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Heike

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14.03.2002
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Heike

Leise öffne ich die Haustür, kontrolliere den Briefkasten: ein Schreiben meiner Bank, eine Rechnung, mehrere Werbesendungen. Müde steige ich die Treppen hinauf bis zu meiner Wohnung im vierten Stock.

Im Dunkel des Flurs sehe ich das rote Lämpchen des Anrufbeantworters blinken. Vier Nachrichten, eindeutig zu viele nach einem lästigen Betriebsausflug. Aber was, wenn die attraktive Kollegin aus der Fertigung versucht hat, mich zu erreichen? Ich spiele die Nachrichten ab, eine blecherne Frauenstimme hebt in zusammengestückelten Silben an:

Freitag siebzehn Uhr und zwei-und-zwanzig Minuten ... (Piep)
Ich hasse es, wenn Leute nichts auf den Apparat sprechen.
Freitag achtzehn Uhr und drei-und-fünfzig Minuten ... (Piep)
Freitag zwanzig Uhr und sieben Minuten ... (Piep)
Freitag zwei-und-zwanzig Uhr und acht-und-vierzig Minuten
Jan, hier Heike... Es ist meine Schwester. Ruf mich doch einmal an, wenn du zu Hause bist, ja? Ich werde unruhig, irgendetwas in ihrer Stimme klingt merkwürdig. ... Oder morgen dann ... ... (Piep)

Verwirrt schalte ich das Licht im Flur ein. Ob etwas mit unseren Eltern ist? Aber ich habe doch erst neulich mit den beiden telefoniert, es schien ihnen sehr gut zu gehen. In meinem Notizbuch finde ich Heikes Nummer und wähle mit leicht zitternden Fingern Vorwahl und Rufnummer. Heike nimmt nach dem zweiten Klingeln ab.

„Ja?“
„Heike?“ frage ich.
„Jan, hallo. Wie geht es dir? Schön, daß du zurückrufst.“
Die Beiläufigkeit, mit der sie spricht, läßt mich noch unruhiger werden.
„Ganz gut; wir hatten heute Betriebsausflug, war ziemlich anstrengend.“
„Ach so, dann bist du vermutlich müde.“
„Schon, aber egal: Wie geht es dir?“
Heike schweigt einen Moment, sagt dann: „Nicht so gut.“
„Oh.“

In der darauffolgenden Stille bekomme ich plötzlich Angst, sie könnte eine tödliche Krankheit haben. Krebs vielleicht. Oder Aids.
„Tilmann und ich werden uns scheiden lassen“, preßt Heike heraus und beginnt zu weinen.
Mit einem schuldigen Gefühl stelle ich fest, daß ich erleichtert bin und denke: Zum Glück geht es ihr gut. Als ob das der Fall wäre.
„Oh“, beginne ich hilflos, „seit wann... habt ihr das heute...“
Ich weiß nicht mehr weiter, die Nachricht trifft mich unerwartet. Man läßt sich doch nicht von heute auf morgen scheiden, oder? Am liebsten würde ich ihr sagen, daß ich Tilmann schon immer für einen Idioten gehalten habe.

Mit brechender Stimme fährt Heike fort:
„Du bist vermutlich gerade zu müde.“
„Nein, auf gar keinen Fall.“
„Ich mag dich aber jetzt nicht vollheulen, ich wollt’ es dir nur sagen.“
„Du störst mich überhaupt nicht, ehrlich nicht.“
Was für ein idiotischer Satz. Schnell schiebe ich hinterher: „Bitte, nein, wir können die ganze Nacht telefonieren, oder einfach nur stumm am Hörer sitzen, ganz egal.“
„Danke, Jan, das ist nett von dir.“
„Ach was, ist doch klar.“
In der Hoffnung, doch noch irgendetwas richtiggemacht zu haben, lehne ich mich an die Wand und lausche angestrengt in den Hörer. Zunächst höre ich nur etwas, das entfernt an Schluchzen erinnert. Dann ein Schneuzen, endlich ist es still.

Als nach einer Weile immer noch nichts geschehen ist, beginne ich fieberhaft zu überlegen, was ich sagen könnte. Tilmann war schon immer ein Idiot, will ich sagen, nein. Was hat Tilmann denn gemacht, auch falsch. Wie ist es denn dazu gekommen, auch das klingt unbeholfen.

