Was ist neu

Copywrite Heimfahren

Seniors
Beitritt
14.08.2012
Beiträge
2.274
Zuletzt bearbeitet:

Heimfahren

Der Schnee deckt alles zu,
das Heimliche und das Unheimliche.

Andrea H.​

Da fährt ein Auto spätnachts durch dichtes Schneegestöber und ein Schatten huscht über die Straße.
Und ein Bursche tritt auf die Bremse, ohne zu denken. Viel zu unbedacht bremst er, weil seine Gedanken ganz woanders sind, und ein miserabler Fahrer ist er sowieso, auch wenn er schon mit zwölf den Traktor gelenkt hat wie ein Großer, wie alle Buben im Dorf. Nein, gut Autofahren kann der Sepp nicht. Außerdem hat er einen Mordsrausch.
Nadine schreit und Sepp weiß nicht, ob das Ding sie so erschreckt hat, das Ding, das wahrscheinlich nur ein Hase war oder vielleicht ein Reh, oder ob ihr das langsame Kreiseln des Wagens Angst macht. Aber weil ihr Schreien das Auto nicht aufhalten kann, lässt Nadine das Schreien wieder bleiben, beißt sich stattdessen auf die Lippe und starrt mit weit aufgerissenen Augen in die nachtschwarze, weiße Welt hinaus, in eine Welt, die sich nun gemächlich um sie dreht, als säßen sie auf einem Karussell. Und die Welt draußen dreht sich, nicht, weil es nun einmal in ihrer Natur liegt, sich zu drehen, sondern weil die Nacht in diesem Augenblick aus den Fugen gerät.
Langsam wie in einem Traum schlittert der Wagen durch den wattigen Schnee und schiebt sich schließlich behutsam und mit dem Heck voran durch den Schneewall am Straßenrand und bleibt darin beinahe hängen.
Aber nur beinahe, weil er dann beginnt, die Böschung hinabzurutschen, da kann der Sepp aufs Gas steigen so viel er will. Also lässt Sepp das Lenkrad los, dreht sich um und blickt durchs Rückfenster, weil er sehen will, wo ihre Reise jetzt hingeht. Doch das Schneegestöber ist dort hinten so dicht wie vor dem Auto, ein wirbelnder weißer Vorhang, ein bisschen rötlicher vielleicht wegen der Rücklichter, und Sepp tritt jetzt auf die Bremse, als könne er ihre Höllenfahrt dadurch noch aufhalten. Kann er aber nicht. Also wendet er sich wieder nach vorne und schaut Nadine an, sieht die zerlaufene Wimperntusche um ihre Augen und auf ihrem Mund den verschmierten Lippenstift. Jessasmaria! Dieses Lila!
Eigentlich ist die richtig schiach
, denkt er, nicht zum ersten Mal denkt er das, und blickt lieber auf ihre Schenkel, die den Minirock beinahe sprengen und die fast so weiß sind wie der Schnee draußen, aber vermutlich weit wärmer, oder gar heiß, und er spürt, wie sich sein Ding regt und schmerzhaft gegen die Hose drückt, sich aufrichten will, obwohl es vor Angst doch eher schrumpfen sollte. Weil da geht’s ja fast dreihundert Meter runter zum Triebenbach und die Weide vom Höllerer wird nach unten zu immer steiler. Da gibt es nichts, was sie aufhalten wird, das weiß er. Dass sie ausgerechnet den einzigen Baum auf der Wiese erwischen oder gar den Heustadel vom Höllerer, wäre ein Wunder, so unwahrscheinlich wie ein freiwilliger Kuss von der Nadine, und Glück hat er ja so gut wie nie, der Sepp, hat er noch nie gehabt. Bis auf das eine Mal, als er sie heimlich hat beobachten können, wie sie mit hochgezogenem Kittel hinter dem Hollunderbusch gehockt ist. Aber das ist lange her, da war er noch keine zwölf, da ist er noch nicht einmal mit dem Traktor gefahren und Haare hat er auch noch keine auf dem Sack gehabt und eigentlich überhaupt keine Ahnung, was sie da mit der Karotte angestellt hat. Ja, aber vom Fest lässt sie sich heimchauffieren von ihm, wie immer. Was für ein Gnadenakt, du Hur, denkt er, und warum er sich von dieser Schlampe eigentlich so zum Narren halten lässt.
„Wennst einmal weniger als hundert Kilo wiegst, können wir ja noch mal drüber reden“, hat sie irgendwann einmal zu ihm gesagt und nicht einmal gelacht dabei.
Und jetzt beginnt sie auch wieder zu schreien. „Tu doch was, Sepp, um Gottes Willen, tu doch was!“, schreit sie, weil sie die Höllererwiese ja auch kennt, weil sie weiß, dass der Triebenbach da unten in Wahrheit kein Bach ist, sondern ein reißendes Wildwasser und durch eine Schlucht tobt, um Felsblöcke so groß wie kleine Häuser. Und dann fängt sie an, wie eine Irre am Türgriff zu rütteln, als hätte sie vergessen, dass sie schon immer auf der Fahrerseite hat einsteigen müssen, wenn sie der Sepp wo hingefahren hat, dass die Beifahrertür schon verklemmt war, als der Kadett noch dem Opa vom Sepp gehört hat. Weil doch den Opel einmal eine Wildsau erwischt hat, oder umgekehrt. Na ja, kein Wunder, wenn sie so was vergisst, so ang‘soffen wie sie heut wieder ist, die blöde Kuh mit ihrem Scheißnamen. Nadine! Als wär sie was Besseres, dabei hat sie nicht einmal die Friseurlehre fertiggemacht.
„Wir müssen raus, Sepp!“, kreischt sie und das ist schon mehr ein Schluchzen als ein Kreischen und jetzt geht auch Sepp ein Licht auf, dass er schön langsam etwas tun sollte. Nur weiß er halt nicht, was.
Und eben, als er das denkt, sieht er links ein dunkles Ding vorbeiziehen, ganz gemächlich, nein, kein Reh diesmal und auch keine Wildsau, nein, ein graues, schemenhaftes Irgendwas, das muss wohl der Schupfen vom Höllerer sein. Und als ihm klar wird, dass sie den nur um eine Handbreit verfehlt haben, sie so knapp daran vorbeirutschen, dass die Zweige des Hartriegelstrauchs, der an der Schupfenwand wächst, über den Lack vom Opel kratzen, da würgt es ihn beinahe, da spürt er ein Ziehen in der Kehle und im Magen, und es schüttelt ihn. Ja, da stößt dem Sepp ein bitteres Lachen auf, weil wundern tut ihn das nicht, dass er schon wieder kein Glück hat, aber das Lachen klingt mehr wie ein Schluchzen.
Gott, wie die brüllt, das hält ja kein Schwein aus.
„Wir müssen raus, Nadine, schnell!“, brüllt er zurück, und fast erschrickt er vor seiner eigenen Stimme, die ist so laut, die passt so gar nicht zu dem friedlichen, sanften Gleiten des Wagens, am liebsten würde Sepp einfach weitergleiten, auf immer, wie durch einen Traum. Beinahe wie Schweben fühlt sich das an … was soll denn schon groß passieren … das ist doch fast so harmlos wie Schlittenfahren … aber da wirft Nadine sich schon über ihn, greift zur Tür, will öffnen und zerrt am Griff, sie strampelt und tobt wie eine Furie, sie heult und wimmert.
Und bricht den Türgriff ab.
„Du depperte Sau“, flüstert Sepp, er will nicht mehr schreien. Er will jetzt endlich seine Ruhe haben, er will nur noch, dass sie so liegen bleibt, halb auf ihm, und ihren Geruch einatmen, diese Mischung aus Schnaps und Schweiß und ein wenig Parfum, und ihre Dutteln will er auf seinen Schenkeln spüren und auf seinem pochenden Dings, diese schwabbeligen Säcke, die sich so weich und warm anfühlen wie das Euter von der Maresi. Tatsächlich muss er in diesem Moment nicht an den Triebenbach und ans Sterben denken, sondern an die Zitzen am Euter von der Maresi, und dann muss er auch schon an die Fotze von Nadine denken, so wie er sie vor Jahren im Obstgarten gesehen hat, diesen Kleinmädchenschlitz mit dem bisschen Flaum drauf, eine Spalte halt, die ihm in Wahrheit damals nicht viel aufregender erschienen ist als eine zusammengeklappte Wurstscheibe.
„Du bist echt eine depperte Sau“, sagt er noch einmal, „wie willst denn jetzt rauskommen, ha?“ Vielmehr keucht er das und er greift unter den Sitz und holt die Flasche mit dem Obstler hervor. Er nimmt einen kräftigen Schluck und dann noch zwei. Und dann haut er Nadine eine runter und reißt die Fensterkurbel ab.
Ganz still ist es jetzt. Der Motor ist längst abgestorben und die Schneeflocken machen sowieso kein Geräusch und ihre Schlittenfahrt wird schneller und schneller. Und auch Nadine macht keinen Mucks, nicht, weil sie keine Angst hätte vorm Sterben, nein, Angst hat sie schon, eine Scheißangst, sie hat sich sogar angebrunzt und schämt sich deswegen, weil der Sepp das sicher riecht, aber sagen kann sie nichts, weil Sepp jetzt sein Dings ausgepackt hat und an ihren Mund presst. Mit der einen Hand umklammert er ihren Hinterkopf und drückt ihr Gesicht in seinen Schoß, dass sie kaum atmen kann, mit der anderen wühlt er zwischen ihren Schenkeln und die Schwielen seiner Bauernpranke kratzen rotlodernde Striemen in die Zellulitis ihres Hinterns.
„Du Sau, du Drecksau, mach schon, du Drecksau, du geile Fut …“, murmelt er vor sich hin, weil er weiß, dass ihm die Zeit davonläuft, weil er weiß, dass seine Welt aus den Fugen gerät, immer schneller, immer endgültiger, und dass das grünschäumende Wasser des Triebenbachs auf ihn wartet, oder das blausplitternde Eis dort unten, dort unten, wo zumindest im Sommer der Triebenbach fließt.
Wenn’s so weiterschneit, finden die uns nie, denkt er noch und im selben Augenblick, gerade als ein gewaltiges Zucken seinen Unterleib zerreißt, kippt die Welt vor der Windschutzscheibe nach hinten, also die Welt draußen, dieses grauweiß flirrende Inferno, das eben noch wirkte, als würde ein Leintuch unter ihnen weggezogen, und das Licht der Scheinwerfer fetzt durchs Schneeflockengewirbel senkrecht in den unsichtbaren Himmel hinauf und der beginnende freie Fall des Opels hinunter in die Triebenbachschlucht beschert ihm für ein paar Augenblicke das Gefühl der Schwerelosigkeit.

