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Hinsehen, Umdrehen, Weggehen
Ich stand am offenen Grab. Der Sarg war bereits hinuntergelassen worden. Eine Gruppe von Ministranten befand sich in meiner Nähe. Der örtliche Pfarrer las aus einem Buch. Gegenüber des Grabes standen meine Zieheltern, umschlungen in einer innigen Umarmung, Trost suchend in der gegenseitigen Wärme. Nach all den Jahren bei denen ich nun schon bei ihnen lebte, sah ich sie wie meine eigenen Eltern an. Hinter ihnen erstreckte sich eine spärliche Menge an Verwandten, Freunden und alten Leuten. Die, die immer kamen. Egal, ob sie die Person kannten oder nicht. Und umringt von all diesen Menschen, die sich heute früh die Mühe gemacht hatten aufzustehen, um einer verstorbenen Person die letzte Ehre zu erweisen, stand ich.
Bisweilen hatte ich mich damit abgelenkt der Friedhofskatze zuzusehen wie sie ihre Runden drehte und neugierig das Aufgebot betrachtete. Intensiv folgte mein Blick ihren Bewegungen. Meine Augen brannten, aber ich versuchte nicht zu blinzeln - hatte Angst in Tränen auszubrechen. Das Tier brachte mich auf andere Gedanken, ließ mich das Geschehen um mich herum zwar nicht vergessen, aber ausblenden.
Die Geräuschkulisse um mich verstärkte sich. Neben meinen Zieheltern hatten nun auch andere angefangen sich hektisch Taschentücher vors Gesicht zu pressen, um ihr Schluchzen zu dämpfen. Ich wollte nicht weinen, es fühlte sich nicht richtig an, fast egoistisch.
Mein Blick wanderte hinab zum Sarg und meine Gedanken schweiften ab.
31.10
„Sophie!“, rief ich „Mach doch mal auf!“ Es war Halloween. Wir waren beide schon zu alt um uns zu verkleiden, 18 und 20, um genau zu sein. Gerade war Sophie im Bad, um sich zu schminken und ließ mich nicht rein. „Sperr doch auf!“, rief ich nochmal und hämmerte gegen die Tür. Besagte Tür wurde eine Sekunde später mit Wucht aufgerissen.
„Und?“ fragte Sophie und deutete erwartungsvoll auf ihr Gesicht, den Schminkpinsel noch in der Hand. Von Kinn bis Stirn zog sich ein wacklig gemaltes Spinnennetz. „Sieht scheiße aus“, sagte ich mit meiner geschwisterlichen Ehrlichkeit die ich immer an den Tag legte. Genaugenommen waren wir gar nicht verwandt, aber das tat nichts zur Sache.
„Dein Gesicht sieht scheiße aus“ kam der originelle Konter, gefolgt von einem gescheiterten Versuch mir einen schwarzen Strich ins Gesicht zu malen. Ich fing ihre Hand ab, ließ sie aber sofort wieder los, da mich ein Lachanfall überkam. Es sah wirklich schrecklich aus.
Sophie bestand darauf, das Farbmassaker zu behalten. „Das ist Kunst“, sagte sie „Das verstehst du nicht.“ Zur Bekräftigung hatte sie sich schwarzen Glitzer ins Gesicht gedrückt, der sich im Laufe des Abends im ganzen Haus verteilte. Gegen Mitternacht zogen wir uns beide auf Sophies Zimmer zurück. Die angerissene Flasche Wodka nahmen wir mit. Sophie sah ganz gut aus, dafür dass ich wusste was sie schon alles in sich rein gekippt hatte. Ich dagegen fühlte mich absolut scheiße.
„Ey, weißt du was?“, fragte Sophie plötzlich. Ich war zu betrunken um darauf zu reagieren und deshalb schwiegen wir die nächsten Minuten. Angestrengt starrten wir beide die weiße Wand gegenüber an, als würde sie uns das Geheimnis der Menschheit verraten.
„Was?“ brachte ich schließlich hervor und fragte mich ob Sophie überhaupt noch wusste, dass sie einen Satz angefangen hatte.