„Bist du noch da?“ fragt Heike.
„Ja, sicher“, sage ich schnell.
„Wenn du nicht mehr magst, dann kann ich...“
„Jetzt hör mal, natürlich bin ich da, ich lasse doch meine kleine Schwester nicht im Stich.“
Aua. Das ging ja völlig daneben. Krampfhaft überlege ich, wie ich den Satz noch umbiegen könnte.
„Das tut gut“, sagt Heike und atmet tief ein und wieder aus, „ich bin so froh, daß ich mit dir reden kann.“
Erleichtert und durch den unerwarteten Erfolg meiner plumpen Worte ermutigt setze ich fort: „Na komm, erzähl doch mal alles von vorne.“

Unsicher warte ich auf eine Reaktion, Heike schweigt einen Moment, dann antwortet sie: „Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll.“
„Fang doch mal mit heute an“, schlage ich vor, hatte sie überhaupt etwas von heute gesagt?
„Heute... Ja, heute...“, beginnt sie, „Tilmann kam schon mittags nach Hause, wollte reden.“
Dieser Volldepp. Der soll mir ja nicht über den Weg laufen.
„Und wieso warst du schon zu Hause?“ will ich wissen. Arbeiten sie nicht im selben Büro?
„Ich habe mir den Tag freigenommen... Momentan sieht es mit den Aufträgen nicht so gut aus“, erklärt Heike, „nächste Woche wollten wir auch in Urlaub fahren. Natürlich nur für ein paar Tage. Wir müssen ja Geld sparen.“
Ich bin verwirrt. Geld sparen? Ein kinderloses Architektenpaar, das Geld sparen muß?
„Er kam also nach Hause und sagte, er will jetzt wissen, wie es weitergeht.“
„Weitergeht?“
„Na ja, ob wir uns endlich selbständig machen...“
Selbständig machen! Natürlich, das eigene Büro!
“...und ob wir jetzt endlich Kinder haben wollen.“
Wollte sie das nicht immer? Vorsichtig frage ich: „Und du wolltest keine Kinder?“
„Doch, auf jeden Fall. Aber doch nicht, während wir unser eigenes Büro hochziehen! Da werden wir doch keine Zeit für Kinder haben!“
„Verstehe“, hauche ich und komme mir unglaublich dumm vor.
„Wir haben diesen Streit schon die ganze Zeit. Tilmann sagt, das wird schon, ich hätte nur Angst vor der Verantwortung.“
„In der Hoffnung natürlich, daß du dich ganz auf die Kinder konzentrieren würdest, alles klar.“
„Nein, nein, das meint er nicht.“
„Nicht?“ frage ich, etwas zu spöttisch.
„Nein, gar nicht. Mir den Haushalt überlassen? Nie im Leben, du solltest mal sehen, wie das hier aussieht, wenn er die Wohnung geputzt hat. Da findest du nirgends mehr auch nur eine Staubfluse.“
Ich erinnere mich. Tilmann, die Ein-Mann-Putzkolonne, hatte meine Schwester gescherzt, als ich die beiden das letzte Mal besuchen war. Und hatte nicht auch er dieses sagenhafte Essen gekocht?
„Gut“, beginne ich, „und wie ging es dann weiter?“
„Wie immer. Wir haben unsere Argumente ausgetauscht.“
„Wie lange geht das nun schon so?“ frage ich.
„Bestimmt schon ein halbes Jahr... Nein, eigentlich seit wir geheiratet haben.“
Ich wühle in meinem Kopf, wie lange das her sein mag. Zwei Jahre? Die beiden hatten nur standesamtlich geheiratet, sehr zur Enttäuschung unserer Mutter. Sie hätte so gerne dieses ganz Brimborium erlebt, Kirche und Verwandtschaft, sie mochte Tilman doch so sehr. Ihn, den Dynamischen, mit seinen Bessere-Familie-Manieren.
„Und dann?“ hake ich nach.
„Ja, und dann... Plötzlich sagte er, er wisse gar nicht mehr, ob das überhaupt noch einen Sinn habe. Sagte das einfach.“
„Oh.“
„Und das Schlimme daran war, daß ich es vollkommen nachvollziehen konnte.“
„Weshalb?“
„Irgendwie war es in Ordnung, weißt du? Als er es gesagt hatte, war ich schockiert, aber dann habe ich überlegt, ob es nicht vielleicht besser sein könnte, wenn wir...“
„Und dann habt ihr beschlossen...?“
„Ja“, antwortet Heike mit erstickter Stimme.
Moment. Noch einmal von vorne. Sie wollen sich trennen und Heike ist damit einverstanden? Weshalb ist sie dann so aufgelöst? Habe ich irgendetwas verpaßt?

