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Himmel und Hölle

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21.12.2015
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Himmel und Hölle

Seit über zwei Stunden gingen wir steil bergauf. Blauer Dunst lag über den niedrigen Bergrücken, aber der Feldberg strahlte in der Junisonne. Ein schmaler Pfad schlängelte sich durch die Wiesen. Es roch nach geschnittenem Gras. Ein alter Mann mit einer Sense schaute kurz zu uns herüber, dann mähte er weiter. Meine Mutter trug neben ihrem Rucksack links eine Stofftasche, rechts einen Stecken, den sie unten im Waldstück aufgelesen hatte.
„Für dich“, sagte sie, nach Luft schnappend, „da kannst du deinen Beutel dranhängen.“
„Ich brauch aber keinen Stock“, sagte ich, sprang drei Schritte vor und einen zurück, wie bei den Hüpffeldern, die wir mit Kreide auf den Pausenhof in der Schule gemalt hatten.
„Du wirst ihn schon noch brauchen. Am besten machst du gleichmäßig langsame Schritte, das strengt nicht so an.“
„Ist es noch weit?“
Mutter deutete in die Ferne.
„Siehst du die zwei Kirchtürme? Sie gehören zum Kloster. Von dort aus geht es wieder abwärts zum Finkenhof. Eine Stunde noch, allerhöchstens. Aber jetzt machen wir erstmal Pause.“
Wir setzten uns auf den höher gelegenen Wegrand ins Gras und streckten die Beine aus.
Unten im Tal verschwand die Eisenbahn mit drei gellenden Pfiffen im Tunnel. Ich wusste, dass sie jetzt nach „Höllental“ fuhr. Die Station vorher hieß „Himmelreich“, und da waren wir gegen Mittag ausgestiegen.
Mama streckte mir die zerbeulte Wasserflasche hin.
„Trink“, sagte sie streng, „der Doktor hat gesagt, du musst viel trinken. Vor allem Milch. Ich werd's der Rosel nochmals ans Herz legen, mindestens einen Liter am Tag.“
Ich biss einen großen Happen vom Vesperbrot ab. Margarine und Kunsthonig, das mochte ich nicht besonders. Aber ich war hungrig.
„Was sind Kavernen, Mama?“
„Wie bitte? Ich kann dich so schlecht verstehen.“ Mama schaute streng.
Ich schluckte hastig.
„Kavernen, Mama, der Arzt hat doch gesagt, es seien noch Kavernen da.“
„Na ja, in deiner Lunge sind noch ganz kleine Hohlräume. Die müssen ausheilen, deswegen sollst du ja auch auf einen Bauernhof. Frische Luft und gute Ernährung. Und auf keinen Fall darfst du deine Medizin vergessen, hörst du? Rosel wird sie dir geben. Du musst ihr folgen. Immer. Und jetzt komm.“

Meine Tante Rosel, Mamas Kusine, kam gerade mit einem voll beladenen Wäschekorb aus dem Garten, als wir in den Hof stolperten. Sie stellte ihn ab und musterte mich von oben bis unten. Sie gab mir nicht die Hand, umarmte mich auch nicht. Da wusste ich gleich, dass ich Mama schwer vermissen würde.
„Du bist also die Monika. Jetzt kommt rein, ihr werdet Hunger und Durst haben.“
In der Stube war es schön kühl, aber ziemlich düster. Ich musste nach dem grellen Sonnenlicht draußen erst einmal blinzeln. Tante Rosel blieb in der Tür stehen und sah uns abwartend an.
„Ist es recht, Milch und Butterbrot? Kaffee gibt’s später. Und Monika, dann zeig ich dir, wo du schlafen wirst. Wenn du willst, gehen wir später einmal durch den Stall. Aber das hat auch bis morgen Zeit.“
„Rosel, wir haben ja das meiste schon besprochen. Ich kann nachher den Bus zum Bahnhof nehmen und möchte deshalb nur noch wegen der Nachbarskinder ..."
Meine Mutter ging Tante Rosel in die Küche hinterher. Wahrscheinlich wollte sie ein paar Dinge bereden, die ich nicht unbedingt hören sollte. So hatte ich Zeit, mich umzuschauen.

Mir war sofort klar: Das hier war ein sehr alter Bauernhof, mit Kachelofen und Herrgottswinkel, genau wie in dem Buch über Schwarzwaldsagen, das ich zum zehnten Geburtstag bekommen hatte. Die gute Stube. Ich hatte gelesen, dass sie nur sonntags, oder wenn Besuch kam, benutzt wurde.
Eine Uhr tickte laut in die Stille. Sie hatte ein bunt bemaltes Ziffernblatt mit einem Türchen und Ketten zum Aufziehen. Bestimmt war es eine Kuckucksuhr. Über dem Tisch baumelte ein Fliegenfänger von der Lampe herab. Wahrscheinlich hing er schon lange da, mindestens fünfzig fette Fliegen klebten an der braunen Spirale. Ekelhaft. Und wenn sie nun in den Milchtopf oder auf mein Butterbrot fallen würde? Zwei Wespen flogen zornig gegen die winzigen Fensterscheiben. Ich hockte mich auf den Rand der Sitzbank, bereit, jederzeit aufzuspringen, wenn mich eines dieser Ungeheuer angreifen würde. Als die Uhr viermal schlug, öffnete sich das Türchen, aber ein Kuckuck erschien nicht. Eine kaputte Kuckucksuhr. Wie blöd. Und hier sollte ich es sechs Wochen aushalten? Mama hatte mir keinen Besuch zwischendurch versprochen. Nur im Notfall, hatte sie gesagt, der Doktor findet es besser so.

Der Rundgang im Haus beschränkte sich auf die Küche und die Schlafräume darüber. Mama blieb noch bis in die frühen Abendstunden. Dann fuhr sie mit dem Postbus davon und ich saß heulend auf dem schmalen Bett in einer Dachkammer, aus der ich gerade mal den Gemüsegarten und ein Stück Weg sehen konnte.
Tante Rosel schüttelte das dicke Federkissen auf.
„Aber, aber“, sagte sie und hob kurz die Hand, als wolle sie mir über die Haare streichen. „Das wird schon. Schau mal her, vielleicht liegt da was drin, das du brauchen kannst.“ Sie seufzte und schob mir eine kleine, mit Rosen bemalte Holztruhe vor die Füße. „Sie hat einem Kind gehört …Wenn du deine Sachen in den Schrank geräumt hast, komm wieder runter. Der Bauer und Eugen wollen dich auch kennenlernen. Das wird schon, Maidli.“
Ich starrte eine halbe Stunde zum Fenster hinaus, dann raffte ich mich auf. Es half ja nichts. Zuerst legte ich meine wenigen Kleidersachen in die beiden untersten Fächer. Die oberen waren vollgestopft mit Bettwäsche und Wolldecken. Alles roch nach Mottenkugeln. An einer Stange hingen dicke Jacken und schwere, dunkle Trachtenkleider, eins auch in Kindergröße. Morgen vielleicht würde ich es mir genauer ansehen.
Meine drei Bücher legte ich auf den Stuhl neben dem Bett. Zu der weißen Schüssel und dem mit Wasser gefüllten Krug auf der Kommode kam der Kulturbeutel mit der Zahnbürste, der Speickseife, dem Kamm und den Gummiringen für die Zöpfe. Mama hatte ihn extra genäht und mir noch einen Taschenspiegel spendiert.
„Halt deine Sachen beieinander. Lass nichts rumliegen“, hatte sie mich beim Abschied ermahnt und gleichzeitig heftig gedrückt. „Ach Gott, hoffentlich geht alles gut.“
Ich war noch nie von zuhause weg ohne meine Mutter.
„Warum hab ich nur so wenig Bücher mitnehmen dürfen?“
„Du sollst ja nicht im Haus rumhocken, sondern an die Luft gehen. Vielleicht nimmt dich der Eugen mit zum Viehhüten.“
„Wie bei der Heidi und dem Geißenpeter?“
„So ähnlich. Aber zum Eugen muss ich dir noch was sagen. Der Eugen ist ein wenig merkwürdig. Der spricht nicht so viel. Und er sieht auch ein bisschen komisch aus.“
„Was heißt 'komisch'?"
„Halt um die Augen herum. Schon als er auf die Welt gekommen ist, sind die ganz schräg gewesen. Es ist eine Krankheit. Aber Tante Rosel sagt, er ist ganz lieb. Und er hilft ihr sehr im Stall, wo doch Onkel Franz immer noch als vermisst gilt. Vierzehn ist er jetzt und ganz schön stark. Ach, und dass ich's nicht vergesse, auf dem Moosbachhof gibt's zwei Kinder in deinem Alter. Mit denen könntest du spielen und in den Gumpen baden, wenn das Wasser nicht zu kalt ist. Der Hof ist ganz in der Nähe. Man kann ihn sogar von hier aus sehen. Das sind reiche Bauern. Ich kenn' die noch vom Hamstern. Da gehörten sie zu den Großzügigen.“
Wenn die reich sind, überlegte ich, haben die bestimmt nicht nur ein Plumpsklo draußen und eine Waschschüssel im Schlafzimmer. Was mach ich bloß, wenn ich nachts aufs Klo muss? Über den Hof gehen? Ohne Licht?

