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Hannah

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17.04.2006
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Hannah

Wie seltsam ist doch die Liebe! Norbert hatte es jetzt gelernt. Mit langsamen Schritten ging er die abendliche Straße hinunter; und mit einer Freude und Genugtuung schaute er nach links und rechts, auf die kleinen und großen Geschäfte, die Menschen, an denen er vorbeiging, und ein Lied war auf seinen Lippen.
Die Antwort des Mädchens war ein „vielleicht“ gewesen, aber das kümmerte ihn jetzt wenig. Es hatte ihn viel Mut gekostet, sie zu fragen, und er feierte es wie einen Sieg. Er wusste noch nicht viel über die Liebe, und es war ihm nicht klar, dass dieses "vielleicht" möglicherweise auch ein "nein" sein könnte, und er dachte auch jetzt nicht daran, dass er sich darüber hinaus nicht mit dem Mädchen treffen könnte; jedenfalls nicht, wenn die Eltern es wissen sollten. Doch wozu sollte er sich darüber Gedanken machen? An diesem Abend lebte sein Herz, und er hatte ein solch volles und warmes Gefühl der Liebe noch nie verspürt, so dass er es sich jetzt um jeden Preis erhalten wollte.
Es war schon elf Uhr, und seine Eltern würden seit Stunden zuhause auf ihn warten. Doch er versperrte sich dem Gedanken an sie, denn er war überzeugt ein Recht auf diesen glücklichen Augenblick zu haben, einen Moment, ein Gefühl, welches ihm seine Eltern aberkannten. Heute fühlte er sich stark genug, das zu ergreifen, was seit Jahren schon ihm gehört hatte.

Er hatte sich lange gefragte, in welches Café er sie einladen würde. Seit siebzehn Jahren - dies war sein Alter - lebte er in dieser Stadt, doch von den Cafés wusste er nicht viel; er hatte höchstens den einen oder anderen exotischen Namen von seinen Schulkameraden aufgeschnappt. Ganz anders war das Leben, das ihn zu Hause erwartete. Der Vater verlangte stets ein gewissenhaftes Studium der Fächer in der Schule von ihm, und dies musste Vorrang vor allem haben. Er ließ Norbert wenig Zeit zur Erholung, und merkte er, dass seine Ergebnisse sich verschlechterten, so schlug er den Jungen und demütigte ihn auf eine solche Weise, dass Norberts Angst vor dem Scheitern noch größer wurde als sein Ekel vor der ganztägigen Schularbeit. Die Mutter fürchtete viel um ihren Sohn und verstand seine Situation, doch sie wagte es nicht, die Erziehung des Vaters anzuzweifeln, so dass sie zu Norbert immer streng und unnachgiebig war, obwohl es sie oftmals große Überwindung kostete.
Seit Jahren dichtete Norbert Verse, in denen er seinem Leiden Ausdruck verlieh. Dies war die einzige Beschäftigung, die ganz ihm gehörte; eine Beschäftigung, von der weder die Eltern noch irgendjemand anderes wussten und ihn deshalb bestrafen oder demütigen konnten. Er schrieb nur, wenn die Eltern nicht zuhause waren, und versteckte seine Gedichte sorgfältig zwischen den Seiten verschiedener Schulhefte. Auch versuchte er gelegentlich, abzuwarten, bis seine Eltern sich schlafen legten, um dann mit dem Schreiben zu beginnen, doch er musste ständig befürchten, dass sein Vater im nächsten Augenblick in sein Zimmer fallen könnte, um ihn zu kontrollieren, und so sein kleines Geheimnis erkennen und zerreißen würde.

Doch von alldem war er jetzt weit weg. Ziellos und glücklich und etwas nachdenklich ging er durch die Straßen, während er immer noch in dem Gefühl forschte, das die wenigen Worte des Mädchens hinterlassen hatten. An jeder Kreuzung entschied er spontan, wohin er ging, und sein Weg führte ihn immer wieder über Straßen, die ihm unbekannt waren, bis er wieder Vertrautes sah. Er war schon recht Weit von dem Stadtteil seines Elternhauses entfernt, und die Orte, die er sah, waren ihm fast alle völlig fremd. Die Häuser in dieser Gegend waren recht schäbige und einfache, meist blockförmige Gebilde, und die Wohnungen waren klein und lagen dicht bei einander. Der Verputz war auf den Fassaden häufig schon abgefallen und offenbarte die Struktur von Backsteinziegeln. Bei einigen Häusern waren die Eingangstüren beschädigt, und Norbert wunderte sich ein wenig, warum die Leute vor Einbrechern keine Angst hätten.
Hinter den Fenstern gingen oft Schatten und Umrisse von bewegten Figuren hin und her. Oft vernahm er ein Brüllen oder einen heiseren Ruf, und wenn er Gesprächsfetzen hörte, verstand er meist nicht, denn sie waren in einer Fremdsprache. Die Menschen auf der Straße grüßten ihn nicht; manchmal murrten sie irgendetwas in kehligen Lauten, und mit ängstlichen und gierigen Augen schauten sie den Jungen an.
Die Straße war schmal und etwas uneben, und obwohl hier nur selten ein Auto vorbeifuhr, war es auf der Straße ungewöhnlich laut. Geräusche aus den Wohnungen und den Fluren drangen auf die Straße, irgendwo schlug Wasser auf eine widerhallende, metallische Oberfläche auf. Der rohe Klang von großen Motoren, wo sich Eisen an Eisen rieb und schlug, zog durch die Straße, und er musste an eine verdreckte, harte Oberfläche denken, die man mit einem scharfen Gegenstand abfuhr. Eine Eisenbahn schlug in der Nähe in strenger Regelmäßigkeit gegen die Gleise, und das scharfe Bremsgeräusch übertönte das Lärmchaos der Straße noch einmal bei Weitem; trieb es gewissermaßen zum Höhepunkt, und ein Schütteln fuhr durch den Jungen.