„Hmm“, sage ich, Heike schweigt. Irgendwann frage ich: „Und jetzt?“
„Ich weiß nicht. Wird wohl irgendwie weitergehen. Muß ja.“
Ich sage nichts. Ich würde sie gerne umarmen.

„Magst du vorbeikommen?“ frage ich.
„Wann?“
„Ganz egal, wenn du willst, heute nacht noch. Für ein paar Tage vielleicht?“
Aus irgendeinem Grund ist mir klar, daß sie nicht kommen wird.
„Klingt schön... Vielleicht, heute nicht mehr, aber ich werde es mir überlegen.“
„Ich würde mich wirklich freuen“, füge ich noch hinzu.
„Vielen Dank, Jan, das tut gut... Es war überhaupt schön, mit dir zu sprechen.“
„Ach, war doch nichts...“, stammle ich.
„Ich werde jetzt mal zu Bett gehen“, sagt Heike.
„Alles in Ordnung so weit?“
„Jaja, wird schon.“
„Du kannst jederzeit wieder anrufen, auch heute nacht noch, das weißt du doch, oder?“
„Ja, weiß ich. Vielen Dank für alles.“
„Kein Problem, wirklich.“
„Mach’s gut.“
„Du auch.“

Heike legt auf. Ich halte den Hörer noch einen Moment am Ohr, verwirrt. Ein dummes Gefühl von Schuld stellt sich ein. Ich versuche, ihm auf den Grund zu gehen, bis es mir endlich gelingt, gar nichts mehr zu denken.

 

Hallo cbrucher,

Erstmal: Ich hab deine Geschichte gern gelesen. Angenehm fand ich besonders, dass Grund für die Trennung von Tillmann und Heike zur Abwechslung mal keine Affäre o.ä. war, sondern ein schlichtes Auseinanderleben, wie es ja wohl so oft vorkommt. Undramatisch, aber deshalb nicht weniger schmerzhaft. Das hast du im Gespräch zwischen den beiden sehr überzeugend rübergebracht und auch wenn der Protagonist etwas blass bleibt, konnte ich mir die anderen beiden und ihre Beziehung sehr gut vorstellen.

Am liebsten würde ich ihr sagen, daß ich Tilmann schon immer für einen Idioten gehalten habe.
Sehr hübsch. Allerdings hab ich mich beim weiteren Lesen mehrmals gefragt, warum eigentlich. Ist vielleicht gar nicht wichtig für die Geschichte und ein oder zwei Adjektive hätten mir auch gereicht - aber ich hätte gern gewusst, warum Tilmann ein Idiot ist.

„Tilmann kam schon mittags nach Hause, wollte reden.“
Dieser Volldepp. Der soll mir ja nicht über den Weg laufen.
An der Stelle kam in mir plötzlich der starke Wunsch nach einem eigenen großen Bruder auf. ;)

Ein dummes Gefühl von Schuld stellt sich ein. Ich versuche, ihm auf den Grund zu gehen, bis es mir endlich gelingt, gar nichts mehr zu denken.
Schöner Schlusssatz.

Das war jetzt wohl keine sehr konstruktive Kritik, aber über ein schlichtes Lob freust du dich ja vielleicht auch gelegentlich. :)
Felidae

 

Hallo cbrucher,

auch ich habe die Geschichte gerne gelesen, zumal mir Geschichten mit Dialogen gut gefallen.
Die Gedanken von Jan, die du immer dazwischen geworfen hast, machen das Ganze lebensechter. Es ist ja meistens, dass man sich während eines Telefongesprächs ab und zu seine eigenen Gedanken macht, ohne sie auszusprechen.

Schön fand ich, dass sich Bruder und Schwester so gut verstehen, dass sie sich anrufen, wenn es ihnen nicht gut geht.

In der Mitte der Geschichte bin ich allerdings etwas aus dem Konzept gekommen und zwar kam da etwas viel zusammen: Gründung einer Firma, Kinderkriegen und wie lang sie schon verheiratet sind. Da musste ich noch einmal zurückgehen, um beim weiteren Verlauf des Gespräches zu verstehen, von was sie jetzt weitersprechen.

Den Anfang, das Kursivgeschriebene, würde ich etwas kürzen. Ich glaube, wenn du nur den Anruf der Schwester erwähnst, müsste reichen.

Ein Fehler ist mir nur aufgefallen:

In der darauffolgenden Still bekomme ich plötzlich Angst, sie könnte eine tödliche Krankheit haben.