Schließlich traute ich mich auch an die Holztruhe heran. Sie war nicht verschlossen. Als erstes fiel mir ein Körbchen mit Tierfiguren in die Augen, alle aus Holz geschnitzt, die größte ungefähr so lang wie meine Handfläche und manche bemalt. Es gab zwei Kühe, die eine schwarz-weiß gefleckt, die andere braun, einige Gänse, Enten und Hühner, auch einen Hund. Dazu mehrere zerbrochene Teile, bestimmt waren es Bruchstücke von einem Stall oder einem Gatter. Eine Ziege hatte sich darin verfangen.
Ich stellte die Figürchen auf dem Boden auf. Die braune Kuh hielt sich nur mühsam auf ihren drei Beinen. Überhaupt sahen die Tiere reichlich mitgenommen aus. Ob Eugen so sorglos mit ihnen umgegangen war?
Jetzt war meine Neugierde geweckt. Ich legte einen Stoß alte Leinentücher auf die Seite. Aha, eine Schiefertafel und ein Griffelkästchen. So was hatte ich auch noch zuhause. Seit langem schon schrieben wir aber auf Papier, meistens mit Blei. Im Herbst sollte ich aufs Gymnasium gehen und ich würde einen Füller bekommen, einen Pelikan. Ich freute mich schon darauf.
Auf der Tafel stand etwas, leicht verwischt:
Wir basteln ein Spiel: Himmel und Hölle. Nimm dazu …
Der Rest war nicht mehr lesbar, aber das war auch gar nicht nötig. Ich wusste, wie man das Spiel bastelte. Man brauchte dazu lediglich ein Blatt Papier, es musste quadratisch sein, und zwei verschiedene Farbstifte, rot für die Hölle, blau für den Himmel. Zum Glück hatte ich ein Ringbuch dabei, von dem man die Blätter abreißen konnte. Und Buntstifte fand ich auch ein paar in meinem Rucksack.
Ich packte die Tierchen wieder in die Kiste und machte mich ans Werk.
Erst nach mehreren Versuchen klappte es mit dem Falten und ich begann, die Fächer auszumalen. Ich war so vertieft, dass ich ordentlich zusammenfuhr, als neben mir jemand etwas auf den Boden stellte.
„Du bist ganz schön schreckhaft, Moni, wovor hast du denn Angst?“
„Keine Angst, es ist nur … ich hab halt die Zeit vergessen.“
„Ja, wie meine Marianne, die musste man auch immer mehrmals rufen.“
„Marianne?“
„Der gehörten die Sachen da. Aber das erzähl ich dir ein andermal. Wie ist das mit dem Hunger oder Durst? Kommst du noch nach unten?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Der Topf da ist ein Nachttopf. Elektrisches Licht haben wir nicht. Auf der Treppe steht nachts eine Stalllaterne. Aber die muss da stehen bleiben. Wenn was ist, kannst du mit dem Besenstiel dort auf den Boden klopfen. Ich schlaf direkt unter dir. Also dann, b'hüt dich Gott.“ Sie schlug das Kreuz und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Wie anders sie doch war als meine Mutter! Strenge schwarze Augen. Noch kein einziges Mal hatte sie gelacht, nicht einmal, als ich sie nach dem ausgeflogenen Kuckuck gefragt hatte. Konnte sie mich vielleicht nicht leiden?
Ich vergrub mich in den Kissen, versuchte, in der Dämmerung noch ein paar Seiten zu lesen. Unten aus dem Stall kam dumpfes Muhen, zwei Katzen kreischten und fauchten, schließlich fielen mir die Augen zu.

Es war nicht leicht, mich einzugewöhnen. Der alte Bauer, Rosels Schwiegervater, redete nicht viel. Und wenn er etwas sagte, stieß er die Worte aus seinem zahnlosen Mund, so dass die Spucke umherflog. Immerhin erklärte er mir, wie man Speck richtig schneidet.
„Die Stadtleut' verstehn nix davon“, zischte er und schnitt eine dicke Scheibe davon bedächtig in kartondünne, rotweiße Streifen. Die raffte er mit schwarzgeränderten Fingern zusammen, häufte sie auf ein Stück Bauernbrot und schob es mir über den Tisch zu. Nur beim ersten Mal musste ich mich überwinden, danach trieb ich mich immer in seiner Nähe herum, wenn er ein Brett und sein scharfes Messer auf den Tisch legte. Milch, Honig und Butter gab es reichlich. Auch Gemüse und Kartoffeln, Mama hätte nichts zu klagen gehabt.

Mein größtes Problem war Eugen, der schweigsame Junge mit den merkwürdigen Augen. Ich hatte Angst vor ihm. Abends am Küchentisch starrte er mich an und grinste, drehte schnell den Kopf weg, sobald ich etwas zu ihm sagte. Manchmal schlich er hinter mir her, vor allem, wenn ich meinen Nachttopf zum Plumpsklo über den Hof tragen musste. Schaute ich mich um, sprang er davon. Ich hasste den Topf und schwor jeden Abend, ihn nicht zu benutzen. Aber ich musste ja ganz viel trinken.
Morgens trieb Eugen die Kühe auf die Weide oder half dem Bauern beim Misten. Der Gestank war überall. Gestank und erst recht die großen, schwarzen Spinnen. In jedem Winkel saßen sie und glotzten mich an. Ich konnte mich nicht daran gewöhnen. Um den Stall machte ich einen großen Bogen. Nicht einmal die gerade geborenen Kälbchen lockten mich. Am liebsten hielt ich mich im Garten auf, wo ich Tante Rosel beim Bohnenpflücken oder Gießen half.
„Und vergiss die Geranien an den Fenstern nicht, so üppig blühen sie nicht jedes Jahr.“ Die Geranien waren Tante Rosels ganzer Stolz.
„Es ist eine neue Sorte, aus dem Elsass, die gibt es noch nicht lange in Deutschland.“
Meine drei Bücher von Erich Kästner, meinem Lieblingsschriftsteller, waren im Nu ausgelesen. Ich dachte an das Schwimmbad zu Hause und vermisste meine Freundin Lore.
„Mama hat gesagt, ich kann in den Gumpen baden. Wo sind die eigentlich?“, fragte ich nach einigen Tagen, als die Sonne schon um elf Uhr vom Himmel stach.
Tante Rosel ließ die Hände in den Brotteig sinken.
„Bei den Gumpen hast du nichts verloren. Niemand von uns geht dahin.“
„Aber Mama hat gesagt ...“
„Egal was deine Mama gesagt hat, zu den Gumpen geht niemand von uns.“
So schroff hatte ich sie noch nie erlebt, ganz weiß um die Nase, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst. Ich spürte, wie der Kloß in meinem Hals wuchs und der Zorn. Jetzt würde ich erst recht nach den Gumpen schauen. Am Moosbach, hatte Mama gesagt. Sie hatte aber auch gesagt, dass ich Tante Rosel gehorchen müsse.
Den Rest des Tages verkroch ich mich in meiner Kammer mit einem Stapel Bauernkalender, den ich in der guten Stube gefunden hatte. Tante Rosel stellte mir einen Teller Pfannkuchen mit Zimt und Zucker vor die verschlossene Tür.
„Ich hab dir im Hof einen Zuber mit Wasser aufgestellt, da kannst du baden.“ Ich gab keine Antwort, aber die Pfannkuchen ließ ich mir doch schmecken.

Eugen kam nie herauf in meine Kammer. Einmal erwischte ich ihn dabei, wie er auf der untersten Treppenstufe saß, einen Beutel neben sich, in dem etwas zappelte. Als er mich sah, warf er ihn zwei Stufen höher und stapfte pfeifend davon. Nie im Leben hätte ich nachgeschaut, was sich in dem Beutel befand. Er hing später am Gartenzaun. Da zappelte nichts mehr.
Im Bauernkalender kreuzte ich die Tage seit meiner Ankunft an. Jedes Kreuzchen brachte mich ein Stückchen näher nach Hause. Aber die Zeit dehnte und dehnte sich. Abends im Bett weinte ich manchmal.

Eines Morgens lief Eugen nicht vor mir weg, als ich mit dem Nachttopf aus der Haustüre trat. Er stellte sich vor mich hin und streckte mir eine schmutzige Hand entgegen.
„Gib!“ Seine Stimme klang hoch und dünn, in seinem Hals kletterte etwas rauf und runter, als ob er einen kleinen Apfel verschluckt hätte.
„Gib her!“ Plötzlich war seine Stimme so tief wie die seines Opas.
Ich drückte den Hafen gegen die Brust.
„Geh weg, lass mich in Ruhe!“
Eugen riss den Mund auf und lachte lautlos. Er breitete die Arme aus und versperrte mir den Weg.
Seine Stimme schoss wieder in die Höhe, klang schrill und aufgeregt.
„Du musst aber! Eugen muss auch. Eugen will ..“
„Hau ab, du blöder Depp! Ich sag's deiner Mama!“, schrie ich in höchster Not und versuchte, unter seinen Armen durchzurutschen.
Eugen stellte mir ein Bein und riss mir den Topf aus den Händen. Der knallte scheppernd auf den Boden. Sein Inhalt versickerte zwischen den Pflastersteinen. Meine Backen glühten, ich wusste nicht, wo ich hinschauen sollte.
Eugen hob den Topf auf, besah ihn von allen Seiten und klopfte auf die Beule, wo das Emaille abgesprungen war. Seine schwarzen Augenbrauen bildeten einen waagrechten Strich.
„Kein blöder Depp. Kein blöder Depp!“ Er stellte den Topf auf die Bank neben der Haustür und schlurfte in den Stall.

Von da an goss ich Tantes Geranien mit meinem Pipi. Heimlich. Schließlich wusste ich ja, dass man Gülle auch auf die Felder fuhr. Eugen bekam keine Gelegenheit mehr, mich abzupassen. Im Garten gab es eine kleine Hütte, dort schuf ich mir mit Strohballen und dem Zuber eine kleine Zuflucht. Die Tante ließ mich gewähren. Auf sie wartete genug Arbeit. Ich sammelte Butterblumen, Vergissmeinnicht und Rosenblätter. Zum Pressen legte ich sie zwischen die Bauernkalender und beschwerte das Ganze mit Steinen. Wenn sie trocken waren, kamen sie in meine drei Bücher.
Im Zuber badete ich, wenn niemand in der Nähe war. An manchen Tagen sprach ich höchstens drei Sätze. Zum Moosbach traute ich mich nicht mehr, ich hatte Angst vor Tante Rosels strengen Blicken. Mein Heimweh wuchs und wuchs. Und trotzdem bekam ich allmählich runde Backen und braune Waden.

„Ich möcht' bloß wissen, was mit den Geranien los ist. Die Erde ist feucht und Dünger haben sie auch genug.“
Tante Rosel zupfte die welken Blüten und Blätter ab, lockerte mit einem Stöckchen den Boden und roch daran. „Weißt du vielleicht, woran es liegt, Monika?“
Ich wich ihrem Blick aus und schnappte Besen und Kehrschaufel.
„Monika, schau mich an. Kann es sein, dass du den Nachttopf in die Blumen gegossen hast?“
Ich schwieg. Jetzt kam alles heraus! Ich merkte, wie sich mein Magen zusammenzog.
„Los emol, Maidli, du muesch nit schwindle“, sagte Tante Rosel nach einer längeren Pause, in der sie weiter in den Geranien herumstocherte, aber es klang überhaupt nicht böse, fast wie bei Mama, wenn ich was zu beichten hatte. Da brach der Ring, den das Heimweh um mein Herz gelegt hatte, und ich sprudelte allen Kummer heraus: Der blöde Nachttopf, Eugens Angriff, das Verbot, in den Gumpen zu baden, obwohl Mama mir es doch versprochen hatte.
Tante Rosel zog mich neben sich auf die Gartenbank.
„Der Eugen meint es nicht böse. Er wollte dir bloß helfen. Er kann es halt nicht so sagen. Du wirst es ja gemerkt haben.“
Sie musste erst einmal durchatmen, bevor sie weitersprach.
„Und das mit den Gumpen ...", Tante Rosel hielt inne und wischte ein paar Erdkrümel von der Schürze, "weißt du, er vermisst seine Schwester. Sie ... sie ist mit sieben in der tiefen Gumpe ertrunken, beim Spielen. Marianne wäre heut so alt wie du, Kind. Eugen hat sie damals retten wollen. Der Bauer und ich wissen nicht genau, wie es passiert ist. Eugen kann es uns nicht sagen. Nicht mal unser Herr Pfarrer hat etwas aus ihm herausgebracht.“
Tantel Rosel stand auf und strich ihren Rock glatt. „Ich werd' mit Eugen reden. Aber Angst musst du wirklich nicht vor ihm haben.“

So war das also. Eine traurige Geschichte, nun verstand ich den Kummer und auch das strenge Verbot. Und der Eugen sah in mir seine kleine Schwester? Das musste ich erst einmal verdauen. Und ich hatte ihn 'blöden Depp' genannt. Gemein von mir. Ich musste mir was einfallen lassen.
An einem verregneten Sonntagnachmittag setzte ich mich mit meinen Farbstiften und dem Schreibblock in die gute Stube und bastelte ein weiteres, stabiles Himmel-und-Hölle-Spiel. Eugen saß auf der Ofenbank und äugte zu mir herüber. Ich stülpte das fertig gefaltete und bemalte Ding über Daumen und Zeigefinger. Klappte es bei blau auf, sagte ich „Himmel“, bei rot „Hölle“. Das ging eine ganze Weile so, Eugen rührte sich nicht vom Fleck, schaute nur.
„Himmel, Hölle, Himmel, Hölle, Eugen, spiel doch mit!“ Eugen schluckte und rutschte hin und her.
„Eugen, schau doch, blau heißt Marianne, die ist im Himmel, rot heißt ...“
„Nein“, schrie Eugen, „nein! Eugen kommt nicht in die Hölle, Eugen wollte nur helfen. Rot heißt Teufel.“
„Aber das wollte ich doch nicht sagen. Bitte, Eugen, das weiß ich doch.“
Ich setzte mich neben ihn und sagte: „Es ist nur ein Spaß, komm, mach du mal. Du kannst es auch behalten.“

Und so brach das Eis. Eugen streckte einen Zeigefinger aus und strich vorsichtig über über das gefaltete Papierkreuz. Ich öffnete es und Eugen hatte den blauen Trichter erwischt. Er strahlte.
"Himmel ", gluckste er und seine Stimme sprang rauf und runter, "Eugen auch im Himmel."

Von da an wollte Eugen jeden Tag Himmel und Hölle spielen, mit mir, mit seiner Mutter und sogar mit dem Opa.
Eugen sagte nie etwas anderes als „Marianne!“ bei blau und „Nicht Eugen!“ bei rot.
Ich wiederum lernte barfuß laufen, Bienenstiche aushalten, ging, fünfzig Meter hinter den Kühen, mit Eugen auf die Weide, half Tante Rosel abends, Eier einzusammeln und natürlich, die Geranien zu gießen, die nach einer Woche schöner blühten als je zuvor. Dann waren die sechs Wochen vorbei.
„Kommt wieder“, sagte Tante Rosel und packte noch ein mächtiges Stück Speck in Mamas Rucksack, „der Eugen würd' sich freuen. Und natürlich ich auch. Ich brauch dich ja für die Geranien.“ Dabei zwinkerte sie Mama zu, die zurückzwinkerte.

 
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Liebe Bea Milana,

ist doch toll, wenn du dich an eigene Ferienerlebnisse erinnert fühlst. Es scheint hier einigen so zu gehen;)

Und nichts zu beanstanden, sondern nur vorsichtiges Nachfragen, da bin ich doch gern bereit, darauf einzugehen.

Dialogtechnik

"Was sind Kavernen, Mama ?"
"Wie bitte? Ich kann dich so schlecht verstehen."
Ich schluckte hastig.

Nicht übel, deine Vermutungen. Könnte ich mir als Dialogstrategie merken. Hier allerdings ist es inhaltlich begründet. Monika spricht mit vollem Mund, ihre Mama ist aber eine, die auf gute Manieren achtet. Fünfziger-Jahre-Pädagogik, trainiere ich gerade bei meinen Enkeln, z. B. auch ausreden lassen.:D

der Postbus

Das hast du genau richtig erkannt, der Postbus fuhr einmal am Tag über die Dörfer. Da war es praktischer zu laufen. Abholdienst mit Auto gab es nicht. Höchstens Onkel Willi mit seinem Motorrad (mit Seitenwagen).

...Und event. noch ein Tick mehr nachfühlbares Heimweh ...

Ja, da war ich sparsam. Monika sollte aber keine verwöhnte Heulsuse sein. Sie hat ja schon selber einiges erlebt (Tbc) und möchte tapfer sein.

Außerdem schielte ich auf die Länge und dachte, jetzt aber mal vorwärts, sonst wird es langweilig. Von Peeperkorn weiß ich jetzt, dass 'beschreiben' zu 'show' zählt. Gut zu wissen. Meine Geschichten werden wahrscheinlich länger werden.;)

Liebe Bea, danke! Und wenn du dich genau so freust auf Siegburg wie ich, dann wird das ganz spannend.

Herzlichst
wieselmaus


Lieber Friedrichard,

Dank für den Feinschliff, der ja mild ausfällt. Ist schon erledigt, und so kann ich mich freuen, dass ich wieder einmal einen treuen und amüsanten Wegbegleiter hatte. Wandern im Schwarzwald hat was Mystisches, auch heute noch, wenn man die richtigen Ecken kennt.

Als Kind war ich immer fasziniert, dass man (von Freiburg aus) zuerst in den Himmel und dann in die Hölle kam. Oder vielmehr, in beide Gegenden. So was prägt fürs Leben. Parallel zur Bundesstraße gab es noch den Jägerpfad. Ich weiß nicht, wie oft ich als Kind den gegangen bin, um unterwegs andächtig der Geschichte vom Hirschsprung zu lauschen ... magisch halt, um mich der heute beliebten Terminologie zu bedienen.

Danke fürs Lesen und viele schöne Wandertage wünscht

wieselmaus

 

Lieber josefelipe,

Schön, dass du deinen Vorsatz wahrgemacht hast, zuende zu lesen. Dafür schon einmal vielen Dank!
Und dann kommen solche Loblieder. Wie von dir vermutet, werde ich akribisch auf die Anmerkungen eingehen.

Ich fange mit dem Ende an:

Das Werk einer reifen Dame, das wunderbar ohne irgendwelche Mätzchen auskommt.

Ein tolles Lob. Allerdings hätte ich eher erwartet:

Das reife Werk einer Dame ... Oder hast du absichtlich anders formuliert?

Die Freiheit des Lesers

Das ist mir sehr lieb. Selbstverständlich kann man hier verschieden interpretieren. Eugens emotionaler Ausbruch lässt sich allerdings schon als Hinweis verstehen, dass es nicht nur die missglückte Hilfeleistung ist, wenn Eugen solche Angst vor der Hölle hat. Vielleicht will seine Mutter gar nicht genau wissen, wie es passiert ist. Was würde dann womöglich mit ihrem behinderten Kind passieren? Wir bewegen uns hier im nicht hinterfragten katholischen Milieu der fünfziger Jahre.

die Topografie

Bea hat richtig vermutet, dass damals der Postbus nur einmal am Tag über die Dörfer fuhr. Da war es praktischer und kürzer, den steilen Aufstieg zu Fuß zu wählen.

Aus den "zwei Ketten" habe ich einfach "Ketten" gemacht. Trotz weiterer Recherche konnte ich nicht herausfinden, wieviel Ketten notwendig sind. Jedenfalls gibt es zwei Enden mit Tannenzapfen daran.

Eine kaputte Kuckucksuhr. Wie blöd.

Ursprünglich hatte ich "Wie schade." Das war mir zu schwach. Monikas Denken ist assoziativ, sie hüpft von der Kuckucksuhr zu weiteren befürchteten 'kaputten' Dingen. Man kann, wen man will, hier den Versuch von Antizipation erkennen.

Eher Fingernägel? Und den Speck zusammenkratzen?

geändert zu "Die raffte er mit schwarzgeränderten Fingern zusammen ..." Die Fingerkuppen sind auch schwarz, der Speck kommt schwarz geräuchert, ziemlich rußig auf den Tisch.

Glaub mir: Spinnen glotzen. Nachzulesen in "Die schwarze Spinne" von J. Gotthelf. Auf diesen geistigen Diebstahl bin ich richtig stolz.

Auch wenn Monika kein Plappermaul ist, ...

das ist Monikas subjektive Wahrnehmung, keine Tatsache. Aber geredet wird tatsächlich nicht viel. Schon gar nicht mit Eugen und dem Opa. Und dann gibt es ja nur noch Tante Rosel.

... beim barfüßigen Laufen würde ich eher sagen, dass man sich eher daran gewöhnen kann

Keineswegs, lieber José. Man muss die Augen aufmachen, weil überall Kuhfladen im Hof liegen und sich im Klee gerne Bienen tummeln. Für ein zartbesaitetes Stadtkind Schrecknisse, die Monika lieber umgehen will.

Und besonderen Dank auch für deine PS. Dreimal "Himmel und Hölle", da hatte ich Glück mit der Topografie.

Herzliche Grüße nach Ungarn
wieselmaus

 

Liebe wieselmaus,

eine schöne Story hast du da geschrieben. Mir hat gefallen, dass du dir so viel Zeit für deine Beobachtungen lässt, dass das so ruhig dahinplätschert und man immer das Gefühl hat, es ist genau das Maß, dass die Story braucht, um sich zu entfalten. Nur einzelne Passagen würden vielleicht noch ein bisschen mehr Textumfang vertragen, um mich ein paar Vorrednern anzuschließen. Tatsächlich wäre es irgendwie gut, wenn der Konflikt um Eugen und um Rosels Kind sich im Rückblick auf Erlebnisse der Protagonistin anbahnt, also ähnlich wie Peeperkorn gesagt hat, dass sie sich dem Ort zuerst neutral nähert und dass die Erinnerung dann im Nachgang ins Zwielicht gerückt wird. Das würde der Spannung bestimmt zugute kommen. Ansonsten hat mir dein Schreibstil weitestgehend gut gefallen, das eher Beschreibende, Realistische. Hier und da war es mir ein bisschen viel, aber im grundsätzlich finde ich, hast du das echt gut gemacht, und sprachlich ist das auf jeden Fall auch ne runde Sache. Nochmal so Peanuts:

Mutter deutete in die Ferne.

ich wollte nur loswerden, dass ich dieses artikellose "Mutter" in den allermeisten Fällen irgendwie schmalzig finde. Vielleicht/wahrscheinlich ist das Hörgewohnheit. Hier passt es aber schon irgendwie auch zu dem Setting.

Ich wusste, dass sie jetzt nach „Höllental“ fuhr. Die Station vorher hieß „Himmelreich“, und da waren wir gegen Mittag ausgestiegen.

hier schlummert ja der Kern deiner Story. Ich dachte mir beim Lesen, warum dazu nichts weiter gesagt wird. Warum das sozusagen einfach so von der Erzählerin hingenommen wird, als sei das nichts Besonderes, dass zufällig zwei Stationen nacheinander so heißen (oder ist das üblich in manchen Regionen?). Vielleicht passt da ja noch ein Satz dahinter. Ein bisschen Verwunderung oder dergleichen :>

deswegen sollst du ja auch auf den Finkenhof.

Das ist einer der wenigen Fälle, wo ich die Informationsvergabe ein bisschen zu eindeutig fand. Vielleicht geht das ja etwas smoother, und es reicht es wenn sie noch etwas über die heilenden Kräfte dieser wunderbaren Landluft schwadroniert, dass der Doktor schon recht habe und so weiter.

Nur im Notfall, hatte sie gesagt, der Doktor findet es besser so.

Da hatte ich beim Lesen die Frage, ob das der Mutter als Grund reicht, zumal das Kind ja scheinbar noch nie allein irgendwo war. Sie könnte doch etwas anderes zu tun haben, oder hattest du mit der Motivierung des Konflikts etwas Spezielles im Sinn?

„Sie hat einem Kind gehört …

1 Leerzeichen zu viel ;)

„Warum hab ich nur so wenig Bücher mitnehmen dürfen?“

hab' mit Apostroph, glaub ich.

stark. Ach, und dass

nochmal ein Leerzeichen

und Hölle. Nimm dazu …

und nochmal

„Der Topf da ist ein Nachttopf. Elektrisches Licht haben wir nicht. Auf der Treppe steht nachts eine Stalllaterne. Aber die muss da stehen bleiben. Wenn was ist, kannst du mit dem Besenstiel dort auf den Boden klopfen. Ich schlaf direkt unter dir. Also dann, b'hüt dich Gott.“ Sie schlug das Kreuz und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

sehr schön beschrieben. Ich fand auch echt toll, wie Rosel - keine Ahnung, ob von dir so intendiert - irgendwie auch sehr sympathisch gezeichnet ist, einfach aber irgendwie ehrlich und subtil auch herzlich fast.

Gestank und Spinnen. In jedem Winkel saßen sie und glotzten mich an.

las sich so, als säße auch der Gestank in jedem Winkel und glotzte sie an. Das erste wäre ja noch gut als Elipse, mit dem Anglotzen gehts dann aber in die falsche Richtung, find ich.

Von da ab goss ich Tantes Geranien mit meinem Pipi. Heimlich.

fand ich einen sehr netten Satz als Anspielung. Das "von da ab" ist übrigens umgangssprachlich. "Von da an" wäre es sonst. Wie du magst.

„Los emol, Maidli, du muesch nit schwindle“

so was mag ich immer, Mundart :)

„Nein“, schrie Eugen, „nein! Eugen kommt nicht in die Hölle, Eugen wollte nur helfen. Rot heißt Teufel.“

hat mich erreicht.

Und so brach das Eis. Von da an wollte Eugen jeden Tag Himmel und Hölle spielen, mit mir, mit seiner Mutter und sogar mit dem Opa.
Eugen sagte nie etwas anderes als „Marianne!“ bei blau und „Nicht Eugen!“ bei rot.

das war so mehr oder weniger die einzige Stelle, wo es mir wirklich, wirklich zu schnell ging. Sie sagt: "war nur ein Spaß" und schwups ist das Eis gebrochen, Friede, Freude, Eierkuchen. Hätte es selbst wahrscheinlich - unterschiedlicher Stil, denke ich - etwas ruhiger ausklingen lassen. Mir hätte es auch gereicht, wenn die Protagonistin den Hof verlässt und ihr bewusst wird, dass sie sich an ein paar von den merkwürdigen Andersheiten schon sehr gewöhnt hat - an andere nicht so sehr - und dass sie vielleicht sogar irgendetwas vermissen wird.

So weit meine Gedanken zu deinem Text. Hat mir gefallen. Bin gespannt, was als nächstes kommt!

LG
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Carlo Zwei,

herzlichen Dank für deine Ausführungen zu meinem Text. Es ist ja reichlich Lob dabei. Da ist man natürlich gerne bereit, die (wenigen) kritischen Anmerkungen genauer zu prüfen.

Aber der Reihe nach.

"Mutter" ... in den allermeisten Fällen irgendwie schmalzig ...

Ja, da hast du recht. Ich wollte aber eine gewisse Abwechslung bringen, zwischen "Mama", "meine Mutter", nur "Mutter". "Mama" habe ich gewählt in Situationen, wo meine Prota am kindlichsten ist. Das gilt verstärkt auch für das schwierige "Pipi".

"Höllental/Himmelreich"

Die zwei Stationen gibt es wirklich. Für Menschen, die in der Gegend leben, nichts Besonderes. Klar hätte ich Monika hier nachfragen lassen können. Wäre mir zuviel Info geworden. Ist ja sowieso schwierig herauszufinden, welche Infos nötig sind und welche lästig. Und natürlich, wie man sie an den Leser bringt.

Dazu passt

... Informationsvorgabe ein bisschen zu eindeutig ...

Hier habe ich geändert. "Finkenhof" zu Bauernhof". Klingt in der wörtlichen Rede natürlicher.

Für Leser aber hier eine Info: "Finke(n)" sind im Schwarzwald Strohschuhe.:teach: Ein altes Handwerk, mit denen die Bauern im Winter Stroh verarbeitet haben, zum eigenen Gebrauch, aber auch für Märkte zum Verkauf (wie Uhren). Heute ein begehrtes Geschenk, nicht nur für Touristen.

... ob das der Mutter als Grund reicht.

Ja, der Doktor war eine Autorität, die man kaum anzweifelte. TBC war ja auch nicht gerade was Harmloses.

Leerzeichen ...nochmals ... und nochmals

geändert. Danke!

Apostroph

kann, muss nicht in wörtlicher Rede. Ich glaube, die Regel gilt auch grundsätzlich. Man sollte sie aber dann generell für den ganzen Text anwenden. Was sagt wohl Friedrichard dazu?

umgangssprachlich

geändert. Danke!

'Gestank und Spinnen'. Die Ellipse habe ich auch geändert. Es heißt jetzt "Gestank und erst recht die großen, schwarzen Spinnen, die..."

Eugens Reaktion auf das HuH-Spiel habe ich etwas verändert, vor allem den Übergang von der Ablehnung zum Mitmachen.
Andererseits wollte ich nicht im Nachhinein das Geheimnis um Mariannes Tod lüften. Ich denke, für meine Prota genügte das, was sie erfahren hatte, um die letzten Wochen auf dem Hof in schöner Erinnerung zu behalten.
Schließlich hat der Leser ja die Möglichkeit, sich alle möglichen Varianten auszudenken.;)

Ich danke dir sehr für deinen Kommentar. Auch ich warte auf eine weitere Geschichte von dir.

Herzlichst
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,
ich habe Deine Geschichte gerne gelesen. Aufbau, Handlung, Protagonisten und Szenerie wirken sehr anschaulich, lebendig und stimmig auf mich. Schon der Titel ist sehr stark. Nicht nur, weil er mich neugierig gemacht hat, sondern auch, weil er in verschiedenen Variationen immer wieder im Text auftaucht.
Durch den Grusel, den Moni empfindet als sie verloren durch das düstere Haus streift, die Kuckucksuhr ohne Kuckuck und die Andeutungen auf den vermissten Onkel Franz, Marianne, Eugen und den Gumpen, habe ich zuerst gedacht, es handelt sich um einen Krimi. Anders als Peeperkorn finde ich es nämlich gerade gut, dass Eugen und der Gumpen schon im Vorfeld erwähnt werden. Für mich hat das die Spannung gesteigert, und ich wollte unbedingt wissen, wie es weiter geht. Die Wende zum Guten hat mich zunächst ein wenig stutzig gemacht, aber dann hat sie mich zum Nachdenken angeregt. Die "Bösen" werden nicht immer böser, wie ich zunächst vermutet hatte, sondern kehren ihre menschliche Seite hervor. So wird Moni nicht nur wieder gesund, sondern lernt gleichzeitig, Vorurteile abzubauen.
Das einzige, was mich etwas irritiert hat, sind ein paar Hinweise, die nicht gelöst werden. So hätte ich z.B. gerne gewusst, was mit Onkel Franz passiert ist. Dadurch, dass Du das Geheimnis nicht lüftest, bin ich mit einer offenen Frage zurückgeblieben, und wenn es für den weiteren Verlauf der Geschichte nicht wichtig ist, könntest Du es meiner Meinung nach auch weglassen. Auch hätte mich interessiert, was Eugen in dem Beutel hat und warum Monis Mutter unter vier Augen mit Tante Rosel über die Nachbarskinder spricht. Letzteres kann ich aber auch missverstanden haben, denn es stellt sich ja heraus, dass die Nachbarskinder regelmäßig zum Gumpen gehen. Offenbar will die Mutter nicht, dass Moni dort spielt, obwohl sie es ihr versprochen hat. Zum Schluss ist es die gefürchtete Tante Rosel, die Moni einfühlsam die Wahrheit sagt, nicht die geliebte Mutter. Für mich war das ein weiterer Moment mich zu fragen, wer hier Himmel und wer Hölle ist. Das fand ich sehr geschickt gemacht.
Insgrsamt eine wirklich schöne Geschichte, in der ich immer mehr entdecke, je öfter ich sie lese.
Gruß, Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

"Der Schrecken im Bade
Eine Idylle
[...]
Nun heiß, fürwahr, als sollt er Ernten reifen,
War dieser Tag des Mais und, Blumen gleich,
Fühlt jedes Glied des Menschen sich erschlafft. –
[…]
Fern im Gebirge steht der Fritz, und lauert
Dem Hirsch auf, der uns jüngst den Mais zerwühlte;
Doch hätt ich nicht die Büchs ihn greifen sehen,
Ich hätte schwören mögen, daß ers war. –
[…]“
Heinrich von Kleist​

Muttertext
„Warum hab ich nur so wenig Bücher mitnehmen dürfen?“
Carlo Zwo:
hab' mit Apostroph, glaub ich.

"Glauben“,

lieber Carlo,

bedeutet nach dem Volksmund "nicht wissen“, findet aber erst in seinen ursprünglichen Formen - ahd. gilouben / mhd. gelouben – als ein "für lieb halten“ und "gutheißen“ seine volle Bedeutung und hat in Religion viel mit Gott vertrauen und dem biologisch begründbaren Gottvertrauen des Säuglings zur Mutter[brust und -wärme, also eine quasi erzwungene "Liebe“ zueinander zu tun usw. usf. Der Glaube ist also auch mehr als eben dieses bloße Nichtwissen, zumindest traustu Deinem Glauben. Geht ja auch schwerlich anders ...

Warum steht nun ein Auszug aus Kleists elend langer Idylle vorneweg?

Falls es einem nicht sofort auffällt – es begründet unbewusst die Notwendigkeit eines Auslassungszeichens und seiner Anwendung. Zwo“mal taucht der Mais auf, einmal korrekt als Gras/Getreide, das andere Mal als Tag des Monats, der selbst nach dem Duden als "Mai[e]s“ im Genitiv wie das Gras/Getreide aussehen dürfte. Um dem Irrtum vorzubeugen, bieten sich die Schreibweise als "Tag des Mai‘s“ oder"„Maien“ an.

Tatsächlich ist diese Verwechslungsgefahr durch den vielbeschworenen Sprachwandel entstanden, hieß der Monat doch noch im ahd. "meio“ und – die Abschleifung des klangvollen Endes zeichnet sich bereits im mhd "meie“ ab, beide Formen hätten aber im Genitiv die Apostrophierung vermeiden lassen, ohne mit dem Getreide amerikanischer Herkunft verwechselt zu werden.

Der Apostroph ist also ein Hilfsmittel, Verwechselungen zu verhindern, die in einem "hab ich“ nicht gegeben ist und selbst bei einem "hab ich es/das“ als "hab ichs“ kann, muss aber kein Apostroph gesetzt werden - wie Du schon gesagt hast,

liebe wieselmaus

kann, muss nicht in wörtlicher Rede. Ich glaube, die Regel gilt auch grundsätzlich. Man sollte sie aber dann generell für den ganzen Text anwenden.
für den "ganzen" Text braucht/muss es aber auch nicht ...

Tschüss und vorsorglich euch beiden ein schönes Wochenende vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Chai,

Schön, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Und besonders deine Beobachtung

... habe ich zuerst gedacht, es handelt sich um einen Krimi

Ha, das geht mir runter wie Butter, war es doch in meinen Anfängen mein erklärtes Ziel, einen Krimi zu schreiben. Handwerklich sauber konstruiert, den Leser als Detektiv einsetzen durch scheinbar belanglose Hinweise, aber so, dass er zu Schluss triumphieren darf: Ich habs ja gleich gewusst!

Davon muss wohl einiges übrig geblieben sein, auch in anderen Texten von mir.

Nun ist dies also kein Krimi, wohl aber (möglicher) Teil einer Familiengeschichte, und Familiengeheimnisse haben viel kriminelles Potential.

Fast zwangsläufig bleiben Fragen offen, so zum Beispiel die nach Onkel Franz. Der taucht zwar nicht mehr auf, ist aber für das Verständnis von Monikas Tante notwendig. Der vermisste Franz gilt als vermisst, weil nicht klar ist, ob er im Zweiten Weltkrieg gefallen ist oder noch in sowjetischer Kriegsgefangenschaft lebt. Die letzten Heimkehrer kamen 1955 zurück, das Rote Kreuz forscht heute noch in russischen Archiven. Tante Rosel hat also ein sehr schweres Los zu tragen.

... was Eugen in dem Beutel hat.

Jedenfalls etwas Lebendiges, vielleicht ein Katzenbaby oder Frösche. Sicherlich hat er die Tiere wieder freigelassen, als Moni sich nicht darum gekümmert hat. Ja, es wirkt so, als ob er Monika erschrecken wollte ... falsche Spur!

... warum Monis Mutter unter vier Augen mit Tante Rosel über die Nachbarskinder spricht.

Die Mutter wusste wohl nichts von dem Gumpenverbot. Mariannes Tod liegt schon einige Jahre zurück. Bei dem Gespräch, das Moni ja nicht mitbekommt, hat Tante Rosel wahrscheinlich strikt auf dem Verbot beharrt. Monis Mutter hatte nicht mehr die Zeit, ihrer Tochter die Zusammenhänge zu erklären.

Besonders freut mich auch, dass dir der Titel gut gefallen hat. Ehrlich gesagt, kam mir die Dreifachkombination erst während des Schreibens in den Sinn. Der Ursprung lag in der peinlichen Pipi-Geraniengeschichte, ohne Eugen, sondern mit einem grobschlächtigen Bauer und einer strengen Tante ... so geht's halt manchmal beim Schreiben. Die Protagonisten machen sich selbsständig :lol:

Nochmals herzlichen Dank für den schönen Kommentar.

Schönes Wochenende wünscht
wieselmaus


Lieber Friedrichard

Du bist ja wirklich wie der treue Heinrich, wobei es meine eisernen Ringe sind, die abfallen, sobald deine aufklärenden Kommentare eintreffen. Ich weiß nicht, wie es dir gelingt, in kürzester Zeit passende, erhellende Fingerzeige aufzuspüren, die mich ein ganzes Stück klüger machen.

Denn das eine ist ja, die Regeln zu kennen, das andere, Regeln zu erläutern und sogar über Bord zu werden und dem (gesunden) Menschenverstand auf die Sprünge zu helfen. Und dies noch in liebenswürdigem Ton ...

Also dir ein weiteres Dankeschön. Ich würde zu gern einmal testen, was man alles aus den Fältchen um deine Augen ablesen kann.

Schönes Frühlingserwachen wünscht
wieselmaus

 

Liebe wieselmaus,

zur Begründung

kann, muss nicht in wörtlicher Rede. Ich glaube, die Regel gilt auch grundsätzlich. Man sollte sie aber dann generell für den ganzen Text anwenden.
für den "ganzen" Text braucht/muss es aber auch nicht
fehlt eigentlich der Teil, der den schreibenden Menschen interessieren müsste: Die Vielfalt der Schreib-/Sprechweisen ginge mit einer erzwungenen Apostrophierung zugunsten der Einfalt, pardon, Vereinheitlichung verloren. Ich sprech sogar ohne unbetonte Endung wie "ich hab", wobei gesprochen die Verwechungsgefahr im Präteritum "hatt(e)" wegen der klanglichen Nähe zum "hat" besteht, was im Schriftbild natürlich bei korrekter Schreibweise mit doppel-t auch nicht vorkommen kann. Man schreibt eben nicht, wie man spricht.

Tschüss und schönes Wochenende vom triuwen

Frîþeinrih

 

Liebe wieselmaus,

eine sehr schöne Geschichte hast du da geschrieben, und jetzt bin ich auf endlich dazu gekommen, lesen.
Weil ich aber immer noch wenig Zeit übrig habe und das wohl auch noch eine Weile lang so bleibt, bin ich mal so frei einfach zu kommentieren, wie es mir am leichtesten fällt, und das bedeutet, dass ich ich gleich auf Einzelheiten stürzen wurde, wie sie mir gerade auffallen. Den Blick auf das Ganze erlaube ich mir dagegen auszusparen, und ich versichere dir nur, dass dir dadurch leider manches Beifallswort entgeht, das ich sonst ausgesprochen hätte. Du musst dir das also dazudenken, und gerne reichlich.

Seit ungefähr zwei Stunden gingen wir steil bergauf.
"ungefähr" als ein recht schwammiges Wort klingt nicht so schön griffig, wie es der schöne Anfang eigentlich verdient hätte. Könnte vielleicht weg, oder stattdessen "fast" oder "über" - dann ist es immer noch unentschieden, aber man weiß die Richtung.

Eine Stunde noch, allerhöchstens.
Eine Stunde ist ja für Kinder viel Zeit. Vielleicht wäre es klüger Fond er Mutter, wenn sie das nicht so sagt ...

Den Erklärdialog:

„Was sind Kavernen, Mama?“
finde ich an sich nicht störend, aber die Verzögerung
„Wie bitte? Ich kann dich so schlecht verstehen.“
finde ich ein bisschen trocken. Ich frage mich warum ... Vielleicht, weil es auf den Wortlaut nicht ankommt und es genügen würde, wenn man den Inhalt berichtet bekäme? Jedenfalls würde es mir, glaube ich, besser gefallen wenn ich statt wörtlicher Rede z.B. lesen würde: "Meine Mutter hatte mich nicht verstanden." Und dann unverändert weiter.

„Na ja, in deiner Lunge sind noch ganz kleine Hohlräume. Die müssen ausheilen, deswegen sollst du ja auch auf einen Bauernhof. Frische Luft und gute Ernährung. Und auf keinen Fall darfst du deine Medizin vergessen, hörst du? Rosel wird sie dir geben. Du musst ihr folgen. Immer. Und jetzt komm.“
Hier ist es dann vielleicht doch ein bisschen viel Erklärung ...

We gesagt, ich schreibe einfach los, ohne viel nachzudenken. So auch hier, wenn ich mich daran aufhalte, dass mir statt

Mamas Kusine, meine Tante Rosel,
die umgekehrte Reihenfolge spontan besser gefiele: "Meine Tante Rosel, Mamas Kusine". Vermutlich, weil die Tante ja schon genannt worden ist. Da erscheint es mir eingängiger, erst das Bekannte aufzugreifen und dann das Neue anzufügen.

Jetzt kommt rein, ihr werdet Hunger und Durst haben.
"Jetzt" könnte weg. Die Rosel ist ja eher sparsam mit Worten, oder?

Wenn sie mit Worten sparsam ist, knnte auch das weg:

Aber das hat auch bis morgen Zeit.

Mir war sofort klar:
Würde ich auch nicht vermissen, wenn es gestrichen wäre. Mir schient, die Beschreibung wirkt eher dichter, wenn das nicht vorangestellt wäre.

Ich hatte gelesen, dass sie nur sonntags, oder wenn Besuch kam, benutzt wurde.
Möglich vielleicht auch: In den Sagen wurde sie nur sonntags oder wenn Besuch kam benutzt.

Bestimmt war es eine Kuckucksuhr.
Oder sogar: Hoffentlich war das eine Kuckucksuhr?

Der Rundgang im Haus beschränkte sich auf die Küche und die Schlafräume darüber.
Da stelle ich mir allerlei Fragen Warum? Darf sie nicht weiter? Will sie nicht? Ist keine Zeit? Gibt es nicht mehr? Ein kantigerer Übergang, nämlich "Mama blieb noch bis in die frühen Abendstunden" ohne diesen Satz gefiele mir wahrscheinlich besser.

Dann fuhr sie mit dem Postbus davon und ich saß heulend auf dem schmalen Bett in einer Dachkammer, aus der ich gerade mal den Gemüsegarten und ein Stück Weg sehen konnte.
Diese wie auch alle die anderen Szenerien, die du entwirfst, finde ich beneidenswert anschaulich.

„Aber, aber“, sagte sie und hob kurz die Hand, als wolle sie mir über die Haare streichen.
Sehr hübsch, wie sie sich das nicht traut, obwohl sie doch so eine ganz Freundliche, Liebe ist. Man merkt hier schon, dass da etwas mit ihr nicht stimmt, und gleich weiß man es sicher, wenn die Kiste mit den Kindersachen kommt.

Speickseife
Was mag das sein?

„Warum hab ich nur so wenig Bücher mitnehmen dürfen?“
Mir war nicht gleich klar, dass das eine Rückblende in die unmittelbare Vergangenheit ist, also dass sie mit der Mutter spricht. Das fand ich aber gar nicht störend, vielleicht sorg reizvoll.

„Halt um die Augen herum. Schon als er auf die Welt gekommen ist, sind die ganz schräg gewesen.
Diese längere Rede finde ich ein bisschen hölzern ...

Jetzt war meine Neugierde geweckt.
Braucht's eigentlich nicht, merkt man ich so, oder?

Wir basteln ein Spiel: Himmel und Hölle. Nimm dazu …
Schön, wie sich eins aus dem anderen entwickelt!

„Marianne?“
„Der gehörten die Sachen da. Aber das erzähl ich dir ein andermal.
Oder vielleicht sagt sie das noch gar nicht? Man denkt sich das ja schon. Und vielleicht ist es doch noch ein bisschen früh für die Rosel, schon jetzt so deutlich über das Kind zu sprechen? Ich könnte mir vorstellen, dass sie auf die Frage - Marianne? - gar nicht antwortet.

Mein größtes Problem war Eugen,
Auch ein bisschen hölzern, finde ich.

„Mama hat gesagt, ich kann in den Gumpen baden. Wo sind die eigentlich?“, fragte ich nach einigen Tagen, als die Sonne schon um elf Uhr vom Himmel stach.
Tante Rosel ließ die Hände in den Brotteig sinken.
„Bei den Gumpen hast du nichts verloren. Niemand von uns geht dahin.“
Jetzt ist im Grunde - auf eine ganz ansprechende Weise - klar, was mit Marianne geschehen ist. Vielleicht braucht es die Erklärungen später gar nicht mehr?

Jetzt würde ich erst recht nach den Gumpen schauen. Am Moosbach, hatte Mama gesagt. Sie hatte aber auch gesagt, dass ich Tante Rosel gehorchen müsse.
Schwieriges kleines Detail, finde ich: Einerseits wäre es schön, wenn der Zorn und der Entschluss hier nicht relativiert würde; andrerseits würde man dann darauf warten, dass sie dahin geht, und das tut sie dann aber nicht. Möglich evtl.:
"Aber ich ging nicht dorthin, sondern den
Rest des Tages verkroch ich mich in meiner Kammer mit einem Stapel Bauernkalender,

Weißt du, er vermisst seine Schwester.
Evtl. von allen Erklärungen nur diese behalten? Dann wäre eigentlich wirklich alles klar.

Gemein von mir. Ich musste mir was einfallen lassen.
Auch das vielleicht weg?

„Eugen, schau doch, blau heißt Marianne, die ist im Himmel, rot heißt ...“
„Nein“, schrie Eugen, „nein! Eugen kommt nicht in die Hölle, Eugen wollte nur helfen. Rot heißt Teufel.“
Schön. Und - würde ich sagen - noch besser, wenn man nicht schon wüsste, dass Eugen dabei gewesen ist.

So, das war's. Viele Einzelheiten. Vielleicht kannst du hier oder da was damit anfangen. Mir hat's jedenfalls gefallen, deine Geschichte durchzugehen :)

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Liebe(r) @erdberschorsch,

spätes Lob ist besonders schönes Lob. Da hat sich die erste Aufregung schon gelegt und die Bereitschaft, sich mit Kritik auseinanderzusetzen, ist nochmals gewachsen.
Und das tu ich jetzt, ebenfalls der Reihe nach wie du.

"ungefähr" wird ersetzt durch "über"

Die Anstrengung sollte durch die zwei Stunden ausgedrückt werden, "über" drückt sie noch mehr aus, weil sie dem Gefühl des Kindes entspricht.

Eine Stunde noch, allerhöchstens

Diesen Satz möchte ich so lassen. Die Mutter möchte so quengeliges Nachfragen vermeiden.

Dazu passt die ausführliche Erklärung der "Kavernen". Monika ist ein Kind, das gerne präzise Antworten bekommt, sonst fängt sie an zu löchern.

... finde ich etwas trocken

Hier habe ich schon Bea Milana erläutert, dass die Mutter dadurch ihre Missbilligung zeigt, dass Moni mit vollem Mund spricht, wahrscheinlich fällt deshalb auch die Erklärung der Mutter üppiger aus. Und es ist show, don't tell;) Sie hat ohnehin einen Hang zum Dozieren wie auch in der Szene, wo sie "Mongoloismus" erklärt. Ich finde, für den damaligen Kenntnisstand eine geradezu fortschrittliche Erklärung.


... die umgekehrte Reihenfolge ... besser...

Da hast du recht: Vom Konkreten zum Abstrakten enspricht mehr der Denkweise eines Kindes. Wird geändert.

"Jetzt" könnte weg

Das ist süddeutsche Sprachmelodie. Hier findet sich ganz ganz oft dieses "Jetzt" als Einleitung zu gesprochenen Sätzen. "Jetz hör mal", oder "Jetz hörsch aber uff". Schriftsprachlich wohl "Nun".

Die Rosel ist ja eher sparsam mit Worten ...

Das stimmt schon, aber der von dir monierte Satz "Aber das hat auch bis morgen Zeit" soll die Botschaft transportieren: Ich bin noch nicht in der Lage, alles im Haus offenzulegen. Gilt für den Rundgang im Haus und auch für die spätere Szene mit der Spielkiste. Rosel kämpft noch damit, wie stark sie sich dem immerhin fremden Kind öffnen kann. Dessen Anwesenheit ist auch eine harte Probe für sie. Später zeigt sie, dass sie schon ein schönes Stück Trauerarbeit geleistet hat, (finde ich).

"Speickseife" ist nicht etwa "Speckseife" aus Schwarzwälder Speck, sondern eine veritable Markenseife, die es heute noch gibt ...Wenn's interessiert, könntest du googeln.


In den folgenden Abschnitten schlägst du mir einige Kürzungen vor. Ich werde es mir noch vornehmen. Aber da muss mein Gefühl entscheiden. Einige Kommentare loben hier gerade, dass Monikas Charakter dadurch sehr deutlich wird. (Ich glaube, sie wird einmal ebenso pedantisch werden wie ihre Mutter;)

Mir hat es auch Spaß gemacht, deine Anmerkungen Schritt für Schritt am Text anzulegen. Nicht alles habe ich übernommen, jedoch immer bedacht. Es hilft sehr, weil dadurch auch die eigenen Intentionen nochmals klarer werden.

Vielen Dank dafür.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,

ich bin erst jetzt auf deine wunderbar atmosphärische Geschichte gestoßen, die mich in eine andere Zeit und andere Welt entführt. So eine Bergeschichte, eine Landgeschichte, nostalgisch und dennoch nicht sonnenschein-pilcheresk, kein rosa Himmel, eher eine Heidi-Gemächlichkeit. Wie ich finde, eine deiner besten Geschichten. Du hast kürzlich mal geschrieben, dass du deine Erzähl-Lust zurücknehmen willst, mehr show, weniger tel. Das ist dir gut gelungen, der Text hat das rechte Maß. Man könnte dem Text vorwerfen, solche Geschichten habe man schon dutzendfach gelesen, mag auch stimmen, dennoch lese ich das auch gern ein weiteres Mal, solche Geschichten besänftigen, allein schon, wenn ich mir vorstelle wie Marianne barfuß Geranien gießt, Blumen sammelt sie in ihren Büchern trocknet. Sommersehnsuchtsfrühlingsbilder eben.

Gibt ein paar Stellen, die wünschte ich mir breiter ausgebaut und eine Fortsetzung wäre schön, vielleicht wenn bei uns die Blumen blühen?

Textstellen:

Meine Mutter trug neben ihrem Rucksack links eine Stofftasche, rechts einen Stecken, den sie unten im Waldstück aufgelesen hatte.
ob sie den Stock links und die Tasche recht trägt, ist unwichtig, zu genau.

Margarine und Kunsthonig
was ist Kinsthonig?

Eine kaputte Kuckucksuhr. Wie blöd. Und hier sollte ich es sechs Wochen aushalten? Mama hatte mir keinen Besuch zwischendurch versprochen.
schönes Bild, das auf die weitere Geschichte hinweist.

Das sind reiche Bauern. Ich kenn' die noch vom Hamstern. Da gehörten sie zu den Großzügigen.“
hier hast du tell, aber elegant gelöst. :Pfeif:

meistens mit Blei.
Bleistift, warum schreibst du das nicht?

„Die Stadtleut' verstehn nix davon“, zischte er und schnitt eine dicke Scheibe davon bedächtig in kartondünne, rotweiße Streifen.
würde mich interessieren, wie er das macht, da wünschte ich mir eine Beschreibung.

Nie im Leben hätte ich nachgeschaut, was sich in dem Beutel befand. Er hing später am Gartenzaun. Da zappelte nichts mehr.
kapier ich nicht: ein Fisch?

„Los emol, Maidli, du muesch nit schwindle“,
„Und das mit den Gumpen ...Weißt du, er vermisst seine Schwester. Sie ist mit sieben in der tiefen Gumpe ertrunken, beim Spielen. Marianne wäre heut so alt wie du, Moni. Eugen hat sie damals retten wollen. Der Bauer und ich wissen nicht genau, wie es passiert ist. Eugen kann es uns nicht sagen.“
mm, die Passage im Dialekt klingt echt und authentisch, sobald du ihre Stimme hochdeutsch wiedergibst, klingt sie unglaubwürdig.

viele Grüße in den glücklichen Süden
Isegrims

 

Hallo Isegrims

schön, wieder einmal von dir zu lesen. Ich freue mich, dass dir meine aus der Zeit gefallenen Geschichten immer noch oder sogar immer besser gefallen.
Fortsetzungen wünschst du dir? Die wird es so direkt nicht geben, aber es ist gut möglich, dass weitere aus ähnlichem Umfeld folgen werden. Es ist halt meine Welt, die mit dem Abstand des Alters wiedererstehen lasse. Allmählich verändere ich aber die Anteile von (auto-)biografischen Anteilen zu Gunsten der fiktionalen. Das macht mir besonders Spaß, weil die Leser in meinem persönlichen Umfeld etwas zum Rätseln haben.;)

Zu deinen Textstellen, die du herausgepickt hast.

... ob sie den Stock links und die Tasche recht(s) trägt, ist unwichtig, zu genau.

Ja, wichtig ist es nicht. Aber dieses Bild hat sich seit meiner Kindheit eingeprägt, und wenn ich ein Symbolbild für Familienausflüge bräuchte, dann käme mir dieses in den Sinn. Kann schon sein, dass es ein 'Darling' ist.. Ein klitze-kleiner, den ich mir hier erlauben möchte.

was ist Kunsthonig?

Oh, ihr glücklichen Nachgeborenen! Kunsthonig war ein Ersatz für echten Honig. Invertzuckercreme, kann man heute noch bei Edeka kaufen. Für Monika war der echte Honig bei Tante Rosel eine ständige Versuchung. Auch um den Honigtopf strich sie herum wie eine Katze.

Bleistift, warum schreibst du das nicht?

Bei uns in der Gegend sagt man in der Alltagssprache "Gib mir ein Blei", "Hat jemand ein Blei?"
Das Blei (neutrum), der Bleistift (maskulin) ist Schriftsprache
Mir ist das gar nicht aufgefallen, Moni hat mir hier die Sprache diktiert.

Wie wird Schwarzwälder Speck korrekt geschnitten? Der Kenner weiß, dass - im Gegensatz zu Schinken - das Speckstück gemasert ist, abwechselnd Speck (weiß) und rot (Fleisch). Es gilt als Todsünde, wenn man das Speckstück längs, also parallel zur Schwarte, statt rechtwinklig schneidet. Am besten, du probierst es selber mal aus. Aber du darfst keinen Schinkenspeck kaufen, der hat nur eine Randfettschicht. (die oft nicht gewünscht wird.)


kapier ich nicht: ein Fisch?

Was zappelt im Beutel? Monika will's gar nicht wissen. Also darf der Leser spekulieren. Vielleicht Frösche, ein Kätzchen? Mein Enkel (11 Jahre) tippte auf Mäuse. Das Ding war als Geschenk von Eugen gedacht. Hier als Spannungselement: Ist der der Eugen jetzt ein Guter oder ein Böser?

... die Passage im Dialekt klingt echt und authentisch, ... klingt sie unglaubwürdig.

Ja, das Problem hab ich gesehen. Hier sollt Rosel Einfühlungsvermögen und Weichheit gezeigt werden. Ich habe überlegt, ob ich Rosel alles alemannisch sprechen lassen soll. Aber da hetze ich mir die Dialektexperten auf den Hals und die kennen kein Pardon. Vielleicht noch ein paar Einsprengsel? Heiliger Friedrichard hilf!

Ich danke dir sehr fürs genau Lesen und Kommentieren. Hat Spaß gemacht.

Fröhlichen Frühlingsanfang wünscht
wieselmaus

 

Ja, das Problem hab ich gesehen. Hier sollt Rosel Einfühlungsvermögen und Weichheit gezeigt werden. Ich habe überlegt, ob ich Rosel alles alemannisch sprechen lassen soll. Aber da hetze ich mir die Dialektexperten auf den Hals und die kennen kein Pardon. Vielleicht noch ein paar Einsprengsel? Heiliger @Friedrichard hilf!

Wennet unheilje Friedchen Ruhrlatein plaudert, kannze doch alemännisch schreiben/sprechen lassen. Vor allem, wenn nach Authentizität gerufen wird, müsste man es dann nicht sogar?

Wird Zeit, dass ich mal wieder was auf mhd. schreib ...

