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Hallo ich bin neu in der Runde und freue mich über offenes und ehrliches Feed-back. Hoffe ich habe keine Regeln übersehen.
Vielen Dank im Voraus!
Hilflos
Den Blick gesenkt, den Rücken gerade, sitze ich am Frühstückstisch, wie es von mir erwartetet wird. Ich tauche den Löffel in meine Plastik Schale – denn das Porzellan ist zu schade für uns sagt Mama – und zucke zusammen als ein schabendes Geräusch ertönt. Mats sitzt neben mir und zieht die Schultern hoch. Unsere Blicke treffen sich, als wir beide aufsehen. Sofort drückt Mama unsere Köpfe nach unten. Papa mag es nicht, wenn wir den Blick heben oder ein Geräusch verursachen, denn dann weiß er wieder, dass es uns gibt und kann nicht so tun, als wären wir Luft. Die Uhr an der Wand tickt. Es verstreichen drei Minuten, bevor ich mich wieder traue den Löffel in meine Müsli-Schüssel zu tauchen. Erleichtert atme ich aus und lasse die Schultern sinken. Papa hat heute einen guten Tag. Das ist selten.
Das schabende Geräusch von Papas Stuhl dröhnt mir in den Ohren, als er aufsteht, die Zeitung faltet und auf den Tisch wirft.
»Bis später, Schatz«, sagt er, küsst Mama kurz auf den Mund und geht zur Küche hinaus.
Ich schaue auf die Uhr. Es ist 7:45 Uhr – wie immer. Papa fährt gleich zur Arbeit, aber vorher besucht er sie noch. Mats, Chris und ich erheben uns eilig und räumen die Küche auf. Ich bin der Älteste von uns und am längsten hier. Chris wohnt erst seit einem Jahr bei uns. Mama und Papa brauchten das Geld. Also haben sie ein weiteres Pflegekind aufgenommen. Während ich das Geschirr spüle, höre ich an den knarrenden Stufen wie Papa die Treppe herunterkommt und Sekunden später das Haus verlässt. Fast zeitgleich fängt sie an zu weinen, wie jedes Mal. Mats der abtrocknet, ballt die Hand zur Faust. Tränen schimmern in seinen Augen, während Chris seine Hand in mein Hemd krallt. Unsere Blicke heften sich an die Decke. Hilflos. Verzweifelt. Zur Untätigkeit verdammt. Ihr Zimmer ist genau über uns im ersten Stock, aber wir dürfen nicht hinauf. Unsere Betten stehen in einer schmalen Kammer im Keller. Papa hasst es, dass er seine Sauna unseretwegen aufgeben musste, weswegen er an seinen Sauna-Tagen, wenn er aus der Sauna seines Fitnessstudios kommt besonders gemein ist.
»Steht da nicht so rum jämmerliche Taugenichtse«, ruft Mama und haut mir auf den Hinterkopf. Ich bin der Älteste von uns Kindern und habe daher die Verantwortung. Mama und Papa hatten schon viele Kinder, aber ich bin am längsten hier. Mit fünf bin ich hergekommen, jetzt bin ich dreizehn. Mats kam vor drei Jahren. Mama sagt sie braucht Jungs zum Arbeiten aber Papa mag keine Jungs. Er mag lieber Mädchen, deswegen haben sie vor ein paar Monaten Florence geholt. Das Weinen ignorierend, waschen wir zu Ende ab. Dann bereite ich das Frühstück für Florence vor bestehend aus einem Brötchen mit Salami und einem Kinderpinguin, den wir für sie aufgehoben haben, gehe ins Wohnzimmer und bringe es Mama, die auf dem Sofa sitzend abwesend auf die Wand starrt. Sie hasst die Morgen, wenn Papa Florence besucht.
»Mama das Frühstück für Florence«, sage ich und halte ihr das Tablett hin.
»Dieses Miststück soll doch sehen, wo es bleibt«, zischt Mama und ihre Lippen verziehen sich zu einem schmalen Strich. Dann erinnert sie mich an meinen alten Teddybären, dessen Mund aus einem ausgefransten Faden besteht. Ich stelle das Tablett in die Küche und mache mich an meine Aufgaben.
Der Tag verläuft wie jeder andere. Wir räumen alles auf, bis auf den ersten Stock, aber dort ist auch nur ihr Zimmer und das Schlafzimmer von Mama und Papa. Und wir dürfen nicht hinauf.
Um drei schläft Mama schließlich auf dem Sofa ein.
»Mats pass auf, wenn Mama sich rührt, dann ruf leise«, sage ich und greife das Tablett. Die Schokolade am Kinderpinguin ist bestimmt längst geschmolzen und matschig.
»Was hast du vor?«, fragt er und seine blauen Augen sind wie bei Florence Puppen riesengroß.
»Sie braucht was zu essen«, antworte ich und ignoriere das brennende Gefühl in meinem Bauch. Aber wenn Mama nicht aufwacht geht alles gut. Papa kommt erst um halb fünf, also wird niemand wissen, dass ich oben war. Ich nehme den Teller, auf dem ich ein zweites Brötchen mit Käse anrichte, da es nun schon Mittag ist und Florence noch immer nichts zu essen hatte und gehe langsam die Treppe hoch. Ganz vorsichtig, damit die Stufen nicht Knarzen. Mama hat einen leichten Schlaf. Oben angelangt, wende ich mich nach rechts. Hinter der weißen Tür herrscht Stille. Ich drehe den Knauf und öffne sie. In der Mitte des Raumes steht ein Bett, sonst ist nichts im Raum. Florence kauert am Bettende in eine Decke gewickelt. Ihre großen braunen Augen sind geöffnet und schwimmen in nicht vergossenen Tränen.
»Ich habe hier etwas für dich«, flüstere ich und hoffe, dass Mama noch schläft. Ich kenne schließlich die Strafe für meinen Regelverstoß.
»Schatz ich bin wieder zu Hause, ich habe heute früher Schluss gemacht«, schallt die tiefe klare Stimme von Papa hinaus. Er ist zurück.