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Heimkehr

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27.01.2004
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Heimkehr

Schnee begräbt die Straßen, Dächer und Bäume unter makellosem Weiß. Diese Reinheit, die mir nie zu Teil wurde, diese Stille, die mir von früher so vertraut war, fängt mich ein, lässt mein Herz langsamer Schlagen, und alles andere tritt in den Hintergrund. Mir fällt das Atmen schwerer. Meine Schritte werden langsamer. Schließlich bleibe ich stehen. Ich zittere, der Seemannssack, den ich mir um die Schultern geschlagen habe, droht herunterzufallen.
In Gedanken schimpfe ich mich einen Narren und im selben Moment ist mir wieder zum Heulen. Erinnerungen steigen in mir auf, drohen mich zu überwältigen.
Die bunt leuchtenden, weihnachtlich geschmückten Fenster scheinen mich anzustarren.
Ich zwinge mich weiterzugehen, aber aus einem Fenster höre ich einladend ein gedämpftes Lachen. Mit klopfendem Herzen schau ich hinein.
Der Raum ist hell erleuchtet und strahlt wunderbare Wärme aus. Eine Frau in bunter Schürze hebt gerade ein Backblech aus dem Ofen. Daneben steht ein Kind, das voller Vorfreude in die Hände klatscht und lacht. Es ist fast so, als ob ich das Gebackene riechen könnte. Dieser feine Duft nach Zimt und anderen Gewürzen, der einem das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt und der beinahe schreit, ich solle eintreten.
Doch plötzlich dreht sich die Frau zu mir um und erschrickt; ihre Züge, zuerst fröhlich, sind jetzt wie versteinert vor Wut. Eiligen Schrittes tritt sie zum Glas und zieht die Vorhänge vor. Der wärmende Schein verschwindet, betroffen und voller Scham wende ich mich um. Früher hätte mich das kalt gelassen, aber jetzt frage ich mich, ob mein kurzer Blick wirklich derart störend und schlimm war.
Ich packe meinen Seesack fester, ramme die zweite Hand in die Jackentasche und marschiere langsam weiter.
Die Flocken, die still und sanft, beinahe anmutig, vom Himmel herab schweben, begleiten mich den ganzen Weg über, bis ich das Haus meiner Eltern erreiche. Auch hier sind die Fenster in festlicher Tracht geschmückt. Das Tor ist nicht verschlossen. Ich zögere noch.
Mit einem Mal bin ich mir ganz und gar unsicher, ob ich hinaufgehen soll. Alles in mir schreit danach, wieder in den Schoß meiner Familie zurückzukehren und der Kälte, die hier draußen ist und die letzten sieben Jahre meines Lebens beherrscht hatte, den Rücken zu kehren. Aber die schmerzhaften Erinnerungen lasten schwer auf meiner Seele.
Ich öffne das Tor. Die Einfahrt ist geräumt. Vermutlich hat meine Schwester gerade erst vor kurzem diesen Weg durch den Schnee geschaufelt, den ich nun bis zu unserem Stiegenaufgang begehe. Meine Füße sind jetzt so schwer, als hätte jemand Bleigewichte drangehängt. Plötzlich wird mir die Kälte erst wirklich bewusst, mir friert es, die Jacke, die ich trage, schützt mich nicht. Meine Gedanken rasen. Ein schwerer Kloß blockiert meinen Hals, ich schaffe es bald nicht, zu schlucken. Ich habe Angst.
Schritt für Schritt besteige ich die Stiegen, so als wären das nicht bloß Stufen, sondern eine Besteigung des Mount Everest. Dann stehe ich vor der Haustür. Ich packe die Türklinke, drücke sie herunter. Nicht versperrt. Dann trete ich ein.

Die Verbindungstür zur Küche ist offen. Der Geruch von Backwaren liegt in der Luft. Ich erinnere mich, dass auch meine Mutter jedes Jahr zu Weihnachten Lebkuchen bäckt. Es kommt mir vor, als wäre ich im Paradies. Wärme mantelt mich ein, schmiegt sich an meinen Körper. Der Schnee, der sich in dünnen Schichten auf meinen Schultern niedergelassen hatte, beginnt zu schmelzen und alsbald bildet das Schmelzwasser kleine Rinnsaale, die den langen Weg bis zum Boden antreten.
Ich sehe meine Mutter. Ihr rotes Kopftuch leuchtet mich an, wie eine Signallampe. Wie strebsam sie aussieht, denke ich mir und verbleibe stehend und schweigend, während ich beobachte, wie sie aus dem Backofen die frischen Lebkuchen hervorholt. Ich lächle, mir wird warm ums Herz. Am liebsten möchte ich heulen. Ich mache einen Schritt, der Seesack reibt an der Jacke und erzeugt ein Geräusch.
Meine Mutter sieht auf; gerade noch hatte sie einen angestrengten, prüfenden Blick auf ihr Werk, aber als sie mich sieht, als ihre Augen zuerst meine Beine erfassen, hochwandern bis hin zu meinem Gesicht und als sie mir in die Augen blickt, verzieht sich ihr Antlitz zu einer schrecklichen Grimasse. Ihre Mundwinkel zucken und das Backblech fällt ihr aus der Hand. Die gewiss liebevoll, in Stunden harter Arbeit gemachten Lebkuchen verteilen sich auf dem Boden. Ihr Körper beginnt zu zittern.
„Mutter ...“, sage ich. Meine Stimme versagt, ein fürchterlicher Druck schnürt meine Kehle zu, ich lasse den Seesack fallen.
Ein schrecklicher Laut entringt sich ihrer Kehle. „Du?“
Du, fragt sie. Mir wird schwindlig. Die Augen werden feucht, meine prankenartigen Hände öffnen und schließen sich unentwegt.
„Ja, ich bin es, Mutter. Ich bin zurück.“
Dann beginnt sie zu weinen. Sie schlägt die Hände vors Gesicht und schluchzt. Sie bebt und schwankt. Ich will zu ihr eilen, sie in die Arme nehmen, aber als ich einen Schritt mache, fährt sich mich an.
„Bleib stehen!“
„Aber ...“ Ich merke, wie es mir salzig die Wangen runterläuft. Rasch wische ich es weg.
„Bleib wo du bist“, sagt sie wieder. Während sie spricht, schluchzt sie immer wieder und Tränen stürzen die Wangen herab. „Wer hat dir erlaubt hierher zu kommen?“
Ich kann es nicht fassen. Ich will nicht begreifen. Es ist alles so lang her. Meine Schuld ...
„Nach alldem, was du getan hast, kommst du hierher?“ Sie schreit nun, sie brüllt mich an.
„Rede bitte nicht so, Mutter. Ich habe gebüßt, ich habe doch gebüßt ...“ Nichts verhindert, dass meine Stimme schwankt.
Sie hört mir nicht zu, stattdessen hebt sie die Lebkuchen auf, die verstreut herumliegen und beginnt, diese nach mir zu werfen.
„Mörder! Mörder!“
Ich weiche keinem der Wurfgeschosse aus. Zwei treffen mich am Kopf.
„Du verdammter Mörder...“, sagt sie wieder, doch diesmal bricht ihre Stimme ab.
Langsam mache ich einen Schritt vorwärts. „Es tut mir so leid ... so schrecklich leid ...“
Meine Mutter hebt den Kopf, ihr Antlitz gleicht dem eines wütenden Gottes. „Dir tut es leid? Erzähl das doch deinem Vater, den du damals erschlugst!“
Ich fahre zusammen wie unter einem grässlichen Hieb.
„Was ist, hast du das bereits vergessen?“
Wie kann ich vergessen, was ich damals meiner Familie angetan hatte. Ich werde niemals vergessen können, Mutter, aber das wirst du nicht verstehen, denn du weißt nur um den Schmerz, den du durch den Verlust erleidest. Doch auch ich musste vieles ertragen. Glaubst du, mir erging es einfach? Glaubst du ich wollte Vater töten? Glaubst du das wirklich? Könnte ich es ändern, bei Gott, würde ich seinen Tod durch den meinigen rückgängig machen, so glaube mir Mutter, ich würde mit Freuden mein Leben geben.
Nichts von dem spreche ich aus. Ich sage nur: „Nein“, und sie schweigt, beruhigt sich ein wenig.
„Was willst du hier?“, fragt meine Mutter und ihr Blick steinigt mich.
Was soll ich nur auf diese Frage antworten? Was ich hier will, willst du wissen, Mutter? Ich hoffte, hier Zuflucht zu finden, vor meiner Vergangenheit und alles, was ich verbrochen hatte. Ich wollte dir helfen, Mutter, wollte versuchen, wenigstens einen Teil, von dem, was ich dir angetan hatte, wieder gut zu machen. Es war eine schreckliche Zeit, nicht nur für dich, und ich weiß, dass ich nie wieder einen Platz in deinem Herzen haben werde, weil meine Schuld zu groß ist, meine Tat zu unfassbar, dennoch ...
„Ich bin nicht mehr willkommen“, hauche ich. Es sollte eine Frage werden, aber es klingt wie eine Feststellung.
Mutter schüttelte den Kopf. „Verschwinde aus meinem Haus.“
Ich hebe den Seesack auf. Da fällt mir ein, dass ich Geld mitgebracht habe, das ich im Gefängnis verdient hatte. Ich hole es hervor und will es auf den Tisch im Vorhaus legen.
„Behalte dein Geld. Ich brauche es nicht.“
Warum lügst du, Mutter? Seit Vater nicht mehr hier ist, um zu arbeiten, ist das Geld knapp im Haus.
„Verschwinde endlich“, sagt sie noch einmal.
Mir wird heiß und kalt zugleich, ich weiß nicht, was ich sagen oder tun soll. Ich sehe meine Mutter an, sie weicht meinem Blick aus. Mein Kopf senkt sich, ich schäme mich, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Das Geld stecke ich wieder weg. Ich will noch etwas sagen, meine Mutter anflehen, mich nicht hinauszuschicken, mich nicht der Dunkelheit preiszugeben. Aber ich sehe ihr Gesicht, den Ausdruck darin.
Ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten, meine Beine wollen nicht mehr gehorchen. Ich bin nicht mehr fähig zu denken, zitternd stolpere ich aus dem Haus.
Kurz bevor mich die Finsternis endgültig verschlingt, höre ich ein entsetzliches Schluchzen und als ich meinen von Tränen verschleierten Blick hebe, sehe ich, wie meine Mutter, die Hände vors Gesicht geschlagen, zitternd und unter Weinkrämpfen zu Boden sinkt.

 

Hallo!

Gefällt mir wirklich gut, deine KG.

Einzig das

one weak schrieb:
„Ich bin nicht mehr willkommen“, hauche ich.
finde ich irgendwie unpassend.

Grüße
McMc

 

Hallo one weak,

zum Glück war dein Nick nicht Programm, denn diese Geschichte ist ganz bestimmt nicht dünn oder dürftig.
Man könnte natürlich bemängeln, dass nicht klar wird, warum der Sohn seinen Vater getötet hat, es ist ja nicht einmal klar, ob es vorsätzlich geschah, aber letztlich spielt das auch keine Rolle. Ein Tritt auf die Füße tut ja auch nicht weniger weh, weil er versehentlich war.
Es muss wirklich ein schwerer Gang für deinen Protagonisten gewesen sein, sich in das Elternhaus zu wagen. Er muss damit gerechnet haben, all den Schmerz, den er verursacht hat, wieder aufzuwühlen. So bleibt es verständlich, aber schade, dass sein Gang nach Canossa nicht willkommen war. Und so bleibt von der Geschichte einiges hängen.
Mir hat sie gefallen.

Lieben Gruß, sim

 

hello one weak,

da ist es Dir gelungen, eine traurige Stimmung gut einzufangen, hat mich sehr angesprochen. Allerdings hätte mich eine Begründung für das Tötungsdelikt schon interessiert, sie hätte vielleicht die Reaktion der Mutter verdeutlicht.
Die Formulierung am Ende ist mir etwas zu dick aufgetragen, ich fände, ohne 'zu Boden' wäre weniger melodramatisch und glaubhafter - Geschmackssache!

Viele Grüsse vom gox

 

Abend allerseits!

Einen schönen Dank euch für's lesen.

@McMcDonald

Zitat von one weak
„Ich bin nicht mehr willkommen“, hauche ich.

finde ich irgendwie unpassend.
Hmm...warum das?
Ansonsten freut es mich, dass es dir gefallen hat.

@sim

Man könnte natürlich bemängeln, dass nicht klar wird, warum der Sohn seinen Vater getötet hat, es ist ja nicht einmal klar, ob es vorsätzlich geschah, aber letztlich spielt das auch keine Rolle.
Hierbei war ich mir nciht ganz sicher, ob ich es einbaun sollte. Vielleicht wäre es doch ganz gut, wenn ich es reinschreibe, mal sehen.

Und so bleibt von der Geschichte einiges hängen.
Mir hat sie gefallen.
Das freut mich wirklich :). Danke.

@gox

Allerdings hätte mich eine Begründung für das Tötungsdelikt schon interessiert, sie hätte vielleicht die Reaktion der Mutter verdeutlicht.
Ja. Mal sehen, aber nachträglich hab ich die Befürchtung, dass es eben eingeschoben aussieht.

Die Formulierung am Ende ist mir etwas zu dick aufgetragen, ich fände, ohne 'zu Boden' wäre weniger melodramatisch und glaubhafter - Geschmackssache!
Jep, werd's mal überdenken. Schön, dass es dir sonst gefallen hat.

Gruß!
one

 

Hi one.

Eine gefühlvolle und traurige Geschichte. Traurig, dass das, was man sich anfangs erhoffte nicht eintritt. Nach seinem sehnsüchtigen Blick in das Fenster der Familie, hatte ich mich richtig auf das Wiedersehen mit seiner Mutter gefreut.
Dachte, die Frau habe das Fenster zugezogen, weil er so schrecklich aussah; und da kann sich ja nur eine Mutter freuen, wenn ihr vernarbter Sohn nach hause zurückkehrt. Ich ging tatsächlich davon aus, er käme aus einem langen Krieg (Seerucksack).
Umso erschrockener war ich über die Reaktion der Mutter. Als dann die Wahrheit ans Licht kam, war ich über meine eigenen Gefühle erschrocken. Ein Mörder! Und ich hatte Mitleid ...
Aber da du ja bewusst offen lässt (was mir übrigens sehr zusagt), was damals passiert ist, verfällt man in ein Gefühls-chaos.

Es ist schon faszinierend, wie du dich entwickelt hast. Dickes Kompliment. Ich finde, man erkennt in jedem deiner Werke eine Steigerung. Was auf keinem Fall heißen soll, dass die anderen schlecht sind.
Aufgefallen ist mir, dass du gerade solch melancholische Geschichten sehr gut rüber bringst. Immer weiter so! :thumbsup:

Gruß! Salem

 

Hallo!

one weak schrieb:
„Ich bin nicht mehr willkommen“, hauche ich.

Finde ich deshalb unpassend da das bedeutet dass der Prot kurz zuvor noch willkommen ist - so fasse ich es zumindest auf. Vielleicht irgendwas in Richtung "ich...ich bitte dich..."

Aber ist vermutlich Geschmackssache.

Viele Grüße
McMc

 

Hallo Salem, hallo McMcDonald!

@Salem

Es ist schon faszinierend, wie du dich entwickelt hast. Dickes Kompliment. Ich finde, man erkennt in jedem deiner Werke eine Steigerung.
:shy: Dankeschön. Das baut auf, ehrlich.
Danke dir auch für's lesen, ach, und ich finde, man kann auch mit Mördern Mitleid haben.

@McMcDonald

Finde ich deshalb unpassend da das bedeutet dass der Prot kurz zuvor noch willkommen ist - so fasse ich es zumindest auf.
Im Prinzip war er früher auch noch willkommen, aber du hast recht. So kürzlich war er gar nicht mehr willkommen. Nochmal drüberschlafen ;)

Gruß!
One

 

Hi one!

Die wollte ich schon länger lesen, deshalb kommt sie jetzt auch dran.

Auch mir hats gefallen.
Wie sim schon angesprochen hat, fehlt natürlich das Motiv für den Mord, aber um ehrlich zu sein, finde ich gerade das sehr gelungen.
Mir ist aufgefallen, dass die Sprache des Prots einfach ist (ohne das jetzt schlecht zu meinen) und ich finde, das charakterisiert den Erzähler sehr, sehr gut. Hat mir besondern gefallen.

Details:

mir friert es
mich friert es

ch erinnere mich, dass auch meine Mutter jedes Jahr zu Weihnachten Lebkuchen bäckt.
Unheimlicher wäre: ich erinnere mich, dass auch Mutter jedes Jahr...

Nichts von dem spreche ich aus.
Kann man streichen.

In diesem Sinne
c

 

Hallo one weak,

leider kann ich mich den anderen Kritikern nicht anschließen - mir missfiel einiges an deiner Geschichte. Gerade der Anfang war mir viel zu überladen von typisierten BIldern einer heilen Welt. Zu viel des Guten. Du machst es zu deutlich, dass der Protagonist draußen steht, und in dieser Welt nicht willkommen ist.
Weiterhin waren mir die Dialoge zu unrealistisch, zu stilisiert. Alles klingt so glatt, so steril - das hindert mich irgendwie daran, die Charaktere als autentisch zu empfinden.
Ansonten ließt es sich flüssig, die letzten Sätze sind sehr gut. Aber aufgrund der meiner Meinung nach übertrieben Abgrenzung und der für mich fehlenden Autentizität nimmst du der Geschichte viel Potential - weniger kann manchmal mehr sein.

liebe Grüße,
Anea

 

hey chazar!

Danke für's lesen und deine Anmerkungen. Werd ich noch umsetzen. Freut mich, dass es dir gefallen hat.

hallo anea!

Auch dir ein Dankeschön für's lesen und deinen ehrlichen Worten. Ich hatte mir irgendwie doch gedacht, dass es irgendwie nicht ganz so authentisch ist, aber Fehler macht man immer. Auf jeden Fall merk ich's mir und werd versuchen, bei der nächsten Geschichte, das Ganze nicht so zu überladen.

Gruß!
One

 

Hie one weak,

ich weiß zwar was Anea meint, aber deine Geschichte hat mich trotzdem sehr egriffen.

Dass der Heimkehrer in ein erleuchtetes Fenster schaut, kann ich sehr gut nachvollziehen. Es zeigt ihm, nach all den Jahren, was er so vermisst hat.
Wäre es Sommer gewesen, hätte er in einen Garten geschaut, indem vielleicht gerade eine Familie gegrillt hätte. Natürlich erzeugt man damit das Bild einer heilen Welt, was aber nicht bedeuten muß, dass das was man sieht, auch heil ist.
Auch bin ich nicht der Meinung, dass damit klar wird, dass dein Prot in dieser Welt nicht willkommen ist. Ich würde mich auch erschrecken und den Vorhang vorziehen, wenn plötzlich ein fremdes Gesicht vor meinem Fenster auftaucht, selbst wenn es keine Narben hätte.

Das dein Prot ein Mörder ist, kam überraschend. Das er seinen Vater umgebracht hat, habe ich mir fast gedacht.
Trotzdem finde ich es ganz furchtbar, dass die Mutter, nach all der Zeit ihrem Sohn nicht verzeihen kann. Die Liebe zu ihrem Kind müsste doch stärker sein.
Dein Prot sagt, er hätte es nicht gewollt. Das muß die Mutter doch gewußt haben. Irgendwas muß zwischen Vater und Sohn gestanden haben. Agressionen bauen sich nicht nur bei einem auf.

Dein Prot tut mir sooo leid.
Trotzdem glaube ich, dass er seiner Mutter nicht ganz gleichgültig ist.

Oh Mann, ich muß schliessen. Versuche aber gleich noch mal weiter zu machen.
Bis dann, coleratio

 

hallo coleratio!

Danke dir fürs lesen und deinen Kommentar.

Freut mich, wenn du mit dem Prot gelitten hast bzw. es ein wenig nachvollziehen konntest.

Trotzdem glaube ich, dass er seiner Mutter nicht ganz gleichgültig ist.
Da hast du allerdings recht! Sie ist, wie man am Ende merkt, eh am Boden zerstört, aber das Ereignis hat sie halt doch sehr mitgenommen, was sieben Jahre zuvor passiert ist.
Oh Mann, ich muß schliessen. Versuche aber gleich noch mal weiter zu machen.
Mit was weitermachen?

Vielen Dank nochmal
Schönen Gruß,
One

 

wollte noch mal schaun, ob die Dialoge unrealistisch sind.
Beim ersten lesen, war ich auch über etwas gestolpert. Doch beim zweiten ist es mir nicht mehr aufgefallen :shy:

 

Hi one weak :),

Vom Inhalt her finde ich deine Geschichte in Ordnung. Sie macht mich nachdenklich über das Schuldhaben und das Vergeben bzw. Nichtvergeben. Die Athmosphäre dieser Fiktion hast du ziemlich gut eingebracht. Allerdings finde ich vieles sprach- und stiltechnisch suboptimal und ungelenk.
Meine Verbesserungsvorschläge, die ich mir zu den einzelnen Punkten überlegt habe, entspringen natürlich meinem Sprachgefühl und meinem Stil, aber vielleicht magst du ja trotzdem das ein oder andere so oder anders übernehmen.

Der Schnee begräbt die Straßen unter makellosem Weiß. Die Dächer und Bäume, alles ist bedeckt; ein wunderbarer Anblick.
Könnte man verdichten, etwa: Schnee begräbt die Straßen, Dächer und Bäume unter makellosem Weiß (– ein wunderbarer Anblick).

Diese Reinheit ... umklammert mein Herz
Für mein Gefühl passt hier das Bild nicht. Angst mag umklammern, Reinheit weniger (Analoge Metaphern zu "Reinheit", die mir gerade einfallen, sind so kitschig, deswegen sage ich sie mal nicht).

Mein Atem wird schwerer. Die Schritte langsamer. Schließlich bleibe ich stehen. Mein Leib zittert, der Seemannssack, der lose um meine Schultern geschwungen ist, droht herunterzufallen.
Hier verhaust du das erste Mal die Erzählperspektive. Einem selbst fällt weniger auf, dass sein Atem schwerer geht, sondern eher: Mir fällt das Atmen schwerer. Und warum nicht Ich zittere und den ich mir um die Schultern geschlagen habe? So wie du es geschrieben hast, ist das viel zu distanziert.

Ich zwinge mich selbst weiterzugehen, aber ich komme nicht herum, in eines dieser einladenden Fenster zu blicken, denn ich höre aus diesem rechts an meiner Seite, ein gedämpftes Lachen.
Umständlich. Vorschlag: Ich zwinge mich weiterzugehen, aber aus einem Fenster höre ich einladend (oder: lieblich) ein gedämpftes Lachen

und der beinahe schon danach schreit, ich solle eintreten.

Die Illusion wird zerstört, als die Frau in meine Richtung schaut und mein vernarbtes Gesicht im Fenster sieht.
Was ist hier eine Illusion, nur eine Einbildung ohne reale Deckung? Vielleicht streichst du diesen Satz und schreibst dann:
Doch plötzlich kehrt sich die Frau zu mir um und erschrickt; ihre Züge, zuerst fröhlich, sind jetzt wie versteinert vor Wut. - Bist du dir sicher, dass dein Prot unbedingt ein vernarbtes Gesicht haben muss? Der Leser erfährt sowieso nicht, was ihm in der Zeit bis zu seiner Heimkehr passiert ist und hat gleichwohl keine Relevanz.

Eiligen Schrittes tritt sie zum Glas und zieht die Vorhänge vor. Der wärmende Schein verschwindet, Dunkelheit und Betroffenheit macht sich in mir breit. Früher hätte mich das kalt gelassen, aber jetzt frage ich mich, ob mein kurzer Blick wirklich derart störend und schlimm war.
Ich wundere mich, warum sich der Protagonist nicht in erster Linie schämt.

Ich packe meinen Seesack fester, ramme die zweite Hand in die Jackentasche und beginne langsam zu marschieren.
langsam zu marschieren beginnen oder langsam beginnen zu marschieren? Vorschlag meinerseits: ...und marschiere langsam weiter.

Mit einem Mal bin ich mir ganz und gar unsicher, ob ich hinaufgehen soll. Alles in mir schreit danach, wieder in den Schoß meiner Familie zurückzukehren und der Kälte, die hier draußen ist und die letzten sieben Jahre meines Lebens beherrscht hatte, den Rücken zu kehren.
Wenn "alles danach schreit", hinaufzugehen, warum zögert er dann? Ich meine, hier fehlt etwas ;).

Meine Füße werden schwerer, als hätte jemand Bleigewichte drangehängt.
Auch dieser Satz ist komisch, dessen erster Teil ein Verlauf ist (werden + Komparativ), der zweite hingegen ein Perfekt also Zustand. Vorschlag: Meine Füße sind jetzt so schwer ...

sondern eine Besteigung des Mount Everest. Es ist alles so schwer. Dann stehe ich vor der Haustüre.
Das wissen wir doch schon. Außerdem ist das 'e' hinter Haustür umgangssprachlich und würde ich daher weglassen.

Ich kann durch das Glas sehen.
Wenn du das schon erwähnst, erwarte ich auch eine Information zu dem, was sich dahinter verbirgt.

beginnt zu schmelzen und alsbald bildet das Schmelzwasser kleine Rinnsaale, die den langen Weg bis zum Boden antreten.

Ihr rotes Kopftuch leuchtet mich an, ist wie eine Signallampe.

Wie strebsam sie aussieht, denke ich mir und verbleibe stehend und schweigend, während ich betrachte, wie sie aus dem Backofen die frischen Lebkuchen hervorholt.
Grammatikalischer Fehler: Man kann etwas betrachten, aber man beobachtet, wie etwas geschieht ;).

Die gewiss liebevoll, in Stunden harter Arbeit gemachten Lebkuchen verteilen sich auf dem Boden.
Erzählperspektive: Der Prot kann es nicht wissen, nur vermuten oder überzeugt sein davon.

... Die folgenden Sätze habe ich nicht zu bekritteln, wenn ich sie auch anders geschrieben hätte. Hier verbildlichst du sehr gut die Verfassung des Prots ...

Ich werde niemals vergessen können, [Komma] Mutter, aber das wirst du nicht verstehen, denn du weißt nur um den Schmerz, den du durch den Verlust erleidest.

Und trotzdem ist es passiert.
Überflüssig.

„Ich bin nicht mehr willkommen“, hauche ich. Es ist eine Frage, aber zugleich auch eine Feststellung.
Vorschlag: Es sollte eine Frage werden, aber es klingt wie eine Feststellung. (?)

ich schäme mich, mehr, als sich irgendjemand vorstellen könnte.
Sicher? Ich hätte geschrieben: ... wie noch nie in meinem Leben – Wunderlich allerdings, dass er trotzdem so cool das Haus verlassen kann.

Das Ende ist nichts Besonderes. Im Großen und Ganzen hat die Geschichte aber auch mir gefallen, eben solala.


FLoH.

 
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Grüß dich floh!

Mein Gott, da hast du dir mit Verbesserungsvorschlägen ja mehr Abreit gemacht, als ich mit der Geschichte ;)
Großen Dank mal hierfür und auch fürs lesen. Ich werd gleich mal das Ganze durchlesen und sehen, was ich verwende. Das bedeutet Arbeit :D
Danke nochmals!

EDIT: So, floh, deine Vorschläge so gut wie alle übernommen und auch noch das Ende ein wenig überarbeitet. Ich hoffe, das Ganze ist nun ein wenig runder.
Vielen Dank nochmals für deine Vorschläge und deine Arbeit!

Gruß!
One

 

Hallo one weak,

Nun, ich hab so ziemlich gar nichts an deiner Geschichte auszusetzen. Du setzt die Stimmung absolut passend um. Sprache und Stil passen. Die story selbst berührt und bleibt hängen, aber jetzt kommt das aber...Warum? Nur ein kleiner Satz, irgendwo in der Geschichte würde mir schon reichen. Ein Hinweis, eine Idee...
Bring das noch unter und ich bin still ;)

Zwei Kleinigkeiten noch:

„Aber ...“ Ich merke, wie es mir salzig die Schnauze runterläuft
- Schnauze ist Umgangssprache (oder ein Tierbegriff), die du in deinem Text sonst nicht verwendest, deshalb klingt es an dieser Stelle ein wenig fehl am Platz

Alles so lang her.
- Alles ist so lang her, klingt flüssiger

Einen lieben Gruß...
morti

 

hey morti!

Danke für's lesen. Freut mich, dass es dir gefallen hat.
Wegen dem Warum...ja...ich glaub, dass kann sich jeder selber denken. Mal sehen.

Das Andere wird ausgebessert :)

Schönen Abend noch,
One

 

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