 

Erstes Statement: Wenn es einen Wettbewerb für die unwahrscheinlichste Geschichte überhaupt gäbe, du hättest mit diesem Text den ersten Platz sicher! :D

 

Hallo ernst offshore,


eben wollte ich meinen Kommentar abgeben, da flattert das Statement von der Autorin ein, deren Geschichten du als Vorlage benutzt hast: unwahrscheinliche Geschichte. Ja, das ist schon unwahrscheinlich alles, aber das weißt du sicher selbst. Ich glaube, du hattest deinen Spaß beim Schreiben, hättest auch beinahe das Stichwort Humor hinzufügen können ;).

Du verwendest lange Sätze, nutzt stilistische Wiederholungen, das alles übt schon einen Sog beim Lesen aus, allerdings übertreibst du es für meinen Geschmack hie und da.
Deine Geschichte ist nicht sonderlich lang, du könntest dir aber trotzdem überlegen, ob du sie nicht etwas eindampfen möchtest.


Was mir so aufgefallen ist:

Und ein Bursche tritt auf die Bremse[Komma] ohne zu denken.

Und getrunken hat er beim Feuerwehrfest auch nicht wenig. Wie alle.

Ich würde hier den Takt ändern. Etwa so: Und getrunken hat er beim Feuerwehrfest (auch). Nicht wenig. Wie alle.

... starrt mit weitaufgerissenen Augen in die nachtschwarze, weiße Welt hinaus, in eine Welt, die sich nun langsam um sie dreht, als säßen sie auf einem Karussell. Und die Welt draußen dreht sich, nicht weil es nun einmmal in ihrer Natur liegt, sich zu drehen, sondern Weil die Nacht in diesem Augenblick aus den Fugen gerät.

Das ist mir z. B. too much. Da dreht sich die Welt zu oft. Das schwächt auch das gute Bild vom Karussel, finde ich. Nach hinaus würde ich auch einen Punkt setzen.

... obwohl es sich doch eigentlich klein machen und vor Angst verschrumpeln sollte. Weil da geht’s ja fast dreihundert Meter runter zum Triebenbach und die Weide vom Höllerer wird nach unten zu immer steiler.