Tschüss

vridel

 
Zuletzt bearbeitet:

Meine liebe Wieselmaus,
so lange wollte ich deine Geschichte schon kommentieren, aber immer kam was dazwischen und ich dachte, na gut, die Wieselmaus läuft ja nicht weg, obwohl, so wieselig wie dein Name klingt? Wer weiß?

Ich will dir eigentlich gar nichts da lassen. Nur einen dicken fetten Haufen Lob. Ich liebe deine Geschichte - und wenn man so spät kommt wie ich, dann haben die anderen schon beim Durchgehen geholfen und man kann nur noch genießen. Und das habe ich und tue ich - immer wieder aufs Neue.

Ich bin mal in der Nähe des Schauplatzes deiner Geschichte Fahrrad gefahren, aber frag mich bitte nicht nach dem genauen Ort, das habe ich mir nicht gemerkt, nur die Namen Himmelreich und Höllental, daran erinnere ich mich noch gut. Und dass es steil war. Die Namen sind schon verflucht gut, gerade für so eine Geschichte und dann noch das Spiel, das passt echt wie Arsch und Eimer. Also supergut. :D

Die Atmosphäre deiner Geschichte ist sehr stimmig gezeichnet. Man riecht fast den Geruch der Milch, der Kühe, leider auch des Nachttopfs :D Na du weißt schon, das ist einfach sehr dicht und sinnlich mit den fetten Fliegen und überhaupt dieser zwar arbeitsamen, aber trägschwülen Stimmung, in der die Tage sich dehnen und ziehen und man sich als Kind wie in Spinnweben eingewoben fühlt.
Man spürt das Heimweh, die Angst, das Fremde.
Wenn ich noch eine Kritik hätte, aber eigentlich ist das keine wirkliche, dann die, dass ich bei dem zappelnden Sack glaubte, dass Eugen auch ein bisschen ein Tierquäler ist, oder den Job hat, die neugeborenen Katzenjungen zu entsorgen. Was ja auch nichts anderes ist. Jedenfalls gibt das dem reizenden Jungen noch eine etwas düstere, vielschichtigere Note. ich fand ein bisschen schade, dass das nicht weiter aufgegriffen wurde. Für einen Horror- oder Mysteryschreiber wie mich ist sowas natürlich ein ganz deutlicher Anknüpfungspunkt. Ebenso wie auch der Unfall selbst. Die Tatsache, dass Eugen immer sich selbst als "Höllenbesucher" denkt, lässt ja auf Schuldgefühle schließen. Also da hätte man auch noch ein bisschen weiter, du weißt schon, wer weiß, was der Eugen gmacht hat an der Gumpe, aber das würde natürlich eine völlig andere story werden. Und von daher nimms als Geplauder.
Mir fällt noch ein, früher hat man das ja wirklich so gemacht mit den jungen Kätzchen. ich erinner mich noch an meinen Vater, dass der die Katzenbabys in einen Sack gesteckt und den gegen die Wand geschlagen hat, bis das Gezappel darin aufhörte und der Sack sich rot gefärbt hat. ich durfte das eigentlich nicht sehen, aber ich hab mich trotzdem hingeschlichen, weil ich das so gemein fand und meinen Vater in den Momenten gehasst habe. Die große Katze wurde übrigens weggesperrt, die bekam eh Tobsuchtsanfälle beim Anblick von Säcken und wenn sie meinen Vater bei seinem Tun erlebt hätte, wäre sie ihm mit allen Krallen ins Gesicht gefahren. Ganz schön krass, wenn mans bedenkt, diese Methode der Katzenabgabe.

Eine wunderschöne Geschichte ist das geworden. Ruhig, behaglich einerseits, aber auch schwer und schwül, wie die Sommer mit Heimweh als kleines Mädchen eben waren. Du schreibst atmosphärisch dicht und mit genau den richtigen Zutaten, eine kleine Unsicherheit und Ungewissheit und Doppelbödigkeit einzubauen, die einen mitgehen und Anteil nehmen lässt.


Zu der Sache mit dem Dialekt: Mir ging das jetzt nicht so stark, dass mir die Hochdeutschpassage unglaubwürdig klang. Aber ja, trotzdem ist was dran. Ich weiß nur noch nicht, was mich stört. Grundsätzlich fand ich das eigentlich eine ganz gute Idee, die Tante da in der Sprachebene wechseln zu lassen. Leute machen das ja oft so, wenn sie etwas Bedeutsames oder Wichtiges sagen, was der andere unbedingt verstehen soll, oder bei dem sie sich gefühlsmäßig selbst etwas schwer tun, dass sie ins Hochdeutsche wechseln, weil das eine stärkere Distanz zu dem Geschehen ermöglicht, ist ja immerhin der Tod ihrer kleinen Tochter, über den sie eigentlich gar nicht reden mag. Das Hochdeutsch könnte ihr selbst durch die Distanz Sicherheit bieten.
Und jetzt weiß ich auch, was die Crux ist.

„Und das mit den Gumpen ...Weißt du, er vermisst seine Schwester. Sie ist mit sieben in der tiefen Gumpe ertrunken, beim Spielen. Marianne wäre heut so alt wie du, Moni. Eugen hat sie damals retten wollen. Der Bauer und ich wissen nicht genau, wie es passiert ist. Eugen kann es uns nicht sagen.“
Leerschlag vor Weißt fehlt.
Vielleicht die Anrede "Moni" streichen. Ich mach das auch immer, weil ich persönlich wohl auch die leute oift mit Namen anreden mag, aber gelesen find ich das dann oft doch wieder künstlich, jedenfalls wenn ich es bei jmd. anderem lese. :D
Aber vor allem fehlt mir hier die Unsicherheit, die Gebrochenheit der Bäurin beim Sprechen. Ihr kann das doch nicht leicht fallen. Warum klingt das dann so glatt? Ich denke, du könntest hier viel rausholen, indem du sie mal stocken lässt, mal Luft holen lässt, vielleicht bricht ihre Stimme. Keine Ahnung, das sollen ja nur Beispiele dafür sein, die Bäurin in dieser Sprechsituation mehr zu zeigen. Der sachverhalt ist ja echt kompliziert. Sie entschließt sich, dem kleinen Mädchen durch gutes Zureden und Erklären zu helfen, also will sie fürsorglich klingen, andererseits redet sie doch auch über ihr selbst etwas ganz ganz Arges. Da war sie doch vorher noch in einer früheren Sit. ganz barsch und abrupt. Da müsst man, find ich, viel mehr ihre Gemütsbewegung auch zeigen, das ist es, was mir hier fehlt. Das geht zu problemlos ab. Und ich meine nicht, dass sich das dadurch lösen würde, dass du das jetzt einfach ins Alemannische übersetzt.

So - das wars, einen wunderschönen Tag noch wünscht dir die Novak.

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak,

wie wunderbar, dass sich noch einmal jemand für meine Geschichte erwärmen konnte, und das ohne Wenn und Aber. Du bist natürlich nicht irgendwer, sondern gehörst zu denen hier im Forum, die mich von Anfang an regelmäßig und kompetent begleitet haben. Dafür erst einmal herzlichen Dank.

Ich möchte auf die Sache mit dem Dialekt eingehen. Ich finde es eine sehr gute Beobachtung, dass Leute immer dann, wenn sie einen schwierigen Sachverhalt vermitteln wollen oder wenn sie Gefühle bändigen müssen, sich in die Schriftsprache retten. Das habe ich in meinem Umfeld oft erlebt. Natürlich sprechen sie dann kein astreines Schriftdeutsch. insofern wäre für mich auch denkbar, den einen oder anderen Dialektausdruck in so eine Rede einzubauen.

Aber noch besser gefällt mir dein Vorschlag, die allzu glatte Ansprache der Tante durch Redepausen zu brechen. Mal sehen, was mir dazu einfällt ...

Hab mal jetzt einen Versuch gestartet:

"Und das mit den Gumpen ...", Tante Rosel hielt inne und wischte sich ein paar Erdkrümel von der Schürze, "weißt du, er vermisst halt seine Schwester. Sie ... sie ist mit sieben in der tiefen Gumpe ertrunken, beim Spielen. Marianne wäre heut so alt wie du, Kind. Eugen hat sie damals retten wollen. Der Bauer und ich wissen nicht genau, wie es passiert ist. Eugen kann es uns nicht sagen. Nicht mal unser Herr Pfarrer hat etwas aus ihm herausgebracht."

Ganz wollte ich auf den spröden berichtenden Ton nicht verzichten. Er ist ihr Schutzschild gegen ihre Emotionen. Auch die Anrede 'Kind' statt 'Moni' ist so ein Distanzelement.

Was meinst du dazu? Noch habe ich die Veränderung nicht im Text. Da könnte ich deinen Rat nochmals gut brauchen.

Liebe Novak nochmals herzlichen Dank für deinen tollen Kommentar. Da macht das Schreiben gleich wieder Spaß.

Herzliche Grüße und friedliche, fröhliche Ostertage wünscht

wieselmaus

 

Ich finde die Stelle besser jetzt, weil ich ihre Unruhe merke. Das Wischen an der Schürze, die Stockung im Sprachfluss. Das ist gut. Ich finde es auch gut, dass du im Hochdeutschen bleibst, wiewohl mich bissel was dialektal Eingefärbtes auch nicht stören würde. Sie geht halt aus ihrer persönlich sicheren Zone raus - und dass darf/soll man (find ich) durchs Distanzierte auch merken. Die Idee mit "KInd" find ich witzig, ich hab darüber noch nie nachgedacht, aber da ist was dran. Kind - diese Anrede stellt ein Größen- Alters- und eventuell Autoritätsgefälle klar, die Anrede Moni klingt eher nach Gleichrangigkeit.
Auf was man alles zum Nachdenken kommt? Gell? Ist schon spannend.
Bis bald, liebste aller Wieselmäuse

 

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