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Impressionen einer Zugfahrt
Ich sitze nun im Zug Richtung St.Gallen. Schönes Städtchen, sehr nette Leute, noch schönere Frauen. Wo wir gerade beim Thema sind: Frauen. Ja, das ist so eine Sache. Gibt man(n) sich der anfangs beständigen und allgemeinen Irritation hin, so könnte man nach dem Al Bundy-Kodex seine Beziehung fristen, leben, was auch immer: Es geht nicht mit Frau, und schon gar nicht mit Kindern. Wobei er natürlich absolut recht hat. Eine Fernsehfloskel als zur Absolution gewordenen Lebenshaltung. Aber meine Haltung ist da sehr abstrahierter. Mehr dazu später.
Gegenüber sitzt ein etwas betagter Herr und liest aus einem Reiseführer für Norwegen. Neo-Punk wäre hier wohl die falsche Deklaration, ist er doch ungefähr sechshundert Jahre alt, trägt stolz eine Glatze, die auf dem Hinterkopf mit einem Tatoo verziert wurde und hat mehr Falten als die eigentliche Cher. Das Blech, welches er an seinem linken Ohr zu tragen pflegt, würde einem Schrottwarenhändler dazu verhelfen eine Filiale zu eröffnen. Unmengen an Metall, sage ich euch. Die Brille mit klassisch modernem schwarzen Gestell verschafft ihm eine vermeintliche, vielleicht auch tatsächlich intellektuelle Erscheinung. Um dies genauer eruieren zu können müsste ich ihn ansprechen, mit ihm ins Gespräch kommen, meinem etwas zu klein geratenen Sinn für humanitäre Interaktionen freien Lauf lassen, aber er scheint so ergriffen von seinem Norwegen-Reiseführer zu sein, dass ich diesen Gedanken vorderhand verwerfe. Bei genauerem Betrachten seiner, beiden Ohren fällt mir auf, dass er am Rechten sogar Goldringe trägt. Aha, Geld für Juwelier. Handy hat er auch. Er spricht einen St.Galler Dialekt. Abschreckend, aber durchaus amüsant. Das Verwirrendste an seinem Erscheinungsbild sind die schwarzen Nikes. Sind wirklich coole Schuhe. Er bringt mich zum Nachdenken; vielleicht ist das sogar seine Absicht. Was kann ein Mann mit Air Max-Turnschuhen und einem widerlichen, übrigens sehr trockenen Passagio-Weisswein, in einem Zug suchen? Genugtuung, hervorgerufen durch allgemeines Unverständnis unsererseits? Womöglich.
Das Leben nervt. Was aber noch viel mehr nervt sind jene Menschen, die unentwegt versuchen es zu ändern, was „Besseres“ daraus zu machen. Volk, das Leben ist beschissen und ihr könnt daran gar nichts ändern. Es ist wie es nun mal ist. Heult doch ihr Hurensöhne. Ob ihr es glaubt oder nicht, also eigentlich sollte es relativ einleuchtend sein, unsere Bestimmung, oder etwas spiritueller ausgedrückt, Determination, ist der Tod.
Abgesehen vom Tod gibt es kulturelle Unterschiede. Ach nee, wirklich? Ja, gibt es. Dies fällt mir nicht erst jetzt auf. Diese Erkenntnis besass ich schon im zarten Alter von zehn. Aber gerade in diesem Moment wird es mit unermüdbarer Kompromisslosigkeit eindrücklich. Im jetzigen Gegenüber befinden sich zwei Schwarze, Farbige, Afro-Amerikaner, wie auch immer man es politisch korrekt, so überhaupt nicht Rassen diskriminierend, ausdrücken will. Eben jene scheinen weitab von meinem sozialen Verständnis zu liegen. Eigene Welt, gerade andere Kultur, andere Auffassung, das Motto des Lebens wird verschoben. Schlimm wird es allerdings erst, wenn der Autor dieses Textes vergeblich zu deuten sucht, was es denn mit dieser Bewandtnis auf sich hat. Kurzum, der TEXT ist hiermit beendet, da der gesuchte Bahnhof schon zu nahe gerückt ist.