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Habe ich dir schon von Hannibal erzählt
Hannibal ist ein Schmetterling. Er saß grad eben noch neben mir. Im Schatten meiner Schuhe ruhte er sich aus.
Von was er sich ausruhen muss, fragte ich ihn.
„Oh, hallo. Guten Tag.“ Er drehte sich zu mir um.
„Ach, weißt du, die Reise war lang und ich habe noch ein gutes Stückchen vor mir und heute ist so, so warm.“
„Wo soll es denn hingehen?“ fragte ich ihn. Ich wunderte mich nicht, dass ein Schmetterling sprechen konnte. Alle Tiere können sprechen, es ist nur an dem Menschen, die Tiere zu verstehen. Ich habe nie verlernt, die Sprache der Tiere zu verstehen.
Alle Kinder sprechen die Sprache der Tiere.
Nein, ich bin kein Kind mehr, aber ich habe es eben nie verlernt ein Kind zu sein. Es ist ganz nützlich, eben nicht verlernt zu haben, ein Kind zu sein und die Sprache der Tiere zu verstehen, wenn man sich z.B. mit einem Schmetterling unterhalten will.
Hannibal, so hieß der Schmetterling, wusste nicht so recht, was er mir antworten sollte auf meine Frage nach seinem Ziel.
„Erst wenn ich angekommen bin, weiß ich, dass es mein Ziel ist. Nicht das Ziel muss unbedingt das Ziel sein, sondern eher der Weg dorthin ist das Ziel.“
Er schaute mich kurz entschuldigend an, hüpfte zum Wasser, trank einen Schluck und flog zurück in den Schatten meiner Schuhe.
„Hach, ich hatte so einen großen Durst.
Ja, ja so ist das immer. Unsereins weiß nie wohin die Reise geht. Erst am Ziel ist uns klar, welche Erfüllung wir haben.“
Ich war sehr erstaunt, dass Schmetterlinge eine Erfüllung haben sollen. Hannibal seufzte fast vorwurfsvoll.
„Ihr großen Menschen wisst auch gar nichts.“ Er schüttelte sein kleines Köpfchen.
„Unsere Bestimmung ist es die Wünsche der Menschen zu erfüllen. Das weiß doch jedes Kind. Dies ist der Sinn unseres Seins.“
Ich fand, dass es keine gute Idee von der Natur ist, das Schmetterlinge zu Boten unserer Wünschen gemacht wurden. Hannibal seufzte erneut.
„Du bist ein ganz besonders dummes Exemplar der großen Menschen. Da fragt man sich als Schmetterling, warum macht man sich für solch Einfälldigkeiten so eine Mühe. Nun gut, ich will es dir erklären, du kannst es ja schließlich nicht besser wissen.“
Hannibal holte tief Luft und man merkte, das es wichtig wurde.
„Wir Schmetterlinge sind nicht für jeden x-beliebigen Wunsch zuständig, sondern für den Wunsch aller Wünsche einer ganz bestimmten Person. Jeder Schmetterling hat für eine Person den Wunsch aller Wünsche zu erfüllen.“
Ich fragte ihn, welchen Wunsch aller Wünsche er denn mir erfüllen würde.
„Nein, nein ich bin nicht für dich zuständig, ich mache hier bei dir nur ein Päuschen. Zu dir wird ein anderer Schmetterling kommen. Wie schon gesagt jeder Schmetterling ist für eine bestimmte Person zuständig. Du würdest nur unglücklich werden mit diesem Wunsch, den ich zu bringen habe, denn er ist nicht für dich bestimmt.“ Das schien mir recht einleuchtend. Hannibal fuhr fort. „Wünsche sind wie Glück. Jeder Mensch hat sein individuelles Glück, genau wie seine individuellen Wünsche. Für den größten Wunsch aller Wünsche sind wir Schmetterlinge eben zuständig. Das Glück eines anderen passt genau so wenig zu dir, wie deine Wünsche einen anderen glücklich machen würden.“
Ein fremdes Glück würde mich unglücklich machen. Da es nicht für mich bestimmt ist.
Mir wurde langsam klar, warum die Natur es so eingerichtet hat, das ausgerechnet solche wunderbaren Geschöpfe, wie die Schmetterlinge für die Wünsche der Menschen zuständig sein sollen. Das Glück kommt wie ein Schmetterling.
„Gehe sacht und behutsam damit um, und du wirst es bei dir halten können.“ sagte Hannibal.
Ich dachte noch darüber nach, was mir Hannibal erzählt hat, als er sich schon lange wieder auf seinen Weg weiter gemacht hat.
„Oft wissen die Menschen gar nicht, was ihr größter Wunsch ist und die meisten wissen es gar nicht zu schätzen, das sie glücklich sind, das es ihnen gut geht.“
Da musste ich Hannibal Recht geben, erst wenn man unglücklich ist, traurig ist, weiß man, wie wertvoll schöne Zeiten sind und sehnt sich nach ihnen.
Zu wenig Menschen schätzen das, was sie haben.
Mir ging ständig durch den Kopf, ob ich denn meinen größten Wunsch erkennen würde. Man denkt ja eigentlich über so etwas gar nicht nach, wenn man glücklich und zufrieden ist oder man trifft einen Schmetterling.