Stille

Zusammenfassend hat mir das Telefongespräch gut gefallen.

Viele Grüße
bambu

 
Zuletzt bearbeitet:

Na, so gut verstehen sie sich doch gar nicht. Jan hat doch nicht die geringste Ahnung, was seine Schwester so treibt, warum sie überhaupt traurig ist. Und der Punkt, dass Jan überzeugt ist, dass seine Schwester nicht vorbeikommen wird, zeigt am deutlichsten, dass da zwei Menschen, die eine engere Verbindung haben sollten (Aus welchen Gründen eigentlich? Weil es erwartet wird, wir das für normal halten?), völlig aneinander vorbeileben.
Hier haben sich nicht nur die Ehepartner auseinandergelebt, sondern auch die Geschwister. Kurz und eindrucksvoll dargestellt, trifft mitten ins Herz.

Jetzt schreib ich erst mal meiner Schwester eine Mail. Hab schon lang nichts von mir hören lassen.

 

Hallo cbrucher,

tolle Geschichte! Flüssig im Stil und schön mit den zwei geschilderten Prozessen: der Hilflosigkeit des Prots und der Trennung des Paares.

Sehr schön auch die Befürchtungen: Eltern was passiert? Schwester todkrank? Trennung (Erleichterung). Finde ich sehr realistisch.

Den Einstieg könntest du kürzen, aber sonst finde ich alles klasse!

Fehler habe ich nicht gefunden :confused: :sealed: :thumbsup:

Gruß, Elisha

 

@Felidae:
Weshalb Tilmann ein Idiot ist? Schwierig, das weiß der Protagonist, der im Text durchaus die eine oder andere Andeutung macht, vielleicht selbst nicht. Vielleicht ist Tilmann ja auch kein Idiot. Ich werde noch einmal drüberlesen, aber glaube nicht, daß ich etwas ergänzen werde.

Der Protagonist bleibt blaß, zumindest, was seine äußere Situation betrifft. Alles, was der Einstieg in die Geschichte dazu geliefert hatte, habe ich gestrichen; es erschien mir dann doch unwichtig.

Und ja, über ein schlichtes Lob freue ich mich durchaus. Danke fürs Lesen.

@bambu:
Nun gut, vielleicht habe ich mit dem Text nicht ganz das erreicht, was ich schreiben wollte, aber ich bin nicht der Ansicht, daß sie sich wirklich verstehen. Mal sehen, es läßt sich ja bestimmt noch etwas daran feilen.

Den Fehler werde ich umgehend entfernen.

@Webmaster:

Vielen Dank für das Lob, und das hier:

Webmaster schrieb:
Jetzt schreib ich erst mal meiner Schwester eine Mail. Hab schon lang nichts von mir hören lassen.

muß ich erst einmal verdauen.

@Elisha:
Vielen Dank auch Dir fürs Lesen und Loben. Ist der Einstieg immer noch zu lang? In der Arbeitsfassung hatte er ungefähr dreifachen Umfang, ich will ja gar nicht wissen, was Du dazu dann gesagt hättest...

 
Zuletzt bearbeitet:

Nochmal Hallo :)

Der Protagonist bleibt blaß, zumindest, was seine äußere Situation betrifft. Alles, was der Einstieg in die Geschichte dazu geliefert hatte, habe ich gestrichen; es erschien mir dann doch unwichtig.

Da hab ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Ich finde es überhaupt nicht schlimm, dass er Protagonist selbst blass bleibt. Um ihn selbst geht es ja in deiner Geschichte auch nur peripher.
Und warum er Tilmann nicht leiden kann, hätte mich ja nur ganz persönlich interessiert. In der Geschichte fehlt es nicht. Außerdem kann man da ja auch einiges rauslesen. (Was ihm die Liebe der Schwiegermama einträgt, kann ihn gleichzeitig für den Protagonisten zum Idioten machen, oder?)

Liebe Grüße,
Feli

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi cbrucher,

Fehlerkorrektur ist bei dir ja nicht angesagt, so akribisch, wie du auch mit anderen umgehst, lässt du in deinen Texten nichts übrig, was anzumelden wäre :).

Also gleich zum Inhalt (wie entspannend):

Aber ich habe doch erst vor zwei Wochen mit den beiden telefoniert, es schien ihnen sehr gut zu gehen.

Hm...ich frage mich, ob die zwei Wochen Absicht sind.