Zwischen zwei Häusern fiel Norbert ein kleiner Weg auf, der scheinbar zu einer größeren Straße führte, denn dahinter sah er von weitem einige hellere Straßenlampen und glaubte sogar, Bug und Heck von einigen Autos zu erkennen, welche verstreut und entgegen dem Verlauf der Straße zu stehen schienen. Als er den Weg fast beendet hatte und die Straße bereits in größerem Winkel sehen konnte, fiel ihm eine junge Frau auf, die in seine Richtung zu laufen schien. Zwei dickere Verfolger in dunkelgrauen Anzügen rannten ihr nach, so schnell sie konnten, und ein dritter stieg gerade aus einem der Autos aus. Der vordere schrie ihr irgendetwas hinterher, doch alle drei hatten beim Laufen gewisse Schwierigkeiten, mit der jungen Frau mitzuhalten. Nach wenigen Metern begann der hintere Verfolger - er schien der Anführer zu sein - hektisch in der linken Tasche seines Anzugs zu stochern, bis er ein Tuch herausriss und sich mit zitternder Hand den Schweiß vom Gesicht abtupfte. Dann warf er das Tuch auf die Straße und holte, wieder mit Mühe, Waffe heraus. Während die junge Frau Norbert immer näher kam, wurden das Trampeln der drei Verfolger und ihr schweres und gieriges Atmen lauter und hektischer. Nun konnte er auch ihre Gesichter erkennen; die weit offenen Münder, mit denen sie unter heftig auf und ab bebender Brust nach Luft rangen, und die weit offenen Augen, die unter der Anstrengung zu platzen schienen und doch auf eine hartnäckige Art und Weise auf ihr junges und flinkes Ziel gerichtet waren.
Während er all dies beobachtete, merkte er kaum, dass er den Weg weiter gegangen war, bis er schließlich an sein Ende gelangte. Als er den Weg zwischen den Häusern verlassen hatte, trat er ins Licht einer nahen Laterne. Er wurde stark geblendet und erschrak etwas, worauf sein Gesicht schnell wegdrehte er einen Arm hochzog, um sich vor der starken Lampe zu schützen. Dann hörte er den Aufschrei der Frau, und als er seinen Blick wieder auf sie wendete, sah er, dass sie eingeknickt war und schon fast direkt vor ihm stand. Dann stolperte sie, fiel auf ihre Knie und schlug mit ihrer Schulter genau gegen die Kante eines der Häuser, zwischen denen der Weg führte, den Norbert gekommen war. Laut und schrill schrie sie auf, dann verzog sie ihr Gesicht vor Schmerzen. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder aufrichten konnte, worauf sie hinkend und in etwas gebückt Haltung ihre Flucht fortsetzte. Kurze Zeit später sah Norbert, wie sie in eine andere Nische einbog, während die Verfolger sie schon bis auf einige Meter eingeholt hatten.

„Und weiter?“, drängte der Polizist. Norbert kämpfte gegen die Tränen an. Er war vorher noch nie auf einem Polizeirevier gewesen. In einem kleinen Raum saß er dem Polizisten gegenüber, während ein anderer das Gespräch protokollierte. Eine helle Lampe, die mit einer dicken Schnur an der Decke befestigt war, schwang langsam hin und her und beleuchtete kahle Wände, die von einer grauen oder blassbläulichen Farbe in breite, schwarze Schatten ausblendeten. Die Luft war stickig, und der Geruch von Verrauchtem lag in der Luft, obwohl sich die Beamten verkniffen hatten, in Gegenwart des Jungen zu rauchen. Gelegentlich ging die Eingangstür des Raumes auf und zu, wenn irgendwelche Beamte Fragen stellten oder um irgendeine Befugnis baten, und Norbert genoss den kühlen Luftzug, der dann für einen Moment den Raum durchströmte.
Der Polizist knüpfte seine Manschetten auf und schob die Ärmel ein wenig zum Ellenbogen hin. Jede Bewegung des Polizisten war für Norbert wie ein Urteil. Er saß in einer gebückten Haltung, und sein ängstlicher Blick fuhr vom Polizisten über die kahle Wand des Raumes bis hin zum Notar, der im Schatten saß und dessen Blick Norbert nicht sehen konnte. Dieser schlug in strenger Regelmäßigkeit gegen die Tasten der Schreibmaschine, um Norberts letzten Worte festzuhalten.
Der Polizist fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und rieb sich die Augen, worauf er sich kurz in seinem Stuhl zurücklehnte, um die Beine zu lockern. Dann stützte er sich mit den Ellenbogen auf den Tisch, faltete die Hände, schaute Norbert direkt ins Gesicht und sagte: „Bitte, mach weiter.“
Norbert schluckte. „Sie stand wieder auf, und versuchte wegzulaufen. Sie liefen ihr hinterher. Dann verlor ich sie aus dem Blick, und kurz darauf hörte ich zwei Schüsse. Ich habe mich sehr erschrocken, und bin sofort weggelaufen. Ich lief in eines der Häuser, und vom Treppenhaus konnte ich dort aus dem Fenster sehen, wie die Männer zu ihren Autos zurückgingen und dann wegfuhren. Dann ging ich wieder raus und suchte sie. Da war überall Blut, sie lag mit dem Gesicht in der Erde-„ Dann senkte Norbert seinen Kopf und begann, zu schluchzen. Der Polizist stand auf, und reichte Norbert ein Taschentuch. Dann legte er seine Hand auf den Rücken des Jungen und klopfte ihm sanft auf die Schulter. „Ist schon gut. Du hast genug getan. Komm, ich fahre dich jetzt nach Hause.“

„Was zum Teufel hast du dort mitten in der Nacht gemacht?“, brüllte der Vater. Gebückt, mit den Händen die Ellenbogen umfassend, saß er auf dem Diwan im Gästezimmer. Schwach beleuchtete die Lampe auf dem runden Gesellschaftstisch den Raum, doch ihn schien das Licht zu blenden. „Los!“, drängte ihn der Vater.
„Ich habe-“
„Was?“
„Ich war – ich bin spazieren gegangen.“
„Du machst mich krank! Raus damit!“
„Vater, ich-“
„Lüg mich nicht an, mit wem hast du dich getroffen?“
„Mit niemandem…“
„Glückwunsch, jetzt hast du schon mit der Polizei zu tun! Würde mich nicht wundern, wenn du sie umgebracht hast!“
Der Vater kehrte ihm den Rücken zu und drehte sich zur Mutter, die mit sorgenvoller, trauriger Miene ihren Sohn anschaute. Er setzte seine rechte Hand ans Kinn und verharrte einen Augenblick lang in dieser Stellung. Dann drehte er sich ruckartig zurück zu Norbert, schrie aus voller Brust und warf seine Hand in Richtung des Treppenhauses.

