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Hexenfest

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21.02.2002
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Hexenfest

Der Geruch von Feuer und Asche scheint uns an unsere Kindheit zu erinnern, wie sonst wäre es zu erklären dass er niemanden fremd vorkommt, niemanden stört. Im Gegenteil.
Der Geruch ist immer gepaart mit der sinnlichen Romantik von Lagerfeuern, Freundschaft und Geborgenheit. Die Funken scheinen zu singen, wie Glühwürmchen streicheln sie unsere nackten Wunden.

Feuer, es verschluckte Häuser, Schiffe, Tiere, Familien, Kinder. Das Prasseln der Flammen lässt uns all das vergessen. Ich frage mich, was lässt diese Menschen hier so begeistert zusehen.
Die jubelnde Masse, schreiend und feiernd. Die rotzbenetzten Nasen erstrahlen im schönsten Rot. Der Pöbel bildet den Kreis, die Hexe in der Mitte. Ein Fest kommt ohne ein Feuer nicht aus.
Dabei ist es egal was darin verbrannt wird. Sei es ein Schwein, oder eine Hexe. Heute ist es eine Hexe. Der Hunger der Masse ist der gleiche. Diesmal werden nicht ihre fetten, glänzenden Bäuche genährt, sondern ihre abgehungerten Selbstbildnisse. Ich beobachte sie, wie sie sich biertrinkend unter der Decke der Gemeinschaft aneinander gepresst einig fühlen,
denn das Böse kann nicht mehr in ihnen stecken, es wird ja gerade verbrannt.

Das Essen ist in diesen Zeiten knapp, man neidet den Bissen im Mund des Anderen. Je knapper das Essen, um so öfter wird eine gefasst. Es ist merkwürdig. Die verbrannten Hexen lassen uns den Hunger vergessen. Die Hexenjäger werfen uns kein Fleisch mehr zu, denn die Wälder scheinen leer zu sein. Dafür dieses Feuerwerk, gewürzt durch Menschenfleisch.
Ich sehe es mir immer wieder gerne an, denn auch ich habe Hunger.

Jedes Mal brachte ich auch meine vier Kinder mit, heute nicht. Ein weiterer Ballen Stroh wird von einem Bauern, angefeuert durch seine Kinder, ins Feuer geworfen.

Das Feuer bedankt sich, spendet der Menge einen Wärmeschwall und steigt an.
Bewunderung für ihren Vater. Ich werde müde, möchte mir dies nicht weiter ansehen. Ich blicke weiter in das Rudel, mein Hunger verschwindet, mir wird schlecht. Ich bin eine von ihnen. So beißend der Geruch, so scharf sind ihre Zähne.

Ich bin müde und sollte jetzt gehen. Meine Kinder warten bestimmt schon. Früher musste ich mir darüber Gedanken machen, wie ich noch etwas zu Essen aufbringen kann um sie zu füttern.
Ich bin froh, dass dies nicht mehr nötig ist. Ich habe sie vorausgeschickt. Ich komme, meine Kinder.

Die Menschen hier können nicht verstehen warum ich es tat, nennen mich eine Hexe. Die Flammen fressen sich in meine Poren. Ich spüre nichts, höre mich schreien, das Schreien meiner Kinder zwingt sich durch die Flammen, ihr solltet doch nicht kommen. Ich komme zu euch, meine Kinder.

Meine Kinder, verzeiht mir.

Das Fest ist vorbei.

 

Hallo ParaButuZ,

mir hat deine Geschichte gut gefallen. So kurz sie auch ist: Du schaffst es, den Zeitgeist und durch stimmige Bilder die Atmosphäre auf dem Platz zu vermitteln. Ein heftiger Text, der früher sicher viel zu häufig der Realität entsprach.

Viel mehr kann ich dazu auch nicht sagen, außer dass mir die Umsetzung wirklich gut gefallen hat. Allerdings solltest du dringend die merkwürdigen Zeilenumbrüche rausnehmen. So hat der Text fast die Anmutung eines Gedichtes. Und die werden hier gelöscht. ;)

Und noch eine Kleinigkeit:

Jedes mal brachte ich auch meine vier Kinder mit,
Mal (groß)


Viele Grüße
Kerstin

 

Hallo ParaButuZ,

ich kann mich Kazano anschliessen. Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen und mich mti einer Gänsehaut zurück gelassen, weil solche Ereignisse ja damals an der Tagesordnung standen.

Diese Frau hat ihre Einsicht erst erlangt, als sie selbst auf dem Scheiterhaufen stand. Da wusste sie, dass sie keine Hexe ist.

Ich glaube, dass es für die Menschen zu allen Zeiten wichtig ist, immer einen Sündenbock zu finden. Nur damit man selbst nicht schuld ist und alles einem anderen in die Schuhe schieben kann.

