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Im kühlen Schatten

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18.05.2008
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Im kühlen Schatten

Im kühlen Schatten des auf dem weiß geputzten Balkon aufgestellten Sonnenschirms genießt er einen Schluck aus einem recht kräftigen Getränk, selbst gebraut, versteht sich, illegal, versteht sich ebenso, und betrachtet die Straße vor seinem großen, sauberen Haus, die gerade von einer außergewöhnlichen Ausgelassenheit geprägt ist, einem Reihen und Scharen, einem Lachen und Tanzen und Singen, von schönen Männern und gar noch schöneren Frauen, die da fröhlich und heiter die Sonne loben, das Meer, das Land, Gott und sowieso noch viel zu viel, während alte, rundliche Vetteln mit kräftigen Armen und großen, hölzernen Löffeln in Nudeln – Pasta! – rühren, sie in Porzellanschüsseln schleudern, die ihre besten Tage vor dem Auftragen der liebevoll schlechten Motive gesehen haben, um diese an die Feiernden zu reichen, mit einem erstaunlich genügsamen, vergnüglichen Lachen im Gesicht, wohl nicht nur auf dem Mund, mehr in den Augen, und überall Kinder, die die Tänze der Älteren imitieren, Gelächter einfangen, wenn sie versagen, und doch ist es freundliches Gelächter und aufrichtiger Humor, denn dieses Fest ist keines der Schadenfreude, sondern eines des Miteinanderseins, ob jung oder alt, sie alle haben ihren Spaß, und immer ein Lächeln für eine schöne Frau. Man sollte meinen, dass diese, die schönste aller Frauen inmitten der Masse mit möglichst vielen Leuten gleichzeitig tanzen sollte, doch obwohl die rothaarige Schönheit das Zentrum der Feier zu sein scheint, tanzt sie alleine, in einem kleinen, leeren Kreis, der ehrfurchtsvoll für sie beibehalten wird, denn er wird immer für sie erhalten, für die Gräfin, die schöne, junge Frau aus dem palastähnlichen Gebäude am nördlichen Ende der kleinen Stadt, was ihr ihren Namen gab, denn trotz ihres großen Wohlhabens ist sie keineswegs adlig, eher von der völkischen Sorte, direkt aus dem Plebs, und es steht ihr ins Gesicht geschrieben, deutlicher, als es ein autobiografischer Roman jemals beschreiben könnte, das weiß er, ihr stummer Beobachter, nippt an seinem Glas und murmelt etwas unverständliches, was doch jeder, der ihn kennt, verstanden hätte, weil er es jedes Jahr und jeden Monat, jede Woche und jeden Tag wiederholt, nämlich dass sie sein sei, sein allein, und wie genau das alle wüssten, wie sehr sie das wisse, wenn sie hier tanzt, alleine, inmitten der vielen, auf diesem Platz am nördlichen Ende der Stadt.
Nie tanzte der Graf.

 

Obacht, der Text hat nur drei Sätze, ein wenig Ausdauer kann nicht schaden.;)

 

Hallo defbob!

Erstmal den Kleinkram:

des auf dem weiß geputzten Balkons
Balkon
einem lachen und tanzen und singen,
Lachen, Tanzen, Singen
– Pasta! es scheinen die Leute sich über nichts mehr freuen zu können
Vielleicht fällts schwer, aber ich würde das alles ersatzlos streichen, oder zumindest den unterstrichenen Teil. Deine Satzgefüge lesen sich nämlich ganz gut bis hierhin, aber das klingt einfach nur gewollt und ist ein unnötiges Füllsel.
mit einem erstaunlichen genügsam vergnüglichen Lachen im Gesicht,
Entweder: mit einem erstaunlichen, genügsam vergnüglichen Lachen, oder: mit einem erstaunlich genügsam vergnüglichen Lachen.
eines des Miteinander seins,
Miteinanderseins
in einem kleinen leeren Kreis,
Komma nach kleinen
und murmelt etwas unverständliches,
Unverständliches
nämlich dass sie sein ist,
Klingt zwar blöd aber: dass sie sein sei. Vielleicht überlegst du dir ja eine andere Formulierung, gerade weil danach nochmal sein allein kommt.

Zum Inhalt: Ein Straßen- oder Volksfest wird beobachtet von einem Grafen, der auf einem Balkon sitzt. Und auf dem Fest tanzt eine Frau aus dem Volk, für die er irgendwie Besitzanspruch erhebt, hat vielleicht auch was von einem Stalker. ;) Und vielleicht weiß die Frau auch gar nichts davon.
Mich würde nur mal interessieren, inwiefern der Inhalt die Form rechtfertigt. Zwei riesen Hypotaxen, die erste beschreibt im Prinzip das Fest und das ganze Drumherum, das Publikum, die Beteiligten usw., und der zweite dreht sich dann um die Frau und den Grafen. Aber weiter?
Ich denke, es wäre um einiges anspruchsvoller, den Text zu zergliedern als einfach zwei Satzungetüme zu produzieren. Wenn du verstehst was ich meine. Aber dann wäre es einfach eine mehr oder weniger konventionelle Kurzgeschichte, wie auch immer. Vielleicht stellt das Ganze auch mehr ein Experiment dar. Jedenfalls hats mir irgendwie gefallen, auch wenn ich denke, dass du dich so ein bisschen ums "richtige Schreiben" gedrückt hast. ;)

Liebe Grüße,
apfelstrudel

 

Hallo Defbob,
ich hege eigentlich eine tiefe Abneigung gegen "Bandwurmsätze" (zweimalige Lektüre Kleists Kohlhaas haben ihre Wirkung gezeigt), aber : Ich finde, dass Du einen guten Rhythmus findest durch bestimmte Wort-und Bedeutungswiederholungen, so dass diese langen Sätze keinesfalls "störend" wirken. Ausnahme: der "Pastasatz".
Das einige Arbeit darin steckt ebendiese Sätze zu produzieren sieht man und ich kann mich in dieser Hinsicht apfelstrudel nicht anschließen. Jedoch glaube ich auch, dass Form und Inhalt sich hier nicht entsprechen.
Gruß,
Bambule

 

Danke für die Kritik!

"Dass sie sein sei" klingt meiner Meinung sogar auch besser als "ist" ;)
das klein geschriebene lachen, tanzen und singen hab ich vergessen umzustellen, mein Rechtschreibprogramm meinte, groß sei falsch. Genauso Miteinandersein.

Danke für die Kritik bezüglich der Satzlänge und dem Inhalt. Ich dachte persönlich, dass es passt, weil in den ersten 2 Sätzen viel Bewegung ist, und der letzte ist kurz und sollte die "Leblosigkeit" des Grafen ausdrücken.

 

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