Weil da geht’s ... das brauchst du doch nicht wörtlich begründen. Es geht ja, hätte mir gereicht.

... so unwahrscheinlich wie ein freiwilliger Kuss von der Nadine, und Glück hat er [bei ihr] ja so gut wie nie, der Sepp, hat er noch nie gehabt.

Würde ich auf Nadine beziehen.

Aber das ist lange her, da war er noch keine zwölf, da ist er noch nicht einmal mit dem Traktor gefahren und Haare hat er auch noch keine ums Zumpferl gehabt und eigentlich überhaupt keine Ahnung, was sie da mit der Salatgurke gemacht hat.

Die Salatgurke ist mir zu viel Schenkelklopfer hier. Das brauchts nicht für mich, würde ich rausnehmen.

Und jetzt beginnt sie auch wieder zu schreien. „Tu doch was, Sepp, um Gottes Willen, tu doch was!“, schreit sie ...

Zweimal schreien, lässt sich auch verlustfrei streichen.

... ang‘soffen[Komma] wie sie heut ist, die blöde Kuh mit ihrem Scheißnamen. Nadine! Als wär sie was Besseres, dabei hat sie nicht einmal die Friseurlehre fertiggemacht.

Das mit dem Scheißnamen fand ich gut :).

Beinahe wie Schweben fühlt sich das an … was soll denn schon groß passieren … das ist doch fast so harmlos wie Schlittenfahren …

Ist auch redundant.

„Du depperte Sau“, flüstert Sepp, er will nicht mehr schreien. Er will jetzt nur noch ihren Geruch einatmen, diese Mischung aus saurem Schweiß und Schnaps und ein wenig Parfum, und ihre drallen Tutteln will er auf seinen Schenkeln spüren und auf seinem pochenden Dings, diese weichen, schwabbeligen Säcke, diese Kuheuter. Tatsächlich muss er jetzt nicht ans Sterben denken, sondern an ihre Fotze, so wie er sie damals im Obstgarten gesehen hat, diesen Kleinmädchenschlitz mit dem bisschen Flaum drauf, eine Spalte halt, die ihm in Wahrheit damals nicht viel aufregender erschienen ist als eine zusammengeklappte Wurstscheibe.
„Du bist echt eine depperte Sau“, sagt er noch einmal, „wie willst denn jetzt rauskommen, ha?“ Vielmehr keucht er das und er greift unter den Sitz und holt die Flasche mit dem Obstler hervor. So viel Zeit muss sein, denkt er, scheiß doch aufs Sterben. Er nimmt einen kräftigen Schluck und noch einen, und dann noch zwei. Und dann streckt er Nadine die Zunge raus und reißt die Fensterkurbel ab.

Guter Absatz, würde ich aber früher beenden, dann wirkt das besser, finde ich. Ist mir auch zu abgedreht mit dem Obstler und der rausgestreckten Zunge, zu slapstickmäßig irgendwie. Auch wenn du bestimmt deinen Spaß beim Schreiben hattest :).

Und auch Nadine macht keinen Mucks, nicht weil sie keine Angst hätte vorm Sterben, nein, Angst hat sie schon, eine Scheißangst, sie hat sich sogar schon angebrunzt und schämt sich deswegen, weil der Sepp das sicher riecht, aber sagen kann sie nichts ...

Ich weiß nicht, ob der Erzähler da in den Kopf Nadines schauen muss.

Du Drecksau, du Drecksau, mach schon, du Drecksau …“, murmelt er vor sich hin, weil er weiß, dass ihm die Zeit davonläuft, weil er weiß, dass seine Welt aus den Fugen gerät, immer schneller, immer endgültiger, und dass das grünschäumende Wasser des Triebenbachs auf sie wartet, oder das blausplitternde Eis dort unten, dort unten, wo zumindest im Sommer der Triebenbach ist.

Würde ich eindampfen.

Wenn’s so weiterschneit, finden die uns nie, denkt er noch und im selben Augenblick, gerade als eine gewaltige Fontäne aus seinem Pimmel spritzt, kippt die Welt vor der Windschutzscheibe, also die Welt draußen, dieses grauweiß flirrende Inferno, das eben noch wirkte, als würde ein Leintuch unter ihnen weggezogen, das Licht der Scheinwerfer fetzt durchs Schneeflockengewirbel in den unsichtbaren Himmel hinauf und der beginnende freie Fall des Opels hinunter in die Triebenbachschlucht beschert ihm für ein paar Augenblicke das Gefühl der Schwerelosigkeit.

Die Schwerelosigkeit gönne ich ihm ja, aber die Fontäne nicht :). Das bräuchte es nicht.
Ich finde das Bild mit dem Leintuch gut, allerdings beißt es sich mit der kippenden Welt. Da würde ich mich zwischen kippen und weggezogen entscheiden.


Ja, ernst, ernst nehmen konnte ich die Geschichte nicht, auch wenn man da einiges herauslesen könnte. Dass er ihre Hilflosigkeit ausnutzt, dass sich da was aufgestaut hat ... Ich glaube nicht, dass es deiner Intension entsprach, da was reinzuinterpretieren als Leser, oder?
Jedenfalls habe ich mich kurzweilig unterhalten gefühlt. Das ist dir gelungen. Interessant und amüsant, was du aus den Vorlagen gemacht hast. Zu kritisieren habe ich nur ein paar stilistische Dinge, die aber bekanntermaßen eher Geschmackssache sind.


Vielen Dank fürs Hochladen


hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Huhu offshore!

Also im ersten Absatz nimmst du den untergründigen Horror der Ursprungsgeschichte auf - der Schatten, der über die Straße huscht, das "Ding", und bei "weil die Nacht in diesem Augenblick aus den Fugen gerät". Das wird aber in der Folge nicht eingelöst, das ist im Grunde nur die Schilderung eines Unfalles ohne Horrorbeteiligung.