Wenn es so ist, dann willst du dem Leser damit andeuten, dass er kein richtiges Interesse an den Eltern hat oder zumindest nicht kapiert, dass zwei Wochen bei älteren Menschen verdammt lang sind; da sterben manche einfach weg.

Wenn es keine Absicht ist, finde ich sie zu lange. Gestern hätte dann eher gepasst.

Mit einem schuldigen Gefühl stelle ich fest, daß ich erleichtert bin und denke: Zum Glück geht es ihr gut. Als ob das der Fall wäre.

Mein Lieblingssatz.


„Oh“, beginne ich hilflos, „seit wann... habt ihr das heute...“
Ich weiß nicht mehr weiter, die Nachricht trifft mich unerwartet. Man läßt sich doch nicht von heute auf morgen scheiden, oder? Am liebsten würde ich ihr sagen, daß ich Tilmann schon immer für einen Idioten gehalten habe.

Vielleicht sollte sich der Prot in dem Moment fragen, wann er die Zwei eigentlich zum letztem Mal zusammen gesehen hat und wie sie miteinander umgegangen sind.

„Gut“, beginne ich, „und wie ging es dann weiter?“
„Wie immer. Wir haben unsere Argumente ausgetauscht.“

Da fehlen mir aber die Argumente von Heike.

Was besseres kann der doch gar nicht passieren:
Tilmann ist voller Tatendrang und hat Erfahrung mit dem Haushalt. Beide haben den gleichen Beruf (der auch daheim zu Unzeiten ausgeübt werden kann); sich die Arbeit aufteilen ist kein Problem, ein Büro kann auch mal klein anfangen - na, was will die Frau denn noch, wenn sie Muttersein und Karriere miteinander vereinbaren will?

Wahrscheinlich war der ganze Tilmann ein Reinfall. Nun endlich hat man Fakten, um das Disaster zu beenden.

Gut, aber die ist einfach so von dem Autor gezeichnet. Der Bruder schnallt es auch nicht...will eigentlich irgendwie helfen, aber das Problem an der Wurzel packen, das kann er nicht. Heike muss den Kopf gewaschen werden...und keiner siehts...alle sind so mit ihren Kinkerlitzchen beschäftigt.
Eine Eheberatung wäre vielleicht auch mal nicht schlecht gewesen.
Aber das ist alles nicht Thema vom Prot. Der muss nur gucken, dass er nicht zu schlecht wegkommt bei seiner Schwester, die er ja ganz gerne mag, aber lieben, das tut er sie nicht.

Lieber Gruß
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Claus,

endlich mal wieder ausreichend Dialoge! (wenn ich nicht so prinzipientreu wäre, würde ich hier einen gewissen Smiley verwenden.)

Eine Echtzeitgeschichte. :) Die finde ich genrell unglaublich schwer zu schreiben, aber sie wirken einfach sehr viel realistischer und intensiver wie Geschichten mit Raffungen.
Dass du nur diesen kurzen Ausschnitt brauchst, um die Beziehung zwischen Heike und ihrem Bruder (und ihrem Mann) darzustellen, spricht für deine Qualitäten als Autor. Die Wortlosigkeit wird gut deutlich, weder Jan noch Heike finden die richtigen Worte, können richtig kommunizieren. Ihre teilweise noch vorhandenen Vertrautheit rührt aus der Kindheit und weist nicht auf ein momentan existentes Verhältnis hin. Diese Entfremdung wird angedeutet in der Abneigung des Prots gegen den Schwager, eine Erklärung, die mir etwas plump erscheint und einiges an Interpretationsmöglichkeit kaputt macht.
Unnötig auch die Stelle mit der Mutter und der standesamtlichen Hochzeit, ist für die Geschichte kein bisschen nötig, aber Erinnerungen an die Hochzeit scheinen bei Scheidungsgeschichten immer mit dabei sein zu müssen.
Schöner Schluss, übrigens. Er unterstreicht noch einmal die Hilflosigkeit, die Entfremdung des Prots von seiner Schwester.
Der Titel gefällt mir nicht, er erscheint eher wie eine Notlösung (der Versuchung erliege ich auch oft, wenn ich verzweifelt nach einem Titel suche.)

