Horizontverschmelzung
Müde suchte ich mir einen Platz, stellte meine Mappe an einen Tisch und ging in die Kantine. Ich betrachtete lange den grossen, weiten Saal. Hier findet also die intellektuelle Auseinandersetzung statt, dachte ich mir. Interessant, es dünkt mich, als ob nur gerade diese Räume den Anspruch eines idealen Raumes für einen Rahmen eines intelligenten Gesprächs liefern. Und was ist mit dem Gespräch? Ist nicht im Gespräch, der eigentliche Raum, wo ein Rahmen zu suchen ist? Ein Rahmen, der Platz für zwei Personen hat. Der Gedanke beflügelt mich. Ich schneide das zarte Filet und esse genüsslich. Dazu trinke ich ein Glas klares Wasser.
Im Blickwinkel sehe ich eine Dame, so Mitte 30, irgendwie in der Moderne nicht ganz angekommen. Mit einem Lächeln kommt sie auf mich zu. Ihre Gesichtszüge wirken krampfhaft einladend. Ich esse und beobachte unauffällig. Es macht mir Freude, ich spüre, dass ich mich in einer Geschichte befinde, in derer sich eine zweite Figur hinzugesellt. Was passiert nun?
„Guten Tag, darf ich mich zu ihnen setzen“?
„Ja warum denn nicht, bitte schön.“
„Ich würde Ihnen gerne den Weg zu Gott zeigen.“
Ich kaue am letzten Stück und starre auf meinen leeren Teller. Nein, in einer solchen Aussage habe ich keinen Platz. Darauf antworte ich:
„Ich rede mit ihm, sie haben mich gerade von seinem Weg abgebracht…“
Ihr Gesicht errötet.
Sie geht. Ich bleibe.