Was ist neu

Copywrite Ich kann das nicht

Wortkrieger-Globals
Wortkrieger-Team
Seniors
Beitritt
24.01.2009
Beiträge
4.096
Zuletzt bearbeitet:

Ich kann das nicht

Der blaue Body schmiegt sich perfekt an meinen Körper. Ich kann nicht aufhören, über die kühle Seide zu streichen, mir im Spiegel dabei zuzuschauen und an den lose hängenden Strapsbändchen zu zuppeln. Er ist so schön! Spieglein, Spieglein an der Wand, ich drehe mich ein letztes Mal, streife ihn nur ungern vom Körper und auch nur, um das weiße Teilchen anzuprobieren. Unterhalb des BHs sind Fransen angesetzt, die bis über mein Höschen fallen. Wenn ich mich schnell genug drehe, fliegen sie hoch. Ich drehe mich, bis mir schwindelig wird und ich auf die kleine Bank niedersinke. Atemlos. Glücklich. Elegant schlage ich ein Bein über das andere, drücke mich ins Hohlkreuz, ziehe die Schulterblätter zusammen, hebe das Kinn und betrachte mein Profil. Ich weide im Spiegelbild, bis ich satt bin, lasse ein letztes Mal die Fransen fliegen und widme mich anschließend dem Zweiteiler, der wie eine Schuluniform daherkommt, wegen der Karos und dem angedeuteten Röckchen. Mit strenger Mimik hauche ich: »Nein! Denk nicht einmal dran. Ich bin ein anständiges Mädchen«, wackele mit dem Zeigefinger und muss über mich selbst lachen.
Irgendwann fragt eine der Verkäuferinnen durch den Vorhang, ob bei mir alles in Ordnung sei? Ob ich Hilfe brauche? Brauche ich nicht. Mir geht es so gut wie schon lange nicht mehr. Langsam, ganz langsam ziehe ich meine alten Sachen an, nehme die kleinen Schätze und trage sie zur Kasse, schiebe der Kassiererin meine Karte über den Tisch.
»Tut mir leid, aber da scheint es ein Problem zu geben.«
Ich schaue auf meine Eroberungen, blau, weiß und kartiert liegen sie vor mir und flehen mich an, sie nicht hier zurückzulassen, sie wollen mit, zu mir!
»Aber sie muss funktionieren«, stammele ich.
»Hier jedenfalls nicht. Haben Sie Bargeld dabei? Oder eine Kreditkarte?«
In diesem Augenblick erspähe ich meinen Chef. Was macht der hier? Im Kaufhaus? Ausgerechnet! Dass er sich zielstrebig in meine Richtung bewegt, macht die ganze Situation nicht besser.
»Ich komme später mit Bargeld wieder«, flüstere ich meinen Schätzen und der Verkäuferin gleichermaßen zu und flüchte hinter den nächsten Kleiderständer. Durch Nachthemden und Pyjamas hindurch beobachte ich Manfred Wiegand, der direkt auf mich zuläuft.
»Sollen wir die Sachen für Sie zurücklegen?«, ruft die Frau von der Kasse.
Ich ducke mich noch tiefer.
»Hallo? Haben Sie gehört? Ich habe ...«
Ich renne einfach los, senke den Kopf und starre konzentriert auf den Boden. Aber ich weiß genau, dass Manfred Wiegand mich entdeckt und erkannt hat. Ich spüre seinen Blick auf meiner Haut. Ein Gefühl wie Feuerquallen. Ich kenne dieses Gefühl gut. Es brennt und juckt und ekelt mich an.
Auf der Rolltreppe abwärts zähle ich zitternd mein Bargeld. 23,46 €. Im Erdgeschoss angekommen, steuere ich auf die Kosmetikabteilung zu. Nagellack und Lippenstift und Lipgloss gehören mir. Mir ganz allein. Während ich über den Platz zur Straßenbahn eile, drücke ich die Handtasche mit den Einkäufen fest an mich. Als ich an die zurückgelassenen Dessous denke, fühlt es sich an wie ein Tritt in den Magen. Ich muss sie haben.

Nach der Schule begann ich eine Lehre als Einzelhandelskauffrau, wurde jedoch gefeuert, als man in meiner Tasche ein rotes Kleid fand, mit Preisschild. Papa telefonierte mit seinem alten Schulfreund Manfred, dem lustigen, immer gut gelaunten Onkel Manfred meiner Kindheit. In seiner Apotheke sollte ich zur Pharmazeutisch-kaufmännischen Assistentin ausgebildet werden.
»Biste doch auch eine Art Verkäuferin«, versuchte mein Vater mich zu trösten. »Verkaufst halt Pillen statt Kleider. Hilfst den Menschen dabei, gesund zu werden. Ist doch was Gutes.«
Die Lehre bestand ich mehr schlecht als recht, trotzdem stellte Manfred mich ein. Ich sollte ihm wirklich dankbar sein. Aber Pillen und Tropfen haben keine Magie.

Ich stehe in Manfreds Büro und kaue auf meinen Lippen.
»Gesine, Gesine, Gesine«, sagt er. »Sollte ich mir vielleicht Sorgen um dich machen?«
Schnell schüttle ich den Kopf. »Nein.«
»Aber ehrlich gesagt, ich mache mir langsam Sorgen. Dir scheint häufiger das Geld auszugehen, bevor der Monat zu Ende ist.«
»Es tut mir leid. Wirklich. Aber in letzter Zeit lief alles ein bisschen verquer.«
»In letzter Zeit? So, so. Und in anderen Monaten, wo du ebenfalls nach einem Vorschuss gefragt hast, da etwa nicht?«
»Bitte. Ich brauche das Geld.«
»Warum fragst du nicht einfach deinen Vater?«
Wieder schüttle ich den Kopf, diesmal energischer. Erst im letzten Monat habe ich ihm erzählt, die Waschmaschine wäre kaputt und ich hätte eine neue kaufen müssen, und dass deswegen mein Geld für die Miete nicht reichen würde.
»Wie ich ihn kenne, hilft er dir bestimmt«, setzt Manfred noch einmal nach.
»Ja. Äh, nein! Ich will ihn nicht fragen.«
»Und da bist du dir ganz sicher?«
Ich nicke.
»Nun«, Manfred steht auf und umrundet den Schreibtisch, lehnt sich gegen die Tischplatte und verschränkt die Arme vor der Brust. »Du hast kein Geld mehr für diesen Monat, das ich dir noch auszahlen könnte.«
»Hab ich nicht?«
»Hast du nicht.«
»Oh.«
»Vielleicht magst du dich setzen?« Er deutet auf den Korbsessel in der Ecke. »Du solltest wirklich ...«
»Nein!«
»Okay, okay. Es geht mich ja auch nichts an. Aber halten wir noch einmal fest, dass ich dir keinen Vorschuss geben kann, weil ich dir dein Gehalt bereits vollständig im Voraus ausgezahlt habe.«
Ich nicke. Sein Tonfall klingt so dominant, so unwiderruflich und ich weiß, dass ich kein Geld bekommen werde. Der Versuch meine Tränen zurückzubehalten scheitert, wie so vieles.
»Ach, Mädchen, nun weine doch nicht. Das kann ja keiner mit angucken«, sagt Manfred und sein Ton ist wieder weich und nett und ich schniefe den Rotz hoch.
»Willst du mir nicht sagen, wo der Schuh drückt? Vielleicht finden wir ja gemeinsam eine andere Lösung.«
Nein. Ich kann es ihm nicht sagen. Er würde es nicht verstehen. Ich hebe meinen Kopf und sehe, wie Manfred zurück hinter den Schreibtisch geht, eine Schublade aufzieht und eine Tüte hervorholt, den Inhalt auskippt. Ich erstarre. Da liegen sie! Meine Dessous, die ich im Kaufhaus an der Kasse zurücklassen musste.
»Brauchst du das Geld dafür?«
Ich sterbe. Jetzt und hier und auf der Stelle. Mein Herz wummert, gleich explodiert es. Ich höre mein Blut rauschen und spüre das Trommeln, die Paukenschläge in meinem Inneren.
»Du wolltest die Sachen doch neulich kaufen. Bevor du weggerannt bist.«
»Ich habe sie für eine Freundin zurücklegen lassen. Die waren nicht für mich«, stammele ich.
»Oh. Das ist jetzt schade. Ich dachte, ... Aber wo die jetzt gar nicht für dich waren. Wirklich, zu dumm. Ich werde sie zurückbringen. Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht ..., ich wollte dir nicht zu nahe treten.«
Da liegen sie. Blau, weiß, kariert, zusammengeknautscht auf einem Haufen. Ich möchte sie glattstreichen, sie ordentlich hinlegen, sie berühren.
Manfred greift ein Teil nach dem anderen, betrachtet es kurz und stopft es zurück in die Tüte.
»Nein!«, rufe ich und erschrecke zugleich darüber.
»Nein?« Er schaut mich an.
Ich bringe kein weiteres Wort hervor. Die Tüte fest im Blick. Sie soll nicht wieder im Schreibtisch verschwinden. Sie gehört mir. Mir, mir, mir!
Feuerquallen treffen mich. Ich spüre sie auf meinem Körper. »Pass auf. Ich mache dir jetzt einen Vorschlag und du kannst in Ruhe darüber nachdenken. Du kannst ja oder nein sagen. Heute, morgen, nächste Woche, ganz egal.«
»Was?«
Er wedelt mit der Tüte. »Du ziehst das hier für mich an. Ich will dich nur anschauen. Wirklich. Ich verspreche dir hoch und heilig dich nicht zu berühren. Dann bekommst du die Sachen und zweihundert Euro obendrauf.«
Obwohl seine Stimme eher einem Rauschen gleicht, dringen die Worte klar und eisig in mich ein. Mir wird schlecht, ich muss mich übergeben. Mit der Hand vor dem Mund springe ich auf und renne zur Toilette. Schließe mich ein, bis meine Kollegin damit droht, die Tür einzutreten, wenn ich sie nicht endlich aufs Klo lasse.
Als ich die Tür öffne, schreit sie mich an. »Ja, tickst du noch ganz richtig? Seit einer Stunde bist du verschwunden und ich allein vorn am Tresen. Wiegand hat sich auch schon verpisst.«
»Er ist weg?«, frage ich.
»Wie ein Furz im Wind hat der sich aufgelöst und jetzt lass mich bitte endlich auf die Schüssel.«
»Ja, sorry«, sage ich und schiebe mich an ihr vorbei. »Ich glaub, ich hab Magen-Darm.«
»Auch das noch«, stöhnt sie und knallt die Tür hinter sich zu.

Zu meinem fünften Geburtstag schenkten Onkel Manfred und seine Frau mir einen goldenen Karton, darin ein rosa Prinzessinnenkleid. Ich zog es sofort an und gab es nicht wieder her. Nicht, als ich mir die Limonade überschüttete, nicht im Freibad und auch nicht, als ich zu Bett gehen sollte. In der Nacht riss eines der Schulterriemchen, eine Naht platze auf, das Kleid war hinüber. Ich heulte und bettelte, bis mein Vater mit mir in die Stadt fuhr, um ein neues zu kaufen. Dazu bekam ich ein Diadem und rosa Nagellack.
»Die schönste Prinzessin von allen«, sagte mein Vater. Mein König.
Für die Kinder auf dem Spielplatz war ich mit meinem rosa Tüllkleid keine Prinzessin. Für sie war und blieb ich: »Gesinelein, fett und klein wie ein Schwein.«
Mein Vater ließ sie einen nach dem anderen verstummen. Sie alle mussten früher oder später zum Zahnarzt, zu ihm in die Praxis.

»Du kannst dich auf der Toilette umziehen, wenn du möchtest«, sagt Manfred.
Ich atme erleichtert auf. Mich vor ihm umzuziehen, war mir die größte Angst, denn ohne Wäsche wäre ich nackt und nackt wollte ich auf keinen Fall sein.
Welches Teil zuerst? Hatte er dazu was gesagt? Nein, hatte er nicht. Ich wähle den blauen Body, er hat den meisten Stoff. Er macht mich heute nicht schön, heute fühle ich mich hässlich und dick. Ich zähle bis zehn. Die Apotheke ist seit zwei Stunden geschlossen. Niemand wird mich sehen. Niemand wird je erfahren, was ich hier tue. Als ich das Büro betrete, sitzt Manfred hinter seinem Schreibtisch, ein ganz alltägliches Bild. Alles ist wie immer. Es ist ganz normal. Er sitzt da und ich stehe vor ihm. In Gedanken trage ich Jeans und Shirt. Das alles ist komplett absurd. Sofort spüre ich die Feuerquallen auf meiner Haut. Kurz hebe ich den Kopf, sein Blick trifft mich unerwartet. Er starrt mir nicht auf den Busen, nicht auf den Körper. Er starrt mir ins Gesicht. Sofort schließe ich die Augen und senke den Kopf. Ich stehe da, wie ein Kind, das eine Bestrafung erwartet. Ich spüre meinen Puls, mein Herz wird von einem Leoparden gejagt. Es ist auf der Flucht. Alles in mir ist auf der Flucht.
»Ich habe hier einen Bademantel für dich«, sagt Manfred. »Du kannst ihn jederzeit überziehen. Allerdings müssen wir dann deine Gage neu verhandeln.«
Ich nicke. Der Gedanke an den Bademantel wird fast übermächtig. Ich muss ihn aus meinem Gedächtnis streichen. Es gibt keinen Bademantel. Es gibt ihn einfach nicht. Ich habe nie von einem Bademantel gehört.
»Soll ich mich irgendwie bewegen?«, frage ich leise und wundere mich zugleich, woher ich den Mut dafür fand?
»Mach, was du denkst.«
Ich bleibe wie angefroren stehen.
»Schämst du dich?«
Ich nicke. Nach einer Weile fragt er mich: »Sehr?«
Wieder nicke ich. Ich traue mich nicht, meinen Blick erneut zu heben, ihn anzuschauen. Viel zu sehr bin ich darauf konzentriert, dem Leoparden zu entkommen. Jeans und Shirt. Jeans und Shirt in der Endlosschleife.
»Das ist gut«, sagt er und seufzt. »Du machst das sehr, sehr gut.«
Das verwirrt mich, denn ich mache ja gar nichts. Aber es soll mir recht sein, denn zu mehr wäre ich auch kaum in der Lage. Der Leopard ist bereits sehr nah, der Bademantel ebenfalls. Ich fange an zu zittern, höre Atem, lauten, schnellen Atem, der nicht der meine ist.
»Du kannst jetzt gehen. Geld liegt in der Schublade unter der Kasse. Schließe die Tür hinter dir!«
Was? Ich kann es kaum glauben. Das war es schon? Er lässt mich gehen? Ich bin frei? Ich fliehe aus dem Büro, ziehe mich um, lasse die Unterwäsche in der Toilette zurück, greife mir das Geld und mache, dass ich hier rauskomme. Ich habe es geschafft! Ich habe es verdammt noch mal geschafft! Und ich lebe noch.
Auf dem Heimweg verliere ich mich in den Schaufenstern. Schuhläden, Boutiquen, Schmuck. Und in meiner Tasche steckt die Einladung für jedes dieser Paradiese hinter Glas. Zweihundert Euro. Die Zahl schmilzt auf meiner Zunge wie Eis an einem heißen Sommertag. Nur die Hälfte, schwöre ich mir. Einhundert Euro für Mahnungen, irgendeine. Handyrechnung wäre wichtig. Und Strom. Ja. Gleich heute noch. Die Schaufensterpuppe lächelt mir zu. Ich lächle zurück und öffne die Ladentür, stöbere durch die Kleiderstangen. Ich fühle, rieche, spüre. An der Kasse zahle ich 189,00 Euro für einen Mantel. Korallenrot leuchtend, wunderschön! Ich bin in Feierlaune, kaufe im Späti Sekt und Pizza und extra Käse.

