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Ich bin ein guter Soldat
Ich bin ein guter Soldat
Ein guter Soldat stellt keine Fragen.
Er läuft Runden im Park, bis die Beine versagen.
Die Stirn in den Staub wie ein Ja und ein Amen.
Ich bin ein guter Soldat. Der Gedanke durchströmte ihn, prasselte auf ihn nieder, wie der Regen auf die Zeltplane. Ich bin ein guter Soldat. Glauben konnte er es trotzdem nicht.
Der Kamerad neben ihm regte sich unruhig im Schlaf. Ein Stöhnen entschlüpfte seinen halb geöffneten Lippen.
Michael fasste einen Entschluss. Mit hochgezogenen Schultern trat er aus dem Zelt. Durch den dichten Regenschleier konnte er nur dunkle Schemen erahnen. Es störte ihn nicht. Er kannte den Weg gut genug.
Wie ein Dieb schlich er eilig zwischen den Zelten entlang. Nach zehn Minuten war er am Ziel. Er blieb stehen. Aus dem geöffneten Zelteingang vor ihm strahlte das Licht einer Feldlampe. Schaudernd ging er noch einen Schritt weiter.
„Michael.“ Es war nur ein Flüstern aus dem Innern des Zeltes, kaum zu verstehen im donnernden Regen.
„Michael, ich weiß, dass du es bist.“
Er rührte sich nicht.
Könnten die anderen, die Kameraden, ihn jetzt sehen. Im Regen stehend, allein, mit zitternden Beinen. Sehen, wie sich Wasser mit Salz vermischt. Sie würden lachen. Sie würden sich schämen. Sie würden nicht glauben, dass er ein guter Soldat ist.
Er wich einen Schritt zurück. Dann noch einen. Rutschte fast aus im Schlamm. Blieb stehen. Zauderte.
„Michael …“ Die Stimme brach. Er konnte die Unsicherheit heraushören. Die Hoffnung und die Angst.
Ein guter Soldat vergisst alles, im Falle des Falles auch den eigenen Namen. Das hatte man ihm eingetrichtert. Tag für Tag.
Aber diesen Namen konnte er einfach nicht vergessen. Er hatte es versucht. Hatte versucht, sein Herz zum Schweigen zu bringen. Und jetzt stand er hier. Abscheu durchflutete ihn. Abscheu vor sich selbst. Hier stand er und rührte sich nicht. Hatte weder den Mut zu bleiben, noch zu gehen.
Auch hierüber würden die Kameraden lachen. Sie würden den gleichen Abscheu empfinden wie er. Und dann, wenn sie verstehen würden, würde sich Abscheu in Hass verwandeln. Schlimmer, in Verachtung.
„Schlaf bloß nicht mit dem Rücken zu dem da.“ Würden sie sagen und mit dem Finger auf ihn zeigen.
„Und pass auf, dass du in der Dusche nicht plötzlich allein mit ihm bist.“
Wieder wich er einen Schritt zurück. Er konnte Johns Zelt nicht betreten, konnte nicht mit ihm reden. Schon der kleinste Funken im Zunder und alles stünde wieder in Flammen. Sie würden es erfahren. Seine ganze Fassade würde wie ein Kartenhaus in sich zusammenklappen.
Nein. Er konnte es nicht.
Vorhin im Zelt hatte er es nicht mehr ausgehalten. Die Flammen in ihm hatten hell aufgelodert.
Aber jetzt. Alles gelöscht vom prasselnden Regen.
Er wandte sich um und ging. Schlich den Weg zurück, den er gekommen war.
Einem Vorhang gleich schloss sich der Regen hinter ihm.