„Muss dir was sagen.“
„Ja, was?“
„Ich bin lesbisch.“
„Aha“, sagte ich und dann schwiegen wir wieder. Mein Kopf drehte sich von dem vielen Alkohol. Ich hatte Schwierigkeiten mich zu konzentrieren.
„Ist ok?“ In ihrer Stimme schwang Unsicherheit mit und ich beeilte mich zu nicken.
„Ist ok“ Dann nickten wir beide. Unsere Köpfe wippten auf und ab und das für eine ganze Weile.
„Das sieht dämlich aus“, kicherte Sophie.
„Jaja“, sagte ich und dann ließ ich mich zurück aufs Sofa fallen, Sophie tat es mir gleich. Der Wodkarausch übermannte uns wenig später und ließ uns in einen komaartigen Schlaf fallen.
23.12
„Oma kommt heute!“, schrie Sophie die Treppe hoch. Was hieß ihre Oma kam, nicht meine. War ich auch ganz froh darum, dass es nicht meine war. Ich mochte die alte Schachtel nicht. Genervt verdrehte ich die Augen.
Am Nachmittag trudelte die Lady dann auch ein. Knallroter Lippenstift, aufgemalte Augenbrauen, alte verrunzelte Haut. Die alte Dame war schon 83 und ausgetrocknet wie verdorrtes Obst. Ich beobachtete, wie sie Sophie abtätschelte wie einen Hund, um anschließend eiskalt bei mir vorbeizugehen. Ich nahm das schon lange nicht mehr persönlich. Trotzdem warf ich Sophie einen Blick zu, die mir nur wissend zunickte.
Beim Essen wurde groß aufgetischt und bald entflammten hitzige Diskussionen über Politik und sonstiges. Ich hörte gar nicht zu.
„Sag mal hast` einen Freund?“, wollte Sophies Oma wissen. „Freundin“, wollte ich einwerfen, aber dann hiel ich den Mund. Als nicht sofort eine Antwort kam blickte ich zu Sophie die ihren Teller anstarrte: „Nee“, sagte sie dann. Die Pause schien niemandem aufgefallen zu sein.
Ihre Oma nickte nur: „Hast schon recht, gibt keine gescheiten Burschen mehr. Nur noch Ausländer sieht man rumrennen“
Ich unterdrückte ein Stöhnen, wollte etwas dagegen sagen, wusste aber aus Erfahrung, dass es Zeitverschwendung war. Kurz spielte ich mit dem Gedanken aufzustehen und wegzugehen, aber dann blieb ich sitzen und hörte mir geduldig die zehnminütige Hasstriade an, die die runzlige Schachtel zum Besten gab. Es war ein Monolog, bemerkte ich, denn sowohl Sophie, als auch ihre Eltern taten es mir gleich und löffelten Nachtisch in sich hinein.
„Gibt eh auch vernünftige“, schloss sie ihren Absatz, als wolle sie sich rechtfertigen „Gegen die hab ich eh nix. Kann man gar nix sagen.“
15.01
Gedankenverloren legte ich meinen Einkauf aufs Fließband und wartete bis der Verkäufer meine Produkte eingescannt hatte, bevor ich sie wieder in meine Tasche stopfte. „13, 99 bitte“, sagte der Junge hinterm Tresen und lächelte mich an. Er wirkte ungewöhnlich fröhlich. Seine Haut war dunkler als meine. „Ausländer vermutlich… Ach kannst du doch gar nicht wissen“, dachte ich und ärgerte mich selbst über meine Gedanken.
„Kann der junge Herr mal schneller machen“, kam eine energische Stimme hinter mir, wobei sie offensichtlich mit dem Verkäufer sprach und nicht mit mir. Fast wollte ich sagen, dass es meine Schuld war, weil ich nicht reagiert hatte, aber dann sagte ich nichts, drückte dem Jungen 14 Euro in die Hand und ging.
„Du nix verstehen?“, ertönte dieselbe Stimme erneut, ein Blick zurück zeigte mir eine Frau die eine überdeutliche Handbewegung machte. Der Junge sah sie verstört an und begann das erste Produkt zu scannen. „Noch so ne alte Schachtel“, dachte ich mir und musste an Sophies Oma denken. Waren die Leute immer schon so gewesen?