Bei unserem sechsten Treffen trage ich einen String, einen knappen BH und Strumpfbänder. Manfred hat es für mich bereitgelegt, so wie er immer Sachen für mich aussucht. Mich störte es kaum, dass der Stoff immer weniger wurde, allerdings dauerte es auch von Mal zu Mal länger, bis er mich gehen ließ. In mir wütet kein Raubtier mehr, es ist eher ein bellender Hund an der Leine.
»Macht es dir etwas aus, dich für mich umzudrehen?«
Ich zucke mit den Schultern, drehe mich um. Präsentiere ihm meinen nackten Hintern mit einem Fädchen zwischen den Pobacken.
»Schämst du dich?«
Wieder zucke ich mit den Schultern. Ich denke an das Geld in der Schublade. Ich brauche es, dringend.
»Nicht mal ein bisschen?«
»Vielleicht. Etwas.« Ich warte darauf, dass sich sein Atem beschleunigt, warte auf den ersten Seufzer, denn dann ist meist das Ende nicht fern. Aber er scheint ganz ruhig zu sein.
»Ich glaube, es funktioniert nicht mehr«, sagt er.
Was? Was hat er da gerade gesagt? War es das? Will er mich nicht mehr anschauen? Nein! Das kann er nicht tun! Das kann er mir nicht antun!
»Nicht?«, frage ich und würge den Kloß in meinem Hals hinunter.
»Nein. So nicht.«
»Nicht so?«
»Vielleicht, wenn du den BH ausziehen würdest.«
»Den BH?«, frage ich.
»Ja, den BH.«
Zitternd suchen meine Hände nach dem Verschluss für meine Rüstung. Noch stehe ich mit dem Rücken zu ihm. Wird er wollen, dass ich mich umdrehe? Langsam streife ich die Träger von den Schultern. Jetzt bin ich nackt, abgesehen von dem kleinen Dreieck vor meiner Scham. Es ist nur ein Fetzen Stoff weniger. Ein klitzekleiner Fetzen. Nichts, was er nicht auch vorher hätte schon sehen können durch die Spitze.
»Und jetzt drehe dich um.«
Natürlich. Natürlich will er das. Ganz langsam drehe ich mich zu ihm, kreuze die Arme vor der Brust. Ich weiß, er wird es nicht lange dulden, aber ich brauche die Zeit, mich an die neue Situation zu gewöhnen.
»Oh, das ist gut. Das gefällt mir. Wir sind wieder auf Kurs.«
Ich bin froh, dass er das sagt.
»Ist es dir peinlich?«
Ich nicke. Sein Atem, ich kann seinen Atem hören! Es beruhigt mich. Die Feuerquallen brennen mehr als je zuvor.
Ich greife nach dem Geld aus der Schublade und haste nach Hause. Am ganzen Körper juckt, brennt und klebt es. Erst unter der Dusche beruhigt sich die Haut. Der Ameisenhaufen in meinem Kopf bleibt. Gedanken rennen von rechts nach links, von oben nach unten. Onkel Manfred damals, mit dem lustigen Gesicht. Sein: zieh dich aus, dreh dich um, heute. Der korallenrote Mantel; ungetragen, noch nicht einmal ausgepackt. Die Stiefel, die Ohrringe, die Handtasche, die Stromrechnung, das blanke Konto. Ich will, dass die Ameisen stillhalten, verschwinden. Sie sollen abhauen!
Als ich Bestellung absenden drücke, kehrt Ruhe ein. Süße Leere, in die ich hinein sinke wie in eine Daunenwolke.

Es ist Nacht. Durch meinen Kopf wandern Ameisen, marschieren wie Soldaten und knallen mit den Hacken. Sie sind so unendlich laut! Ich flehe, bettle, schreie sie an. Sie scheren sich einen Dreck darum. Ich bin müde. Ich will nicht mehr. Ich brauche Schlaf. Dringend. Ich rufe Manfred an. Es ist zwei Uhr am Morgen. Er kommt.
Mit gespreizten Beinen sitze ich auf dem Boden vor ihm und schiebe mein Höschen beiseite.
»Ist es dir peinlich?«
»Ja. Sehr.«
»Ich glaube dir nicht. Ich sehe es nicht.«
»Doch. Mir ist das wirklich unangenehm«, beteuere ich.
»Du lügst, wenn du den Mund aufmachst!« Er sieht wütend aus. Richtig wütend. »Du verarschst mich doch!«
»Bestimmt nicht. Ich schäme mich sehr.« Ich weiß, dass meine Stimme mich verrät, die Worte nicht überzeugend klingen. Weine!, versuch ich mir zu befehlen. Weinen ist immer gut. Weinen ist echt. Los! Flenne!
»Das werden wir gleich sehen.«
Erstaunt schaue ich zu ihm auf. Was hat er vor? Die Angst beginnt zu kribbeln. Ich habe ihn belogen und er weiß es und er ist wütend.
Er sucht nach etwas in seiner Tasche, wirft mir vier verschiedene Vibratoren und Gleitcréme vor die Füße.
»Such dir einen aus«, sagt er.
Ich schlucke, betrachte das Ensemble vor mir auf dem Teppich und beginne zu zittern.
»Ich soll mich? Vor dir?«
»Es wäre eine Möglichkeit. Die andere wäre, dass dies unser letztes Treffen ist.«
Das kann ich nicht, denke ich, greife aber zeitgleich nach dem kleinsten. Mir steigen die Tränen in die Augen, echte Tränen, während ich den Vibrator über meinen Körper streiche. Über meine Brüste, den Mund, über die Innenseiten der Oberschenkel. Meine Hand agiert völlig losgelöst, sie gehört nicht zu mir. Das bin nicht ich, die hier sitzt. Ich höre das Seufzen. Den Atem. Er soll mich gehen lassen, es reicht doch. Aber die Worte kommen nicht.
»Komm schon, näher an die Muschi mit dem Teil!«
»Ich kann das nicht«, flüstere ich. »Bitte nicht.«
»Ich habe vierhundert Euro dabei. Bist du dir sicher?«
Meine Hand führt das Teil an meine Scham. Lässt es auf und ab gleiten, Kreise zeichnen. Der Rest von mir wird gerade vom Leoparden gefressen.
»Großartig! Ganz großartig! Lass dir Zeit«, keucht er.
Auf, ab, auf, Kreis, Kreis. Ich weiß, dass er nicht hinschaut, dass er mein Gesicht fixiert. Das bin nicht ich. Es ist irgendjemand. Nicht ich. Auf. Ab. Kreis.
»Wunderbar!«
Der Vibrator wird immer schwerer in meiner Hand. Mir geht die Kraft aus, er gleitet aus meinen schwitzenden Händen, fällt zu Boden. Ich rapple mich auf und torkle ins Badezimmer, schließe mich ein, warte auf das Geräusch seiner Schritte im Flur, der zufallenden Wohnungstür. Eine Ewigkeit warte ich. Er klopft an die Tür.
»Bist du okay?«, fragt er.
»Hau ab!«, rufe ich. »Lass mich in Ruhe!«
»Es tut mir leid. Hörst du. Ich entschuldige mich.«
»Du sollst gehen! Jetzt!«
Er geht. Seine Vibratoren hat er mitgenommen. Überhaupt erinnert im Wohnzimmer nichts an die letzte Stunde. Als hätte es sie nie gegeben. Nur das Bild, wie er auf meinem Sofa sitzt, ist geblieben. Ich werfe eine Decke drüber. Es hilft nicht. Ich schiebe und trete es auf die Straße. Es ist schwer. Es poltert über die Treppenabsätze. Die Nachbarn regen sich auf. Es ist mir egal. Als ich zurück in die Wohnung komme, sitzt Manfred da, wo vorher mein Sofa stand.

Die Pakete, die der Postbote bringt, stapeln sich im Flur. Seit drei Tagen war ich nicht bei der Arbeit, habe mich nicht gemeldet. Mir geht es nicht gut. Die Ameisen stehen nicht mehr still. Sie arbeiten Tag und Nacht, emsig zerlegen sie mich wie Aas am Straßenrand.
Ich rufe meinen Vater an. Erzähle ihm, ich hätte gekündigt. Ich brauche Geld, bis ich einen neuen Job gefunden habe.
»Und warum hast du gekündigt?«, fragt er.
»Da war so ein Kunde, der hat mich belästigt. Ich halte das nicht mehr aus.«
»Ein Kunde, sagst du?«
»Ja, so ein widerliches Schwein.«
»Aber da hätte Manfred doch was tun müssen! Er hätte ihm Hausverbot erteilen müssen.«
Ich sage nichts. Schweige.
»Ich kläre das mal. Ich spreche mit Manfred. Verlass dich auf mich. Ich regel das.«
»Nein, bitte. Lass es einfach gut sein«, flehe ich meinen Vater an, aber er hat bereits aufgelegt.
Eine halbe Stunde später läutet das Telefon. Mein Vater. Ich gehe nicht ran, höre zu, wie er den AB bespricht.
»Prinzessin, du hättest Manfred von dem Schwein erzählen müssen. Er wusste davon ja gar nichts. Natürlich wird er ihm Hausverbot erteilen, du musst ihm nur sagen, wer es ist. Der Typ wird dich nie wieder belästigen. Es ist vorbei. Hörst du. Manfred kümmert sich darum. Du kannst wieder zur Arbeit gehen.«

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fliege!

Gut gemacht. Hat mich beeindruckt. Du hast die Gefühle der Prot sehr schön zum Ausdruck gebracht, ihren Minderwertigkeitskomplex, dem nicht zuletzt ihr Konsumzwang geschuldet ist, sie weiß, sie ist nicht attraktiv, aber sie will sich halt auch gefallen, wenn auch nur für sich selbst. Einerseits ekelt sie vor dem guten Onkel, andererseits denke ich, gefällt sie sich aber auch ein wenig in dieser Rolle.
Der Text hat mir auch stilistisch gut gefallen. Ich habe nix zum Aussetzen.
Ich kenne das Original nicht, werde mich aber sofort drüber hermachen.

Unterhalb ein paar Kleinigkeiten:

Obwohl ich das Gefühl habe, dass seine Stimme eher ein Rauschen ist,

Ich schließe mich ein, bis meine Kollegin damit droht, die Tür einzutreten, wenn ich sie nicht endlich aufs Klo ließe.
lasse
Zuhause fahre ich als erstes den Rechner hoch, suche nach einen Shop, der auf Rechnung liefert.
Dativ
Ich stehe da, wie ein Kind, dass eine Bestrafung erwartet.
das

Netten Gruß,
Manuela :)

 

Liebe @Fliege,

Da hast du wohl deinen eigenen Schnelligkeitsrekord gebrochen, wa?

Die Wette hätte ich verloren, denn ich war mir sicher, du würdest dir „Rukola“ vorknöpfen, um ihn so richtig zu rupfen. Nein, dass es Gesinelein, fett und … werden würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Lange her, die Geschichte von der Sucht, sich belohnen zu müssen – womit auch immer – hat aber nicht an Brisanz verloren. Im Gegenteil, sie wird wohl im bestell-mich-doch-im-Internet-Zeitalter noch bessere Chancen zur unkontrollierten Entfaltung haben.

Tja, das ist und bleibt eine ungewöhnliche Erfahrung mit Herztrommeln, wenn man da eine von den eigenen Geschichten liest, die jemand anderer geschrieben hat. Dementsprechend bin ich noch etwas aufgewühlt und verstört. :D

Ich meine mich zu erinnern, dass mir damals in einigen Kommentaren empfohlen wurde, die KG zu entschlacken und das Gegrapsche und Getatsche vom alten Wiegand zu streichen, weil ich sonst der Geschichte zu viel auf den Rücken packen würde. Gut, dass ich widerstanden habe, so konntest du das übergriffige Verhalten des Chefs zum Dreh-und Angelpunkt deiner eindringlichen und spannenden Copy-Version machen. Und du wirfst damit die Frage auf, die in meiner Geschichte nur ganz leicht anklingt: Wie weit ist ein Mensch bereit zu gehen, um seine Sucht zu befriedigen? Unter welchen Bedingungen überschreitet er die Grenzen seiner eigenen Wertvorstellungen?

Zum Text:

Elegant schlage ich ein Bein über das andere, drücke mich ins Hohlkreuz, hebe das Kinn und fühle mich wie ein Königin.

Der Zweiteiler lässt mich aussehen wie ein Mädchen in Schuluniform. Wegen der Karos und dem angedeuteten Röckchen. Als ich die dazugehörige Krawatte umlege, bin ich hin und weg. Ich mache ein strenges Gesicht, hauche: »Nein! Daran darfst du nicht einmal denken«, wackele dazu mit dem Zeigefinger und muss über mich selbst lachen. Ich fühle mich so jung, verwegen, verrucht und sexy.
Schöne Szene und so wichtig, um schon mal das Thema einzuklingeln.
Armes Luder! Sie ist ja so einsam und voller Sehnsucht.

Nach einer halben Stunde fragt eine der Verkäuferin durch den Vorhang, ob bei mir alles in Ordnung sei? Ob ich Hilfe brauche?
Warum im zweiten Teil kein Konjunktiv?
Weiß schon, dass er sich manchmal überholt anhört: Ob ich Hilfe bräuchte?

»Sollen wir die Sachen für Sie zurücklegen?«, ruft die Magere.
Haha! In den Augen der Frau mit Konfektionsgröße 48 ist die mit der 44 schon ein Hungerhaken.

Auf der Rolltreppe zähle ich zitternd mein Bargeld. 23,46 €. Im Erdgeschoss angekommen, steuere ich auf die Kosmetikabteilung zu. Nagellack und Lippenstift und Lipgloss gehören mir. Mir ganz allein.
Genau, der letzte Cent wird ausgegeben, um wenigstens ein Erfolgserlebnis zu verbuchen.

Während ich über den Platz zur Straßenbahn eile, drücke ich die Handtasche mit den Einkäufen fest an mich. Als ich an die zurückgelassenen Dessous denke, fühlt es sich an wie ein Tritt in den Magen. Ich muss sie haben.
Unvorstellbar für jemanden halbwegs „Normalen“, was das für eine Qual für die Betroffenen sein muss.

Tante Linda mochte ich nicht so gern, weil sie immer traurig aussah. Papa hatte gesagt, Tante Linda sei krank, dabei sah sie überhaupt nicht krank aus oder musste im Bett liegen oder ollen Tee trinken. Onkel Manfred dagegen machte ganz viel Quatsch mit mir, mit ihm war es immer lustig.
Gefällt mir super, dass der olle Wiegand schon in frühen Kindertagen eine Rolle in Gesines Leben spielt.

Und spätestens hier spüre ich die ungute Schwingung, die von dem Mann ausgeht.

Auf dem Spielplatz ärgerten mich die Kinder: »Gesine rollt wie ’ne Lawine!« oder »Gesinelein, fett und klein wie ein Schwein«, riefen sie mir nach. Onkel Manfred sagte, ich sei das allerschönste Mädchen und dass die anderen Kinder nur neidisch waren, weil sie nicht so viel Süßigkeiten essen durften wie ich.

