Hass-lich
Ich schaue ihn mir an. So schlecht sieht er wirklich nicht aus. Man sagt ja, es liegt im Auge des Betrachters, also betrachte ich ihn mir ganz genau.
Wenn man aber genau hinschaut erkennt man, wie fett er ist.
Da steht er nun, als wenn er nichts getan hätte.
Seine dicken, fetten Beine dehnen die alte, ausgewaschene Jeans so weit, dass ich mich fragen muss, wie lange sie diesen Kräften noch standhält.
Sein Strickpulli, dieses grausame Rot, ein Alptraum.
Schaut man ihn sich von der Seite an, sieht man seine Bierwampe noch deutlicher, wie sie den Gürtel überdeckt, einfach erbärmlich.
Ich spüre nun ganz deutlich, wie es in mir hoch kocht.
Umso länger ich diesen Kerl betrachte, desto wütender werde ich. Ich spanne meinen Körper an, um meine Wut zu kompensieren und presse meine Hände zusammen. Dieser Druck bringt mich fast zum explodieren.
Mit Mühe wende ich meinen Blick ab, nur so kann ich der Wut entgegenwirken.
Ich muss mich beruhigen, das weiss ich. Es bringt alles nichts. Er ist schuld daran, dass mit meiner Freundin Schluss ist. Ich glaubte ihn zu kennen, doch mit der Zeit zeigte er mir auch seine anderen Seiten.
Das Spiel mit der Liebe ist doch ein ganz eigenes.
Ich denke nach, weit zurück. Er hat ja auch gutes getan. Meine Anspannung legt sich, ich werde wieder ruhiger und atme einmal tief durch. Eigentlich ist er doch ein netter Mensch. Immer hatte er ein offenes Ohr für seine Freunde, war immer für andere da. Ich schaue wieder zu ihm rüber.
Eigentlich ist er doch gar nicht so ein schlechter Typ.
Nun tut er mir sogar ein wenig leid. Vielleicht tue ich ihm ja auch unrecht, vielleicht war ich doch ein wenig zu streng zu ihm, hätte ihn nicht so quälen dürfen.
Laut meiner Ex ist er aber der Grund für die Trennung. Es liegt an ihm, das hat sie immer gesagt.
Es liegt an dieser winzigen, Einmetersechzig kleinen Kreatur.
Schau sich nur einer seine fettigen Haare an, diese widerliche Brille mit der schwarzen Fassung, die diese winzigen, punktgrossen Augen überdeckt.
Er schwitzt wie ein Schwein, das einen Marathon gelaufen ist und stinkt als wenn er seit Wochen keine Dusche mehr gesehen hätte.
Mit nur einem einzigen Schlag könnte ich ihm seine riesige, hässliche Nase brechen, diesen Riesenzinken, ein sicheres Ziel. Er könnte nichts dagegen tun, würde aber heulen wie ein kleines Baby. Ein arbeitsloses Weichei ohne Mut und Hoffnung.
Er ist der Ex meiner Exfreundin. Mit seiner Eifersucht hat er alles kaputt gemacht. So habe ich ihn nie kennen gelernt, ich war selber geschockt.
In Gedanken an alte Zeiten schwelgend ziehe ich meine ausgewaschene alte Jeans aus, lege sie auf den Stuhl neben dem Spiegelschrank und schmeisse den roten Pulli drüber.
Noch einmal schaue ich in den Spiegel, so in Unterwäsche. Inzwischen habe ich mich wieder beruhigt und schaue ihn an. So schlecht sieht er doch wirklich nicht aus. Ich muss so einiges ändern, weiss ich jetzt. So kann es nicht weitergehen. Ich lege mich ins Bett, platziere die Brille auf dem Nachttischchen und versuche zu schlafen.