doch als Rückblende bedarf es noch des Hilfsverben "war" bzw. "gewesen ist".
Aufgrund des Satzbeginns "...sicher noch nachempfinden..." tendiere ich für die zweite Alternative.
Ich bin Linda und lesbisch
Hier liest es sich ebenfalls etwas merkwürdig ohne das Hilfsverb, "Ich bin Linda und bin lesbisch" klingt gewohnter. Ist aber wahrscheinlich nur Empfindungssache. :)

So, nachdem soviel auf dem Schluss rumgeritten wurde, teile ich dir mal meine Ansicht mit:
Mir ist es durchaus bewusst geworden, dass die Katja die ganze "Gruppentherapie-Geschichte" einem weiteren Arzt erzählt hat, jedoch neigte ich dazu zu glauben, der Arzt hätte Selbstmord begangen, weil der letzte Satz "Ich bekam nie eine Antwort" doch irgendwie irreführt... :eek: ... ohne den wäre es vielleicht logischer. :engel:


Hendek

[Beitrag editiert von: Hendek am 18.02.2002 um 15:51]

 

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