Und Papa versprach, er wird den Lümmeln die Ohren langziehen, wenn die zu ihm in die Praxis kommen. Dabei war Papa gar kein Ohrenarzt, sondern Zahnarzt und ich habe mir die Ohren der Stänkerkinder ganz genau angeguckt, aber sie sahen immer normal klein aus, auch als niemand mehr gemeine Dinge hinter mir herrief.
Ist natürlich anschaulich gemacht, der Rückblick in die Kindheit, bin mir jedoch nicht sicher, ob ich die kindliche Erzählstimme für diese Passage gewählt hätte. Gesine blickt doch als Erwachsene mit Erfahrung zurück. All die Erlebnisse haben doch schon eine Wertung durchlaufen. Aber wie gesagt, bin nicht ganz sicher.

»Vielleicht magst du sich setzen?« Er deutet auf den Korbsessel in der Ecke. »Du solltest wirklich ...«
»Nein!«
Ich nicke. Sein Tonfall klingt so dominant, so unwiderruflich und ich weiß, dass ich keinen weiteren Versuch starten muss. Ich spüre, wie mir die Tränen kommen und der Versuch, sie zurückzuhalten, scheitert wie so vieles, was ich versuche.
Verunsichert, eingeschüchtert, kein Selbstvertrauen, ja, genauso hatte ich mir Gesine ausgemalt. Wenig widerstandsfähig, auch weil die Eltern alle Stolpersteine rechtzeitig aus dem Weg räumten. Ein perfektes Opfer. Und Manfred hat das schon lange erkannt, wahrscheinlich schon am fünften Geburtstag. Und warum Tante Linda so leidend wirkte, kann ich mir nun auch vorstellen.

»Ach, Mädchen, nun weine doch nicht. Das kann ja keiner mit angucken«, sagt Manfred und sein Ton ist wieder weich und nett und ich schniefe den Rotz hoch.
»Pass auf. Ich mache dir jetzt einen Vorschlag und du kannst darüber in Ruhe nachdenken. Du kannst ja oder nein sagen. Heute, morgen, nächste Woche, ganz egal.«
Großartig, diese Großzügigkeit. Manfred gibt Gesine das Gefühl, sie habe die Wahl.

Ich hebe meinen Kopf und beobachte Manfred, wie er zurück hinter den Schreibtisch geht, eine Schublade aufzieht und eine Tüte hervorholt, deren Inhalt er über dem Tisch auskippt. Ich erstarre. Da liegen sie! Meine Dessous, die ich ich im Kaufhaus an der Kasse zurücklassen musste. Ich sterbe. Jetzt und hier und auf der Stelle. Mein Herz wummert, gleich explodiert es.
Dabei ist das was der Onkel macht, ein bisschen so, als würde man einem Verdurstenden kurz eine Wasserflasche vors Gesicht halten und sie dann wieder verstecken.

Au dem Heimweg meide ich den Blick in die Schaufenster. Statt dessen lese ich konzentriert die Nummernschilder der geparkten Autos.
In dem Falle ein Wort: stattdessen

Zuhause fahre ich als erstes den Rechner hoch, suche nach einen Shop, der auf Rechnung liefert. Und während ich mir Handtaschen, Rucksäcke, Portemonnaies und Gürtel anschaue, komme ich zur Ruhe. Es ist herrlich still in meinem Kopf, als ich die Bestellung absende.
So einfach kann das Leben sein! Schöne heile Konsumwelt.

Ich wähle den blauen Body, er hat den meisten Stoff. Er macht nicht mehr, dass ich mich schön finde, ich bin hässlich und dick. Ich zähle bis zehn. Der Laden ist seit zwei Stunden geschlossen. Niemand wird mich sehen.
Was isn das eigentlich für ein Laden? Oder hab ich das überlesen?

Niemand wird je erfahren, was ich hier tue.
So spricht man sich Mut zu.

Als ich das Büro betrete, sitzt Manfred hinter seinem Schreibtisch, ein ganz alltägliches Bild. Alles ist wie immer. Es ist ganz normal.
Und so auch: Alles normal.

Er sitzt da und ich stehe vor ihm. Ich trage Jeans und Shirt. Alles hier ist komplett absurd. Sofort spüre ich die Feuerquallen auf meiner Haut. Kurz hebe ich den Kopf, sein Blick trifft mich unerwartet. Er starrt mir nicht auf den Busen, nicht auf den Körper. Er starrt mir ins Gesicht.
Oh, Fliege, der Onkel Manfred hat es wirklich in sich.

Sofort schließe ich die Augen und senke den Kopf. Ich stehe da, wie ein Kind, dass eine Bestrafung erwartet.
Es geht ums Ausleben von Machtgefühlen und um Demütigung und …

»Schämst du dich?«
Ich nicke. Ich höre seinen Atem. Nach einer Weile fragt er mich: »Sehr?«
Wieder nicke ich. Ich traue mich nicht, meinen Blick erneut zu heben, ihn anzuschauen. Viel zu sehr bin ich darauf konzentriert, dem Leoparden zu entkommen.
Ich fange an zu zittern, höre Atem, lauten, schnellen Atem der nicht der meine ist.
um die Befriedigung sexueller Lüste, die der gute Onkel aber nur haben kann, wenn er Gesine klein macht.

Da fällt mir auf, es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass er Gesine schon zu nahe kam, als sie noch Kind war. Vielleicht hat sie die Erinnerung verdrängt. Mir ist so, als wäre mir bei meinen damaligen Recherchen zur Ursachen der Sucht unter anderem der Begriff „Missbrauch“ begegnet.

»Mach was du denkst.«
Ich bin auch nicht der Komma-Guru, denke aber, hier fehlt eins vor was

Mich stört es kaum noch, dass der Stoff immer weniger wurde, allerdings dauerte es auch von mal zu mal länger, bis er mich gehen ließ. In mir wütet kein Raubtier mehr, es ist eher ein bellender Hund an der Leine.
Mal zu Mal

Langsam streife ich die Träger von den Schultern. Mit einem Mal fühle ich mich nackt. Es ist nur ein Fetzen Stoff weniger. Ein klitzekleiner Fetzen. Nichts, was er auch nicht vorher hätte schon sehen können durch die Spitze.
Cool! Wieder dieses sich selber gut zureden, sich überzeugen wollen, kein Unterschied, alles ganz normal, und es sieht ja keiner.

Es ist Nacht. Manfred hat es sich zur Gewohnheit gemacht mich überraschend anzurufen, um mich in sein Büro zu bestellen. Ich sitze vor ihm auf dem Boden, habe die Beine gespreizt vor mich aufgestellt und schiebe mein Höschen beiseite.
»Ist es dir peinlich?«, fragt er.
»Ja. Sehr.«
»Ich glaube es dir nicht. Ich sehe es nicht.«
Was für eine Abwärtsspirale!

»Komm schon, näher an die Muschi mit dem Teil!«
»Ich kann das nicht«, flüstere ich. »Bitte nicht.«
»Diesmal liegen 400,00 Euro in der Schublade.«
Meine Hand führt das Teil an meine Scham. Lässt das runde Ende auf und ab gleiten, Kreise zeichnen. Der Rest von mir wird gerade vom Leoparden gefressen.
»Großartig! Ganz großartig! Nimm dir Zeit«, stöhnt er.
Auf, ab, auf, Kreis, Kreis. Ich weiß, dass er nicht hinschaut, dass er mein Gesicht fixiert. Das bin nicht ich hier. Es ist irgendjemand. Nicht ich. Auf. Ab. Kreis.
Scham, Verleugnung! Sehr eindringliche Szene.
Nee, nee, das ist aber nicht mehr meine Gesine. Die wäre nicht so weit gegangen, ich glaube, nur bis zum blauen Body.

Ich sage nichts. Schweige.
Ist es nicht dasselbe?

So viel von mir erst mal auf die Schnelle. Ich hoffe, du konntest erkennen: Sie hat mir ausgesprochen gut gefallen, deine Copy-Idee und ihre Umsetzung.

Bin auch ziemlich sicher, dass ich noch mal vorbeischauen werde, da fällt mir sicher noch einiges dazu ein, vor allem, wenn ich mir den Text mit weniger Holterdiepolter und gezügelten Emotionen zur Brust nehme.

Liebe Grüße
peregrina

 

Liebe @Manuela K.,

boah warst Du schnell uns so erlösend dazu! Immer gut, wenn der erste Komm kein Veriß ist. Vielen Dank Dafür! Hat mich gefreut. Sehr sogar.

Gut gemacht. Hat mich beeindruckt.
Ist schon so ein bisschen wie warmer Sommerregen. Kann auch noch Sturm geben, schon klar, aber dann erinnere ich mich einfach an deine Zeilen.

Du hast die Gefühle der Prot sehr schön zum Ausdruck gebracht, ihren Minderwertigkeitskomplex, dem nicht zuletzt ihr Konsumzwang geschuldet ist, sie weiß, sie ist nicht attraktiv, aber sie will sich halt auch gefallen, wenn auch nur für sich selbst. Einerseits ekelt sie vor dem guten Onkel, andererseits denke ich, gefällt sie sich aber auch ein wenig in dieser Rolle.
Das ist doch eine sehr feine Lesart. Kann ich gut mit leben.

Danke auch für die Fehlerliste. Weil ich nie drüber schlafen kann - meno - aber mit Geduld und so, das wird bei mir nichts mehr. Das ist drin. Deshalb ist natürlich auch gut, wenn da gleich mal einer durchfegt.

Habe vielen, lieben Dank und fröhliche Grüße nach Wien!


Liebe @peregrina,

ein bisschen habe ich mich vor deinem Komm ja auch gefürchtet. Ich mein, ich war nicht gerade nett zu deiner Gesine und das kann sich auch schon immer mal mies anfühlen. Ich wollte mich schon vorab bei Dir entschuldigen, aber dann dachte ich, warte es ab. Ich weiß noch, in meiner erste CW-Runde, wurde einer Prot. von mir ein Auge ausgestochen, und das habe ich nur ganz schwer ertragen können. Und dann klebte da auch noch der Horrortag dran :heul:

Da hast du wohl deinen eigenen Schnelligkeitsrekord gebrochen, wa?
Ich glaub, das ging schon mal fixer. Aber irgendwie - wenn ich im Kopf alles zusammen hab, dann will ich die Texte auch loswerden. Geht gar nicht um schnell - ist eher so eine innere Unruhe, die mich da treibt. Ich mein, wer möchte schon gern mit Onkel Manfred noch paar Nächte zu Bett gehen?

Die Wette hätte ich verloren, denn ich war mir sicher, du würdest dir „Rukola“ vorknöpfen, um ihn so richtig zu rupfen.
Ach! Den hatte ich überhaupt gar nicht im Fokus. Der ist so rund und fein, dem kann ich doch nix wollen. Niemals! Dagegen schrieb ich Dir bei Maskerade in den Kommentar:

... wenn ich Dich beim CW erwischt hätte, dann hätte ich mich wie Novak wohl auf diese Geschichte gestürzt. Fremdgehen, Kinder verlieren, überhaupt Kinder wollen, das sind schon Themen, für die ich mich sehr erwärmen kann. Also thematisch ist die Geschichte voll mein Ding.
Aber da war eben @Novak auch schon dran und sie hat es gut gemacht, dagegen wollte ich auf keinen Fall antreten.

Tja, das ist und bleibt eine ungewöhnliche Erfahrung mit Herztrommeln, wenn man da eine von den eigenen Geschichten liest, die jemand anderer geschrieben hat. Dementsprechend bin ich noch etwas aufgewühlt und verstört. :D
Kenne ich verdammt gut, das Gefühl.

Ich meine mich zu erinnern, dass mir damals in einigen Kommentaren empfohlen wurde, die KG zu entschlacken und das Gegrapsche und Getatsche vom alten Wiegand zu streichen, weil ich sonst der Geschichte zu viel auf den Rücken packen würde.
Ist was dran an den Kommentaren, aber was bin ich froh! Nicht auszudenken, Du hättest nachgegeben. Wo hätte ich denn da sonst reingretschen können ...

... deiner eindringlichen und spannenden Copy-Version machen.
dafür gibt es den: :kuss:

Wie weit ist ein Mensch bereit zu gehen, um seine Sucht zu befriedigen? Unter welchen Bedingungen überschreitet er die Grenzen seiner eigenen Wertvorstellungen?
Das war tatsächlich für mich die Frage, die mich beim Schreiben begleitet hat, die immer mitlief im Hinterkopf.

Armes Luder! Sie ist ja so einsam und voller Sehnsucht.
Ja.

Haha! In den Augen der Frau mit Konfektionsgröße 48 ist die mit der 44 schon ein Hungerhaken.
Hehe

Und spätestens hier spüre ich die ungute Schwingung, die von dem Mann ausgeht.
Ach, ich weiß gar nicht, ob ich das an der Stelle schon so werten würde. Aber ich nehme da natürlich jede Lesart mit, die ich kriegen kann.

Ist natürlich anschaulich gemacht, der Rückblick in die Kindheit, bin mir jedoch nicht sicher, ob ich die kindliche Erzählstimme für diese Passage gewählt hätte. Gesine blickt doch als Erwachsene mit Erfahrung zurück. All die Erlebnisse haben doch schon eine Wertung durchlaufen. Aber wie gesagt, bin nicht ganz sicher.
Kommt für mich jetzt nicht überraschend, der Einwand. Denn genau diese Frage habe ich mir selbst so auch gestellt. Einerseits ist so, wie Du sagst, auf der anderen Seite ist es aber das fünfjährige Mädchen, um das es geht. Und ich fand es irgendwie charmant, es selbst zu Wort kommen zu lassen und habe mich erst Mal dafür entschieden, mal zu gucken, wie das so angenommen wird oder auch nicht. Will sagen, wenn sich das bei mehreren verfängt, ändere ich das auch schmerzfrei ab.

Verunsichert, eingeschüchtert, kein Selbstvertrauen, ja, genauso hatte ich mir Gesine ausgemalt. Wenig widerstandsfähig, auch weil die Eltern alle Stolpersteine rechtzeitig aus dem Weg räumten. Ein perfektes Opfer.
Ja. Das hast Du ihr schon schön an den Hals geschrieben. Du hast ihr ja auch wirklich nichts mitgegeben, was ihr im Leben mal hilft. Und Daddys Hilfe ist ja auch mehr als fragwürdig.

Großartig, diese Großzügigkeit. Manfred gibt Gesine das Gefühl, sie habe die Wahl.
Ja, der ist schon ... ach, mich schaudert es gleich wieder.

Was isn das eigentlich für ein Laden? Oder hab ich das überlesen?
Bei Dir eine Apotheke, bei mir irgendeiner. Spielt das eine Rolle? Ist das wichtig? Kann dem natürlich noch was in die Regal packen, wenn es denn gebraucht wird. Auch ganz schmerzfrei.

Oh, Fliege, der Onkel Manfred hat es wirklich in sich.
Ich will den auch nicht geschenkt haben.

Es geht ums Ausleben von Machtgefühlen und um Demütigung und …
Ja. Deshalb kann er auchnicht zu einer Professionellen gehen.

