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Im kühlen Schatten
Im kühlen Schatten des auf dem weiß geputzten Balkon aufgestellten Sonnenschirms genießt er einen Schluck aus einem recht kräftigen Getränk, selbst gebraut, versteht sich, illegal, versteht sich ebenso, und betrachtet die Straße vor seinem großen, sauberen Haus, die gerade von einer außergewöhnlichen Ausgelassenheit geprägt ist, einem Reihen und Scharen, einem Lachen und Tanzen und Singen, von schönen Männern und gar noch schöneren Frauen, die da fröhlich und heiter die Sonne loben, das Meer, das Land, Gott und sowieso noch viel zu viel, während alte, rundliche Vetteln mit kräftigen Armen und großen, hölzernen Löffeln in Nudeln – Pasta! – rühren, sie in Porzellanschüsseln schleudern, die ihre besten Tage vor dem Auftragen der liebevoll schlechten Motive gesehen haben, um diese an die Feiernden zu reichen, mit einem erstaunlich genügsamen, vergnüglichen Lachen im Gesicht, wohl nicht nur auf dem Mund, mehr in den Augen, und überall Kinder, die die Tänze der Älteren imitieren, Gelächter einfangen, wenn sie versagen, und doch ist es freundliches Gelächter und aufrichtiger Humor, denn dieses Fest ist keines der Schadenfreude, sondern eines des Miteinanderseins, ob jung oder alt, sie alle haben ihren Spaß, und immer ein Lächeln für eine schöne Frau. Man sollte meinen, dass diese, die schönste aller Frauen inmitten der Masse mit möglichst vielen Leuten gleichzeitig tanzen sollte, doch obwohl die rothaarige Schönheit das Zentrum der Feier zu sein scheint, tanzt sie alleine, in einem kleinen, leeren Kreis, der ehrfurchtsvoll für sie beibehalten wird, denn er wird immer für sie erhalten, für die Gräfin, die schöne, junge Frau aus dem palastähnlichen Gebäude am nördlichen Ende der kleinen Stadt, was ihr ihren Namen gab, denn trotz ihres großen Wohlhabens ist sie keineswegs adlig, eher von der völkischen Sorte, direkt aus dem Plebs, und es steht ihr ins Gesicht geschrieben, deutlicher, als es ein autobiografischer Roman jemals beschreiben könnte, das weiß er, ihr stummer Beobachter, nippt an seinem Glas und murmelt etwas unverständliches, was doch jeder, der ihn kennt, verstanden hätte, weil er es jedes Jahr und jeden Monat, jede Woche und jeden Tag wiederholt, nämlich dass sie sein sei, sein allein, und wie genau das alle wüssten, wie sehr sie das wisse, wenn sie hier tanzt, alleine, inmitten der vielen, auf diesem Platz am nördlichen Ende der Stadt.
Nie tanzte der Graf.