Einizer Kritikpunkt - ich weiß, es ist ein wenig kleinlich: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Frau so klar über alles reflektieren kann, wenn sie gerade auf dem Scheiterhaufen steht. Die Gedanken müssten ihr viel schneller, auch ungeordneter durch den Kopf schiessen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie noch eine so geschärfte Beobachtungsgabe hat und die Blicke der "Zuschauer" interpretieren kann. Würde meiner Meinung nach besser wirken, wenn sie einzelne Zuschauer in der Menge erkennt, die vielleicht früher ihre Freunde waren und sie jetzt hasserfüllt ansehen.

LG
Bella

 

Danke Kerstin für deine Einschätzung + Tipps! :)

habe den Fehler korrigiert als auch die wahrlich merkwürdigen Zeilenumbrüche
angepasst. ;)

Sieht doch nun hübscher aus, oder?

Schönheit kann so grausam sein...

 

Und ich mal wieder. :)

In meiner ersten Kritik ist mir tatsächlich ein Punkt durch die Lappen gegangen. Ich wusste, dass mir beim Lesen noch was aufgefallen war, habe nochmal gescrollt, den Text überflogen, und fand es nicht wieder. Daraufhin mein Satz: "Viel mehr kann ich dazu auch nicht sagen,..."

Durch Bellas Kritik ist es mir über einen Umweg aber wieder eingefallen. Du schreibst aus der Sicht der Frau, die als Hexe verdächtigt und verbrannt wird. An einer Stelle lässt du sie aber denken

Denn mit dieser Hexe habe ich Mitleid. Ich kann sie verstehen.
Das passt meiner Ansicht nach nicht ganz. An dieser Stelle ist noch nicht ganz klar, dass sie selbst diese "Hexe" ist. Aber später ja schon. Würde jemand von sich wirklich in der dritten Person denken? Ich würde wahrscheinlich nicht denken: "Mit dieser Frau habe ich Mitleid." Ich würde denken:"Scheiße, in was bin ich hier reingeraten?" Da ist die Perspektive ein bisschen verschoben.

Einer Interpretation von Bella möchte ich widersprechen. Zumindest kam es bei mir anders an. Ich glaube nicht, dass die Frau erst auf dem Scheiterhaufen erkennt, dass sie keine Hexe ist. Das ist ihr die ganze Zeit über klar. Schließlich gehörte sie früher selbst zum Mob. Aber ihr wird wahrscheinlich erst jetzt klar, dass die anderen, deren Tod sie früher bejubelte oder wenigstens als willkommene Abwechslung ansah, genauso unschuldig waren wie sie. Dass diese ganze Hexenverfolgung eine riesige Ungerechtigkeit ist.

Nun kann man bei der Frau nicht rein von Unschuld sprechen, da sie schließlich ihre Kinder umgebracht hat. Aus einer Notsituation heraus, schon klar, aber dennoch durch nichts zu entschuldigen. Aber auch das hat mir an deiner Geschichte gefallen: Du zeichnest nicht die Heilige, die zu Unrecht als Hexe angeklagt ist, sondern du zeichnest eine Frau, die viel durchmachen musste, die ein schweres Leben hat, die hungert, die auch Schuld auf sich geladen hat, die aber weit davon entfernt ist, eine Hexe zu sein. Es gefällt mir, dass du hier nicht in Schwarz-Weiß-Malerei verfällst oder stereotype Figuren zeigst, sondern eine Frau, die ambivalent ist. Wie jeder Mensch. Auch das trägt zur Lebendigkeit der Geschichte bei.

Zu den Absätzen: Ja, schon viel besser. Aber ich würde einfach jeden neuen Absatz durch eine Leerzeile vom vorherigen getrennt neu beginnen und ansonsten den Text durchlaufen lassen. Im Moment fängst du noch für jeden Satz eine neue Zeile an. Das ist noch verbesserungswürdig. ;)

Nochmals viele Grüße
Kerstin

 

@Bella:
Vielen Dank für solch nette Worte. :)

Das mit den Gedanken ist tatsächlich etwas unrealistisch und die Idee schneller "Gedankenschnitte" halte ich für sehr interesant und werde sie ggf. auch umsetzen, habe aber etwas Angst davor, da es der Geschichte etwas Wehmut nehmen könnte und zuviel Tempo, welches ich hier unangebracht finde, geben würde.