Dann wird die Geschichte, ja, ich weiß nicht, wie ... der Erzähler legt in der Folge keinen Wert mehr auf Wahrscheinlichkeit, auf innere Logik, auf Welthaltigkeit oder irgendeine Wahrheit - der sagt, scheiß drauf, ich will jetzt eine Sexszene, eine Vergewaltigung meinetwegen, auf Teufel komm raus mit einem Unfall in Zeitlupe verbinden. Wenn man sich darauf einlässt, kann man die Absurdität schon unterhaltsam finden. Dass die Figuren brutal, vulgär, jämmerlich sind ... es ist einem wuascht, und die Vergewaltigung auch. Man könnte die Geschichte auch so zusammenfassen: Auch wenn alles den Bach runtergeht, Hauptsache der Mann kommt zu einem Schuss. :D

Die Geschichte gewinnt auf jeden Fall enorm durch deinen sicheren und eleganten Sprachstil.
Am Ende bleibt aber schon die Frage: Wozu erzählt er mir das eigentlich? Ist das viel mehr als ein zynischer Witz? Ich glaub nicht, is aber vielleicht auch nicht schlimm. ;)

Gruß
Andrea

 
Zuletzt bearbeitet:

hell schrieb:
Ich glaube, du hattest deinen Spaß beim Schreiben, hättest auch beinahe das Stichwort Humor hinzufügen können […] Ja, ernst, ernst nehmen konnte ich die Geschichte nicht, auch wenn man da einiges herauslesen könnte. [...] Ich glaube nicht, dass es deiner Intension entsprach, da was reinzuinterpretieren als Leser, oder?

Ja, hell, Spaß hatte ich beim Schreiben tatsächlich, was aber nicht heißen soll, dass ich die Geschichte selber nicht ernst nehme. (Ich habe vor Andreas Geschichten und ihrer stilistischer Brillanz einfach eine viel zu große Hochachtung, als dass ich mich leichtfertig über sie quasi lustig machen würde.)
Aber ob man den Text nun als rustikalen Bauernschwank liest oder als bitterböses Psychogramm eines vom Leben schrecklich gebeutelten armen Hundes, bleibt letztlich dem Leser überlassen.

Du verwendest lange Sätze, nutzt stilistische Wiederholungen, das alles übt schon einen Sog beim Lesen aus, allerdings übertreibst du es für meinen Geschmack hie und da.
Tja, was soll ich sagen, hell, Redundanz ist ja praktisch mein zweiter Vorname (ernst "Redundante Endlossätze" offshore). Ich mag das einfach, wenn ich beim Schreiben in so einen Flow gerate, wo sich dann dieses gleichsam Repetative wie von selbst ergibt.
Zu deinen Detailanmerkungen will ich jetzt gar nicht viel sagen, zum Teil sind die auch schon wieder obsolet, weil ich seit Sonntag einiges am Text geändert habe. (Ich kann mir vor dem Posten einen Text noch sooft durchlesen, sobald ich ihn ihm Forums-Layout sehe, fallen mir unheimlich viele stilistische Verbesserungen ein.)

Nur dazu noch was:

Die Schwerelosigkeit gönne ich ihm ja, aber die Fontäne nicht :) Das bräuchte es nicht.
Hast recht. Das Bild habe ich jetzt ein wenig entdramatisiert.

Ich finde das Bild mit dem Leintuch gut, allerdings beißt es sich mit der kippenden Welt. Da würde ich mich zwischen kippen und weggezogen entscheiden.
Nö, das will ich beides drin lassen. Deshalb:
Während Sepp und Nadine mit dem Auto die Wiese hinunterrutschen, wirkt es auf sie, als würde der Hang „wie ein Leintuch unter ihnen weggezogen werden“.
Aber dann, als das Auto rückwärts über den Schluchtrand kippt, ist es aus ihrer Perspektive die Welt, die kippt. Capisce?


Vielen Dank, hell, für deinen Besuch.

offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

Und eben[,] als er das denkt, sieht er links ein dunkles Ding vorbeiziehen, ganz gemächlich, nein, kein Reh diesmal und auch keine Wildsau, nein, ein grauweißes, schemenhaftes Irgendwas, das muss wohl der Schupfen vom Höllerer sein.

Nee, was ich heute für landschaftliche Ausdrücke dieses bairischen Dialektes kennenlernen durfte, vom "Schupfen" (Höllerer gibt's auch hierzulande, sogar professorale) bis zum Zwetschen mit g und k,

lieber ernst,

verpflichtet mich zu dank für die Bereicherung auch meines Sprachschatzes (der macht jetzt so ca. 303 Wörter aus, wenn ich mich nicht verzählt habe). Nun sind wir beide nach einem Jahr durch die Themen der bezaubernde Andrea auf unterschiedlichste Weise in einer uns mutmaßlich fremden Welt angekommen, ich in Andeutungen und Du in einer ländlichen Variante verschärften bürgerlichen Realismus': Im Naturalismus. Und wer will ausschließen, dass dergleichen Katastrophe nicht möglich wäre? Man muss halt als guter Erzähler auch solche Themen aushalten und schildern können, selbst wenn der Leser sich als Voyeur vorkommen darf/kann/muss/soll/will.

Allein an einer Stelle kann ich ein wenig mosern

… mit weitaufgerissenen Augen ...
m. E. auseinander „weit aufgerissene Augen“. Der Duden liefert allein über die Bedeutung des Verbs „glotzen“ einen Beleg. Nicht auszuschließen, dass Du in der Literatur entgegengesetzte Belege findest.

Eine zwote Stelle hätt sich aus der unterschiedlichen Behandlung der negierten Konjunktion „…, nicht weil ...“ ergeben, zu Anfang ohne und gegen Ende mit Komma („…, nicht, weil ...“. Üblich ist „eigentlich“, dass „nicht weil“ (und ähnliche Fügungen) als Einheit angesehen wird (werden und darum i. d. R. ohne Komma zwischen den Teilen belassen wird/werden), aber man „darf“ (die amtl. Regelungen der dt. Rechtschreibung und in der Folge der Duden sind halt konsequent bis zum geht nicht mehr), wenn der erste Teil – in unserm Fall die Negation - „stark“ betont werden soll. „Oft liegt es im Ermessen des Schreibenden, ob er etwas mit Komma als Zusatz oder Nachtrag kennzeichnen will oder nicht.“ § 78 amtl. Regelung, die übrigens - für Interessierte - im Internet als PDF eingestellt ist. Sicherlich kein Freifahrtschein ...

Nachtrag

Wenn es einen Wettbewerb für die unwahrscheinlichste Geschichte überhaupt gäbe, du hättest mit diesem Text den ersten Platz sicher!
Aber, liebe Andre H., hab ich arme Seele den nicht schon?

Gruß

Friedel,
der sich wieder der Eindeutigkeit der Steuergesetzgebung zuwendet --- mit Janosch und seinem Getier ab nach Panama!

