Was ist neu

Hades

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25.10.2006
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Hades

Du bist gefangen. Einsam und allein im Dunkeln und der Kälte. Dir zittern die Gliedmaßen, dein Körper friert, genau wie deine Seele. Alles um dich herum wirkt wie der tiefste Abgrund der Hölle.
Tränen wollen deine Wange herunterlaufen, Trauer breitet sich aus, du willst weinen, doch du kannst nicht weinen. Du kennst es auch nicht mehr anders. Die Verzweiflung hast du hinter dir gelassen, genau wie die Hoffnung auf ein Leben, das dir nie zu Teil wurde.
Du weißt, wer dir das angetan hat. Du weißt, wer dich deiner Mutter entrissen hat.
Doch was hast du ihnen schon entgegenzubringen? Du bist nur ein kleines Kind.

Früher hattest du noch Hoffnung, vielleicht irgendwann zu entkommen. Doch dann hast du wieder ihre Gesichter und ihre Augen gesehen...
Und du hast geschrien. Ein schrilles, entsetzliches und zugleich erbärmliches Kreischen zusammen mit einem Heulen. Es klang so jämmerlich, dass keine Seele auf Erden es hätte fertig bringen können, diesem Geschöpf nur ein einziges Leid anzutun.
Doch sie haben keine Seele. Und wer keine Seele hat, hat auch kein Mitleid. Und deswegen weißt du, dass sie dich nicht verschonen werden. Und niemanden wird es interessieren. Niemand wird da sein, um dich vor den Monstern zu retten. Niemand wird deine Schreie, dein Kreischen und dein Heulen hören. Sie werden sich daran erfreuen.

Der Boden ist feucht. Der Raum, in dem sie dich gefangen halten, ist erfüllt von einem beißendem Gestank, der deine Sinne benebelt. Du glaubst, du würdest dich daran gewöhnen? Doch dieser Gestank ist so intensiv, dass du ihn schon auf deiner Haut spüren kannst.

Wie lange bist du schon hier? Tage? Wochen? Monate? Ist das nicht auch egal?
Dein Atem geht schwer. Eine schleimige Flüssigkeit läuft ununterbrochen aus deiner Nase. Deine Kräfte schwinden und du kannst dich kaum noch auf den Beinen halten. Nur dein Ekel vor dem Fußboden, lässt dich nicht zusammenbrechen.
Noch nicht!

Was hast du nur getan? Welches Verbrechen hast du begangen? Warst du nicht immer gut zu allen gewesen? Hast du deine Mutter zu wenig geliebt?
Oh, deine Mutter. Du wärst jetzt so gerne bei ihr. Du würdest deine Qualen verdoppeln lassen, wenn du sie nur noch ein einziges Mal sehen könntest. Du würdest den Hades immer und immer wieder durchqueren, um sie zu spüren, ihre Wärme in deinen Körper aufzunehmen und dich von ihr trösten zu lassen.
Und dann erinnerst du dich an die Gesichter und die Augen der Dämonen und du weißt, dass sie dir diesen Gefallen nie wieder erlauben werden.

Du bist müde. Du willst schlafen, aber du willst dich auch nicht setzen. Denn der Gestank wird umso intensiver, desto näher du dich dem Boden näherst.
Und dann hörst du sie.
Das Klopfen ihrer Schritte auf dem Boden dringt von Weitem her und wird lauter. Sie nähern sich unaufhaltsam. Dein Herz fängt wieder wie wild an zu pochen. Du hoffst erneut – so wie hunderte Male zuvor -, dass sie dich nicht mitnehmen mögen. Auch wenn deine Zelle der schlimmste Ort auf Erden ist, du möchtest lieber hier bleiben. Du weißt, da wo sie dich hinbringen, ist es noch viel schlimmer.
Ein Kichern. Ein Klang, der ihre Freude an dem, was sie mit dir vorhaben, vorwegnimmt. Und als das rasselnde Geräusch des Schlüssels an dein Ohr dringt, gerätst du in Panik. Du verkriechst dich in die hinterste Ecke deiner Zelle. Als ob dich das vor ihnen retten könnte.
Als die Tür geöffnet wird und die ersten Rufe dieser Kreaturen laut werden, beginnst du zu schreien und um Hilfe zu rufen. Sie haben dich gesehen und sie packen dich. Sie legen dir eine Leine um den Hals. Du wehrst dich, doch die Monster sind stärker.
Noch immer frisst sich der Gestank in deine Nasenhöhlen. Doch das nimmst du schon gar nicht mehr wahr. Die Luft bleibt dir weg, als sie beginnen, heftig an der Leine zu zerren, um dich aus dem Raum zu ziehen. Der Schmerz in deinem Hals brennt entsetzlich, fast so entsetzlich, wie das Licht, das von der Deckenbeleuchtung der Halle in deine Augen sticht.
Du denkst noch einmal an deine Mutter. Du versuchst dich an ihre wohlklingende Stimme zu erinnern, die dich stets beruhigt hat, ihre Wärme, die dir ein Gefühl der Geborgenheit gegeben hat.