Allerdings ist es tatsächlich nicht so, zumindest wollte ich es so nicht darstellen, dass sie zuvor glaubte eine Hexe zusein und erst in den Flammen zur richtigen Einsicht kommt (siehe Interpretation katzano, besser hätte ich es wahrlich nicht schreiben können) ;)

@katzano:
Verneigung und Dank für deine huldvollen, helfenden Worte! :)

Bezüglich der Zeile "...mit dieser Hexe" (ich hab keine Ahnung wie ich diese schönen Zitateinschübe funktionieren) hast Du recht und es war mir bewusst, ein offensichtlicher (plumper) Ablenkungsversuch. Die Idee war in diesem Punkte eben es nicht sofort zu verraten, dass hier die vermeindliche Hexe spricht/denkt, sondern eine Zuschauerin.
Da dies, wie ich glaube, nicht gerade 100% funktioniert habe ich auf entsprechenden Einschub nun vollendends verzichtet.

Zeilenumbrüche wurden erneut geändert... das alte Leid. ;)

 

Hi ParaButuZ,

du hast schon recht! Ein Fest ohne Feuer ist nur halb so schön...aber zu deiner Geschichte: Ich kann mich den anderen nicht ganz anschließen, denn mir hat sie nicht so gut gefallen. Was Bella als Kleinigkeit sieht, ist mein größter Kritikpunkt. Verbrenn dir mal den kleinen Finger. Bist du dann in der Lage an etwas anderes zu denken, außer an den Schmerz. Vielleicht sind da noch ein paar kleine Gedankenfetzen, aber solch klare Strukturen möchte ich ausschließen. Gestört hat mich auch die Bemerkung, dass die Frau der Verbrennung zuschaut. Sicherlich kann es sein, dass sie an sich selbst herunterschaut, aber so klingt es zu weit distanziert.
Alles in allem ist deine Geschichte nicht wirklich schlecht, aber sie leidet unter diesen Fehlern. Sie machen sie unglaubwürdig und es gelingt dem Leser nur schwer, sich in irgendeiner Weise in deinen Prot hineinzuversetzen.
Mein Vorschlag wäre es, die Geschichte zu teilen. Schicke die Gedanken voraus und dann beschreibe das Feuer. Die angebliche Hexe, könnte dann ihren Überlegungen vor der eigentlichen Verbrennung nachgehen.

Noch ein wenig Textkram und ich beende meine Meckerei ;)

Der Geruch von Feuer und der Asche scheint uns an unsere Kindheit zu erinnern, wie sonst wäre es zu erklären dass dieser Geruch niemanden fremd vorkommt, niemanden stört.
- der Asche – ich würde das der streichen. Zudem stört die zweimalige Nennung des Wortes Geruch. Der nächste Satz beginnt damit ebenfalls.


Ich beobachte sie, wie sie biertrinkend sich unter der Decke der Gemeinschaft aneinander gepresst sich einig fühlen,
denn das Böse kann nicht mehr in ihnen stecken, es wird ja gerade verbrannt.
- wie sie sich biertrinkend...gepresst einig fühlen


Die Hexenjäger werfen uns kein Fleisch mehr zu, denn die Wälder scheinen leer zusein.
- zu sein

So beissend der Geruch, so scharf sind ihre Zähne.
- beißend


Ich bin froh dass dies nicht mehr nötig ist.
- Ich bin froh, dass...


Grüße...
morti

 

Hi morti,

sorry für meine lange Abwesenheit und somit verspätete Reaktion.

Vielen Dank für Deine Kritik, sie ist durchaus sinnig und berechtigt, entsprechende Textfehler habe ich berichtigt.

Ok, es stimmt schon. Sie spricht / denkt über die Dinge so ruhig nach, als würde sie einen Brief schreiben, nicht aber so, als ob sie gerade bei lebendigen Leib verbrannt wird, das war mir schon klar. Nur sah ich es mehr als ein bereits fast abgelöstes, seelisches Nachdenken, als ein wirklich gedankliches. Der Körper geschockt, der Geist abgekoppelt vom Schmerz, bereits auf der Schwelle zum Tod bzw. diese gerade passierend.
Auch dies scheint offensichtlich überhaupt nicht gelungen, da den meisten dies als "unrealistisch" auffällt.

Vielleicht dachte ich auch zu filmisch, quasi wie eine Szene, in der man sie in slowmotion verbrennen sieht und sie aus dem Off, ganz ruhig darüber spricht.
Dieses Bild wollte ich vermitteln und bin offensichtlich gescheitert.
Vielleicht hat mir jemand ein paar Tipps, wie ich z.B. genau dieses Bild hätte vermitteln können.

 

Hi ParaButuZ!

Jo, gut gemacht.
Es geht nicht nur um das Spektakel und das Leid, hast die psychologischen und soziologischen Mechanismen (den eigentliche „Zweck“ der Hexenverbrennung) auch verstreut (nicht zerstreut) angedeutet.

Die Funken scheinen zu singen, wie Glühwürmchen streicheln sie unsere nackten Wunden.

Weiß nicht, ob der Vergleich so funzt: Singende Funken, streichelnde Glühwürmchen an Wunden … nee …


aquata

 

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