 
Zuletzt bearbeitet:

Andrea H. schrieb:
Also im ersten Absatz nimmst du den untergründigen Horror der Ursprungsgeschichte auf - der Schatten, der über die Straße huscht, das "Ding", und bei "weil die Nacht in diesem Augenblick aus den Fugen gerät". Das wird aber in der Folge nicht eingelöst, das ist im Grunde nur die Schilderung eines Unfalles ohne Horrorbeteiligung.
[…] Am Ende bleibt aber schon die Frage: Wozu erzählt er mir das eigentlich?
Vielleicht, um eine Message zu vermitteln, Andrea:
"Don’t drink and drive." :D

Nein, im Ernst, Andrea, dasselbe könnte ich dich auch zu deiner Geschichte fragen.
Im Grunde habe ich ja nicht so viel verändert, weder an den Figuren noch am Setting oder an der Handlung: Sowohl bei dir als auch bei mir kommen ein Mädchen und ein Bursche auf der Heimfahrt von einem Fest in einem nächtlichen Winterwald durch einen blöden Unfall zu Tode. Shit happens, quasi.
Wo du allerdings die Erwartungen der Leser durch anscheinend bzw. scheinbar Übernatürliches auf eine falsche Fährte lockst, beschränke ich mich auf puren Naturalismus.
Man kann - entsprechenden guten Willen vorausgesetzt - sogar so weit gehen, in meiner Story gesellschaftskritische Aspekte zu entdecken, insofern, dass der bedauernswerte Sepp aufgrund seines Äußeren (schwer übergewichtig) und seiner, nun ja, geistigen Schwerfälligkeit, einfach ein diskriminierter Außenseiter ist, an dem das Leben freudlos vorüberzieht und dessen bisheriges z.B. Sexualleben sich auf das Betatschen von Kuheutern beschränkt hat. Ein armer Teufel sozusagen, der verzweifelt versucht, zumindest durch gesellschaftlich anerkanntes - quasi regelkonformes - Verhalten (exzessives Saufen) Teil der dörflichen Gemeinschaft zu sein. Und sich dadurch gleichsam sein eigenes Grab schaufelt.

Nein, im Ernst jetzt, Andrea, in Wahrheit - und das hab ich dir auch schon an anderer Stelle gesagt - war es weniger deine Geschichte, die mich in ihren Bann zog und mich zu einer Bearbeitung bewog, sondern dein ganz spezieller Umgang mit der Sprache, dieser unverkennbare Andrea H.-Sound.
Deinen Stil empfinde ich als sehr ausgereift, von dir sehr bewusst gestaltet, manchmal zwar beinahe zu artifiziell klingend, aber nie gekünstelt, weil du durch eine sehr subtile Art ironischer Brechung dein Schreiben immer irgendwie unernst, verspielt klingen lässt.
Das gefällt mir einfach wahnsinnig gut und ich hab halt versucht, in meiner Fassung ein bisschen andreamäßig zu klingen. (Deshalb auch mein Besinnen auf ein paar genuin österreichische Ausdrücke.)

Die Geschichte gewinnt auf jeden Fall enorm durch deinen sicheren und eleganten Sprachstil.
Tja, in Wahrheit geht es mir beim Schreiben ja ausschließlich um den Stil.

Vielen Dank, Andrea.


Du, Friedel aka Friedrichard, musst noch ein wenig warten.

 
Zuletzt bearbeitet:

Friedrichard schrieb:
Nee, was ich heute für landschaftliche Ausdrücke dieses bairischen Dialektes kennenlernen durfte, vom "Schupfen" […] bis zum Zwetschen mit g und k,
lieber ernst, verpflichtet mich zu Dank für die Bereicherung auch meines Sprachschatzes.

Nichts zu danken, Friedel.
Aber du sprichst damit ein Problem an, über das ich mir immer wieder mal den Kopf zerbreche:
Bei Texten, die ich fürs Forum schreibe (wo die Leserschaft vermutlich zu 90% aus Bundesdeutschen besteht), getraue ich mich ja viel zu selten, mich meiner angestammten Sprache zu bedienen. Weil die ja nun mal nicht Deutsch ist, sondern Österreichisch. (Um nicht zu sagen, Wienerisch.)
Immer wieder einmal muss ich mir deswegen auch Vorwürfe anhören, z.B. von einer Wiener Freundin, die auch (leider viel zu selten) hier im Forum aktiv ist:

Lady Morphia schrieb:
(unter „Noch lebst du“)

Dein Stil ist dein Stil und das ist deine Sache, offshore. Aber ich tu mir halt schwer mit dem bundesdeutschen "Möse", "Fresse", "Blödmann", "sternhagelvoll" , "Klacks" etc. in dem ansonsten doch österreichischen Text, da hätte ich wenigstens "Muschi", "Maul", "Trottel" , "besoffen" und "nichts" genommen, das harmoniert besser finde ich.
"Pappn" und "blunznfett" wären wohl schon zu mundartig und für unsere deutschen Freunde schwer zu verstehen. Aber das Thema hatten wir ja schon. Ich persönlich würde entweder nur "pifkinesisch" oder nur "ösisch" schreiben.


Und eine andere Freundin schrieb mir zur nämlichen Geschichte das:

B. schrieb:
… „bekloppt“? Warum nicht „deppert“? Du bist so wunderbar poetisch, lass dich nicht verführen, gefallen zu wollen, bleib authentisch in deiner Sprache, pass dich nicht dem bundesdeutschen Duktus an.
Worauf ich ihr antwortete:
Tja, da hast du natürlich recht, liebe B., aber mein Stil ist halt auch geprägt durch meine Lektüre, und klar, ich hab auch Lieblingsautoren, an deren Sprache ich mich bewusst oder unbewusst orientiere. Und wenn ich deren Bücher nicht in der Originalfassung lesen kann, sondern auf Übersetzungen angewiesen bin, stammen diese in aller Regel von deutschen Übersetzern. (So wie ja auch die allermeisten fremdsprachigen Filme, die wir bei uns zu sehen bekommen, in Deutschland synchronisiert werden.) Und klar prägt sowas das eigene Sprach- und Schreibverhalten.
Also pures Österreichisch kann und will ich gar nicht schreiben.
Oder ich will’s mal so sagen: ich bemühe mich in meinem Stil neben unverkennbarer offshorescher Sprache eben auch um Literarizität, und darin haben unsere so wunderbaren Austriazismen wie z.B. "Fut, Dutteln, Paradeiser, Saubär, meiermachen, oaschpudern" usw. in den seltensten Fällen was verloren, so gern und selbstverständlich ich sie auch in meiner Alltagssprache verwende.
Und weil ich ja vorwiegend fürs Wk-Forum schreibe, also eigentlich ausschließlich, richte ich mich bei meiner Wortwahl eben nach der Mehrheit der Leser. Das magst du jetzt meinetwegen opportunistisch nennen, ich nenne es opportun.

Was ich damit sagen will, Friedel: Bisweilen tut so eine Ermutigung, sich seiner sprachlichen Wurzeln zu besinnen, ganz gut. Wer, wenn nicht wir alten Scheißer, sollte sich denn sonst darum bemühen, die immense sprachliche Vielfalt und vor allem die vielen regionalen Varietäten zu bewahren, bevor sie alle durch seelenlos uniformes, mit Scheinanglizismen durchsetztes Denglish verdrängt werden?

In diesem Sinne:
Pfiati, Friedel, seavas, und danke für deinen leiwanden Kommentar.

offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

"Saubär" sei einem bairischen Dialekt entsprungen - dann hätte ich ja immer schon ... Aber das mit den Dialekten (Ruhrlatein ist übrigens ein Soziolekt, der aus unterschiedlichsten Dialekten zusammengeklaubt ist und die ganz oben sprechen halt gehoben, die in der Mitt nur noch Durchschnitt und die ganz unten ... naja, hab ich noch keinen Reim gefunden. Aber Du weißt doch, dass ich nicht vor zurückschrecke, die Mutter des nhd. zu verwenden. Dafür halt ich mich beim ahd., quasi die Großmutter des nhd., zurück. War nahezu so melodiös wie die romanischen Sprachen. Aber man schleift halt alles in die Klanglosigkeit ab. Würde ich Dein Experiment noch vorfinden, dot allein weiß, wo's hin ist, ich hätte Dir einiges an Stab Reimendem zugefügt. Schad drum! Muss ich das fürs copydingens aufheben für'n Ironman

Ich find's in Ordnung, die regionalen sprachlichen Elemente einzusetzen. Nur so bleiben die Unterschiede und die Vielfalt gegen das eintönige Gesimse und Gepiepe erhalten,

lieber ernst,

findet der

Friedel

 

Hallo ernst offshore,

außerhalb des Projekts 'copywrite' hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut, deinen Text zu kommentieren. Natürlich habe ich die Originaltexte erstmal studiert. Ich weiß jetzt, dir geht es hauptsächlich um Sprache und Stil. Der Inhalt ist dir hier nicht so wichtig. Überzeichnungen sind dabei ein Mittel deiner Wahl. Dass die armen Protas dabei auf der Strecke bleiben im wahrsten Sinne des Wortes, tja, das muss der Leser eben schlucken. Ein Plädoyer für das primitive (bairische) Landvolk kann ich nicht erkennen, eher eine Satire, auf jeden Fall eine Groteske. Da sieht man doch, wie weit das Feld ist, auf dem 'Erotik' sprießt. Aber den Spaß, den du dabei hattest, konnte ich gut erkennen.
Spaß ist ja ein toller Motor für jedwede Aktivität.

Gruß wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

wieselmaus schrieb:
... außerhalb des Projekts 'copywrite' hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut, deinen Text zu kommentieren.
Und wieso nicht, wieselmaus? Ist doch nur ein unbedeutendes Geschichtchen.

Ich weiß jetzt, dir geht es hauptsächlich um Sprache und Stil.
Ja, das ist richtig. Nicht nur beim Lesen, sondern auch bei meinem eigenen Schreiben.

Der Inhalt ist dir hier nicht so wichtig.
Na ja, so würde ich das nicht sagen.
Wenn man’s darauf anlegt, kann man hier doch ein ziemliches Drama herauslesen. Ich persönlich nämlich glaube, dass dieser Sepp einfach vollkommen die Schnauze voll hat vom seinem Scheißleben und quasi mit Absicht einen Abgang macht, also zumindest ohne jegliche Gegenwehr. Bevor Nadine den Türgriff demoliert, hätte er ja alle Zeit der Welt, die Tür zu öffnen, auszusteigen und auch Nadine aus dem Wagen zu zerren. Es wird ja einige Male betont, dass der Wagen ganz langsam rutscht. Aber er tut es nicht. Vielleicht erkennt sein etwas schwerfälliger Verstand den Unfall als einzige Chance, Nadine (überhaupt einer Frau) endlich nahezukommen und nimmt dafür die letalen Folgen in Kauf. :D

Ein Plädoyer für das primitive (bairische) Landvolk kann ich nicht erkennen, eher eine Satire, auf jeden Fall eine Groteske.
Nun ja, ich dachte auch weniger ans bayrische Landvolk, als vielmehr an dasjenige in meinem Heimatdorf, aber vermutlich gibt’s da eh nur graduelle Unterschiede.
Im niederösterreichischen Voralpenland nämlich habe ich schon in meiner Jugend gelernt, das ländliche Leben per se als Groteske zu begreifen. (Feuerwehrfeste oder Kirtage ohne dutzende Schnapsleichen und zünftige Raufereien galten als so gut wie misslungen, besoffen Autofahren gehörte gleichsam zur Folklore, usw. All dieser Wahnsinn hatte beinahe was Sportliches, bzw. wurde als eine Art quasi männlicher Initiationsritus allgemein toleriert.)
Insofern hast du nur bedingt recht, wieselmaus. Man kann meinen Text zwar durchaus als Groteske lesen, immerhin ist er ja wirklich eine derbkomische, drastische Darstellung mit bewusst karikierender Verzerrung und Übersteigerung, allerdings ist er nicht allzuweit von der Realität entfernt.

Danke für deinen Besuch.

offshore

 

Hallo Ernst,
dezenten Hinweis verstanden (Oida, i hob drei Musikprojekte!), also melde ich mich zur Stelle und werde versuchen möglichst wenige Fehler zu machen in meinem Kommentar. Mir gefällt – wie du weißt – dein Stil sehr, dir ist hier ein sehr schöner Sog gelungen, der etwas von einem Walzer hat, etwas zutiefst Österreichisches in seiner Entschleunigung und Trägheit. Denn einerseits rasen die beiden in den Abgrund. Und das ist per se Action pur. Andererseits betonst du immer wieder das Drehmoment, und durch die vielen Details hat es etwas Zeitlupenhaftes, wie Schneeflockerln eben, die auch mal rot werden.
Das mit dem Gemüse finde ich persönlich a bissl too much, da hätte ich dem Leser mehr Platz für Kopfkino gelassen indem ich eine vagere Formulierung wie „Schweinerei“ verwendet hätte.
Den Twist mit der Vergewaltigung finde ich gelungen, und in diesem Kontext empfinde ich ihn als schlüssig, der ganze letzte Absatz hat überhaupt ein sehr geschmeidiges Crescendo. Es ist ein erbärmliches Carpe Diem, das uns da Sepp präsentiert, aber gerade in seiner Erbärmlichkeit wirkt es authentisch. Und bist du nicht willig, dann brauch ich Gewalt, und außerdem sind wir eh gleich tot und dann is aa scho wuascht.
Irgendwie musste ich beim Lesen auch an den Kurzfilm (Zamilované Maso/Verliebtes Fleisch/Meat Love) von Svankmajer denken.
Wie Sepp ausgerechnet in dieser Situation noch schnell Obstler sauft und die Fensterklinke abreißt find ich großartig, es sind überhaupt sehr schöne Pointen drin. Feine Sache.