Und du weißt, du kannst dich noch so gut gegen sie wehren, sie werden dich nicht mehr in deine Zelle lassen. Du bist ihnen hilflos ausgeliefert. Ihrem Brüllen und Jubeln, ihren Mäulern und Zähnen, an denen der Speichel heruntertropft.
Ihren Messern.

Dein Kreischen bestärkt sie nur noch. Sie werden dir die Kehle aufschneiden, um dein Blut aus dir herauslaufen zu lassen. Und dann werden sie dich zerstückeln, selbst wenn du dann noch leben solltest. Und am Ende werden sie dich fressen.
Denn du bist ein Kalb.
Geboren, um deiner Mutter entrissen zu werden. Gelebt, um gefangen zu sein und um geschlachtet zu werden. Und du stirbst, damit andere ihren Hunger stillen können.

Doch hast du nicht auch die Möglichkeit, dich zur Wehr zu setzen, damit andere dein Schicksal nicht teilen müssen?
Genau das ist es.
Alles, was dir noch bleibt, ist ein Akt der Rache. Sie werden leiden, genau wie du leiden musstest.
Sie haben dir etwas gegeben, was sie wieder zurückbekommen werden. Und sie sollen es schlucken, wie du die stinkende Luft schlucken musstest.
Deine Krankheiten.

 

Oh Mann, Bantam. Was ist das???
Achtung: Jetzt kommt eine wirklich rein subjektive Meinung (okay, das sind ja alle hier ;))

Mir sträuben sich die nicht vorhandenen Nackenhaaren bei Geschichten, die aus der Sicht eines nichtmenschlichen Wesens erzählt werden (außer es ist ein Dämon, ein Vampir, ein Geist, ein Zombie ...).

Tut mir echt leid, aber das war absolut nicht mein Fall, da denk ich doch lieber mit Freuden an deine "Nachbarschaftsgeschichte" zurück :D

Hier noch was Kleines:

Denn der Gestank wird umso intensiver, desto näher du dich dem Boden näherst.
Ich glaube, es muss heißen: ..., je näher du ...

Auf ein Neues! Salem

 

Hallo Bantam,

Nein, für mich war's leider auch nichts. Schlecht geschrieben ist die Geschichte nicht, aber die Pointe (du bist ein Kalb!), über die die Geschichte nur funktionieren kann, finde ich ziemlich schlapp. Erst mal ist sie nicht ganz neu - okay, das ist nicht das Problem, aber: Der Leser wird, was die Perspektive, aus der die Geschichte geschrieben ist, anbetrifft, doch ein wenig zu vorsätzlich getäuscht. Die Gedanken, dieses ganze Reflektieren über die eigene Situation, das ist zu menschentypisch, als dass ich hinterher noch glauben könnte, dass alles bisherige aus Kalbs-Perspektive geschrieben wurde.
(Na gut, die Geschichte steht in der zweiten Person, aber trotzdem spiegeln die dem Kalb gestellten Fragen ja offenkundig seine Gedanken wieder.)
Na ja, wie gesagt, gefiel mir nicht besonders.


Gruß,
Abdul

 

Hallo Leute und Danke für eure Antworten,

es freut mich, dass ihr so ehrlich seid. Die Geschichte war mehr ein Experiment, genau wie die Nachbarschaftsgeschichte eigentlich nur ein Experiment war, Häferl ;) . Tja, manchmal klappt es, manchmal nicht. Und ich wollte nur mal sehen, was ihr davon haltet.

OK, OK, ich werde euch nicht weiter mit solchen Einschüben belästigen. Aber hier meine Einwände:

Die Gedanken, dieses ganze Reflektieren über die eigene Situation, das ist zu menschentypisch
Das ist eigentlich das, worum es mir ging:
Wer weiß denn schon, wie ein Tier denkt? Sicherlich nicht in Worten, stimmt´s? Aber wenn man die Gedanken eines Tieres in Worte aufschlüsseln könnte, wie würde das wohl aussehen? Es ist unsere arrogante Ansicht als Mensch, zu glauben, wir wären die einzigen Geschöpfe auf Erden, die so denken und empfinden können, wie wir es tun.
Wie kann sich zum Beispiel ein saufender, gröhlender, sich prügelnder Fußballfan dazu erdreisten, zu glauben, er sei etwas besseres, als zum Beispiel ein Blauwal?