Er lag in seinem Bett und starrte, mit leblosem Blick, auf die Decke. Was hatte er falsch gemacht? Norbert wusste es nicht. Doch sein Vater hatte Recht. Er hätte unter keinen Umständen so spät noch auf der Straße sein dürfen, und es machte ihn wütend, dass er dies nach einer so langen Zeit noch nicht begriffen hatte. Verliebtsein! Liebe! Was waren es doch für leere Worte, alberne Eitelkeiten, niemals hätte er sowas ernst nehmen dürfen! Nun hatte er mit einem grausamen Verbrechen zu tun, und weder er selbst noch die Familie würden ihm verzeihen, denn er hatte es nicht verdient. Er wollte nicht mehr leben, nicht mehr atmen, dies war jetzt nicht mehr möglich. Er wollte schreien, er riss seinen Mund auf und spannte die Wange bis aufs letzte an, dann griff er, wie aus einem Reflex, mit der Hand nach seiner nackten Brust, als wollte er sich die Haut abreißen. Und dann weinte er, tief und leise.

Ihr Name war Hannah. Er hatte sie seit zwei Wochen täglich besucht, und jedes Mal dachte er, wollte er sich neben sie legen. Lange kniete er vor dem Grabstein, manchmal wurden es mehrere Stunden. „Hannah“, sagte er, „es tut mir Leid“, und versuchte, das Weinen zu unterdrücken. „Ich habe dich getötet. Es war meine Schuld.“ Mit der rechten Hand zog er sich, so stark er konnte, an den Haaren, und biss die Zähne zusammen. Nach einiger Zeit beruhigte er sich etwas. „Ich war es. Wenn ich nicht dort gewesen wäre, wärst du vor ihnen weggelaufen. Du wärst in Sicherheit. Sie haben dich getötet. Ich habe dich getötet.“
So kniete er wohl noch eine Stunde; dachte, sprach, und weinte. Dann stand er auf. Er sah, dass eine der Kerzen, die er mitgebracht hatte, erloschen war, und zündete sie noch einmal an. Dann erhob er sich wieder, schaute noch einmal auf die Grabtafel, und sagte halblaut: „Vater hat Recht. Er hatte Recht. Hör zu, Hannah, ich kann einfach nicht mehr.“

 

Hallo!

Für ein kleines Feedback zur Geschichte wäre ich sehr dankbar.

- Ist es sprachlich OK?
- Ist ein roter Faden erkennbar?

Ich habe versucht, es möglichst einfach und ohne viele Details zu halten, bin gespannt wie's wirkt.

Gruß
Q.

 
Zuletzt bearbeitet:

huhu Q

also ganz, begreife ich deine geschichte nicht.
ich fass mal kurz zusammen, was ich verstanden habe:
da ist ein junge, der von einem mädchen (hannah), das er toll findet, einen sagen wir mal korb kriegt. spät am abend geht er langsam nache hause. auf dem weg, sieht er eine verwirrte frau, die vor irgendwas/wen flieht.
dann plötzlich ist er als zeuge eingeladen.:hmm:
sein vater ist grundlos sauer auf ihn, weil er glaubt, dass sein sohn in einem mord verwickelt ist. dann ist er selber auf sich sauer. grundlos! (wahrscheinlich nicht, aber den grund schreibst du nicht oder habe ich was verpasst)
plötzlich befindet er sich auf einem friedhof, vor dem grab von HANNAH:eek:
hää, was soll den das. war hannah etwa die frau, die ihm begegnet ist und er nicht erkannt hat. oder hat die frau, hannah ermordet und er konnte sie nicht aufhalten? was ist hier los? ich verstehe es ehrlich gesagt nicht, oder habe ich schon wieder das experiment nicht geschnallt.:shy:

bitte um aufklärung.:)

den sprachlichen teil beurteile ich nicht und übersehe auch alle fehler!;) dafür sind hier andere da:)
der rote faden, wurde in der dunkelheit auch dunkel und so habe ich ihn verloren. tja.

cu joblack87:zensiert:

 

Hi Jo,

ich sehe schon, ich muss den Inhalt klarer rausarbeiten. Wird gemacht :read:

da ist ein junge, der von einem mädchen (hannah), das er toll findet, einen sagen wir mal korb kriegt.

Nein! Das Verliebtsein brauche ich, um ihm einen Grund zu geben, nachts grundlos in irgendeiner fremden Gegend rumzulaufen.

spät am abend geht er langsam nache hause. auf dem weg, sieht er eine verwirrte frau, die vor irgendwas/wen flieht.
dann plötzlich ist er als zeuge eingeladen.

Die Frau wird tot aufgefunden. Die Verfolger haben sie getötet, das sollte im letzten Absatz klar werden:

„Ich war es. Wenn ich nicht dort gewesen wäre, wärst du vor ihnen weggelaufen. Du wärst in Sicherheit. Sie haben dich getötet. Ich habe dich getötet.“

plötzlich befindet er sich auf einem friedhof, vor dem grab von HANNAH

Hannah ist die, die umgekommen ist.
Wie du richtig gesagt hast, macht der Vater ihm unbegründet Vorwürfe. Was ist das für eine Kommunikation, wenn der Sohn nicht einmal abends länger wegbleiben darf, und nicht einmal ausreden kann? Wie doch aus der Mücke ein Elefant geworden ist! Unscheinbar läuft er eine Straße entlang, ist gedanklich verwirrt (verliebt). Dann passiert etwas, und er ist mitten drin. Wie reagieren die Eltern? Als ob er verwickelt, ja schuld sei am Mord!

Er ist psychisch verwirrt. Er macht sich selbst unbegründet Vorwürfe. Der Bruch mit der Familie, die sozial von sowas wohl auch Schaden nimmt, macht es so schlimm, dass er am Ende gar nicht mehr weiter weiß, weiter kann, weiter will:

„Vater hat Recht. Er hatte Recht. Hör zu, Hannah, ich kann einfach nicht mehr.“

 
Zuletzt bearbeitet:

huhu Q

okay, dass er dann selber verwirrt ist, weil der vater auf ihn so draufbrüllt, das verstehe ich noch... aber was er mit den morden zutun hat, das weiß ich immer noch nicht.

Die Frau wird tot aufgefunden. Die Verfolger haben sie getötet, das sollte im letzten Absatz klar werden:
Zitat:
plötzlich befindet er sich auf einem friedhof, vor dem grab von HANNAH

Hannah ist die, die umgekommen ist


dann werden in dieser nacht zwei frauen ermordet?
die unbekannte und hannah?
:confused: :confused: :confused: :confused: :confused:

cu joblack87:zensiert:

 

Hallo!