Liebe Grüße,
Anea

 

Hallo Claus,

das Leben plätschert vorbei, wie seine Nachrichten. Hilflosigkeit allenthalben. Dramatik in einem undramatischen Vorgang. Eine Bindung möchte einfach nicht mehr halten.
Und eine Trennung tut weh, auch wenn die Ratio sich sagt, es ist vielleicht besser so.
Keine Fragen, die dein Protagonist stellt, auch er nimmt die Trennung einfach hin, so wie seine Schwester, kein Kampf um Ziele, kein Bemühen um die Liebe, die einmal da gewesen ist und irgendwo im Alltag verschwunden. Kein Sofakissen, kein Schrank, unter dem man danach suchen könnte, und es scheint, bei der Ordnung des Ehemannes wäre die Liebe längst fortgefegt worden.
Das fand ich das Verstörende an deiner Geschichte. Das Hinnehmen, die Passivität, mit der die Menschen kommuniziert haben, nicht nur die Geschwister am Telefon.

Hat mir gut gefallen.

Lieben Gruß, sim

 

@all:
Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

@Felidae:
Ja, da hatte ich Dich mißverstanden, schön. Und ja, was Tilmann und den Protagonisten betrifft, so denke ich auch, daß man es so lesen muß.

@bernadette:
Fehler finden sich immer, seine eigenen Sachen Korrektur zu lesen, finde ich sehr schwierig.

Die zwei Wochen sind Absicht, aber wohl etwas zu deutlich. Ich denke darüber nach, es durch ein vorsichtigeres "neulich" zu ersetzen.

Deine Analyse der Situation von Heike und Tilmann habe ich nicht wirklich verstanden; sagst Du einerseits, daß die Voraussetzungen doch prima waren, daß die Gründe vermutlich woanders zu suchen sein werden, als in den Vorstellungen von der Zukunft?

Was Jan angeht, vermutlich kann man den Text so lesen, wie Du es tust: möglich, daß er seine Schwester nicht liebt, möglich, daß es ihm nur darum zu tun ist, nicht dumm auszusehen, als er da so hilflos herumstammelt.

@Angua:
Interessant, daß Du den Titel betrachtest. Ich hatte tatsächlich an so etwas wie "Meine Schwester" gedacht, das aber schon im Gedanken immer verworfen, rein aus dem Bauch heraus.

Interessant auch, wie Du (gerade im Vergleich zu bernadettes Sicht) Schuld bei Heike zu suchen beginnst: Jan als Opfer Heikes.

@Anea:
Daß Du einen Grund für die Entfremdung zwischen Bruder und Schwester in ihrem Ehemann suchst, hmm, hab' ich mir noch gar nicht so überlegt. Ich denke aber nicht, daß es Interpretationsmöglichkeiten zerstört; allein, weil die wenigsten Situationen monokausal zu erklären sind.

Daß Du die Erinnerung an die Hochzeit für unnötig hältst, erschrickt mich. Werde ich überdenken. Möglicherweise nachbearbeiten.

Beim Schluß war ich unsicher. Er erschien mir zwar konsequent, aber ich hatte mich bereits darauf eingestellt, daß in jedem Kommentar stehen würde: Halbfertig! Wo ist die Geschichte? Und was willst Du damit sagen? (Wahlweise und in Kombination) Aber dafür gelobt zu werden, daß hatte ich ehrlich nicht erwartet. Danke.

Der Titel bleibt. Gerne schicke ich Dir per PN mein Titel-Manifest. Und mein Banalitäts-Manifest. Und überhaupt meine ganzen Überzeugungen. Hier ist aber nicht der Ort dafür.

@sim:
Ich stimme Dir zu: Menschen in Passivität beobachten zu müssen, kann sehr verstörend wirken. Umso erstaunlicher, daß es Dir gefallen hat, Bruder und Schwester hier beim Hinnehmen Gesellschaft zu leisten. Vielleicht nehmen sich die beiden ja noch eine Chance, am nächsten Morgen vielleicht, frisch ausgeschlafen...

 

Hallo cbrucher,

ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Erfrischend war auch, dass kein "katastrophales" Erlebnis zu der Trennung geführt hat. Ich schätze, daran zerbrechen doch die meinsten Ehen/Beziehungen - am Auseinanderleben. Selbst, wenn man den Partner betrügt, ist das für mich ein Zeichen, dass schon vorher nichts mehr gestimmt hat.
Gut gefallen hat mir auch, dass du die Geschichte anhand von Dialogen aufgebaut hast. Sie sind dir, für meinen Geschmack, recht gut gelungen und klingen authentisch.

Es gab einige Stellen im Text, die ich persönlich streichen würde, weil sie die Geschichte nicht voran bringen. Zum Beispiel, als du schreibst, dass der Mutter für das Paar auch eine kirchliche Hochzeit wollte. Diese Stellen sind zwar insgesamt nicht schlimm, da sich deine Geschichte auf eine überschaubare Länge beschränkt, aber trotzdem habe ich mich beim Lesen gefragt, warum du dieses oder jenes jetzt erwähnst. Es lenkt ein wenig vom eigentlichen ab.

Fehler konnte ich keine finden, nur eine Kleinigkeit:

Es ist meine Schwester.

An dieser Stelle gefällt der Einschub mir nicht besonders gut. Ich hätte ich ein wenig später einfließen lassen.

LG
Bella

 

Hi cbrucher,

Auch ich habe den Dialog sehr gerne gelesen. Er wirkt auf mich sehr real, ich hatte nie beim Lesen den Gedanken, es wäre zuviel oder zuwenig. Besonders beim Schreiben von Dialogen ist sowas nicht einfach hinzukriegen.

Besonders der Schluss hat mir gefallen. Es kommt mir ein wenig so vor, als wolle dein Prot auch gar nicht, dass die Schwester zu ihm kommt. Er weiß ja sowieso, dass die Antwort "nein" sein wird. Fragt er vielleicht deshalb erst? Nach dem Telefonat plagen ihn vllt. deswegen auch die Schuldgefühle ... Auch das Angebot, sie könne ihn jederzeit anrufen, ehrt den Prot auf der einen Seite, auf der anderen jedoch, weiß er auch, dass sie ihn nicht anrufen wird.

Das zumindest stelle ich mir am Schluß vor :)

lg
Malachy

 

hallo cbrucher,

ja, das ist eine nette geschichte. eine besondere situation von bruder zu schwester. ich musste erst lange nachdenken, wieso es ein bruder ist. geschickt eingeworfen, dass er hoffte, es wäre die attraktive kollegin, damit hast du die geschlechterfrage geklärt. er hat angst, die falschen worte zu finden, so als ob er er das gefühl hat, seine bande zu seiner schwester ist zerbrechlich. es hat ihn anscheinend überrascht, dass seine schwester ihn als vertrauten sieht, und er möchte diese rolle auch verankert sehen, deshalb die beteuerungen, dass er sich ungestört fühlt und sie sogar zu sich einläd. realistisch gesehen fällt die ganze geschichte zu kurz aus. literarisch gesehen aber keineswegs, auch wenn der leser die meinung des bruders teilt, dass da mehr emotionen in der schwester gerade herumspuken. aber wie bei jedem vertrauten gibt es eine geheimnisgrenze. mehr/tiefer ist sie nicht bereit ihm mitzuteilen. und da die geschichte um ihn handelt, ist das kurze gespräch in der länge angemessen.
mir hat es gefallen, wie geschickt du wörtliche rede mit seinen gedanken vermengst. sehr schön seine hilflosigkeit - offensichtlich reden das geschwisterpaar sonst nicht viel privates miteinander - und auch offensichtlich interessiert es ihn auch nie besonders, so lange die welt um heike herum in ordnung ist. jetzt in der notsituation muss sich der unwissende in diplomatie üben. interessanter balanceakt.
schöne geschichte.
prima

bis dann

barde

nur ein paar winzigkeiten:

„Und wieso warst Du schon zu Hause?“ will ich wissen.

vor "will" fehlt das komma
ausserhalb von briefen würde ich "Du" etc klein schreiben

„Naja, ob wir uns endlich selbständig machen...“

"Naja" auseinander

„Und dann?“ hake ich nach.

vor "hake" das komma

„Vielen Dank Jan, das tut gut... Es war überhaupt schön, mit dir zu sprechen.“

hinter "Dank" eigentlich auch ein komma

 

hello cbrucher,

eine sehr eindringliche Geschichte, für meinen Geschmack allerdings eine Spur zu dialoglastig. Dafür hast Du sehr deutlich spüren lassen, wie es sich anfühlt, wenn das Brot einer Beziehung aufgegessen ist - inklusive der ohnmächtigen Hilflosigkeit, wie damit umzugehen wäre.

Nur ein Vorschlag: Du schreibst 'Vier Nachrichten, eindeutig zu viel', das empfinde ich als holprig, vielleicht wäre 'viele' in diesem Fall runder.

Viele Grüße vom gox

 

Hallo cbrucher,

diese Geschichte ist eine die zum Nachdenken anregt. Warum ist dem Prot eine Feier mit Arbeitskollegen eine Last?
Warum telefoniert er überhaupt mit seinen Eltern?
Warum ruft er seine Schwester zurück?
Warum hat ist er überrascht, das seine Schwester vernünftig einer Trennung zustimmt?
Hat er sich gewünscht, dass sie Gefühle zeigt? Weil er seine Wünsche auf sie überträgt?

Ich sehe einen Mann, der unterdrückt, was er vielleicht fühlen könnte. Der seiner Herkunftsfamilie entwachsen ist und trotzdem aus Pflichtgefühl, weil es sich so gehört, gesellschaftliche und familäre Beziehungen pflegt.
Nur seinem Gefühl dem Schwager gegenüber ist er ehrlich. Und ich wette er weiß auch, dass seine Schwester unehrlich zu ihm gewesen ist.
Gerne gelesen
LG
Goldene Dame

 

Hallo Claus,

ja, hat mir gefallen. In der Tat alltäglich deine Geschichte, leider. Auch Kommunizieren und Bindungen eingehen sind Fähigkeiten, die nicht selbstverständlich sind. Erschreckend fand ich, wie anteilslos Heikes Bruder ist, auch wenn er sich zwischenzeitlich kurz Sorgen um ihre Gesundheit macht. Aber von ihrem Leben, ihr als Person weiß er nichts. Im Endeffekt haben sich nicht nur Heike und ihr Mann auseinandergelebt, sondern auch Heike und ihr Bruder. Aber die Trennung unter Menschen, die von Geburt an zusammengeschweißt sind, ist noch viel komplizierter als eine Scheidung. Einfach, weil man ständig das Gefühl hat, dass man diesen Menschen eigentlich in- und auswändig kennen müsste. Aber auch an solchen selbstverständlichen Beziehungen muss gearbeitet werden.

Soviel zum Inhalt. Stilistisch ist mir nichts weiter aufgefallen. Auch wenn du aneas Einwand schon abgeschmettert hast, muss ich nochmal fragen: Was soll der Titel? Natürlich - so wie du uns mit diesem Titel konfrontierst, so wird auch Jan plötzlich mit Heike als Person konfrontiert. Trotzdem aus meiner Sicht eher nichtssagend.

Liebe Grüße
Juschi

 

Die Interpretationen (oder vielleicht besser Lesarten, weil Interpretation dann vielleicht doch nicht notwendig ist) des Textes bereiten mir wirklich große Freude. Es ist unglaublich interessant, wie unterschiedlich die Geschichte gelesen wird, wo die Schwerpunkte, wie die Konstellationen gesehen werden.

Vielen Dank erst einmal an alle fürs Lesen und Kommentieren!

@Bella:
Die Mutter und ihr Traum von der kirchlichen Hochzeit bleibt, ist mir wichtig.

Über Deinen Kritikpunkt, den Einschub "Es ist meine Schwester." erst später zu bringen, werde ich nachdenken. Mal sehen.

@Malachy:
Es freut mich, daß Dich der Schluß überzeugen konnte. Wie oben bereits einmal erwähnt, hatte ich da Bedenken, wie er aufgenommen werden könnte.

@Barde:
Deinen Gedanken, das Gespräch sei zwar realistisch unrealistisch, in diesem Text aber nicht, fand ich sehr interessant. Ja, es ist provokativ kurz; schön, daß es Dich dennoch überzeugt hat.

Was die fehlenden Kommata angeht: sie stehen nicht, wenn die Rede mit Ausrufe- oder Fragezeichen abschließt. Nur Punkt, Komma oder Semikolon werden durch Komma nach den Anführungszeichen ersetzt. So jedenfalls mein Wahrig.

Das großgeschriebene "Du" ist ein häufiger Fehler bei mir. Danke. Und auch das falsche "Naja" werde ich umgehend ändern, sowie das Komma nach "Vielen Dank" nachtragen.

@gox:
Deinen Abrundungsvorschlag bei "Vier Nachrichten" werde ich übernehmen, vielen Dank für Dein Lob.

@Goldene Dame:
Vielen Dank auch Dir für das Lob, gerade obwohl der Text bei Dir so viele Fragen aufgeworfen hat.

@Juschi:
Ja, der Titel. Wie Du vermutlich schon erwartet hast: muß ich abschmettern. Ich gebe auch zu, eine Schwäche für nichtssagende Titel zu haben. Und eine weitere, einen vielsagenden zu finden...

 

"Was die fehlenden Kommata angeht: sie stehen nicht, wenn die Rede mit Ausrufe- oder Fragezeichen abschließt."

bitte lies das nach!

 

ich frage mich, gibt es eigentlich noch eine sprache in der die einheimischen so verwirrt sind wie wir deutschsprachigen?!

 

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