Da fällt mir auf, es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass er Gesine schon zu nahe kam, als sie noch Kind war. Vielleicht hat sie die Erinnerung verdrängt. Mir ist so, als wäre mir bei meinen damaligen Recherchen zur Ursachen der Sucht unter anderem der Begriff „Missbrauch“ begegnet.
Missbrauch ist ja die Ursache für vieles. Pädophelie will ich dem Onkel eigentlich nicht noch in die Schuhe schieben. Für Gesine war er damals wirklich nur der lustige Onkel. Ich finde die Vorstellung, dass da ein Bild, dass man von einem Menschen hat, sich auf einmal so dreht, auch echt schwierig zu verarbeiten für den Betroffenen, das hat schon auch etwas ganz schwieriges an sich. Aber klar, wenn der Leser das für sich so im Nachgang interpretiert, dann ist dem so. Aber im Text angelegt, habe ich es eigentlich nicht. Jedenfalls war dieses Thema für mich nie ein Thema.

An dieser Stelle auch mal ein fettes Danke für die Fehlerlese. Manches ist echt peinlich, aber man wird ja auch immer so ein wenig blind beim Schreiben. Ich jedenfalls.

Was für eine Abwärtsspirale!
Ja.

Scham, Verleugnung! Sehr eindringliche Szene.
Nee, nee, das ist aber nicht mehr meine Gesine. Die wäre nicht so weit gegangen, ich glaube, nur bis zum blauen Body.
Glaube ich Dir sofort. Ab dem blauen Body übernehme ich die komplette Verantwortung für Gesine.

Ich sage nichts. Schweige.
Ist es nicht dasselbe?
Doch, doch. Aber der Sound ist so viel besser. Finde ich jedenfalls.

Sie hat mir ausgesprochen gut gefallen, deine Copy-Idee und ihre Umsetzung.
Du glaubst gar nicht, wie froh ich darüber bin. Das hat sich sehr erleichternd angefühlt und dann kam es auch noch so schnell.

... vor allem, wenn ich mir den Text mit weniger Holterdiepolter und gezügelten Emotionen zur Brust nehme.
Du hast doch schon ganz viel gesagt. Und ist ja auch kein Text, den man endlos auseinandernehmen kann. Aber komme gern wieder, ist nicht so, dass ich das nicht möchte ;).

Ich selbst muss auch erst mal ein bisschen Abstand gewinnen. Für mich war das auch viel Holterdiepolter und ziemlich emotional beim Schreiben. Und die eine Nacht jetzt hat noch nicht so wirklich viel gebracht. Es bleibt spannend.

Hab tausend Dank!
Liebe Grüße und eine gute Zeit beim Schreiben deiner eigenen Copygeschichte,
Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @Fliege ,

ich habe vorsichthalber nochmals Peregrinas Text und meinen eigenen Kommentar dazu von damals gelesen.
Also, da war schon deutlich, dass es Zusammenhänge zwischen verschiedenen Suchtformen geben kann. Und so stellen sich für mich die Fragen nach den Auslösern des Suchtverhaltens und die Frage, wie weit würde ein Mensch gehen, um seine Sucht zu befriedigen.

Jedesmal steht eine junge Frau, ein "dickes Mädchen" im Zentrum der Geschichte. Die Protagonistinnen empfinden sich als hässlich und leiden darunter. Derzeit ist das magere Model immer noch das Maß aller Dinge. In anderen Kulturen kann dies ganz anders sein. Ich muss dabei gerade an den lateinamerikanischen Maler Botero denken, z. B. an das Bild "Dienstmädchen" von 1974. Botero fand dicke Frauen besonders schön und keinen Grund für sie, sich minderwertig zu fühlen..
Wie weit haben Eltern es in der Hand, das Essverhalten ihrer Kinder zu steuern? Ich glaube, hier sind einige Fragen offen und dadurch relevant.
Interessant finde ich in deinem Copywrite, dass Peregrinas Gesine vor allem unter der Geringschätzung ihrer Umwelt leidet. Aus ihrem Ohnmachtsgefühl scheint Kleptomanie ihr für einige Momente ein Machtgefühl zu leihen. Das ist schließlich wichtiger als ein gut gemeinter Rettungsversuch.

Sie schenkten mir einen goldenen Karton und darin lag ein rosa Prinzessinnenkleid, ich zog es sofort an. Als ich es abends ausziehen sollte, schrie ich so lange, bis Mama mich darin zu Bett gehen ließ. Am nächsten Morgen war es ganz zerknittert und ein Schulterriemchen gerissen. Aber Papa fuhr mit mir in die Stadt und kaufte mir ein neues. Dazu bekam ich ein Diadem und rosa Nagellack. Das Kleid von Papa war noch viel schöner als das von Tante Linda und Onkel Manfred. Noch viel, viel, viel, viel schöner!

Der blaue Body schmiegt sich perfekt an meinen Körper, in den Hüften gleich einer Korsage. Ich kann nicht aufhören über die glatte, kühle Seide zu streichen, mir dabei im Spiegel zuzuschauen und an den lose hängenden Strapsbändchen zu zuppeln. Er ist so schön! Ich bin so schön!
Du wiederum, liebe Fliege, bist deiner Prota buchstäblich auf den Leib gerückt. Die kennt durchaus Glücksgefühle, sie kann aus den haptischen Empfindungen sinnliche Genüsse zieht. Und das fängt schon früh an und ich frage mich, wo hier der Ursprung liegt.
(Ich kenne in meiner Verwandtschaft eine kleines Mädchen, das jeden Morgen nur in den Kindergarten ging, wenn es sich als Prinzessin anziehen durfte. Die Mutter musste viele Reaktionen in Buss und Straßenbahn aushalten, zustimmende und entrüstete. Das Mädchen von damals ist heute eine ganz liebenswerte Mittdreißigerin;))
In dem Augenblick, wo der sexsüchtige Onkel Manfred als fieser Erpresser auftritt, nimmt die Sache eine fatale Wendung. Aus dieser Nummer kommt die Prota nicht mehr heraus. Da kann der ahnungslose, naive Papa auch nichts mehr tun.

Mir hat dein Copywrite sehr gut gefallen. Ich glaube dir aufs Wort, dass es keine leichte Übung war. Ich selbst hätte einen solchen Text in seiner Eindringlichkeit nicht schreiben können.

Copywrite ist eine lohnenswerte Herausforderung.

Liebe Grüße wieselmaus

 

ein bisschen habe ich mich vor deinem Komm ja auch gefürchtet. Ich mein, ich war nicht gerade nett zu deiner Gesine und das kann sich auch schon immer mal mies anfühlen.
Hey, liebe @Fliege, vor mir braucht sich niemand zu fürchten. Ich meine, wer sich auf das Copy-Spielchen einlässt, muss auf alles vorbereitet sein, auch auf schwerste Misshandlungen der Charaktere.

Ich weiß noch, in meiner erste CW-Runde, wurde einer Prot. von mir ein Auge ausgestochen, und das habe ich nur ganz schwer ertragen können. Und dann klebte da auch noch der Horrortag dran :heul:
Muss ich mir unbedingt anschauen, klingt vielversprechend.

Kommt für mich jetzt nicht überraschend, der Einwand. Denn genau diese Frage habe ich mir selbst so auch gestellt. Einerseits ist so, wie Du sagst, auf der anderen Seite ist es aber das fünfjährige Mädchen, um das es geht. Und ich fand es irgendwie charmant, es selbst zu Wort kommen zu lassen und habe mich erst Mal dafür entschieden, mal zu gucken, wie das so angenommen wird oder auch nicht. Will sagen, wenn sich das bei mehreren verfängt, ändere ich das auch schmerzfrei ab.
Also da bin ich ja wirklich gespannt, wie das andere beurteilen.

Aber warum ich hauptsächlich noch mal auf der Matte stehe:

Was isn das eigentlich für ein Laden? Oder hab ich das überlesen?
Bei Dir eine Apotheke, bei mir irgendeiner. Spielt das eine Rolle? Ist das wichtig? Kann dem natürlich noch was in die Regal packen, wenn es denn gebraucht wird. Auch ganz schmerzfrei.
Gute Frage, ist das wichtig?
Einerseits lese ich hier immer mal etwas darüber: das Konkrete sei dem Allgemeinen vorzuziehen oder über glaubwürdige, authentische Settings.

Andererseits, welche Produkte könnten das sein, die Gesine nicht ständig zurufen würden: Kauf mich! Vielleicht Lebensmittel, trotz ihrer Fressattacken? Schreibwaren? Denn ich weiß hundertpro, dass Nippes, Schuhe, Schmuck, Bücher die gleiche magnetische Anziehung haben wie Wäsche und Kleidung. Jedenfalls ist das bei meiner Gesine so. :lol:

Und nur ganz kurz: Die Apotheke hatte ich gewählt, weil ich u. a. an dem Schauplatz Süchtling auf Süchtling stoßen lassen konnte. Die Oma ist so was von tablettenabhängig und Gesine hat natürlich ein gewisses Verständnis.

Missbrauch ist ja die Ursache für vieles. Pädophelie will ich dem Onkel eigentlich nicht noch in die Schuhe schieben. Für Gesine war er damals wirklich nur der lustige Onkel. Ich finde die Vorstellung, dass da ein Bild, dass man von einem Menschen hat, sich auf einmal so dreht, auch echt schwierig zu verarbeiten für den Betroffenen, das hat schon auch etwas ganz schwieriges an sich.
Hast recht. Hätte Manfred diese Neigung, dann würde er nicht so einen Aufwand mit der erwachsenen Gesine betreiben.
Aber klar, wenn der Leser das für sich so im Nachgang interpretiert, dann ist dem so. Aber im Text angelegt, habe ich es eigentlich nicht. Jedenfalls war dieses Thema für mich nie ein Thema.
Wahrscheinlich habe ich doch etwas überreagiert.

Du hast doch schon ganz viel gesagt. Und ist ja auch kein Text, den man endlos auseinandernehmen kann. Aber komme gern wieder, ist nicht so, dass ich das nicht möchte ;).
Da muss ich dir energisch widersprechen. Man kann einen Text bis zum Erbrechen durchkauen. Auch diesen, aber das wollen wir ja nicht. Für die Antwort unter meiner Gesine-Geschichte muss ich mir außerdem noch ein paar Gedanken aufsparen. Im Voraus schon mal ein liebes Danke für deinen Komm.

Liebe Grüße und eine gute Zeit beim Schreiben deiner eigenen Copygeschichte,
Noch mal danke. So richtig komm ich nicht aus der Hüfte, doch so viel sei schon verraten. Die Geschichte wird Konsequenzen haben. @Friedrichard wird mir voraussichtlich die Freundschaft kündigen – nie mehr ein väterlicher Rat zum Konjunktiv. :crying:

Und natürlich liebe Grüße zurück von peregrina

 

Meine Güte, jetzt les ich sogar, dass Deine Heldin auf der Unterlippe kau(f)t! -
schrieb ich vor satten vier Jahren zu Deiner Vorlage,

liebe Fliege,

und Du setzt dieses „geflügelte“ Wort, also eher „flüchtige“ Wort buchstäblich um, wenn der liebe Onkel M. [(ahd.) „man fridu“] die Dinge richten soll, wenn zwischen

Elegant schlage ich ein Bein über das andere, drücke mich ins Hohlkreuz, hebe das Kinn und fühle mich wie eine Königin.
und dem
Mich vor ihm umzuziehen, war mir die größte Angst, denn ohne Wäsche wäre ich nackt und nackt wollte ich auf keinen Fall sein.
die vielfache Abhängigkeit/Gebundenheit des modernen Menschen zwischen inneren und äußeren Zwängen aus Arbeitswelt und Konsumwahn auf den Punkt gebracht wird: Der (oder ein) liebe(r) Onkel wirds schon richten.

Aber was ist mit den zwo konjunktiefen Ausprägungen

Nach einer halben Stunde fragt eine der Verkäuferin[nen] durch den Vorhang, ob bei mir alles in Ordnung sei? Ob ich Hilfe bräuchte? Brauche ich nicht.
wo eigentlich nur das letzte „brauchen“ korrekt verwendet wird, wo vorher Konj. II („bräuchte“, aber auch "brauchte" reichte schon) und durchs „sei“ Konj. I („brauche“) vermengt werden in indirekter Rede …, was weiter unten dann zu einem anderen Gemenge aus Konjunktiv und Indikativ wird
Onkel Manfred sagte, ich sei das allerschönste Mädchen und dass die anderen Kinder nur neidisch waren, weil sie nicht so viel Süßigkeiten essen durften wie ich.

Im ersten Fall geht’s freilich mit Konj. II in Ordnung, um den Gleichklang von Konj. I mit dem Indikativ zu vermeiden, im zwoten Fall eher nicht mehr, entweder „neidisch seien“ (oder „wären“, wenn der Onkel oder Du an des Onkels Aussage zweifel(s)t).

Aber was ist hier mit der indirekten Rede mit dem Indikativ „wird“?

Und Papa versprach, er wird den Lümmeln die Ohren langziehen, wenn die zu ihm in die Praxis kommen.

Und wie wahr ist diese KOnstruktion
Erst im letzten Monat habe ich meinem Vater erzählt, die Waschmaschine sei kaputt und ich hätte eine neue kaufen müssen, und dass deswegen mein Geld für die Miete nicht reichen würde. Ihn kann ich auf keinen Fall schon wieder fragen.​

»Du wolltest die Sachen neulich kaufen, bevor du weggerannt bist. Ich schenke sie dir. Und ich gebe dir 200,00 € obendrauf.
Sagt er tatsächlich zweihundert Komma nullnull? (kommt weiter unten ähnlich bei der doppelten Summe vor!)

Ich fange an zu zittern, höre Atem, lauten, schnellen AtemKOMMA der nicht der meine ist.

Ich habe es verdammt noch[...]mal geschafft! Und ich lebe noch.
(eigentlich ein verkürztes "noch einmal"

Wie dem auch wird mit unserer Antiheldin,

nicht ungern gelesen vom

Friedel

 

Liebe @Fliege ,

das wäre ja schade, hättest Du die Geschichte nicht geschrieben. Du warst ja echt schnell. Wow. Es hat sich aber auch gelohnt. Man merkt, dass Du in der Geschichte drin warst und nah dran, an Deiner Prota.

»Tut mir leid, aber da scheint es ein Problem zu geben.«
Dieser peinliche Moment, in dem die Karte nicht funktioniert. Ist mir auch schon passiert wegen eines blöden Magneten am Handtaschenverschluss.
gut. Es brennt und juckt und ekelt mich an.
Klasse Vorshadowing.
kommen. Dabei war Papa gar kein Ohrenarzt, sondern Zahnarzt und ich habe mir die Ohren der Stänkerkinder ganz genau angeguckt, aber sie sahen immer normal klein aus, auch als niemand mehr gemeine Dinge hinter mir herrief.
Na, das Zahnarztkind hänseln, schon eine gefährliche Sache :sconf:
Ich will dich nur anschauen. Wirklich. Ich verspreche dir hoch und heilig dich nicht zu berühren. Du musst sie nur für mich anziehen, das ist alles.«
?
streichen. Es gibt keinen Bademantel - Es gibt ihn einfach nicht – Ich habe nie von einem Bademantel gehört.
Da ist irgendetwas Komisches mit der Zeichensetzung passiert.