Zuerstmal: Wenn ich die Geschichte richtig verstanden habe, ist das Mädchen vom Anfang nicht Hannah. Das ist irgendein Mädchen, das er toll fand, weswegen er unterwegs war, weil ihm diese Sache so wichtig war, dass sie ihn wachgehalten hat. Dann passiert der Mord, und er steckt mittendrin - die Ermordete ist Hannah.

Ich habe einige Fragen. Unklarheiten, die die Geschichte als Ganzes für mich ein wenig unglaubwürdig machen.

1. Wo sind die Verfolger? Wenn Hannah an ihm vorbeirennt, und wenig später ermordet aufgefunden wird, warum hat Norbert die nicht auch gesehen?

2. Das Gespräch mit dem Vater. Wie kann das so ablaufen? Ich finde das Verhalten zu überdreht, um real zu wirken. In der Familie muss vorher schon alles im Argen gewesen sein, das aber widerspricht sich damit, dass beide Eltern sofort gekommen sind, was schon den Eindruck hinterlässt, sie wären "für ihn da". Das Gespräch insgesamt ist seltsam. Der Vater reagiert viel zu extrem.

3. Die Entwicklung von Norbert ist auch ganz schön seltsam. Am Anfang macht er ein wenig den Eindruck von einem normalen Jugendlichen, der verschossen ist, am Ende geht er in den Selbstmord (wenn ich das richtig verstanden habe). Das ist eine sehr schnelle Entwicklung, finde ich.

4. Nur eine übergeordnete Frage. Ich hab es sicherlich nur übersehen, aber ich habe auf den ersten Blick kein Experiment entdeckt. Ich fände super, wenn du mir da kurz einen Hinweis geben könntest :-)

Ich hoffe, ich hab alles richtig verstanden, bitte nicht auf den Schlips getreten fühlen. Das ist nur meine persönliche Meinung ;-)

Liebe Grüße

 

Hallo Lorini,

Zuerstmal: Wenn ich die Geschichte richtig verstanden habe, ist das Mädchen vom Anfang nicht Hannah. Das ist irgendein Mädchen, das er toll fand, weswegen er unterwegs war, weil ihm diese Sache so wichtig war, dass sie ihn wachgehalten hat. Dann passiert der Mord, und er steckt mittendrin - die Ermordete ist Hannah.
Ganz genau (wobei ich nicht genau weiß, was du mit dem Wachhalten meinst).


In der Familie muss vorher schon alles im Argen gewesen sein,
Das sollte angedeutet werden: die familiäre Situation unter dem Vater-Despoten ist für Norbert schwierig.
das aber widerspricht sich damit, dass beide Eltern sofort gekommen sind, was schon den Eindruck hinterlässt, sie wären "für ihn da". Das Gespräch insgesamt ist seltsam. Der Vater reagiert viel zu extrem.
Ja, das sehe ich ein. Hab ich zu undeutlich gemacht.

4. Nur eine übergeordnete Frage. Ich hab es sicherlich nur übersehen, aber ich habe auf den ersten Blick kein Experiment entdeckt.
Naja, ich habe versucht, auf eine schnelle und komprimierte Weise die Entwicklung N.s zu darzustellen. Seine Entwicklung sollte keineswegs "schnell" sein: die familiäre Situation ist schwer, er hat kein Selbstvertrauen, schleppt sich durch den Tag, und meidet das Elternhaus. Eine Kleinigkeit, eine Laune, wie sie jeder in seiner Jugend mal hatte, lässt ihn abends länger wegbleiben und in eine komische Gegend kommen; an sich also keine schlimme Sache, nichts, was man ihm groß vorwerfen kann. Und was geschieht? Er rennt geradewegs in die Katastrophe. Der Unfall ist für den sensiblen Jungen äußerst belastend, die lieblose Reaktion der Familie macht es schlimmer, und seine Lage ist auf dem Tiefpunkt. Er weint sich am Grab einer Frau, die er nicht kennt und der er nichts schuldet aus (ihre Verfolger und Mörder zeigen, dass sie in ihren eigenen Schwierigkeiten steckte), und er baut zu ihr, einer fast unbekannten Toten (!), die wohl festeste Beziehung auf, die er hat. Die Lage ist so dermaßen hoffnungslos und absurd, dass ihm nichts als Resignation übrig bleibt; ob er darin Selbstmord oder eine Fortführung seines trostlosen Lebens sieht, bleibt offen.

So war's gedacht.

Frage: wenn ich Version 2.0 der Geschichte rausbringen sollte, lohnt es sich, einen neuen Thread aufzumachen? Soll ich Änderungen markieren?

Gruß
Q.

 
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Hallo quaternion,

auf mich wirkt die Geschichte unfertig und holpert stellenweise. Ich versuche es mal zu verdeutlichen.

Zitat: Er hatte das Mädchen auf ein Eis eingeladen, doch hatte ihm keine deutliche Antwort gegeben. Lies dir das noch einmal genau durch, da fehlt etwas im zweiten Satz.

Zitat: sie zu fragen; und er war in diesem Moment glücklich, doch auch jetzt ahnte er schon, dass ihn die Antwort des Mädchens noch lange quälen würde Da widersprichst du dir. Wie kann er in diesem Moment glücklich sein, wenn er schon weiß, dass ihn die Antwort quälen würde?

Zitat: und ganz und gar ziellos. "ganz und gar" klingt nicht so gut

Zitat: Bald kamen er in eine Gegend, in der er vorher noch nie gewesen war Würde reichen, wenn du schriebst, in eine ihm unbekannte Gegend.

Zitat: Sie trug eine dunkelrote Lederjacke mit klar ausgebildetem Kragen, Welche Bedeutung hat diese genaue Beschreibung für die Geschichte? Keine, würde ich sagen.

Zitat: Die Hose war länglich, schwarz und mit dünnen, hellgrauen Streifen durchzogen, die sich spiralförmig um die schlanken Beine zogen Auch diese nicht.

Zitat: Sie rannte in einem beachtlichen Tempo "beachtlich" klingt nicht gut

Zitat: und gelegentlich schaute sie sich verwirrt und ängstlich nach hinten um Dass sie sich nach "hinten" umschaut, könntest du weglassen. Wenn sie sich umschaut, dann blickt sie in meiner Vorstellung bereits nach hinten.

Zitat: Sie schien jenen kleinen Weg, auf dem er sich befand, anzuvisieren "anzuvisieren" klingt nicht gut.

Zitat: und näherte sich ihm in hoher Geschwindigkeit "In hoher Geschindigkeit" lässt sich bestimmt aufregender ausdrücken. So klingt das nach einem Auto.

Zitat: und lief weiter am Haus entlang, bis sie schließlich in eine andere Nebenstraße einbog. "Einbog" könnte man durch "verschwand" ersetzen. "Einbog" klingt wieder viel zu mechanisch. Ich will nicht wieder den Auto-Vergleich bemühen ...

Das sind alles nur Beispiele bzw. Anregungen. Kurze Texte müssen diszipliniert und mit absolut präzisen und klaren Worten und Sätzen gestaltet sein. Auch die Konfliktsituation mit den Eltern und die grundsätzliche Verbindung der ganzen Geschichtsteile bedarf eines geschickteren, in sich stimmigeren Konzepts.

Ein Experiment kann ich irgendwie nicht so richtig erkennen. Es steckt noch viel Arbeit in der Geschichte, aber ich verspreche dir, mir auch die Version 2.0 "gnadenlos" durchzulesen. Bin mal gespannt, ob dir die Verdichtung der Handlung, die mir jetzt einfach noch zu konfus und wenig nachvollziehbar erscheint, in einer neuen Version besser gelingt. Nur nicht locker lassen, das wird auf jeden Fall, und meistens immer besser. Viel Spaß beim Optimieren.

Grüße von Rick

 

Wie seltsam ist doch die Liebe! Norbert hatte es jetzt gelernt. Mit langsamen Schritten ging er die abendliche Straße hinunter; und mit einer Freude und Genugtuung schaute er nach links und rechts, auf die kleinen und großen Geschäfte, die Menschen, an denen er vorbeiging, und ein Lied war auf seinen Lippen.
Die Antwort des Mädchens war ein „vielleicht“ gewesen, aber das kümmerte ihn jetzt wenig. Es hatte ihn viel Mut gekostet, sie zu fragen, und er feierte es wie einen Sieg. Er wusste noch nicht viel über die Liebe, und es war ihm nicht klar, dass dieses „vielleicht“ bei näherer Betrachtung ein „nein“ sei, und er dachte auch jetzt nicht daran, dass er sich darüber hinaus nicht mit dem Mädchen treffen könnte; jedenfalls nicht, wenn die Eltern es wissen sollten. Doch wozu sollte er sich darüber Gedanken machen? An diesem Abend lebte sein Herz, und er hatte ein solch volles und warmes Gefühl der Liebe noch nie verspürt, so dass er es sich jetzt um jeden Preis erhalten wollte.
Es war schon elf Uhr, und seine Eltern würden seit Stunden zuhause auf ihn warten. Doch er versperrte sich dem Gedanken an sie, denn er war überzeugt ein Recht auf diesen glücklichen Augenblick zu haben, einen Moment, ein Gefühl, welches ihm seine Eltern aberkannten. Heute fühlte er sich stark genug, das zu ergreifen, was seit Jahren schon ihm gehört hatte.

Er hatte sich lange gefragte, in welches Café er sie einladen würde. Seit siebzehn Jahren - dies war sein Alter - lebte er in dieser Stadt, doch von den Cafés wusste er nicht viel; er hatte höchstens den einen oder anderen exotischen Namen von seinen Schulkameraden aufgeschnappt. Ganz anders war das Leben, das ihn zu Hause erwartete. Der Vater verlangte stets ein gewissenhaftes Studium der Fächer in der Schule von ihm, und dies musste Vorrang vor allem haben. Er ließ Norbert wenig Zeit zur Erholung, und merkte er, dass seine Ergebnisse sich verschlechterten, so schlug er den Jungen und demütigte ihn auf eine solche Weise, dass Norberts Angst vor dem Scheitern noch größer wurde als sein Ekel vor der ganztägigen Schularbeit. Die Mutter fürchtete viel um ihren Sohn und verstand seine Situation, doch sie wagte es nicht, die Erziehung des Vaters anzuzweifeln, so dass sie zu Norbert immer streng und unnachgiebig war, obwohl es sie oftmals große Überwindung kostete.
Seit Jahren dichtete Norbert Verse, in denen er seinem Leiden Ausdruck verlieh. Dies war die einzige Beschäftigung, die ganz ihm gehörte; eine Beschäftigung, von der weder die Eltern noch irgendjemand anderes wussten und ihn deshalb bestrafen oder demütigen konnten. Er schrieb nur, wenn die Eltern nicht zuhause waren, und versteckte seine Gedichte sorgfältig zwischen den Seiten verschiedener Schulhefte. Auch versuchte er gelegentlich, abzuwarten, bis seine Eltern sich schlafen legten, um dann mit dem Schreiben zu beginnen, doch er musste ständig befürchten, dass sein Vater im nächsten Augenblick in sein Zimmer fallen könnte, um ihn zu kontrollieren, und so sein kleines Geheimnis erkennen und zerreißen würde.

 

Ich habe die Exposition der Geschichte völlig überarbeitet und Norbert eine (hoffentlich einigermaßen) vernünftige Charakterisierung gegeben. Ich denke, ich habe das letztes Mal viel zu kurz gemacht; jetzt könnte die Geschichte klarer werden. Es wäre toll, wenn ihr diese durchschauen könntet.

Q.

 

huhu Q

ich finde diesen abschnitt echt gut.:thumbsup:
es hat mich wirklich sehr berührt udn jetzt kann ich mir auch vorstellen, warum sein vater so ausgerastet ist. aber warum hast du das jetzt nicht in dine geschichte eingebracht?

cu joblack87:zensiert:

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, der Abschnitt ist wesentlich gradliniger und klarer. An der einen oder anderen Stelle könntest du noch etwas Feinjustierung vornehmen, aber ingesamt wirkt das wesentlich besser und vermittelt viel mehr das Gefühl, dass du jetzt weisst, wo du mit deiner Geschichte hinwillst.

Ein kleiner Vorschlag:

Zitat: und es war ihm nicht klar, dass dieses „vielleicht“ bei näherer Betrachtung ein „nein“ sei ... dass diese "vielleicht" unter Umständen/möglichwerweise/vielleicht auch ein "nein" sein könnte.

Die fertige Geschichte würde dann wahrscheinlich besser in eine andere Rubrik passen. Jetzt zieh das mal schön durch, ich glaube, der rote Faden ist gefunden.

Grüße von Rick

 
Zuletzt bearbeitet:

Wie seltsam ist doch die Liebe! Norbert hatte es jetzt gelernt. Mit langsamen Schritten ging er die abendliche Straße hinunter; und mit einer Freude und Genugtuung schaute er nach links und rechts, auf die kleinen und großen Geschäfte, die Menschen, an denen er vorbeiging, und ein Lied war auf seinen Lippen.
Die Antwort des Mädchens war ein „vielleicht“ gewesen, aber das kümmerte ihn jetzt wenig. Es hatte ihn viel Mut gekostet, sie zu fragen, und er feierte es wie einen Sieg. Er wusste noch nicht viel über die Liebe, und es war ihm nicht klar, dass dieses "vielleicht" möglicherweise auch ein "nein" sein könnte, und er dachte auch jetzt nicht daran, dass er sich darüber hinaus nicht mit dem Mädchen treffen könnte; jedenfalls nicht, wenn die Eltern es wissen sollten. Doch wozu sollte er sich darüber Gedanken machen? An diesem Abend lebte sein Herz, und er hatte ein solch volles und warmes Gefühl der Liebe noch nie verspürt, so dass er es sich jetzt um jeden Preis erhalten wollte.
Es war schon elf Uhr, und seine Eltern würden seit Stunden zuhause auf ihn warten. Doch er versperrte sich dem Gedanken an sie, denn er war überzeugt ein Recht auf diesen glücklichen Augenblick zu haben, einen Moment, ein Gefühl, welches ihm seine Eltern aberkannten. Heute fühlte er sich stark genug, das zu ergreifen, was seit Jahren schon ihm gehört hatte.

Er hatte sich lange gefragte, in welches Café er sie einladen würde. Seit siebzehn Jahren - dies war sein Alter - lebte er in dieser Stadt, doch von den Cafés wusste er nicht viel; er hatte höchstens den einen oder anderen exotischen Namen von seinen Schulkameraden aufgeschnappt. Ganz anders war das Leben, das ihn zu Hause erwartete. Der Vater verlangte stets ein gewissenhaftes Studium der Fächer in der Schule von ihm, und dies musste Vorrang vor allem haben. Er ließ Norbert wenig Zeit zur Erholung, und merkte er, dass seine Ergebnisse sich verschlechterten, so schlug er den Jungen und demütigte ihn auf eine solche Weise, dass Norberts Angst vor dem Scheitern noch größer wurde als sein Ekel vor der ganztägigen Schularbeit. Die Mutter fürchtete viel um ihren Sohn und verstand seine Situation, doch sie wagte es nicht, die Erziehung des Vaters anzuzweifeln, so dass sie zu Norbert immer streng und unnachgiebig war, obwohl es sie oftmals große Überwindung kostete.
Seit Jahren dichtete Norbert Verse, in denen er seinem Leiden Ausdruck verlieh. Dies war die einzige Beschäftigung, die ganz ihm gehörte; eine Beschäftigung, von der weder die Eltern noch irgendjemand anderes wussten und ihn deshalb bestrafen oder demütigen konnten. Er schrieb nur, wenn die Eltern nicht zuhause waren, und versteckte seine Gedichte sorgfältig zwischen den Seiten verschiedener Schulhefte. Auch versuchte er gelegentlich, abzuwarten, bis seine Eltern sich schlafen legten, um dann mit dem Schreiben zu beginnen, doch er musste ständig befürchten, dass sein Vater im nächsten Augenblick in sein Zimmer fallen könnte, um ihn zu kontrollieren, und so sein kleines Geheimnis erkennen und zerreißen würde.

Doch von alldem war er jetzt weit weg. Ziellos und glücklich und etwas nachdenklich ging er durch die Straßen, während er immer noch in dem Gefühl forschte, das die wenigen Worte des Mädchens hinterlassen hatten. An jeder Kreuzung entschied er spontan, wohin er ging, und sein Weg führte ihn immer wieder über Straßen, die ihm unbekannt waren, bis er wieder Vertrautes sah. Er war schon recht Weit von dem Stadtteil seines Elternhauses entfernt, und die Orte, die er sah, waren ihm fast alle völlig fremd. Die Häuser in dieser Gegend waren recht schäbige und einfache, meist blockförmige Gebilde, und die Wohnungen waren klein und lagen dicht bei einander. Der Verputz war auf den Fassaden häufig schon abgefallen und offenbarte die Struktur von Backsteinziegeln. Bei einigen Häusern waren die Eingangstüren beschädigt, und Norbert wunderte sich ein wenig, warum die Leute vor Einbrechern keine Angst hätten.
Hinter den Fenstern gingen oft Schatten und Umrisse von bewegten Figuren hin und her. Oft vernahm er ein Brüllen oder einen heiseren Ruf, und wenn er Gesprächsfetzen hörte, verstand er meist nicht, denn sie waren in einer Fremdsprache. Die Menschen auf der Straße grüßten ihn nicht; manchmal murrten sie irgendetwas in kehligen Lauten, und mit ängstlichen und gierigen Augen schauten sie den Jungen an.
Die Straße war schmal und etwas uneben, und obwohl hier nur selten ein Auto vorbeifuhr, war es auf der Straße ungewöhnlich laut. Geräusche aus den Wohnungen und den Fluren drangen auf die Straße, irgendwo schlug Wasser auf eine widerhallende, metallische Oberfläche auf. Der rohe Klang von großen Motoren, wo sich Eisen an Eisen rieb und schlug, zog durch die Straße, und er musste an eine verdreckte, harte Oberfläche denken, die man mit einem scharfen Gegenstand abfuhr. Eine Eisenbahn schlug in der Nähe in strenger Regelmäßigkeit gegen die Gleise, und das scharfe Bremsgeräusch übertönte das Lärmchaos der Straße noch einmal bei Weitem; trieb es gewissermaßen zum Höhepunkt, und ein Schütteln fuhr durch den Jungen.