 
Zuletzt bearbeitet:

Mein Lieber, du machst ja Sachen.
Also echt, ich wusste nicht, ob ich weinen oder lachen oder noch mehr lachen sollte.
Was ist das? Wie ist das gemeint? Eine Groteske? Ein derber Bauerscherz? Ein existenzialistischer Abgesang? Oder alles auf einmal?
Schpon allein wie dieser Sepp auf dem Fahrersitz hockt, sich nicht entscheiden kann zwischen Genervt- und Gegeiltsein über ein und dieselbe Frau. Wie er die Gelegenheit ausnutzt, endlich doch zum Ziel seiner Träume zu kommen. Die arme Nadine. Irgendwann rächts sich, offshore, dann wird das Copy zum nächsten Copy und Nadine schmeißt den Sepp die Schlucht runter. Hoff ich jedenfalls.
Oder das Gewirbel seiner Gedanken und die wirbelnde Welt um ihn herum, die abrissene Türklinke, der Obstler und die Beseitigung des letzten Auswegs, indem er die Fenbsterkurbel abschmettert. Selbstfinalisierung im tosenden freien Fall, spiel mir das Lied vom ersten Orgasmus und dem letzten. Also irgendwie find ich das sowas von abgedreht. Okay, okay, ich frag mich nicht weiter, sondern lass es einfach auf mich wirken. Es ist fantastisch geschrieben. Das ist unverkennbar offshorescher Stil und es ist in seiner Überdrehtheit so galgenhumorig, dass man es einfach mögen muss.

Zwei, drei Sächelchen hab ich noch:

Und ein Bursche tritt auf die Bremse ohne zu denken.
Hast du da bewusst kein Komma gesetzt vor ohne?
Das ist jetzt eine Kleinigkeit, aber die Regel geht eigentlich anders. Hab sie mal unten zitiert.
Infinitivgruppen werden durch Komma abgetrennt, wenn sie

1. mit „als", „anstatt", „außer", „ohne", „statt" oder „um" eingeleitet werden
Regel 1177, Duden.

So ein vergessenes Komma gibts später nochmal, aber das find ich jetzt nicht und ist ja auch nicht so wichtig.

Aber weil ihr Schreien das Auto nicht aufhalten kann, lässt Nadine das Schreien wieder bleiben, beißt sich stattdessen auf die Lippe und starrt mit weit aufgerissenen Augen in die nachtschwarze, weiße Welt hinaus, in eine Welt, die sich nun langsam um sie dreht, als säßen sie auf einem Karussell. Und die Welt draußen dreht sich, nicht, weil es nun einmal in ihrer Natur liegt, sich zu drehen, sondern weil die Nacht in diesem Augenblick aus den Fugen gerät.
Cool

Weil da geht’s ja fast dreihundert Meter runter zum Triebenbach und die Weide vom Höllerer wird nach unten zu immer steiler.
Les ich da eine Haassche Anleihe? Ich finds ja schön, aber wieso darfst jetzt du das? :p

Aber das ist lange her, da war er noch keine zwölf, da ist er noch nicht einmal mit dem Traktor gefahren und Haare hat er auch noch keine auf dem Sack gehabt und eigentlich überhaupt keine Ahnung, was sie da mit der Karotte angestellt hat.
Oh Mann, auf dem Dorf sind sie echt versaut.

Wenn’s so weiterschneit, finden die uns nie, denkt er noch und im selben Augenblick, gerade als ein gewaltiges Zucken seinen Unterleib zerreißt, kippt die Welt vor der Windschutzscheibe nach hinten, also die Welt draußen, dieses grauweiß flirrende Inferno, das eben noch wirkte, als würde ein Leintuch unter ihnen weggezogen, und das Licht der Scheinwerfer fetzt durchs Schneeflockengewirbel senkrecht in den unsichtbaren Himmel hinauf und der beginnende freie Fall des Opels hinunter in die Triebenbachschlucht beschert ihm für ein paar Augenblicke das Gefühl der Schwerelosigkeit.
Mann!!


Irgendwie werd ich das Gefühl nicht los, dass Giuseppe hinter offshores Rücken saß, mit angelegtem Gewehr und ihn immer ein bisschen mit dem Lauf in die Nierengegend geschubst hat, wenn der offshore aufhören wollte zu schreiben.
Jedenfalls grüß mir giuseppe und beglückwünsche ihn für seine Kooperation an diesem echt wienerischen Todesleseschmaus.
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Lady Morphia schrieb:
Mir gefällt – wie du weißt – dein Stil sehr, dir ist hier ein sehr schöner Sog gelungen, der etwas von einem Walzer hat, etwas zutiefst Österreichisches in seiner Entschleunigung und Trägheit.
Also das ist natürlich ein schönes Kompliment, Lady Morphia, gerade von dir als Wienerin. Immerhin ist es das erste Mal, dass ich mit einer Geschichte sowohl sprachlich als auch vom Setting her ganz bewusst „in Österreich“ geblieben bin. Bei allen anderen meiner Geschichten (außer den beiden Kletterstorys) hab ich ja immer mit voller Absicht auf eine geografische Verortung verzichtet, selbst die Namen der Figuren wähle ich in aller Regel so, dass sie nicht einer spezifischen Gegend zuordenbar sind. (Ist quasi mein ganz persönliches Bekenntnis zu unserem vereinten Europa. :))

Den Twist mit der Vergewaltigung finde ich gelungen, und in diesem Kontext empfinde ich ihn als schlüssig,
Wobei ich mir gerade da sehr unsicher war. Nicht zuletzt wegen unseres Gesprächs nach deinem Konzert letzten Freitag, du erinnerst dich? Als wir darüber sprachen, was für eine unglaubliche Zäsur eine Vergewaltigung im Leben einer Frau darstellen muss und wie schwer man das als Außenstehende(r) nachempfinden kann.
Da kam ich mir beinahe schäbig vor, so was als quasi dramaturgisches Element in einer Groteske zu verwenden.
Ich war dann sogar kurz am Überlegen, ob ich die Schlussszene nicht umschreiben soll, in dem Sinn, dass Sepp und Nadine in beiderseitigem Einverständnis … äh, na ja, aber damit wäre der Bogen der Glaubwürdigkeit wohl endgültig überspannt gewesen. Ich hab es dann einfach drauf ankommen lassen, selbst den Erotik-Tag habe ich belassen. (Was man der Geschichte natürlich zum Vorwurf machen könnte, besser gesagt, mir, dem Autor. Hat bis jetzt aber noch niemand getan.)