17.01
Verschwitzt kam ich zu Hause an und schloss die Haustüre auf. Ich hasste Sport, aber musste auch sein. Meine Eltern saßen im Wohnzimmer, Sophie am Küchentisch, wo sie in ihr Handy starrte. Ich machte mich bemerkbar, in dem ich den Schlüssel laut auf den Tisch fallen ließ. Nachdem niemand reagierte ging ich in die Küche, um mir Obst zu schneiden. „Sieh mal!“, sagte Mutter und drehte das gerade gelsesene Magazin um. Ich wusste nicht, ob sie es mir oder Sophie zeigen wollte. Sophie bewegte sich nicht, sah nicht mal hoch, also ging ich näher ans Sofa, um das Bild besser zu sehen. Es war eines dieser Billigmagazine, in der eine Schauspielerin abgedruckt war, die ich nicht kannte. „Coming out“ stand in der Überschrift. Weiter kam ich nicht, denn das Magazin wurde zugeschlagen und mit einem finalen pop auf den Couchtisch geschmissen.
Der Blick meiner Mutter traf meinen und ihre Augen sagten etwas wie: Siehst du?
Aber ich sah nicht und verstand nicht. Meine Verwirrung war mir wohl ins Gesicht geschrieben.
„Alle sind sie lesbisch und schwul“, sagte meine Mutter. „Und das andere Zeugs. Transdings.“
„Transsexuell“, sagte mein Vater der abwesend in der Zeitung blätterte.
„Ja ja. Denk dir mal so ein junges Mädchen sieht einen Mann der einen Rock anhat. Das ist doch dann ganz verwirrt. Das verbaut nur die Zukunft. Und das sollen Vorbilder sein!?“
Ich öffnete meinen Mund, um zu kontern, aber dann schloss ich ihn wieder. Ich wusste nicht mal, wo ich anfangen sollte. Schwule müssen keine Röcke tragen. Nicht jeder, der einen Rock trägt ist schwul. Man findet keine Vorbilder in Modemagazinen….
Zum Glück schien meine Mutter keine Antwort zu erwarten. Das Gespräch war eher ein Dialog zwischen ihr und meinem Vater geworden.
„Der Sohn von der Nachbarin, Ja?“
„Ja“ sagte mein Vater.
„Ich glaub, der ist das auch. Ja, ist ein seltsamer Junge.“
„Ist doch nicht schlimm“ mischte ich mich jetzt doch ein.
„Nein, um Gottes Willen ist doch nicht schlimm“, meine Mutter hatte sich wieder mir zugewandt. „Nein, ist doch nicht schlimm“ wiederholte sie „Aber die arme Mutter“, fügte sie dann noch hinzu und schüttelte betroffen den Kopf.
„Und was die Leute reden“, warf mein Vater ein.
Ich wollte noch etwas sagen, aber dann drehte ich nur den Kopf und sah Sophie an. Ihre Augen waren seltsam leer und ich konnte es ihr nicht verübeln. Ich wandte mich von unseren Eltern ab, die schon in ein anderes Thema vertieft waren und ging zu ihr hinüber. Unbeholfen streichelte ich ihr einmal den Rücken hinunter und suchte nach aufmunternden Worten, aber ich fand keine.
05.03
Ich klopfte an Sophies Tür. Eigentlich klopfte ich nie, aber in letzter Zeit war Sophie komisch, also klopfte ich lieber.
„Nein, jetzt nicht“, hörte ich ihre Stimme, aber ich öffnete die Tür trotzdem. Sophie lag in ihrem Bett. Wenn ich nachdachte lag sie in letzter Zeit immer auf ihrem Bett.
„Willst du Einkaufen fahren?“, fragte ich. Als Antwort bekam ich nur ein Kopfschütteln.
„Sag mal willst du nicht raus oder so? Irgendwas machen?“
„Ne“
„Wir können auch im Haus was machen.“
„Ne“
„Du bist in letzter Zeit echt komisch Sophie“, brach es dann doch aus mir raus.
„Weiß schon.“
„Ist was mit unseren Eltern?“
„Ne“
Mich überkam wieder das hilflose Gefühl wie so oft in letzter Zeit. Ich wusste einfach nichts mehr mit Sophie anzufangen und sie anscheinend mit sich selbst auch nicht. Ich wollte nicht gehen, aber als nach einer Minute immer noch nichts Brauchbares von Sophie kam, stand ich auf und verließ den Raum.
20.04
„Du hast Augenringe“, merkte ich nicht sehr hilfreich an.
Sophie saß am Boden und sah mir beim Zocken zu. Früher hatten wir oft gemeinsam gespielt. Wobei Früher vielleicht ein halbes Jahr her war. Jetzt spielte ich alleine und Sophie schaute zu.
„Will nicht“ hatte sie gesagt.
Das war ihr Standardspruch: Will nicht und auch Jetzt nicht, Später, Bin zu müde und auf Wie lief Schule? kam nur Mh und wenn man Glück hatte sagte sie auch Ging so.
Sie war jetzt im letzten Jahr. Anfangs hatten sich auch unsere Eltern Sorgen gemacht, aber dann sagte meine Mutter: „Das ist bestimmt nur der Schulstress.“ Und damit war das Thema abgehakt.
Sophie starrte meinen Kleiderschrank an. Ich legte den Controller weg.
„Mir geht’s nicht so gut“ brach es aus Sophie hervor, bevor ich was sagen konnte.
„Ist mir aufgefallen“ wollte ich erwidern, aber das hätte geschmacklos geklungen.
„Kann ich helfen“ setzte ich stattdessen an.
„Ne“ kam die Standardanwort prompt und damit stand ich wieder bei null.
„Wieso geht’s dir nicht gut?“ versuchte ich es anders.
„Ich bin nur noch müde und traurig weißt du.“ Und dann sah sie mir tief in die Augen und etwas in mir zerbrach. Ich wollte die fröhliche Sophie, die ich seit meiner Kindheit kannte. Die, die es hasste Sport zu machen und nörgelte, wenn es Kartoffelauflauf gab, weil sie den nicht mochte und die einen unkontrollierten Lachkrampf bekam, wenn ich mich bei Quizzspielen blamierte und die aufgeregt zu jedem Hund rannte, den sie sah.
Jetzt blickte ich in die erschöpften Augen eines Abbilds von Sophie. Ich wusste nicht was ich tun sollte, fühlte mich hilflos und überfordert.
„Du kannst dir Hilfe holen. Ich kann dich dabei unterstützen, wenn du magst“, bot ich an „Es gibt Leute für sowas.“
„Aber das bekommen unsere Eltern doch mit“
„Ist doch nicht schlimm“, sagte ich aber Sophie schüttelte den Kopf „Passt schon. Weiß gar nicht warum ich überhaupt traurig bin. Ist ja gar nichts.“
„Du bist doch auch glücklich“, fügte sie dann noch hinzu. Dass sagte sie wohl, wegen meinen Eltern. Meine leibliche Mutter war der Drogensucht verfallen. Wer wusste schon, wo sie war. Mein Vater hatte das Sorgerecht, aber der war auch nirgendwo zu finden. Also war ich mit fünf Jahren zu meiner Tante und meinem Onkel gezogen, die mich den ganzen Tag ignorierten. Sophie war meine Nachbarin gewesen und ein Jahr später hatten mich ihre Eltern so ins Herz geschlossen, dass ich bei ihnen einzog.
„Eigentlich müsstest du viel trauriger sein“, fügte Sophie als Schlussfolgerung noch hinzu.
„Ja“ sagte ich, aber vermutlich hätte ich besser nein sagen sollen.
25.05
Ich legte meinen Einkauf auf das Fließband. An der Kassa saß der Junge, den ich schon kannte. „6,89 bitte“, sagte er und lächelte mich an. Eigentlich sah er gar nicht so fröhlich aus. Seine Augen erinnerten mich etwas an Sophie. Nicht so leer, aber genauso erschöpft. „Bestimmt nur Stress wegen der Arbeit“, dachte ich mir und beeilte mich diesmal, ihm das Geld in die Hand zu drücken.
30.05
Es war eine sternenlose Nacht und warm genug draußen zu sitzen. Unsere Eltern hatten ein Feuer entfacht und wir saßen rundherum und lauschten dem Knistern und Knacken der brennenden Hölzer.
„Ich geh rein“ sagte Sophie und stand auf.
Niemand protestierte.
„Kennst du noch den rothaarigen Jungen von dem Haus mit der gelben Fassade?“ fragte meine Mutter meinen Vater. Der nickte.
„Da hat mir neulich einer erzählt, der ist jetzt im Irrenhaus.“
„In der Psychiatrie?“
„Ja ja“
„Was hat er den gehabt?“
„Ach weiß nicht. Aber der war schon immer ein wenig seltsam. Musst du dir vorstellen was die Eltern sich jetzt denken. Furchtbar sowas.“
„Und was die Leute reden“, sagte mein Vater.
Ich wollte etwas erwidern, aber ich wusste, würde ich den Mund aufmachen, würde ich keinen Ton hervorbringen. Plötzlich war ich froh, dass Sophie schon ins Bett gegangen war. Abrupt stand ich auf und ging ebenfalls auf mein Zimmer. Ich hatte eine Wut in mir, die ich nicht beschreiben konnte. In dieser Nacht starrte ich lange meine Zimmerdecke an ohne einschlafen zu können.
19.07
„Oh mein Gott Sophie! Alles in Ordnung?“
Ich eilte zu ihr und kniete mich neben sie. Kurz zuvor hatte ich einen lauten Schlag gehört und war sofort in ihr Zimmer geeilt. Ihre Fingerknöchel bluteten.
„Was ist passiert?“
„Hab gegen die Wand geboxt. Sei bitte nicht sauer“
Ich starrte sie nur an. Ich wusste nicht was ich erwartete. Tränen, Schmerz, irgendein Anzeichen einer Emotion, aber da war nichts.
„Wieso hast du gegen die Wand geboxt?“ fragte ich sie, aber es war kaum ein Flüstern, denn eigentlich wollte ich es gar nicht wissen.
„Weiß nicht“, sagte Sophie und in ihrem Gesicht regte sich nach langer Zeit etwas, als würden die Mauern in ihr endlich brechen und die Sophie, die mir so vertraut war, hilfesuchend ihre Arme nach mir ausstrecken. Und ich fühlte mich als würde Sophie mir diesen einen Moment gewähren, um sie noch einmal so wahrzunehmen, wie ich sie kennengelernt hatte. Ohne den Monstern in ihrem Kopf und den anderen Dämonen die sich in ihren Gedanken eingenistet hatten und von denen sie mir nichts erzählte. Nur wegsperrte, um ihren eigenen Körper als Gefängnis zu nutzen, um die Kreaturen in Schach zu halten.
„Ich weiß es nicht“, wisperte Sophie noch einmal, aber diesmal brach ihre Stimme und ich hörte ihre Verzweiflung, als wolle sie mich bitten: Sag du es mir doch.
Und dann ließ sie ihren Kopf gegen meine Schultern fallen und ihr Körper bebte unter meinen Fingern als ich sie umarmte. Und so kauerten wir für eine ganze Weile am Boden ohne uns zu bewegen. In dieser Nacht schliefen wir beide wieder auf dem Sofa, so wie damals, als die Welt noch nicht so hoffnungslos war.
20.07
Eine Hand rüttelte mich wach und ich blickte in das besorgte Gesicht meines Vaters.
„Wo ist Sophie?“ fragte er, sobald er merkte dass ich wach war.
Ich sagte nichts.
24.07
Mein Blick wanderte den Sarg entlang und folgten dann wieder der Katze. Der Priester las immer noch. Jemand hinter mir rückte näher an eine andere Person heran: „Die armen Eltern. Unvorstellbar ein Kind zu verlieren.“, hörte ich jemanden flüstern. Nicht für meine Ohren bestimmt. „Aber sie war schon ein seltsames Kind. Wirkte immer so abwesend“, wisperte jemand zurück.
Dann brach auch meine Fassade und meine Augen füllten sich mit Tränen und liefen mir die Wangen hinunter und ich wusste nicht ob ich aus Trauer, Schuld oder Selbstmitleid weinte.
Oh, die Leute werden reden, dachte ich bitter.