Zwischen zwei Häusern fiel Norbert ein kleiner Weg auf, der scheinbar zu einer größeren Straße führte, denn dahinter sah er von weitem einige hellere Straßenlampen und glaubte sogar, Bug und Heck von einigen Autos zu erkennen, welche verstreut und entgegen dem Verlauf der Straße zu stehen schienen. Als er den Weg fast beendet hatte und die Straße bereits in größerem Winkel sehen konnte, fiel ihm eine junge Frau auf, die in seine Richtung zu laufen schien. Zwei dickere Verfolger in dunkelgrauen Anzügen rannten ihr nach, so schnell sie konnten, und ein dritter stieg gerade aus einem der Autos aus. Der vordere schrie ihr irgendetwas hinterher, doch alle drei hatten beim Laufen gewisse Schwierigkeiten, mit der jungen Frau mitzuhalten. Nach wenigen Metern begann der hintere Verfolger - er schien der Anführer zu sein - hektisch in der linken Tasche seines Anzugs zu stochern, bis er ein Tuch herausriss und sich mit zitternder Hand den Schweiß vom Gesicht abtupfte. Dann warf er das Tuch auf die Straße und holte, wieder mit Mühe, Waffe heraus. Während die junge Frau Norbert immer näher kam, wurden das Trampeln der drei Verfolger und ihr schweres und gieriges Atmen lauter und hektischer. Nun konnte er auch ihre Gesichter erkennen; die weit offenen Münder, mit denen sie unter heftig auf und ab bebender Brust nach Luft rangen, und die weit offenen Augen, die unter der Anstrengung zu platzen schienen und doch auf eine hartnäckige Art und Weise auf ihr junges und flinkes Ziel gerichtet waren.
Während er all dies beobachtete, merkte er kaum, dass er den Weg weiter gegangen war, bis er schließlich an sein Ende gelangte. Als er den Weg zwischen den Häusern verlassen hatte, trat er ins Licht einer nahen Laterne. Er wurde stark geblendet und erschrak etwas, worauf sein Gesicht schnell wegdrehte er einen Arm hochzog, um sich vor der starken Lampe zu schützen. Dann hörte er den Aufschrei der Frau, und als er seinen Blick wieder auf sie wendete, sah er, dass sie eingeknickt war und schon fast direkt vor ihm stand. Dann stolperte sie, fiel auf ihre Knie und schlug mit ihrer Schulter genau gegen die Kante eines der Häuser, zwischen denen der Weg führte, den Norbert gekommen war. Laut und schrill schrie sie auf, dann verzog sie ihr Gesicht vor Schmerzen. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder aufrichten konnte, worauf sie hinkend und in etwas gebückt Haltung ihre Flucht fortsetzte. Kurze Zeit später sah Norbert, wie sie in eine andere Nische einbog, während die Verfolger sie schon bis auf einige Meter eingeholt hatten.

„Und weiter?“, drängte der Polizist. Norbert kämpfte gegen die Tränen an. Er war vorher noch nie auf einem Polizeirevier gewesen. In einem kleinen Raum saß er dem Polizisten gegenüber, während ein anderer das Gespräch protokollierte. Eine helle Lampe, die mit einer dicken Schnur an der Decke befestigt war, schwang langsam hin und her und beleuchtete kahle Wände, die von einer grauen oder blassbläulichen Farbe in breite, schwarze Schatten ausblendeten. Die Luft war stickig, und der Geruch von Verrauchtem lag in der Luft, obwohl sich die Beamten verkniffen hatten, in Gegenwart des Jungen zu rauchen. Gelegentlich ging die Eingangstür des Raumes auf und zu, wenn irgendwelche Beamte Fragen stellten oder um irgendeine Befugnis baten, und Norbert genoss den kühlen Luftzug, der dann für einen Moment den Raum durchströmte.
Der Polizist knüpfte seine Manschetten auf und schob die Ärmel ein wenig zum Ellenbogen hin. Jede Bewegung des Polizisten war für Norbert wie ein Urteil. Er saß in einer gebückten Haltung, und sein ängstlicher Blick fuhr vom Polizisten über die kahle Wand des Raumes bis hin zum Notar, der im Schatten saß und dessen Blick Norbert nicht sehen konnte. Dieser schlug in strenger Regelmäßigkeit gegen die Tasten der Schreibmaschine, um Norberts letzten Worte festzuhalten.
Der Polizist fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und rieb sich die Augen, worauf er sich kurz in seinem Stuhl zurücklehnte, um die Beine zu lockern. Dann stützte er sich mit den Ellenbogen auf den Tisch, faltete die Hände, schaute Norbert direkt ins Gesicht und sagte: „Bitte, mach weiter.“
Norbert schluckte. „Sie stand wieder auf, und versuchte wegzulaufen. Sie liefen ihr hinterher. Dann verlor ich sie aus dem Blick, und kurz darauf hörte ich zwei Schüsse. Ich habe mich sehr erschrocken, und bin sofort weggelaufen. Ich lief in eines der Häuser, und vom Treppenhaus konnte ich dort aus dem Fenster sehen, wie die Männer zu ihren Autos zurückgingen und dann wegfuhren. Dann ging ich wieder raus und suchte sie. Da war überall Blut, sie lag mit dem Gesicht in der Erde-„ Dann senkte Norbert seinen Kopf und begann, zu schluchzen. Der Polizist stand auf, und reichte Norbert ein Taschentuch. Dann legte er seine Hand auf den Rücken des Jungen und klopfte ihm sanft auf die Schulter. „Ist schon gut. Du hast genug getan. Komm, ich fahre dich jetzt nach Hause.“

„Was zum Teufel hast du dort mitten in der Nacht gemacht?“, brüllte der Vater. Gebückt, mit den Händen die Ellenbogen umfassend, saß er auf dem Diwan im Gästezimmer. Schwach beleuchtete die Lampe auf dem runden Gesellschaftstisch den Raum, doch ihn schien das Licht zu blenden. „Los!“, drängte ihn der Vater.
„Ich habe-“
„Was?“
„Ich war – ich bin spazieren gegangen.“
„Du machst mich krank! Raus damit!“
„Vater, ich-“
„Lüg mich nicht an, mit wem hast du dich getroffen?“
„Mit niemandem…“
„Glückwunsch, jetzt hast du schon mit der Polizei zu tun! Würde mich nicht wundern, wenn du sie umgebracht hast!“
Der Vater kehrte ihm den Rücken zu und drehte sich zur Mutter, die mit sorgenvoller, trauriger Miene ihren Sohn anschaute. Er setzte seine rechte Hand ans Kinn und verharrte einen Augenblick lang in dieser Stellung. Dann drehte er sich ruckartig zurück zu Norbert, schrie aus voller Brust und warf seine Hand in Richtung des Treppenhauses.

Er lag in seinem Bett und starrte, mit leblosem Blick, auf die Decke. Was hatte er falsch gemacht? Norbert wusste es nicht. Doch sein Vater hatte Recht. Er hätte unter keinen Umständen so spät noch auf der Straße sein dürfen, und es machte ihn wütend, dass er dies nach einer so langen Zeit noch nicht begriffen hatte. Verliebtsein! Liebe! Was waren es doch für leere Worte, alberne Eitelkeiten, niemals hätte er sowas ernst nehmen dürfen! Nun hatte er mit einem grausamen Verbrechen zu tun, und weder er selbst noch die Familie würden ihm verzeihen, denn er hatte es nicht verdient. Er wollte nicht mehr leben, nicht mehr atmen, dies war jetzt nicht mehr möglich. Er wollte schreien, er riss seinen Mund auf und spannte die Wange bis aufs letzte an, dann griff er, wie aus einem Reflex, mit der Hand nach seiner nackten Brust, als wollte er sich die Haut abreißen. Und dann weinte er, tief und leise.

Ihr Name war Hannah. Er hatte sie seit zwei Wochen täglich besucht, und jedes Mal dachte er, wollte er sich neben sie legen. Lange kniete er vor dem Grabstein, manchmal wurden es mehrere Stunden. „Hannah“, sagte er, „es tut mir Leid“, und versuchte, das Weinen zu unterdrücken. „Ich habe dich getötet. Es war meine Schuld.“ Mit der rechten Hand zog er sich, so stark er konnte, an den Haaren, und biss die Zähne zusammen. Nach einiger Zeit beruhigte er sich etwas. „Ich war es. Wenn ich nicht dort gewesen wäre, wärst du vor ihnen weggelaufen. Du wärst in Sicherheit. Sie haben dich getötet. Ich habe dich getötet.“
So kniete er wohl noch eine Stunde; dachte, sprach, und weinte. Dann stand er auf. Er sah, dass eine der Kerzen, die er mitgebracht hatte, erloschen war, und zündete sie noch einmal an. Dann erhob er sich wieder, schaute noch einmal auf die Grabtafel, und sagte halblaut: „Vater hat Recht. Er hatte Recht. Hör zu, Hannah, ich kann einfach nicht mehr.“

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke, Rick und Jo, für die positive Kritik! Ich versuche, das so weiterzuführen.

Ist es so OK, wenn ich sozusagen Stück für Stück Text hinzufüge? Ich brauche für einen solchen Abschnitt (noch?) ziemlich lange, und daher ist es ür mich immer ganz angenehm, zwischendurch ein Feedback zu bekommen.

Q.

 

Hallo!

Ich denke, dass meine Geschichte jetzt fertig ist. Ich habe sie oben (siehe zwei Postings höher) eingegeben. Ab dem Gespräch mit dem Vater habe ich sie nur noch wenig verändert, weil es, denke ich, unter der geleisteten Vorarbeit klar wird.
Es würde mich interessieren, wie sich jetzt die Geschichte liest; ich habe mir viel Mühe gegeben, das ganze jetzt klar zu machen.

Ich bin jetzt nicht ganz sicher, was ich mit der Geschichte machen soll. Sie passt jetzt ja nicht mehr in die Kategorie "Experimente", also wurde mir vorgeschlagen, sie archivieren zu lassen, und unter dem Titel "Hannah (überarbeitet)" in einer anderen Kategorie zu veröffentlichen. Was meint ihr? Soll ich das so machen? Würdet ihr die Geschichte dann mit mir unter einem anderen Thread zu Ende diskutieren? Oder soll ich sie hier lassen (sofern Moderatoren wegen der Kategorie keine Bedenken haben)?

Gruß
Q.

 

Hallo!

Es ist mir schon etwas unangenehm zu schreiben, denn das ist mein 4. Posting in Folge (wobei ich #13 auch schon oft überarbeitet habe). Aber trotzdem würde ich um ein kleines Schlusswort noch bitten. Wie es scheint soll, die Geschichte hier stehen bleiben. Ja?
Soll ich das erste Posting updaten?

 

Hallo quaternion

Ich kann das nicht entscheiden, aber ich habe mich jetzt durch den ganzen tread gekämpft und letztenendes einen recht akzeptablen Text gefunden, der um einiges besser ist als die Erstversion. Ich verbessere meine Texte immer im Hauptfenster, und alle anderen tuhen das glaub ich auch. Also setz die gute Version ruhig an den Anfang.

Aber da kann man mal sehen, wie viel besser dein Text durch die Hilfe der user hier geworden ist. Rick ist ja immer eine große Hilfe.

Zum Inhalt: Der ist mir zu herbeigesponnen, zwielichtig und unglaubwürdig. Denk dir doch vielleicht erst einmal eine Story aus.

Und das Experiment erkenne ich auch nicht. Wäre schön, wenn du nach mittlerweile mehreren Nachfragen darauf mal eingehen könntest.

Zum Stil: Auch schon in deiner Ursprungsversion erkenne ich den Ansatz zu guten Formulierungen und einen eher dispersen Stil. Das ist gut.

Du musst noch eine bessere Mischung zwischen Umfeldbeschreibungen und Protbeschreibungen finden. So ließt man viel zu viele er in dem Text. Das nervt und zeugt nicht von sprachlichem Talent.

Es muss im allgemeinen dynamischer werden. Du warst hier viel zu sehr mit der schwer zu behandelnden Handlung beschäftigt, die du selbst sprachlich noch nicht bewältigen konntest, und so ist alles viel zu verkrampft und eingesperrt.

Aber für den Anfang vielversprechend.

besten Gruß

 

Hallo Aris!

Danke für deinen Kommentar! Ich versuche, mir nächstes Mal was spannenderes auszudenken ;)

Und das Experiment erkenne ich auch nicht. Wäre schön, wenn du nach mittlerweile mehreren Nachfragen darauf mal eingehen könntest.
Ich denke, darauf bin ich hier eingegangen.

Jetzt werde ich das Hauptfenster updaten.

Gruß
Q.

 

Aha. Hab ich überlesen. Und ja, du solltest sie jetzt woanders posten, wenn in der Tat kein Experiment mehr besteht. Eine PM an einen Mod reicht und das geht
schwupp die wupp.

Gruß

 

Eigentlich. War ne Weile weg. :D
Auf Wunsch des Autors kommt's nach "Sonstige".

 

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