Schön, dass du wieder einmal vorbeigeschaut hast, my sweet Lady M. :herz:
Vielen Dank und keep on rockin‘.

Novak schrieb:
Les ich da eine Haassche Anleihe? Ich finds ja schön, aber wieso darfst jetzt du das?
Ganz einfach, liebe Novak: Weil ich Wiener bin. :Pfeif:

Es ist fantastisch geschrieben. Das ist unverkennbar offshorescher Stil und es ist in seiner Überdrehtheit so galgenhumorig, dass man es einfach mögen muss.
Tatsächlich hab ich beim Schreiben schon auch an dich gedacht, irgendwie habe ich geahnt, dass dir der Text gefallen wird. (Und natürlich war dieser Haassche Weil-Satz ein kleiner Seitenhieb auf dich. Du verzeihst?)

Hast du da bewusst kein Komma gesetzt vor ohne?
Ja, das war ein vorsätzlicher Regelbruch. (hell hat das ja auch schon beanstandet.) Bei der Jorska-Geschichte hab ich auch so ein Komma drin, das zwar regelkonform ist, mich beim Lesen aber jedesmal furchtbar stört. Und zugunsten der Satzrhythmik hab ich mir diesmal gedacht: Scheiß auf den Duden.

Jedenfalls grüß mir giuseppe und beglückwünsche ihn für seine Kooperation an diesem echt wienerischen Todesleseschmaus.
Nix Giuseppe, ich musste das Ding ganz allein schreiben. Der Typ hängt beinahe jeden Abend mit Enzo im Raymonds ab. Die zwei sind nur am Grappa-Saufen und überlegen sich, was sie alles mit den Nachzüglern anstellen werden (Und nein, du willst keine Einzelheiten wissen ...)


Ich freue mich, dass es dir gefallen hat, Novak, und vielen Dank für dein schönes Lob.

offshore

 

Hi Ernst,

ich finde deine Geschichte gar nicht so verrückt. Klingt doch alles realistisch und plausibel. Geschichten werden eben ausgeschmückt, zugespitzt und dramatischer. Sonst wären es keine Geschichten.

Ich stelle mir die Szene, wie irgendein Mitarbeiter der SpuSi die Leichen bergen darf, extrem witzig vor. Schwarzer Humor hat eben auch was. Insgesamt hab ich sie gerne gelesen, deine Geschichte. Ich kann das Verhalten vom Sepp nachvollziehen. Das hast du plausibel erklärt. Du hast es geschafft ein bisschen Struktur im Chaos zu schaffen, damit es trotzdem interessant zu lesen bleibt und nicht zu einem Trash Text verkommt.

Gefällt mir, ich musste durchgehend schmunzeln =)

Beste Grüße,

schwarze sonne

 

schwarze sonne schrieb:
Geschichten werden eben ausgeschmückt, zugespitzt und dramatischer. Sonst wären es keine Geschichten.
Du sagst es, Sonne.
Die Ansicht, die besten Geschichten schriebe ohnehin das Leben, stammt vermutlich von Leuten, die einfach zu fantasielos sind, sich bessere einfallen zu lassen. :D

Danke für deinen Besuch.

offshore

 

Hej ernst offshore ,

mein Leseeindruck deckt sich in vielerlei Hinsicht mit den der anderen. Die Geschichte liest sich gut, vermittelt mit dem einfach gehaltenen Stil und den vielen Satzanfängen mit "da" und "und" die Einfachheit des Paares. Warum ich dennoch schreibe liegt daran, dass mich die sexuelle Komponente etwas enttäuscht, sie ist so naheliegend, um die beiden Protagonisten zu definieren. Ich empfinde sie auch nicht erotisch, aber der tag liegt wohl nahe, wenn ein Penis darin vorkommt.:hmm:
Ich habe eine feinere Zeichnung der Situation erwartet. Mein Fehler. ;)

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo ernst,

ich kann mir schon vorstellen, dass du deinen Spaß beim Schreiben der Geschichte hattest.
Ich habe die Ursprungsgeschichte(n) nicht gelesen und die Kommentare nur überflogen. Weiß jetzt nicht, ob das gut oder nicht gut ist …

Was mir am Text aufgefallen ist, sind die ständigen Wiederholungen; gerade am Anfang. Im Folge- oder den zweiten Teil des Satzes wird fast immer ein Wort oder ein ähnlicher Begriff aus dem vorherigen Satz(teil) benutzt oder aufgegriffen.
Beispiele:

Und ein Bursche tritt auf die Bremse ohne zu denken. Viel zu unbedacht bremst er, weil seine Gedanken ganz woanders sind,

Nadine schreit und Sepp weiß nicht, ob das Ding sie so erschreckt hat, das Ding, das

Aber weil ihr Schreien das Auto nicht aufhalten kann, lässt Nadine das Schreien wieder bleiben,

die sich nun langsam um sie dreht, als säßen sie auf einem Karussell. Und die Welt draußen dreht sich, nicht, weil es nun einmal in ihrer Natur liegt, sich zu drehen,

Dann die vielen Satzanfänge mit „Aber“, „Und“ …

Gut, wir sind in der Kreativwerkstatt und du hast dur sicher was dabei gedacht (aber was?). Mir gefällt diese Art aber nicht so gut (okay, Geschmackssache).
Mit den non-piefke-Begriffen hatte ich keine Probleme; zusammen mit den Wiesen- und Kuhnamen etc. brachten sie eine erfrischende Lokalität in die Story.

Ich fühlte mich gut unterhalten. Und das ist die Hauptsache. Ziel erreicht. :thumbsup:

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom