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Hexenfest
Der Geruch von Feuer und Asche scheint uns an unsere Kindheit zu erinnern, wie sonst wäre es zu erklären dass er niemanden fremd vorkommt, niemanden stört. Im Gegenteil.
Der Geruch ist immer gepaart mit der sinnlichen Romantik von Lagerfeuern, Freundschaft und Geborgenheit. Die Funken scheinen zu singen, wie Glühwürmchen streicheln sie unsere nackten Wunden.
Feuer, es verschluckte Häuser, Schiffe, Tiere, Familien, Kinder. Das Prasseln der Flammen lässt uns all das vergessen. Ich frage mich, was lässt diese Menschen hier so begeistert zusehen.
Die jubelnde Masse, schreiend und feiernd. Die rotzbenetzten Nasen erstrahlen im schönsten Rot. Der Pöbel bildet den Kreis, die Hexe in der Mitte. Ein Fest kommt ohne ein Feuer nicht aus.
Dabei ist es egal was darin verbrannt wird. Sei es ein Schwein, oder eine Hexe. Heute ist es eine Hexe. Der Hunger der Masse ist der gleiche. Diesmal werden nicht ihre fetten, glänzenden Bäuche genährt, sondern ihre abgehungerten Selbstbildnisse. Ich beobachte sie, wie sie sich biertrinkend unter der Decke der Gemeinschaft aneinander gepresst einig fühlen,
denn das Böse kann nicht mehr in ihnen stecken, es wird ja gerade verbrannt.
Das Essen ist in diesen Zeiten knapp, man neidet den Bissen im Mund des Anderen. Je knapper das Essen, um so öfter wird eine gefasst. Es ist merkwürdig. Die verbrannten Hexen lassen uns den Hunger vergessen. Die Hexenjäger werfen uns kein Fleisch mehr zu, denn die Wälder scheinen leer zu sein. Dafür dieses Feuerwerk, gewürzt durch Menschenfleisch.
Ich sehe es mir immer wieder gerne an, denn auch ich habe Hunger.
Jedes Mal brachte ich auch meine vier Kinder mit, heute nicht. Ein weiterer Ballen Stroh wird von einem Bauern, angefeuert durch seine Kinder, ins Feuer geworfen.
Das Feuer bedankt sich, spendet der Menge einen Wärmeschwall und steigt an.
Bewunderung für ihren Vater. Ich werde müde, möchte mir dies nicht weiter ansehen. Ich blicke weiter in das Rudel, mein Hunger verschwindet, mir wird schlecht. Ich bin eine von ihnen. So beißend der Geruch, so scharf sind ihre Zähne.
Ich bin müde und sollte jetzt gehen. Meine Kinder warten bestimmt schon. Früher musste ich mir darüber Gedanken machen, wie ich noch etwas zu Essen aufbringen kann um sie zu füttern.
Ich bin froh, dass dies nicht mehr nötig ist. Ich habe sie vorausgeschickt. Ich komme, meine Kinder.
Die Menschen hier können nicht verstehen warum ich es tat, nennen mich eine Hexe. Die Flammen fressen sich in meine Poren. Ich spüre nichts, höre mich schreien, das Schreien meiner Kinder zwingt sich durch die Flammen, ihr solltet doch nicht kommen. Ich komme zu euch, meine Kinder.
Meine Kinder, verzeiht mir.
Das Fest ist vorbei.