Im Bus nach Leinefelde
Tim hasste es Bus zu fahren. Auch bei kurzen Strecken war er genervt und er hatte nicht einmal einen Sitzplatz bekommen, weil eine Gruppe Kinder den gesamten hinteren Teil des Busses besetzt hielt. Da momentan Schulferien waren, wie er durch seinen Neffen wusste, vermutete er, dass der örtliche Kindergarten einen Ausflug machte. Kindergärtner konnte Tim nicht erblicken. Es schien sie nicht zu stören, dass die Kleinen hier hinten lautstark tobten.
So saß er nun auf einer kleinen Erhebung, mit einem Mülleimer als Sitznachbarn, neben der hinteren Doppeltür. Schräg gegenüber saßen zwei Mädchen. Während die Blonde am Fenster pausenlos redete, hörte die Braunhaarige stillschweigend zu. Da Tim sich langweilte, beobachtete er die beiden. So erfuhr auch er was das Mädchen gestern getan hatte und dass die Ohrringe, in ihrer Hand, für Mandy waren. Natürlich hatte er keine Ahnung wer Mandy war und wollte sich gerade abwenden, als plötzlich die Pupillen der Braunhaarigen dunkelrot zu leuchten begannen. Sie drehte ihren Kopf und sah das Mädchen am Fenster an, so dass Tim ihre Augen nicht mehr sehen konnte. Die Blonde aber verstummte sofort, wich ängstlich zurück und drückte sich mit dem Rücken an die Wand.
Tim war irritiert. Er wollte aufstehen und nachsehen, als das Mädchen am Gang sich wieder umdrehte und ihn ruhig musterte. Ihre Augen waren vollkommen normal. Verwirrt blieb er sitzen und sah sie noch kurz skeptisch an. Dann wandte er sich ab und betrachtete die Umgebung durch die gläsernen Türen.
Auf einmal traf etwas Hartes seinen Kopf.
Erschrocken sah er sich um. Auf dem Gang lag eine rosa Brotbüchse. Er sah zu den zwei Mädchen. Die Braunhaarige blickte weiter ruhig in seine Richtung, doch ihre Nachbarin, noch immer in ihre Ecke gekauert, grinste schelmisch. Er stand auf und machte einen Schritt auf sie zu. So ein unverschämtes Kind hatte er noch nicht erlebt.
Die Blonde grinste ihn weiter an, doch ihre Augen fingen an sich zu verändern. Die Pupillen leuchteten dunkelrot. Erst schwach, dann immer stärker. Gelähmt vor Schreck blieb Tim stehen. Als er zur anderen blickte verstärkte sich sein Schrecken noch. Ihre Augen hatten ebenfalls diese unheimliche Farbe angenommen, aber weitaus stärker und sie grinste auch nicht, sondern funkelte ihn böse an. Tim bemerkte etwas hinter den beiden und hob seinen Kopf.
Was er sah ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Alle Kinder starrten ihn an. Alle mit diesen furchterregenden Augen und einer eindeutigen Drohung. Auch die Gesichter begannen ihre Form zu ändern. Panisch blickte Tim sich um und sah, dass der Bus in Breitenbach eingefahren war. Ohne die – Kinder? – aus den Augen zu lassen wich er einen Schritt zurück und drückte auf den Stopknopf. Die Braunhaarige stand auf und trat auf den Gang hinaus. Ihr Gesicht glich immer mehr einer dämonischen Fratze und ihr Gebiss schien sich unter der Haut zu verschieben. Weitere standen auf und kamen langsam auf ihn zu. Mit vor Angst geweiteten Augen blickte er hektisch hin und her. Er ahnte, wenn er Hilfe holen würde, sähen die Kleinen wieder aus wie Engel. Falls sie ihn Hilfe holen ließen.
Endlich bremste der Bus ab. Quälend langsam kam er zum Stehen. Vorsichtig, ohne den Blick abzuwenden ging er zur Tür. Niemand schien ihn ernsthaft aufhalten zu wollen, nur die drohenden Blicke verfolgten ihn. Am Ausgang angekommen machte er eine Satz nach draußen und entfernte sich zügig vom Bus. Erst als er ihn losfahren hörte, wagte es Tim sich umzudrehen.
Aus der großen Heckscheibe funkelten ihn zahlreiche rote Augen, in dämonischen Gesichtern, mit spitzen Eckzähnen, an.