Aber, sodele, wie gesagt: Hat mir sehr gut gefallen. Vor allem der Anfang in der Umkleidekabine, wo man noch nicht so ganz wusste, mit wem man da eigentlich drin steht und was das alles soll und dann die Einführung des lieben Onkels. Das hast Du sehr einfühlsam rübergebracht. Auch diese Entwicklung, wie die Grenzen sich immer mehr verschieben, wie sie sie verschieben lässt, um ihre Sucht zu befriedigen. Die dann am Ende auch keine gute Befriedigung mehr bringt.

Jedenfalls hoffe ich, dass sie nicht zur Arbeit geht. Who knows. Vielleicht erfahren wir das im nächsten Copywrite.

LG
Mae

 

Liebe @Fliege


Ich bin ein riesiger Fliege-Geschichten Fan. Copywrite mal etwas anderes.

Gut fand ich: dass du das „Du“ im Titel in ein „Ich“ geändert hast. Es war für mich authentischer, persönlicher, ich konnte es besser verstehen.
Kaufsucht ein immer aktuelleres Thema. Interessant war für mich zu sehen, wie sich die Schmerzgrenze stetig weiter nach oben schob.
Du hast es toll geschrieben, wie sie trotz ihrer Hemmungen und der Scham ihre Sucht immer weiter fütterte.
Es ist ein Phänomen, dass sich oft einer findet, der die Sucht eines anderen Menschen für seine eigne Befriedigung ausnützen kann.
Zwei kranke Menschen die voneinander abhängig werden.
Er findet nur Befriedigung, wenn er ihre Scham und ihre Hemmungen spürt.
Erst als ihre Leidensgrenze erreicht ist, will sie aussteigen.

Durch Nachthemden und Pyjamas hindurch beobachte ich Manfred Wiegand, warte auf einen günstigen Moment, die Wäscheabteilung unbemerkt zu verlassen.
Schönes Kopfkino.
Ich spüre seinen Blick auf meiner Haut. Ein Gefühl wie Feuerquallen.
Toller Vergleich
Aber Papa fuhr mit mir in die Stadt und kaufte mir ein neues.
Wenn Bedürfnisse so schnell befriedigt werden, wie lernt man da ein Gefühl auszuhalten.
Dabei war Papa gar kein Ohrenarzt, sondern Zahnarzt und ich habe mir die Ohren der Stänkerkinder ganz genau angeguckt, aber sie sahen immer normal klein aus,
So ein toller Kindermund.
ich ihn kenne, gibt er es dir bestimmt«, setzt Manfred noch einmal nach.
»Ja. Äh, nein! Ich will ihn nicht fragen. Auf gar keinen Fall.«
»Und da bist du dir ganz sicher?«
Ich nicke.
»Nun«, sagt er, steht von seinem Stuhl auf und umrundet den Schreibtisch, lehnt sich gegen die Tischplatte und verschränkt die Arme vor der Brust.
Wie gemein er da auslotet, ob sie wirklich am Ende ihrer finanziellen Möglichkeiten angekommen ist.
Aber halten wir noch einmal fest, dass ich dir keinen Vorschuss geben kann, weil du dir dein Gehalt bereits vollständig auszahlen lassen hast.«
Dieser Satz hört sich für mich nicht ganz rund an.
Es ist herrlich still in meinem Kopf, als ich die Bestellung absende.
Die Sucht ist fürs erste gesättigt.

Ein interessantes Copywrite wie immer sehr gerne gelesen

Ich wünsche dir einen schönen Abend
LG CoK

 

Liebe @wieselmaus,

hab vielen, lieben Dank für deine Zeit und deine Zeilen! Ich habe mich so gefreut. Und entschuldige bitte, die etwas späte Antwort, das Wetter war einfach zu schön, ich musste einfach raus aus der Bude.

Und so stellen sich für mich die Fragen nach den Auslösern des Suchtverhaltens und die Frage, wie weit würde ein Mensch gehen, um seine Sucht zu befriedigen.
Schätze, auf diese Fragen gibt es so viele Antworten, wie es Menschen und ihre Erfahrungen/Eigenheiten gibt. Sich jedoch einen in Gedanken zu erschaffen und diesen Fragen nachzuspüren, war ein spannende Aufgabe, weil ich da nicht auf meine Erfahrungen zurückgreifen konnte. Ich mein, Kaffee und Zigaretten haben mich bisher nicht in die Insolvenz getrieben.

Botero fand dicke Frauen besonders schön und keinen Grund für sie, sich minderwertig zu fühlen..
Damit ist er sicher nicht allein. Zu jeder Zeit gab und gibt und wird es Männer geben, die es lieber weich mögen. Dieses Superdünn ist wohl eher ein Medienabfallprodukt und ich freue mich jedes Mal wie Bolle, wenn ich in der Werbung ein erweitertes Figurenspektrum sehe. Die Nebenwirkungen dieses Idealbildes kann man sich einfach nicht schönreden.

Du wiederum, liebe Fliege, bist deiner Prota buchstäblich auf den Leib gerückt. Die kennt durchaus Glücksgefühle, sie kann aus den haptischen Empfindungen sinnliche Genüsse zieht.
Ja.

(Ich kenne in meiner Verwandtschaft eine kleines Mädchen, das jeden Morgen nur in den Kindergarten ging, wenn es sich als Prinzessin anziehen durfte. Die Mutter musste viele Reaktionen in Buss und Straßenbahn aushalten, zustimmende und entrüstete. Das Mädchen von damals ist heute eine ganz liebenswerte Mittdreißigerin;))
Warum auch nicht? :) Nette Geschichte.

Aus dieser Nummer kommt die Prota nicht mehr heraus. Da kann der ahnungslose, naive Papa auch nichts mehr tun.
Papa könnte etwas genauer nachfragen und dem Kind mal eine Therapie vorschlagen. Allerdings denke ich, dass den Eltern ab irgendwann auch einfach die Hände gebunden sind, Kinder ihren eigenen Weg gehen. Weiß gar nicht, ob Gesine die Hilfe ihres Vaters in diesem Punkt überhaupt annehmen würde, abgesehen vom Geld, aber das ist ja keine wirkliche Hilfe für ihr Problem. Vielleicht würde sie dem Fiskus entkommen, immerhin, aber ihre Sucht bekämpft Geld so gar nicht.

Mir hat dein Copywrite sehr gut gefallen. Ich glaube dir aufs Wort, dass es keine leichte Übung war.
Nee, war es wirklich nicht. Mir kleben noch immer die Onkelblicke selbst auf dem Körper.

Copywrite ist eine lohnenswerte Herausforderung.
Immer wieder!

Sei ganz lieb gegrüßt!


Liebe @peregrina,

da warste aber fix zurück :) Hab Dank und Dank und Dank!

Ich meine, wer sich auf das Copy-Spielchen einlässt, muss auf alles vorbereitet sein, auch auf schwerste Misshandlungen der Charaktere.
Jaja, aber schön ist das nicht :D

Also da bin ich ja wirklich gespannt, wie das andere beurteilen.
Ich auch. Bisher habe ich Glück mit meiner Variante. Aber wir sind ja noch nicht durch. Es bleibt spannend.

Gute Frage, ist das wichtig?
Einerseits lese ich hier immer mal etwas darüber: das Konkrete sei dem Allgemeinen vorzuziehen oder über glaubwürdige, authentische Settings.
Das Setting wird ja nicht glaubwürdiger, weil da Apotheke oder Reisebüro oder Pralinen steht. Das bildet ja eher der Verkaufsraum, das Büro, die Personaltoilette. Und grundsätzlich ist Konkret immer besser als Allgemein, und ich liebe Details auch sehr, sehr, sehr. Aber wenn sie zu nichts führen, dann sind sie halt auch überflüssiger Ballast, so schön sie auch sein mögen. Wie gegsagt, ich kann schon verstehen, dass die Frage aufploppt, und wenn dem so ist, dann soll das auch wieder eine Apotheke werden oder ein Reisebüro oder ...

Andererseits, welche Produkte könnten das sein, die Gesine nicht ständig zurufen würden: Kauf mich! Vielleicht Lebensmittel, trotz ihrer Fressattacken? Schreibwaren? Denn ich weiß hundertpro, dass Nippes, Schuhe, Schmuck, Bücher die gleiche magnetische Anziehung haben wie Wäsche und Kleidung. Jedenfalls ist das bei meiner Gesine so. :lol:
Nee, in so einem Laden kann sie auf keinen Fall arbeiten. Da hätte ich deine und meine Gesine auch nicht untergebracht. Das ist ja wie einen Alkoholkranken in einer Bar arbeiten zu lassen.

Und nur ganz kurz: Die Apotheke hatte ich gewählt, weil ich u. a. an dem Schauplatz Süchtling auf Süchtling stoßen lassen konnte. Die Oma ist so was von tablettenabhängig und Gesine hat natürlich ein gewisses Verständnis.
Jetzt wo du das sagst ... stimmt. Das lief in meinem Unterbewusstsein doch sehr unterbewusst mit.

Im Voraus schon mal ein liebes Danke für deinen Komm.
Ist ja wohl das Mindeste, wenn ich sie Dir schon entführe :).

So richtig komm ich nicht aus der Hüfte, doch so viel sei schon verraten. Die Geschichte wird Konsequenzen haben. @Friedrichard wird mir voraussichtlich die Freundschaft kündigen –
Na, da muss es (glaub ich), wohl richtig Dicke kommen, bevor der Friedel das tut. Ich kann mir das nicht vorstellen. Aber es klingt gut und macht mich verdammt neugierig.

Wir lesen uns! Liebe Grüße in den Westen.


Lieber @Friedrichard,

schrieb ich vor satten vier Jahren zu Deiner Vorlage,
Woran Du Dich so erinnern kannst :eek:

und Du setzt dieses „geflügelte“ Wort, also eher „flüchtige“ Wort buchstäblich um, ...
Hehe - Das finde ich jetzt irgendwie auch hübsch.

... die vielfache Abhängigkeit/Gebundenheit des modernen Menschen zwischen inneren und äußeren Zwängen aus Arbeitswelt und Konsumwahn auf den Punkt gebracht wird: Der (oder ein) liebe(r) Onkel wirds schon richten.
Na ja, ob er es wirklich richtet? Auf jeden Fall sieht sie in ihm vorerst die Lösung. Und ja, der Trend begegnet mir im Alltag (für mein Empfinden) auch all zu oft. Weiß nicht, ob das schon immer so war, aber mir fällt es immer häufiger auf. Gar nicht mal in so Extremsituationen wie dieser, aber Probleme selbst anpacken, ist definitiv nicht jedermanns Sache oder sagen wir, ist nicht einem jeden gegeben. Kommt sicher aber auch die Umstände an.

Nach einer halben Stunde fragt eine der Verkäuferin[nen] durch den Vorhang, ob bei mir alles in Ordnung sei? Ob ich Hilfe bräuchte? Brauche ich nicht.

wo eigentlich nur das letzte „brauchen“ korrekt verwendet wird, wo vorher Konj. II („bräuchte“, aber auch "brauchte" reichte schon) und durchs „sei“ Konj. I („brauche“) vermengt werden in indirekter Rede …,
Da guck! Da hatte ich das doch richtig! Ich ändere das gleich wieder zurück. Haben deine vielen Kommentare bei mir doch was bewirkt, auch wenn ich meinem Wissen noch nicht so recht über den Weg traue.

Im ersten Fall geht’s freilich mit Konj. II in Ordnung, um den Gleichklang von Konj. I mit dem Indikativ zu vermeiden, im zwoten Fall eher nicht mehr, entweder „neidisch seien“ (oder „wären“, wenn der Onkel oder Du an des Onkels Aussage zweifel(s)t).
Aber hier habe ich versagt. Hast recht.

Aber was ist hier mit der indirekten Rede mit dem Indikativ „wird“?
Und Papa versprach, er wird den Lümmeln die Ohren langziehen, wenn die zu ihm in die Praxis kommen.

Aber Papa tut das doch, wenn auch im übertragendem Sinn? Dann ist doch Indikativ.

Und wie wahr ist diese KOnstruktion
So unwahr, wie es der Konjunktiv nur zulässt. Erstunken und erlogen ist das alles.​

Sagt er tatsächlich zweihundert Komma nullnull? (kommt weiter unten ähnlich bei der doppelten Summe vor!)
Natürlich nicht. Aber der Leser liest das ja auch so nicht. Du auch nicht, da wette ich einen halben Liter Bock drauf. Insofern ... okay, man könnte es auch ausschreiben. Tut ja nicht weh. Aber irgendwie mag ich das. Es sieht so sehr korrekt aus, wenn die Zahlen da wie auf einer Quittung stehen, wie auf dem Preisschild, denn das ist es am Ende ja. Deshalb die Schreibweise. Blöder Gedanke?

Lieber Friedl, habe vielen, lieben Dank für deinen Kommentar und die Flusenlese. Hat mich sehr gefreut. Und ich bin gespannt, wozu Dich das CW diesmal inspiriert.

Ganz liebe Grüße, Fliege


Liebe @Maedy und @CoK,

Besuch hat sich angemeldet und ich muss noch einkaufen und ... Vielen Dank auch an Euch! Hat mich sehr gefreut. Richtig doll. Morgen - ich verspreche es!

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @Fliege ,

uff, gut gemacht, würde ich sagen. Du baust das geschickt auf. Die Feuerquallen deute ich zuerst gar nicht, auch wenn mir der Ausdruck sofort auffällt. Später musste ich an den Käfermann in Blue Velvet denken. Ich habe deine Protagonistin recht klar vor Augen, auch wenn ich ihr Alter nicht gut einschätzen kann. Zuerst dachte ich sogar, sie wäre eine alte Frau, die sich nochmal in schöne Kleider steckt, um in Erinnerungen an ihren jugendlichen Körper zu schwelgen. Hast du das Alter irgendwo explizit oder in Andeutungen geklärt? Sonst würde ich das nochmal hervorheben. Zuerst habe ich in Richtung Kleptomanie gedacht. Dann hast du das mit dieser frühen Kindheitserfahrung aber gut eingefädelt. Hat mich trotz verrufener Rückblende gar nicht gestört. Ich finde auch, dass trotz wenig Foreshadowing das mit dem Onkel funktioniert. Ich war natürlich (menschlich) enttäuscht, als das Gespräch diese Wendung genommen hat und es steckt schon auch ein Klischee darin (der perverse Onkel bzw. Freund des Vaters), was aber doch davon gebrochen wird, dass hier eben eine weibliche Perspektive auf diesem sehr schwierigen, schmalen Grad entlang des Pornographischen erzählt wird, was dir, finde ich, gut gelingt. Ob das ein haltbarer Standpunkt ist, sei mal dahingestellt, aber ich würde schon sagen, die Geschichte ist das Klischee wert und so geht es mir nicht selten und das hat dann letztlich auch damit zu tun, ob ich einer Story folgen möchte oder nicht (willing suspension of disbelief). Das Ende ist gut. Ruhig, aber vor allem beruhigt. Klar könntest du versuchen, da einen Ausbruch zu gestalten, einen Vorschlag zu geben. Aber gerade dadurch, dass 'sie jetzt wieder zur Arbeit kommen kann', weil ja wieder alles gut ist, die Lüge weiterbesteht, kribbelt es mir als Leser in den Fingern, möchte ich eine Gerechtigkeit und nehme diesen Wunsch aus der Geschichte mit. Ein bekanntes filmisches Beispiel und interessanterweise auch in einem Schreibratgeber – ich glaube, Robert McKee – zur Erklärung für diverse Erzählkniffe herangezogen, ist Chinatown (von 1974). Sehr guter Film, finde ich.
Sprachlich verorte ich deinen Text in den Jugendbuch- und Unterhaltungsbereich. Ich habe da Respekt vor, so etwas meine ich nie blöd. Die Sprache ist 'easy' und fokussiert auf Gefühlsbeschreibungen/Emotionen. Da geht es ums Mitfühlen, weniger darum, sich an der Sprache zu erlaben. Hin und wieder gibt es aber schon so kleine Kniffe personaler oder erlebter Rede, wo man den Sinn für Ausdruck ablesen kann, wenn man mag. Ich finde diese Mischung eigentlich nie verkehrt, weil sie eben Gewicht auf das Emotionale legt und darauf, verstanden zu werden. Ich habe diesen Erzählton in deinen Stories auch öfter bemerkt, insofern geht ja auch die Idee des CW auf – Kopieren, aber mit eigener Handschrift. Den Originaltext kenne ich (noch) nicht.

bin ich hin und weg

habe ja schon was zum 'easy' der Sprache gesagt. Im Nachhinein passt das ja eigentlich ganz gut zu deiner Protagonistin, auch wenn ich da beim ersten Lesen gestolpert bin, eben weil es so phrasenhaft ist.

Ob ich Hilfe brauche? Brauche ich nicht. Mir geht es so gut wie schon lange nicht mehr.

Hier mehrere Dinge:

Mir ist noch was zur Logik und Verortbarkeit der Geschichte eingefallen. Mir ging es so, dass ich, wie gesagt, vor alem anfangs nicht wusste, wie alt oder jung die erzählende Person denn jetzt ist. Dieses 'so gut wie schon lange nicht mehr' ist ja sehr andeutungsreich, kann aber in dieser Offenheit auch auf falsche Fährten bringen. Mir ist auch nicht klar, wie diese Szene am Anfang zustande kommt. Zumindest ist fraglich, warum die magere Verkäuferin Gesine nicht mit ihrem Namen anspricht, wenn Gesine dort arbeitet (wovon ich ausgehe, weil Manfred ihr ja einen Vorschuss schon ausgezahlt hat). Deswegen nehme ich auch anfangs an, dass sie Kundin ist und dann im Nachhinein: während der Arbeitszeit? Mit der Verortbarkeit dieses Anfangs ist es etwas problematisch, finde ich. Vielleicht kannst du da noch was machen.

Aber nochmal speziell zum Zitat ("Ob ich Hilfe brauche ...")
Hier geht es mir über die personale Rede zu schnell. Bzw. setzt sich hier indirekte von personaler Rede nicht deutlich ab. "Brauche ich nicht" kann man auch als Antwort in indirekter Rede lesen. Das zweite aber ist etwas, dass sie sich selbst denkt. Das geht dann zu schnell, das verschwimmt. Du könntest zum Beispiel direkte Rede verwenden oder es anderweitig absetzen.

Ein Gefühl wie Feuerquallen.

gefiel mir sehr das Bild.

Noch viel, viel, viel, viel schöner!

Das empfand ich auch als Unregelmäßigkeit. Wenn du von Vergangenem erzählst, lässt du sie manchmal in so einen kindlichen Tonfall rutschen, der das ansonsten ebenfalls Kindliche an ihrer Erzählweise noch überbietet. Da bekommt es etwas Illustratives, als wolle sie ihr siebenjähriges Ich intonieren. Das finde ich unpassend, sie ist ja keine Schauspielerin. Da würde ich versuchen, ihren Erzählton halbwegs auf demselben Niveau zu halten

Als ich es abends ausziehen sollte, schrie ich so lange, bis Mama mich darin zu Bett gehen ließ.

hier zum Beispiel ist es einfach ein retrospektives Erzählen, kein intonierendes.

»Gesine rollt wie ’ne Lawine!« oder »Gesinelein, fett und klein wie ein Schwein«

du solltest Ghostwriterin für fiese Schulkids werden :D

Erst im letzten Monat habe ich meinem Vater erzählt
»Wie ich ihn kenne, gibt er es dir bestimmt«, setzt Manfred noch einmal nach.
»Und da bist du dir ganz sicher?«
Ich nicke.

hier wirkt der Dialog ziemlich voll. Da kannst du einiges streichen, denke ich

weil du dir dein Gehalt bereits vollständig auszahlen lassen hast

warum diese Passiv-Konstruktion?

Und ich gebe dir 200,00 € obendrauf

?? :lol: einfach zweihundert Euro, oder? mit diesen Nullen und der Kommastelle. Das ist doch nicht mündlich.

Ich will dich nur anschauen. Wirklich. Ich verspreche dir hoch und heilig dich nicht zu berühren. Du musst sie nur für mich anziehen, das ist alles

Das kam etwas plötzlich und ja, die Wendung ist auch über den perversen Onkel hinaus klischeebelastet – "Die Schulden auf andere Weise bezahlen". Aber das tut dem keinen Abbruch, finde ich. Da bleibe ich bei dem, was ich weiter oben geschrieben habe.

Inhaltlich: starker Kontrast, so eine kindliche Kleiderbessene und ein perverser 'Onkel', der das für seine sexuellen Ego-Fantasien ausschlachtet.
Finde ich insgesamt gelungen.

Lieben Gruß
Carlo

 

Liebe @Maedy,

ich finde ja, Kommentare sind irgendwie ein bisschen wie Geburtstag haben und Geschenke bekommen. Vielen Dank für deines. Und so hübsch verpackt dazu noch, was habe ich mich gefreut.

Man merkt, dass Du in der Geschichte drin warst und nah dran, an Deiner Prota.
Hehe. Du ahnst gar nicht, wie sehr. Ich musste tatsächlich duschen gehen, nachdem ich die letzten Szenen geschrieben hab und das, obwohl ich mich frischgeduscht an den Schreibtisch gesetzt hatte :D. Dabei fällt mir ein, vielleicht sollte ich die Prota noch irgendwo duschen schicken, weil die Blicke sich so klebrig auf der Haut anfühlen ... Gar nicht so doof der Gedanke. Mal gucken, ob ich dazu mal Lust drauf habe.

Dieser peinliche Moment, in dem die Karte nicht funktioniert. Ist mir auch schon passiert wegen eines blöden Magneten am Handtaschenverschluss.
Kennt doch aber irgendwie jeder, oder?

Der sagt echt alles. :D

Aber, sodele, wie gesagt: Hat mir sehr gut gefallen. Vor allem der Anfang in der Umkleidekabine, wo man noch nicht so ganz wusste, mit wem man da eigentlich drin steht und was das alles soll und dann die Einführung des lieben Onkels.
Gut zu wissen, dass mir die Leser darüber nicht einschlafen.

Auch diese Entwicklung, wie die Grenzen sich immer mehr verschieben, wie sie sie verschieben lässt, um ihre Sucht zu befriedigen. Die dann am Ende auch keine gute Befriedigung mehr bringt.
Freut mich ja ungemein zu hören, wenn das funktioniert und die Leser diesen Weg mitgehen und nicht als zu konstruiert und gewollt empfinden. Das war meine größte Befürchtung, hier in Schieflage zu geraten.

Jedenfalls hoffe ich, dass sie nicht zur Arbeit geht. Who knows.
Ich hoffe das auch. Oder, ich wünsche es mir für sie. Also liebe Gesine, bleib zu Hause und kümmer Dich um dich!

Vielleicht erfahren wir das im nächsten Copywrite.
Ja, vielleicht ... Man kann ja nie wissen, welche Vorlagen herhalten müssen. Ich fände ja gut, wenn mal wer ein CW zu einem CW schreibt. Vielleicht kommt dann aber auch das Original wieder bei rum :D Unwahrscheinlich, aber möglich.

Bin sehr gespannt, was Du Dir ausgesucht hast und wie die Mae-Chutney aussieht. Klingt wie was, was man auf Speisekarten drucken könnte: Blablabla an Mae-Chutney :D


Liebe @CoK,

auch an Dich besten Dank für deinen Besuch hier in der Kreativ-Werksatt, den Ort der verschlungenen, dafür aber nicht ausgelatschten Pfade des Forums.

Ich bin ein riesiger Fliege-Geschichten Fan.
:kuss:

Kaufsucht ein immer aktuelleres Thema. Interessant war für mich zu sehen, wie sich die Schmerzgrenze stetig weiter nach oben schob.
Weiß nicht, ob es da draußen jemanden gibt, der so aggieren würde, wie ich es hab Gesine tun lassen, aber wenn man der Figur das so abkauft, finde ich das gut. Logisch.

Du hast es toll geschrieben, wie sie trotz ihrer Hemmungen und der Scham ihre Sucht immer weiter fütterte.
Was trinkst Du? Wein, Bier, Sekt, Saft? Egal, ich bezahle ;).

Zwei kranke Menschen die voneinander abhängig werden.
Ja, das findet man sehr häufig. Sind halt auch Magnete irgendwie. Die finden sich scheinbar immer.

Er findet nur Befriedigung, wenn er ihre Scham und ihre Hemmungen spürt.
Erst als ihre Leidensgrenze erreicht ist, will sie aussteigen.
Jipp.

Wenn Bedürfnisse so schnell befriedigt werden, wie lernt man da ein Gefühl auszuhalten.
Nie. Und so schön sich das als Kind anfühlt, im Erwachsenenleben fällt es einen echt auf die Füße.

Wie gemein er da auslotet, ob sie wirklich am Ende ihrer finanziellen Möglichkeiten angekommen ist.
Da kam ich mir beim Schreiben auch ganz fies vor. Mich hat der Typ so angewidert, dabei war ich es ja selbst, die ihm die Worte in den Mund legte. Ganz schräges Gefühl ...

Danke nochmals und ich wünsche Dir auch tolle Abende, jetzt, wo man endlich nicht mehr frieren muss. Ich genieße das gerade so!


Lieber @Carlo Zwei,

was für eine schöne Überraschung! Merci, Merci, Merci!

uff, gut gemacht, würde ich sagen.
Uff, so ein erster Satz, damit kann man doch um :D.

Ich habe deine Protagonistin recht klar vor Augen, auch wenn ich ihr Alter nicht gut einschätzen kann. Zuerst dachte ich sogar, sie wäre eine alte Frau, die sich nochmal in schöne Kleider steckt, um in Erinnerungen an ihren jugendlichen Körper zu schwelgen.
Jaaa, Alter ... irgendwie fand ich das gar nicht s wichtig, weil die Spanne, wo Frauen das so widerfahren kann, ja doch sehr groß ist, auf der anderen Seite, ich selbst habe sie so Mitte, Ende zwanzig gesehen. Aber mit der Altersgruppe tue ich mich bisschen schwer. Vielleicht habe ich es deswegen vermieden, es auszuführen. Der Gedanke, sie wäre so jenseits der sechszig in der Kabine, der gefällt mir ja total, allerdings ist das in der Tat sehr irreführend. Ich denke drüber nach, warte mal noch paar Komms dazu ab.

Hat mich trotz verrufener Rückblende gar nicht gestört.
Echt? Sind sie das? Ist an mir bis dato vorbeigegangen.

Ich finde auch, dass trotz wenig Foreshadowing das mit dem Onkel funktioniert.
Das scheint auch grad total Mode zu sein. Begegnet mir neuerdings recht häufig in den Kommentaren. Weiß noch gar nicht so recht, für wie wichtig ich das erachte.

Ich war natürlich (menschlich) enttäuscht, als das Gespräch diese Wendung genommen hat
Gut!

und es steckt schon auch ein Klischee darin (der perverse Onkel bzw. Freund des Vaters),
Ja, daran ist aber Peregrina Schuld. Die hat den Onkel erfunden :p Okay, okay, so hatte sie ihn nicht gedacht, nur so bisschen schmierig. Und klar ist das Klischee und hätte ich die Geschichte nicht als CW geschrieben - dann wäre es auch nicht der Onkel. Andererseits hätte ich ohne CW diesen Text auch nie geschrieben ... Wie auch immer, Du hast recht.

Ob das ein haltbarer Standpunkt ist, sei mal dahingestellt, aber ich würde schon sagen, die Geschichte ist das Klischee wert und so geht es mir nicht selten und das hat dann letztlich auch damit zu tun, ob ich einer Story folgen möchte oder nicht
Phuuu. Schwein gehabt.

Das Ende ist gut. Ruhig, aber vor allem beruhigt.
Danke dafür. Darüber habe ich fast am meisten nachgedacht, über das Ende, wie ich aus dieser Sache wieder rauskomme, ohne zu viel zu wollen oder zu moralisch zu werden oder irgendwie abzubrechen oder ... Gut, wenn es passt.

Ich habe diesen Erzählton in deinen Stories auch öfter bemerkt, ...
Deine Ausführungen zum Stil fand ich ganz spannend zu lesen, wie der so wirkt und was der so macht bei Dir. Aber ja, Du triffst ganz gut, was ich für mich gern hätte. Und deshalb freue ich mich auch total darüber.

Im Nachhinein passt das ja eigentlich ganz gut zu deiner Protagonistin, auch wenn ich da beim ersten Lesen gestolpert bin, eben weil es so phrasenhaft ist.
Ja. Aber solche kleinen Sachen charakterisieren auch gut, gerade in Dialogen, wäre blöd darauf zu verzichten, weil Phrasen unschön sind. Aber warum sollte G. reden, wie Autoren schreiben? G. will weder Geschichten noch Romane schreiben, der ist wurscht, ob Phrasen oder nicht.

Mir ist auch nicht klar, wie diese Szene am Anfang zustande kommt. Zumindest ist fraglich, warum die magere Verkäuferin Gesine nicht mit ihrem Namen anspricht, wenn Gesine dort arbeitet ...
Ja, hier lief bisschen was schräg. Sie shoppt nicht in dem Laden, wo sie arbeitet. Das sind zwei völlig verschiedene Läden. Wenn das beim Leser so läuft, ist doof, muss ich ran.

"Brauche ich nicht" kann man auch als Antwort in indirekter Rede lesen. Das zweite aber ist etwas, dass sie sich selbst denkt. Das geht dann zu schnell, das verschwimmt.
Macht das jetzt so einen Unterschied, ob sie es sagt oder denkt?

Du könntest zum Beispiel direkte Rede verwenden oder es anderweitig absetzen.
Aber warum? Aber ich schau mir das noch mal an. Langsam habe ich auch ein bisschen Abstand. Soll ja helfen.

Das empfand ich auch als Unregelmäßigkeit. Wenn du von Vergangenem erzählst, lässt du sie manchmal in so einen kindlichen Tonfall rutschen, ...
Nee, immer. Die ganze Rückblende ist im Ton einer Fünfjährigen. Da wechselt nichts. Ob das an sich so schlau ist, das beobachte ich gerade, wie Leser damit umgehen. Habe ich peregrina schon geschrieben - ich hänge nicht dran, aber ich finde es charmant. Ungewohnt, ja. So ungewohnt, dass man es nicht tun sollte, mal gucken.

du solltest Ghostwriterin für fiese Schulkids werden
In diesem Fall gehen die Blumen an @peregrina Ich hab das nur geklaut :sealed:

?? :lol: einfach zweihundert Euro, oder? mit diesen Nullen und der Kommastelle. Das ist doch nicht mündlich.
Da bist Du ganz bei @Friedrichard . Aber es sieht so hübsch nach Preisschild aus ... ich mag das :heul:

Inhaltlich: starker Kontrast, so eine kindliche Kleiderbessene und ein perverser 'Onkel', der das für seine sexuellen Ego-Fantasien ausschlachtet.
Finde ich insgesamt gelungen.
Da bin ich jetzt aber doch froh über dein Fazit nach dem sehr langen Komm mit ganz viel und intensiver Auseinandersetzung. Da stecken echt viel Zeit und Gedanken drin. Ich bin noch ganz voll davon. Die Geschichte wird von mir sicher noch weiter bearbeitet werden, ich sammle mal noch ein bisschen. Du hast ordentlich was auf die Liste gepackt und dafür ein großes Dankeschön!

Liebe, liebe Grüße an Euch alle!
Fliege

 

Liebe @Fliege

Ich erinnere mich gut an die Vorlage, an die feinen psychologischen Verästelungen, Elend und Verzweiflung eines verlorenen Mädchens.

Deine Version liest sich gut, luftiger Fliege-Sound. Ob man den nicht an der einen oder anderen Stelle durchbrechen, etwas mehr Schwere reinbringen müsste, um dem Thema gerecht zu werden, nicht allzu nah an eine Posse zu geraten, kannst du dir gern mal überlegen.

Deutlicher kritischer sehe ich allerdings das, was mir das erzählt wird, welchen Subtest ich da höre: das beinahe wehrlose Mädchen, ausgesetzt einer übergriffigen Männlichkeit, konsumabhängig, eine junge Frau, die keine andere Wahl hat und sich in ihr Schicksal ergibt. Diese Deutung geht aus der Geschichte hervor. Wie viele Frauen/Mädchen gibt es, die so sind? Welche Botschaft wird uns da mitgeteilt? Dass Frauen sich eben fügen müssen?
Kennst du "Fräulein Else" von Arthur Schnitzler? Darin wird dasselbe Thema behandelt, aber ganz anders aufgelöst, vor allem modernen. Fräulein Else soll für ihren Vater einen reichen Kerl um Geld bitten. Der willigt ein, möchte sie aber nackt sehen. Sie willigt ein, aber unter der Bedingung, sich öffentlich zu entblössen. Dadurch wird das Ansinnen des Mannes dekonstruiert. Dadurch entsteht eine ganz andere Ebene.

Paar Stellen

Der Zweiteiler lässt mich aussehen wie ein Mädchen in Schuluniform. Wegen der Karos und dem angedeuteten Röckchen. Als ich die dazugehörige Krawatte umlege, bin ich hin und weg. Ich mache ein strenges Gesicht, hauche: »Nein! Daran darfst du nicht einmal denken«, wackele dazu mit dem Zeigefinger und muss über mich selbst lachen.
sehr süß
Dazu bekam ich ein Diadem und rosa Nagellack. Das Kleid von Papa war noch viel schöner als das von Tante Linda und Onkel Manfred. Noch viel, viel, viel, viel schöner!
trägt der Papa ein Kleid?
Onkel Manfred sagte, ich sei das allerschönste Mädchen und dass die anderen Kinder nur neidisch wären, weil sie nicht so viel Süßigkeiten essen durften wie ich. Und Papa versprach, er wird den Lümmeln die Ohren langziehen, wenn die zu ihm in die Praxis kommen. Dabei war Papa gar kein Ohrenarzt, sondern Zahnarzt und ich habe mir die Ohren der Stänkerkinder ganz genau angeguckt, aber sie sahen immer normal klein aus, auch als niemand mehr gemeine Dinge hinter mir herrief.
auch das ist eine schöne Episode
Ich stehe im Büro von Onkel Manfred, der jetzt mein Chef ist, und kaue auf meinen Lippen.
»Gesine, Gesine, Gesine«, sagt er. »Sollte ich mir vielleicht Sorgen um dich machen?«
Schnell schüttle ich den Kopf. »Nein.«
mm, das dürfte ruhig umfangreicher eingeleitet werden: wie kommt es dazu? Was arbeitet sie eigentlich?
»Du wolltest die Sachen neulich kaufen, bevor du weggerannt bist. Ich schenke sie dir. Und ich gebe dir 200,00 € obendrauf. Ich will dich nur anschauen. Wirklich. Ich verspreche dir hoch und heilig dich nicht zu berühren. Du musst sie nur für mich anziehen, das ist alles.«
ich würde die ,00 streichen
»Ich habe hier einen Bademantel für dich«, sagt Manfred. »Du kannst ihn jederzeit überziehen. Allerdings müssen wir dann deine Gage neu verhandeln.«
Ich nicke. Der Gedanke an den Bademantel wird fast übermächtig. Ich muss ihn aus meinem Gedächtnis streichen. Es gibt keinen Bademantel. Es gibt ihn einfach nicht. Ich habe nie von einem Bademantel gehört.
fein erzählt
Bei unserem sechsten Treffen trage ich einen String, einen knappen BH und Strumpfbänder. Er hat es für mich bereitgelegt, so wie er immer die Sachen für mich aussucht. Mich stört es kaum noch, dass der Stoff immer weniger wurde, allerdings dauerte es auch von Mal zu Mal länger, bis er mich gehen ließ. In mir wütet kein Raubtier mehr, es ist eher ein bellender Hund an der Leine.
Ich frage mich, ob sie, so wie du es erzählst Lust an dem Rollenspiel bekommt.
»Es wäre eine Möglichkeit. Die andere wäre, dass dies unser letztes Treffen ist.«
Das kann ich nicht, denke ich und greife aber zeitgleich nach dem kleinsten.
nach dem kleinsten... ?
»Prinzessin, du hättest Manfred von dem Schwein erzählen müssen. Er wusste davon ja gar nichts. Natürlich wird er ihm Hausverbot erteilen, du musst ihm nur sagen, wer es ist. Der Typ wird dich nie wieder belästigen. Es ist vorbei. Hörst du. Manfred kümmert sich darum. Du kannst wieder zur Arbeit gehen.«
siehe oben, warum nicht ein Twist, der ihr eine Entwicklung ermöglicht?

Viele Grüße aus dem wieder Erwarten sonnigen Taunus
Isegrims

 

Hallo @Fliege,

Am nächsten Morgen war es ganz zerknittert und ein Schulterriemchen gerissen. Aber Papa fuhr mit mir in die Stadt und kaufte mir ein neues.
Ich musste hier laut auflachen. So erzieht man sich ein kleines Prinzesschen heran.

Dabei war Papa gar kein Ohrenarzt, sondern Zahnarzt und ich habe mir die Ohren der Stänkerkinder ganz genau angeguckt, aber sie sahen immer normal klein aus, auch als niemand mehr gemeine Dinge hinter mir herrief.
Herrlich, diese Kinderlogik.

»Du wolltest die Sachen neulich kaufen, bevor du weggerannt bist. Ich schenke sie dir. Und ich gebe dir 200,00 € obendrauf. Ich will dich nur anschauen. Wirklich. Ich verspreche dir hoch und heilig dich nicht zu berühren. Du musst sie nur für mich anziehen, das ist alles.«
Irgendwie hatte ich gehofft, er würde so ein Angebot machen. Ich meine, wenn er ihr keinen Vorschuss gibt, muss sie sich mit dem Problem auseinandersetzen, um eine andere Lösung zu finden, da könnte sie ja ein besserer Mensch von werden, das wäre zu einfach. Wenn er ihr einfach so weiter Vorschüsse gäbe, dann ginge alles weiter wie bisher. Aber ein unmoralisches Angebot, zudem von einem Verwandten und Chef und jemandem, der genug über sie weiß, um sie damit zu manipulieren und in eine Abhängigkeit zu bringen, das passt zum Geist der Verzweiflung der Vorlage. Ich empfinde es als befriedigend und richtig für die Geschichte, dass er dies sagt.

Das Ende empfand ich als die Krönung des Ganzen: Wie ein Bummerang kommen all die Lügen zur Protagonistin zurück. Der Vater, der sonst alles getan hat, damit es ihr gut geht (zumindest meinte er das) ist nun derjenige, der sie unwissentlich zurück in die Abhängigkeit treibt, von der sie sich mit der letzten Lüge trennen wollte, ohne ihr Gesicht zu verlieren.

Großes Kino, hat mir sehr gefallen.

Viele Grüße
Jellyfish

 

Lieber @Isegrims

Habe Dank für Besuch und Zeilen und alles! Bisschen verwirrt hast mich auch :D.

Deine Version liest sich gut, luftiger Fliege-Sound. Ob man den nicht an der einen oder anderen Stelle durchbrechen, etwas mehr Schwere reinbringen müsste, um dem Thema gerecht zu werden, nicht allzu nah an eine Posse zu geraten, kannst du dir gern mal überlegen.
Posse? Posse! Du findest dieser Text läuft Gefahr als Posse gedeutet zu werden? Ehrlich gesagt, ich sehe das nicht. Wirklich nicht.

Diese Deutung geht aus der Geschichte hervor. Wie viele Frauen/Mädchen gibt es, die so sind? Welche Botschaft wird uns da mitgeteilt? Dass Frauen sich eben fügen müssen?
Viele. Zu viele. Allein im Theaterbereich läuft die Diskussion um Machtstrukturen und deren Missbrauch auf Hochtouren. Ja, das Thema ist da und man kann es auch nicht schönreden. Es sind nicht alle Frauen "Elsen" in dieser Welt und meine Gesine schon mal gar nicht, das ist keine starke Frau mit Selbstbewusstsein. Wo sollte die die Traute dafür hernehmen? Und wenn man in den Texten zeigt, hey, pass auf dich auf, sag lieber früher "Stopp!" als später, dann ist auch das eine Handlungsoption.
Ich schreib hier nirgendwo, dass die Prot. sich fügen muss. Sie nimmt den Deal aus freien Stücken an. Aber sie nimmt ihn in einer Schieflage der Umstände an, an denen sie selbst nicht ganz unschuldig ist. Die Geschichte endet jedoch damit, dass dies eben nicht die Lösung ihrer Probleme bedeutet, so gar nicht. Die Sucht wird finanziert, die Sucht (der Ursprung allen Übels) treibt sie weiter abwärts. Und der Text zeigt, wo Menschen es sich mit sich machen lassen, da finden sich Menschen, die diese Situation ausnutzen. Nicht mehr und nicht weniger. Nicht alle in diesem Ausmaß und mit diesen Konsequenzen. Das Feld ist so groß und breit wie es Charaktere gibt.
Kurz: im Text wird nirendwo gezeigt, sie muss sich fügen. Der Text zeigt, sie fügt sich, für einen kurzen Aufschub, nicht für die Lösung ihrer Probleme - also völlig umsonst. Aber natürlich steht es Dir frei, diesen Text anders zu lesen und zu deuten.

Ich frage mich, ob sie, so wie du es erzählst Lust an dem Rollenspiel bekommt.
Nur weil es sie nicht mehr ekelt, heißt es nicht automatisch das komplette Gegenteil. Für mich hat sie sich schlicht mit der Situation arrangiert, irgendwie. Die Psyche und ihre Strategien, Du weißt schon. Von "boah ich finde das jetzt selbst auch bisschen geil" - steht jedenfalls nichts im Text.

Fliege: »Prinzessin, du hättest Manfred von dem Schwein erzählen müssen. Er wusste davon ja gar nichts. Natürlich wird er ihm Hausverbot erteilen, du musst ihm nur sagen, wer es ist. Der Typ wird dich nie wieder belästigen. Es ist vorbei. Hörst du. Manfred kümmert sich darum. Du kannst wieder zur Arbeit gehen.«

siehe oben, warum nicht ein Twist, der ihr eine Entwicklung ermöglicht?


Da zitiere ich doch gleich:

@Jellyfish: Das Ende empfand ich als die Krönung des Ganzen: Wie ein Bummerang kommen all die Lügen zur Protagonistin zurück.

Und nun hat sie die Wahl. Sich endlich zur Sucht bekennen und das Problem anzugehen oder weiter Verstecken spielen und sich immer tiefer in den Schlamassel zu begeben, der ihr so zuwider ist. Ich finde, an diesem Punkt, muss sie ihrer Sucht und damit sich selbst sehr tief in die Augen blicken. Es könnte der Wendepunkt sein, die Entwicklung, die Du forderst. Ich hoffe, Gesine ist hier auf ihrem persönlichen Tiefpunkt angelangt und reißt das Ruder rum. Ansonsten gehts noch paar Stufen weiter runter, eben bis der Punkt kommt. Hoffen wir, es ist noch vor dem point of no return.

Die anderen Dinge schaue ich mir an. Danke für die Liste und auch für das Zitieren der Stellen, die Dir gefallen haben, die nehme ich natürlich auch gern mit. Und Danke für deine Leseeindrücke.


Liebe @Jellyfish

auch an Dich meinen besten Dank!

Ich musste hier laut auflachen. So erzieht man sich ein kleines Prinzesschen heran.
Ja, So geht das :D.

Herrlich, diese Kinderlogik.
Ja, Kinderlogik finde ich auch so oft umwerfend bestechend groß! Also, auch im real live.

Irgendwie hatte ich gehofft, er würde so ein Angebot machen. Ich meine, wenn er ihr keinen Vorschuss gibt, muss sie sich mit dem Problem auseinandersetzen, um eine andere Lösung zu finden, da könnte sie ja ein besserer Mensch von werden, das wäre zu einfach.
Ja, die Chance hätte sie hier zumindest. Aber dann wäre der Text hier zu Ende und dmit wäre er doch recht kurz und sehr einfach. Das wollen wir natürlich nicht. Dafür sind wir ja nicht hier :D.

Aber ein unmoralisches Angebot, zudem von einem Verwandten und Chef und jemandem, der genug über sie weiß, um sie damit zu manipulieren und in eine Abhängigkeit zu bringen, das passt zum Geist der Verzweiflung der Vorlage. Ich empfinde es als befriedigend und richtig für die Geschichte, dass er dies sagt.
Mega Danke dafür. Finde ich nämlich auch.

Das Ende empfand ich als die Krönung des Ganzen: Wie ein Bummerang kommen all die Lügen zur Protagonistin zurück. Der Vater, der sonst alles getan hat, damit es ihr gut geht (zumindest meinte er das) ist nun derjenige, der sie unwissentlich zurück in die Abhängigkeit treibt, von der sie sich mit der letzten Lüge trennen wollte, ohne ihr Gesicht zu verlieren.
Ja, so habe ich mir das gedacht und ich freue mir hier einen Butterkeks, dass das so bei Dir angekommen ist. :bounce: Aber sie hat wieder die Chance, wie am Anfang, hoffentlich ist sie ein Stück schlauer geworden. Ich wünschte, sie ist.

Großes Kino, hat mir sehr gefallen.
Merci! Ja, klar, Freude, was sonst.


Liebe Grüße an Euch, bin sehr gespannt auf Eure Cpoys!
Bis denn, Fliege

 

Copywrite stellt immer auch eine Herausforderung dar, kann das neue Werk mich als Leser überraschen? Deshalb lese ich zuerst noch einmal das Original von Peregrina. Eine traurige Geschichte über eine Frau, die ihr mangelndes Selbstwertgefühl mittels Kauf- und Fressattacken vergessen machen versucht. Wie bei allen schweren Suchtverhalten ist die Abwärtsspirale vorprogrammiert, Überschuldung, soziale Ächtung. Hinzu kommt auch noch ein Machtmensch in Form des grapschenden Chefs, der seine Position und Gesines "Problem" schamlos ausnutzt. Am Ende bleibt Gesine, den gut gemeinten Rettungsanker im trockenen Tränenmeer versenkend ein Opfer ihres Selbstbetrugs.

Soweit so tragisch. Auch bei dir, liebe @Fliege gehts mit Gesines Kleiderjagt los, auch hier wieder das gleiche Spiel, etwas sattere Farben, leichthändig gezeichnet, prima Fliegestil. Und doch bin ich im ersten Moment verunsichert. Wird das jetzt eine reine Nacherzählung, einfach mit anderer Auschmückung und Personalaustausch?

Weit gefehlt. Du übernimmst zwar den Plot des Originals, verstärkst aber die Eckpunkte um eine neue Komponente: Gesines Chef in der erweiterten Rolle als ihr Onkel, der auch in der obligaten Rückblende eine wichtige Rolle als "Prinzessinen-Beschützer" ausübt, ob damals noch eher unverfänglich sei dahingestellt und mit dem du nun als Erwachsenen noch tiefer ins #metoo-Umfeld vorstösst. Ab da wurde ich dann restlos in deine Geschichte hineingezogen, denn du steigerst die Dramatik, der Abhängigkeits-TGV rast unausweichlich mit Täter und Opfer immer weiter in den Machtsumpf hinein. Und wie bei Peregrinas Original gibt es kein Happy End. Opfer und Täter bleiben in ihren Lebenslügen gefangen und der Machtmissbrauch ungesühnt, da Täter zu raffiniert und Opfer zu schwach. Weiss nicht, ob meine Aussage nur plakativ die Gefühle wiedergibt, die ich bem Lesen empfunden habe, denn sie sind so unterschiedlich und verwirrend, ja aufwühlend. Wer trägt letztendlich die Schuld an solchen Abhängigkeitstragödien, Täter oder Opfer oder sogar Dritte, die es ja immer "nur gut meinten" und damit, wie im Falle der Eltern die Katastrophe auch ein bisschen lanciert haben.

Einziger Kritikpunkt, bzw. was mir jetzt nicht so gut gefallen hat, war die kindliche Erzählform in der Rückblende. Auch wenn der Stilwechsel für sich ganz reizvoll und authentisch wirkt, so reisst es mich aus dem Lesefluss. Denn bis dahin leide ich mit Gesine mit und bin zu nahe an der Protagonistin im Heute und Jetzt.


Fazit: Schöne Adaption, Copywrite gelungen, sehr gerne gelesen.
Liebe Grüsse, dot.

 

Hey, hey @dotslash

ach, wie schön! Ich habe auch schon in deine Monstergeschichte reingeschaut, aber die ist ja so lang und meine Zeit war so begrenzt, na ja, wird jetzt wieder besser. Irgendwann lese ich auch den Rest. Gefreut habe ich mich trotzdem, nur wurde mein Gewissen gleich wieder, weil Du immer so fleißig schreibst ... egal. Der Sommer ist ja lang :).

Und doch bin ich im ersten Moment verunsichert. Wird das jetzt eine reine Nacherzählung, einfach mit anderer Auschmückung und Personalaustausch?
Hehe! Reingefallen :D. Nee, im Ernst, habe da zwar selbst nicht dran gedacht, aber ja, man kann auf diesen Gedanken schon kommen, jetzt, wo Du das sagst.

Weit gefehlt. Du übernimmst zwar den Plot des Originals, verstärkst aber die Eckpunkte um eine neue Komponente:
Alles andere wäre ja auch zu einfach. Ist doch nicht der Sinn des Spielchens.

Ab da wurde ich dann restlos in deine Geschichte hineingezogen, ...
Das liest man doch gern.

Und wie bei Peregrinas Original gibt es kein Happy End.
Wir sind hier ja auch nicht in Hollywood!

Weiss nicht, ob meine Aussage nur plakativ die Gefühle wiedergibt, die ich bem Lesen empfunden habe, denn sie sind so unterschiedlich und verwirrend, ja aufwühlend. Wer trägt letztendlich die Schuld an solchen Abhängigkeitstragödien, Täter oder Opfer oder sogar Dritte, die es ja immer "nur gut meinten" und damit, wie im Falle der Eltern die Katastrophe auch ein bisschen lanciert haben.
Und das auch! Ich mein, wenn Leser nicht nur schwarz-weiß aus den Geschichten gehen, finde ich das sehr prima.

Einziger Kritikpunkt, bzw. was mir jetzt nicht so gut gefallen hat, war die kindliche Erzählform in der Rückblende.
Ja, ein Versuch. Ich sammle dazu ja die Meinungen. Ich mag es noch immer, aber wie schon geschrieben, das ist auch schnell gemacht. Aber ich finde, bisher läuft es ganz gut. Manche störts, manche nicht. Insofern ist der Handlungsdruck bei mir noch nicht so groß :D.

Fazit: Schöne Adaption, Copywrite gelungen, sehr gerne gelesen.
Was wünscht man sich mehr!

Habe vielen Dank für Zeit und Zeilen und sei ganz lieb gegrüßt!
Fliege

 

Liebe @Fliege,
ich bin beeindruckt, was du aus der tollen Vorlage von @peregrina gemacht hast. Da sind so Themen in ihrem Text angelegt, wo du noch einen Schritt weitergegangen bist Richtung Abgrund. Interessant auch die Gratwanderung und die Fragen über Eigenverantwortung, Täter und Opfer, die die Geschichte aufwirft. Mutig, die explizit sexuellen Szenen hast du gut gemeistert, finde ich, auch sprachlich.
Du hast diesen sehr kindlich geschriebenen Abschnitt, der auch für Irritation sorgt. Beklemmend, dass es schon so lange den Onkel gibt, dass es ihn möglicherweise erregt, sie als kleines verschämtes Mädchen zu sehen, dass sie mal war. Das Thema Kindesmißbrauch scheint da für mich schon durch, denn eigentlich ist es das verwöhnte unglückliche Mädchen, dass sie treibt und dass der Onkel ausnutzt. Man hat das Gefühl, dass sie nicht wirklich erwachsen geworden ist, möglicherweise kaum soziale Kontakte hat, das hat was sehr Hermetisches. Sehr traurig, die Geschichte.
Am Ende lässt du sie da nicht raus und das ist richtig so, denn sie wird den Schritt selber gehen müssen.

Was? Was hat er da gerade gesagt? War es das? Wird es keine weiteren Treffen mehr geben? Nein! Das kann er nicht tun! Das kann er mir nicht antun!
Hier frage ich mich, ob sie da nicht ambivalenter wäre. Das klingt auch nach einer Kränkung, danach, dass es nicht mehr nur um Geld geht, sondern, darum, dass jemand sie erregend findet und jetzt eben nicht mehr. Das passt durchaus zu ihren Komplexen. Aber ich frage mich, ob da nicht auch eine heimliche Erleichterung da ist. Und umgekehrt würde ich einen größeren Schaden davon erwarten, was sie tut. Dass sie noch mehr essen muss. Oder kaufen. Dass man merkt, oberflächlich wird sie cooler, aber nur indem sie was abtrennt in sich. Aber das ist nur eine Idee dazu.

Noch ein paar Kleinigkeiten:

Da liegen sie! Meine Dessous, die ich ich im Kaufhaus an der Kasse zurücklassen musste.
Zweimal "ich"
»Wie ein Furz im Wind hat der sich aufgelöst und jetzt lass mich bitte endlich auf die Schüssel.«
Ein Schuß Fliege-Leichtigkeit ;)
»Vielleicht, wenn du dir den BH ausziehen würdest.«
"dir" streichen?

Puh, ein gelungenes Copywrite.

Einen schönen Sommer dir, liebe Fliege!

Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @Fliege

Ich habe den Text gerne gelesen, mir scheint aber das Potential der Konstellation nicht ausgeschöpft zu sein.

Der blaue Body schmiegt sich perfekt an meinen Körper, in den Hüften gleich einer Korsage. Ich kann nicht aufhören über die glatte, kühle Seide zu streichen, mir dabei im Spiegel zuzuschauen und an den lose hängenden Strapsbändchen zu zuppeln. Er ist so schön! Ich bin so schön!
Bei dem weißen Oberteil sind unterhalb des BHs Fransen angesetzt, die bis über mein Höschen fallen. Wenn ich mich drehe, fliegen sie hoch. Ich drehe mich schneller, bis mir schwindelig wird und ich mich auf die kleine Bank in der Umkleidekabine setzen muss. Elegant schlage ich ein Bein über das andere, drücke mich ins Hohlkreuz, hebe das Kinn und fühle mich wie eine Königin.
Der Zweiteiler lässt mich aussehen wie ein Mädchen in Schuluniform. Wegen der Karos und dem angedeuteten Röckchen. Als ich die dazugehörige Krawatte umlege, bin ich hin und weg. Ich mache ein strenges Gesicht, hauche: »Nein! Daran darfst du nicht einmal denken«, wackele dazu mit dem Zeigefinger und muss über mich selbst lachen. Ich fühle mich so jung, verwegen, verrucht und sexy.
Dieser erste doch recht ausführliche Abschnitt etabliert das eine Gewicht auf der Waagschale, den einen Zug am Seelenseil deiner Protagonistin. Ich finde das insgesamt nachvollziehbar, aber in meinen Augen nicht optmal gewichtet. Du mutest dem ersten Abschnitt einerseits sehr viel zu, also, da gibt es viele Kleidungsstücke und Königin und verrucht und sexy usw. Damit betrachtest du die Arbeit aber, so mein Eindruck, als erledigt. Die Leser*innen wissen ja jetzt, wie hoch der Lustgewinn am Kleiderkauf für die Prota ist. Du hast danach eigentlich nur noch eine sehr kurze Online-Shopping-Szene und ein paar wenige Gedanken an Jeans und Shirt, die aber nicht einmal besonders positiv konnotiert sind. Während du also in der Folge den anderen Zug am Seelenseil, die Abscheu und den Ekel sehr ausgiebig durchdeklinierst (ich komme darauf noch mal zu sprechen), bleibt dieser Aspekt hier einfach als gesetzt, als eine Art Konstante. Ich weiss nicht, ob man das vielleicht dynamischer gestalten könnte, das heisst immer mal wieder auch den "Lohn" für die Selbsterniedrigung zeigen, Phasen, in denen die Prota sagt, ja, ist gar nicht so schlimm, Phasen, in denen sie sagt, so das war jetzt das letzte Mal, ich brauche ja gar keine neuen Kleider, und danach juckt es sie doch wieder und sie selbst greift zum Hörer und ruft Manfred an, weil sie irgendein Teil gesehen hat, das sie unbedingt haben will.

Du hast drei lange Sequenzen, blauer Body, String, Vibrator. Ich empfinde die insgesamt als psychologisch zu gleichförmig. Natürlich erzeugst du damit Druck auf die Leser*innen, das Unbehagen wird grösser und grösser, und das ist gut gemacht. Aber ein Stück weit ist es halt mehr vom Selben, eine Art Steigerungslauf, während sich in der inneren Dynamik der "Beziehung", auch in der Dynamik der Sucht und der Scham meinem Empfinden nach nicht viel ändert. Der Druck nimmt einfach zu und irgendwann platzt etwas auf und zack, der Befreiungsschlag. Ich glaube, da liessen sich noch Schattierungen zeigen, die zwischen Kaufsucht und Ekel liegen. Mir verlief denn auch die Auflösung, der Befreiungsschlag etwas zu glatt.

Mir geht es so gut wie schon lange nicht mehr. Langsam, ganz langsam trenne ich mich von meinem Spiegelbild und ziehe meine Sachen an, nehme die kleinen Schätze und trage sie zur Kasse. Nervös schiebe ich der Kassiererin meine Karte zu.
Dieser Übergang ist mir zu schnell. Ich würde das "nervös" streichen und einfach nur Euphorie und danach die trockene Ansage der Verkäuferin: Sorry, es gibt ein Problem.
Ich schaue auf meine Eroberungen und schlucke, spüre den Blick der mageren Verkäuferin auf meinem runden Körper.
Hat mich irritiert. Ist es jetzt Zeit, Körperbau zu vergleichen? Die Kreditkarte ist offensichtlich gesperrt. Das ist ihr Problem. Vielleicht willst du zeigen, dass mit dem Platzen der Karte auch ihre Selbstwahrnehmung platzt, keine sexy Königin mehr. Aber das wäre mir an dieser Stelle zu dicht und wie gesagt keine plausible Wahrnehmung genau in diesem Moment.
Am nächsten Morgen war es ganz zerknittert und ein Schulterriemchen gerissen.
Dieser Übergang ins kindliche Erzählen hat bei mir überhaupt nicht funktioniert. Ich stelle mir eine erwachsene Frau vor, die auf einmal in Kindersprache erzählt und habe in der Folge Schwierigkeiten, die Prota weiterhin ernst zu nehmen.
»Aber ehrlich gesagt, ich mache mir langsam Sorgen. Dir scheint häufiger das Geld auszugehen, bevor der Monat zu Ende ist.«
Mir war nicht ganz klar, woher Manfred das überhaupt weiss. Er sieht ja nur, dass sie die Kleider nicht bezahlt hat. Die Verkäuferin wird ja wohl nicht einem Fremden erzählen, die Karte einer anderen Kundin sei gesperrt. Die Prota kann tausend Gründe haben, (na ja, vielleicht vier oder fünf), die Kleider dort liegen zu lassen.
Erst im letzten Monat habe ich meinem Vater erzählt, die Waschmaschine sei kaputt und ich hätte eine neue kaufen müssen, und dass deswegen mein Geld für die Miete nicht reichen würde. Ihn kann ich auf keinen Fall schon wieder fragen.
Brauchts für mich nicht. Sehr erklärend. (Wenn du es streichst, kommt jemand und schreibt: Ich verstehe nicht, weshalb sie nicht einfach den Vater fragt.)
»Du wolltest die Sachen neulich kaufen, bevor du weggerannt bist. Ich schenke sie dir. Und ich gebe dir 200,00 € obendrauf. Ich will dich nur anschauen.
Dieser nahtlose Übergang zwischen grosszügigem Angebot und Bekanntgabe des Preises, den sie dafür zu zahlen hat, ist mir zu schnell. Ich finde, da kann man nur schon spannungstechnisch mehr rausholen, die Leser noch für einen Moment im Ungewissen lassen, das ist schon ziemlich verschenktes Potential, finde ich. Mir ist übrigens wie Isegrims Fräulein Else in den Sinn gekommen: Wenn ich mich richtig erinnere, druckst der Typ da schon eine Weile rum, bis sein Wunsch deutlich wird.
Viel zu sehr bin ich darauf konzentriert, dem Leoparden zu entkommen. Jeans und Shirt. Jeans und Shirt in der Endlosschleife.
Ich finde, das ist falsch eingefärbt, Endlosschleife hat was Negatives und das ist eigentlich an die Leser gerichtet, um den Suchtcharakter ihrer Gedanken zu verdeutlichen. Aber das ist doch für sie ganz anders, sie denkt an die schönsten Kleider, die sie sich nur vorstellen kann und daran, wie sie sie kaufen und anprobieren wird, oder nicht? Hier wäre meines Erachtens eher eine Gelegenheit, die Prota sich noch einmal als Königin imaginieren zu lassen, um den Gewinn noch einmal zu verdeutlichen, den sie sich erhofft.

Auf sprachlicher Ebene sauber wie immer. Wie gesagt, habe ich das gern gelesen, der Text hat einen guten Konflikt, guten Drive und übt viel Druck auf die Leser*innen aus.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom