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Ich will Hähnchen!
Donnerstag, 17. 02.2006
Liebes Tagebuch!
Eigentlich wollte ich heute von einem ganz normalen Abnehm-Tag berichten, vom Essen und Nicht-Essen, von Kalorien und Wiege-Waagen, vom Walken und Füße hoch legen….
Aber nein!
Ich muss jetzt mal meinen MEGAFRUST ablassen!
War DAS ein Tag heute!
Alles ist schief gegangen und mittags hätte ich einen Brüller nach dem anderen loslassen können.
Natürlich waren die letzten Tage stressig.
Die alten Leutchen, nach denen ich sehe, waren quengelig und anstrengend.
Die Bude vom Ältesten in katastrophalem Zustand.
Mein Jüngster hatte schon wieder keinen Sprudel geholt, habe meine Brille im Park verloren, der Staubsauger ist im Eimer…..
…..und heute morgen – hab ich natürlich verschlafen.
Musste auch noch zu meiner Mutter, um ihr die Wohnung zu putzen.
War ich vielleicht gereizt!
Der Kaffe, den ich trinken „musste“, war eher ein Herzschrittmacher.
Und natürlich hatte sie wieder nur Vollmilch da. Viel zu viele Kalorien!
Hocherfreut hat sie mir auch noch ihre neue Musikanten - Kassette vorgespielt: „Tiroler Jausen-Musi…“–
Jo mei, - da hilft nur noch tief durchatmen.
Mein einziges Highlight heute war die Aussicht auf Grillhähnchen, die ich uns zu Mittag mitbringen sollte.
Ein ganzes „halbes Hähnchen“ für mich allein! Hatte ich ewig nicht mehr gegessen. Und allein der Gedanke an dieses knusprige, würzig-saftige Fleisch – göttlich!
Das hatte ich mir echt verdient!
Fuhr einen extra Umweg, hatte die Thermotüten vom Aldi mit, Anweisungen zum Aufstellen der Friteuse gegeben - nur für meinen Sohn natürlich – und den Tisch bereits frühmorgens eingedeckt.
*
Der Speichelfluss setzt schon vor dem Supermarkt ein. Bevor ich den Hähnchenstand sehen kann, kann ich ihn riechen.
Den hätte ich mit verbundenen Augen gefunden. Würziger Fleischduft wabert durch den Supermarkt und führt mich schnurstracks zum Stand.
„Drei halbe Hähnchen, bitte“ sabbere ich.
Doch da sagt die Verkäuferin mit eiskaltem Lächeln: “ Ach, dat tut mir aber jetz Leid! Hähnschen hammer nit mie!“
Waaas? Keine Hähnchen? Aber…
Bestimmt hat sie mein kalkweißes Gesicht gesehen.
Trotzdem setzt sie bösartig noch einen drauf.
„Dreiviertel Stündschen, dann jiddet widder Neue.“
Stell dir das mal vor, liebes Tagebuch, dein Magen hängt dir in den Kniekehlen und das Einzige, was dich seit Tagen noch am Leben hält, ist die Aussicht auf ein zartes, saftiges, fleischiges, würziges, heißes Grillhähnchen.
Nein, ich wolle keinen Fleischkäse, nein, auch keine Frikadellen.
ICH WILL HÄHNCHEN!
Jetzt weiß ich wie sich Verzweiflung gepaart mit Ohnmacht anfühlt.
Ziellos renne ich durch den Supermarkt, rufe meinen Sohn vom Handy aus an.
Ist auch keine Hilfe, er will sich dann eben ein paar Tortellinis kochen.
Und Papa?
Insgeheim hoffe ich, dass er - gutherzig wie er ist - zu einem anderen Hähnchenstand fährt.
Papa sei gerade zum Joggen los.
Völlig frustriert fahre ich also mit meinem Rad Richtung Heimat und gehe in Gedanken die Stadtteile durch, in denen sich vielleicht Hähnchenbuden finden lassen.
Die, die mir einfallen, sind zu weit weg.
In einer Seitenstraße schießt plötzlich ein PKW aus einer Parklücke auf die Straße und rasiert mir fast die Schuhkappen ab.
Endlich habe ich mein Ventil gefunden.
Ich bleibe mitten auf der Straße stehen und schimpfe wie ein Rohrspatz.
Der alte Fahrer und seine Begleitung hatten weder geguckt noch geblinkt.
Sie sehen mich betroffen durch die Windschutzscheibe an.
Nein, Hähnchen haben sie auch nicht.
Erschöpft lasse ich die Herrschaften ziehen und fahre mit Frusttränen in den Augen weiter!
Jetzt will ich wenigstens noch versuchen meine Hautsalbe in der Apotheke zu bekommen.
Aber ich klappere sieben Apotheken auf dem Heimweg ab, werde nirgendwo fündig.
Bestell ich sie eben bei uns auf der Ecke.
Ich komme um 13:05 an.
Mittagspause.
Ich brauche ein neues Ventil!!
Biege in unsere Straße ein und hoffe, dass mich niemand fragt, wie’s bei meiner Mutter war und was wir uns jetzt zu Essen machen.
Als ich nach Hause komme, ist mein Mann gerade vom Laufen zurück.
„Na, mein Schatz, wie war’s bei deiner Mutter? – Ach, gab’s keine Hähnchen? Und was machen wir uns jetzt zu essen?“
Die folgenden Minuten schreibe ich besser nicht auf.
Nachdem ich mir ein wenig Luft gemacht habe, stelle ich plötzlich fest, dass ich ganz allein in der Diele stehe und alle Türen geschlossen sind.
Ich ziehe mir meine Joggingsachen an, hole meine Walkingstöcke und verabschiede mich für 1 ½ Std in den Park.
Gegessen habe ich nichts.
Ich hab ja auch meinen Stolz.
So, liebes Tagebuch, jetzt geht’s mir wieder besser.
Morgen ist Markt bei uns um die Ecke und rate mal, was da immer steht.
Klar, - ein Hähnchenstand mit vielen, vielen Brathähnchen.
Bis die Tage…