Naja, wie dem auch sei. Freut mich, dass ihr es gelesen habt, auch wenn ihr keinen Gefallen daran finden konntet. ;)

Gruß
Bantam

 

Hey Bantam,
ich dachte erst, diese ganze Kalb-Metaphorik wäre einfach eine Allegorie für die Einsamkeit des Verdammten.
Bis mir jetzt durch deine Antwort klar wurde, dass es wirklich ein Kalb ist. (Wodurch der Schlußsatz dann auch Sinn ergibt, bei der Verdammten-Nummer war der total komisch, ich dachte an sowas wie, dass ein Mensch die Dämonen mit der Grippe oder Aids ansteckt wie in Krieg der Welten oder an eine Massenvergewaltigung eines Aids-Kranken im Knast). Aber öhm, na gut, wenn du meinst es ist ein Kalb. Dann ist die Geschichte absoluter Unsinn, denn ein Kalb kann sicherlich nicht mit einem Begriff wie "Hades" aufwarten. Und das alles. Außerdem erzeugt so eine "April, april, doch alles ganz anders"-Pointe immer das Ärgernis: Ich hab mir die ganze Zeit sowas schönes vorgestellt und jetzt sagst du: Neeeeeeeeeeeeeeee, ist ein Kalb! Ich wollte nur mal politisch korrekt Bewusstsein schaffen. Na, danke.

Wenn wir mal annehmen, es wäre wirklich ein "Verdammter", dann hätte ich dir Sätze wie "Alles um dich herum wirkt wie der tiefste Abgrund der Hölle. " um die Ohren gehauen.
Übersetzt heißt das soviel wie: "Stell dir bitte das Schlimmste vor, was du dir vorstellen kannst, genau so sieht es da aus und jetzt ekel dich, ekel dich sehr!" Ganz billiger Trick.

Und die Pointe klappt ja auch nur, wenn wir annehmen (davon geht der Text aus, dass das Tier wie ein Mensch denkt). Ist wie mit Sixth Sense, die Pointe funktioniert nur, weil der Zuschauer davon ausgeht, dass wir NUR die spannende Momente im Leben des Psychiaters sehen - weil wir das so von allen Filmen gewohnt sind. In Sixth Sense ist es aber so, dass wir ALLES im Leben des Psychiaters sehen, es sagt uns nur keiner und ihm selbst fällt es auch nicht auf.
... Okay, hat jetzt nichts mit deiner Geschichte zu tun, lag mir aber auf der Seele. ;)

Die Botschaft des Textes und die Vermenschlichung und ver-du-isierung des Textes in allen Ehren, ich versteh auch durchaus wie du das vorhattest und alles. Aber es wirkt in dieser Form eher wie ein Peta-Werbespot als ein literarischer Text. Propaganda eben, auch wenn es für eine gute Sache ist.
Wie sagt man so schön? Das Gegenteil von "gut gemacht" ist bis in alle Ewigkeit "gut gemeint".

Gruß
Quinn

 

Hallo Bantam,

vielleicht finde ich den Text besser als die anderen, weil ich selbst Vegetarierin bin und mir wünsche, dass der reale Horror, den du hier beschreibst, mehr Menschen bewusst gemacht wird ... jedenfalls finde ich ihn gelungen.
Der Vorwurf der Vermenschlichung des Tieres greift meiner Meinung nach auch nicht, weil der Text nicht aus der Ich-Perspektive oder in der dritten Person erzählt wird, sondern das Kalb als "du" angesprochen wird - dadurch wird eigentlich klar, dass hier ein (menschlicher) Beobachter versucht, die Gefühle dieses Tieres zu beschreiben. Dieser Beobachter darf also Worte wie "Hades" benutzen, die in der Erfahrungswelt des Tieres keine Rolle spielen, aber aus menschlicher Perspektive ein Bild für seine Situation sein können. Er darf auch den Gedanken formulieren, dass die Krankheiten des Kalbs dessen Rache an seinen Peinigern sind - obwohl dieser Gedanke dem Tier selbst sicher nie kommen würde, denn selbst wenn es merkt, dass es krank ist, wird es bestimmt nicht wissen, dass diese Krankheiten übertragbar sind.
Ich hätte den Text allerdings nicht unbedingt in Horror, sondern eher in Gesellschaft gestellt - andererseits funktioniert die Pointe natürlich besser, wenn man im Glauben, eine Geschichte über einen Verdammten (Menschen) zu lesen, an den Text herangeht.

Grüße von Perdita

 

Hey Bantan,

Deine Geschichte fängt sehr gut an, denn man wird sofort hinein geschmissen und die Spannung wird nach und nach gut aufgebaut.
Man fragt sich, wie dies passiert ist und wie es jetzt nun weiter gehen soll.
Doch als das wird zu nichte gemacht, als man den kleinen Satz "Denn du bist ein Kalb" liest.
Die Geschichte hätte echt gut werden können, wenn du nicht diesen kleinen Satz geschrieben hättest.
Es ist eine Sache, die niemanden Interessiert, ausser du bist ein Vegetarier oder Veganer.
Bei nächsten mal lass Geschichten, die sich mit Tieren oder so befassen. Dadurch wird jede Story mehr als nur schlecht.
Sie wird total Miserabel.
Dies kannst du als Wachrüttler und als kleinen Tipp sehen.

Grüße vone Jennifer

 

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