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Inselgeschichte

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17.02.2009
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Inselgeschichte

Sie hatten das Zehn-Uhr Schiff gemeinsam genommen. Anders wäre es auch nicht gegangen. Kaum waren sie an Bord, hatten sie sich an einen Tisch gesetzt, und begonnen einander wichtige Dinge zu erzählen. Sebastian war schon etwas angegraut und von Leberkäse und Bier aufgebläht. Marie dagegen war jung, schlank, mit duftigem Haar und vor Aufregung glänzenden Augen.

Sebastian griff nervös nach Maries Hand. Er wollte unbedingt mit einem geliebten Menschen am Inselufer stehen und auf das Wasser schauen. „Noch einmal“, wie er mit seiner etwas schwermütigen Art vor sich hin murmelte. Doch als er aufsah und die Uferlinie überblickte, sah er nicht traurig aus sondern eher schlecht gelaunt. Marie nahm die Dinge etwas leichter und wollte vor allem einmal auf einer Insel übernachten, „das erste Mal“.

Schon bevor sie ans Hotel kamen, hatten sie beschlossen, am Nachmittag gemeinsam schwimmen zu gehen - an der Wiese hinter dem dicken Kirchturm mit der lustigen Mütze. Sebastian döste in der Sonne. Marie fütterte Enten, wollte den dicken Turm unbedingt aus der Wasserperspektive betrachten und eigentlich am liebsten im Wasser bleiben. Sebastian richtete sich schwerfällig ein wenig auf und schüttelte in Gedanken den Kopf. Es war so viel Trennendes zwischen ihnen. Hier das begeisterte „erste Mal“, das in jeder Bewegung sichtbar war. Und dort ein resigniertes, um sich selbst kreisendes „noch einmal“. Das klang schon fast wie „ein letztes Mal“. Er hatte dann noch einer jungen Mutter auf den Badeanzug geschaut, schnell aber das Interesse verloren und sich wieder Marie zugewandt; behutsam den Rücken mit Sonnenöl eingecremt und die nassen Haare aus dem Nacken gestrichen.

Als das Sonnenlicht sich abendlich golden färbte, hatten die beiden ihre Sachen gepackt und waren den Uferweg einfach immer weiter gelaufen. Und als sie wieder am dicken Turm ankamen, analysierten sie befriedigt ihr Experiment. „Es ist also…“, hob Sebastian mit erhobenem Zeigefinger an „…eine Insel“, vollendete Marie im Tonfall von fleißigen Schülern. Und dann mussten beide lachen.

Nach dem Abendessen liefen sie noch einmal hinunter zum großen Steg. Wie hatte sich der See verändert! Nach Osten hin war das Wasser milchig grün und schien nahtlos in einen bleigrauen Himmel überzugehen. Im Westen aber standen dunkle Wolken über dem ölig wogenden See und die großen Ufersträucher wölbten sich bedrohlich über das Wasser. Auf dem Steg in ihrem Rücken blinkte die Sturmwarnung. Und rundherum am Horizont antworteten ihm neun weitere, aufgeregte orange Lampen. Vielleicht auch zehn; so ganz sicher waren sie auch nach mehrmaligem angestrengten Zählen nicht. Jetzt setzten Böen ein, peitschten die ersten Regenschauer über die Insel und die Büsche zeigten flirrend ihre hellen Blattunterseiten.

Sebastian legte Marie den Arm auf die Schulter und spürte ein Zittern. War es die Kälte, oder die Aufregung vor dem Sturm? Oder noch etwas anderes? Der Regen wurde stärker und sie liefen schnell über den Steg ans baumbewachsene Ufer. Im Westen erschien ein flimmerndes Dreieck aus Lichtern, das langsam näher zu kommen schien. Sebastian und Marie drückten sich an einen Baum und blickten zwischen den dicken Ästen hindurch auf schwarz wogendes Wasser vor schwarzem Wald und noch schwärzerem Himmel. Sie waren sich sehr nahe jetzt. Sebastian hatte plötzlich den Eindruck, „mit einem geliebten Menschen auf der Insel zu stehen“. So wie er es sich immer gewünscht hatte. Und doch ganz anders. Ich glaube, er hatte sogar gelächelt. Auch über sich selbst.

Die Lichter waren jetzt deutlich als ein Schiff zu erkennen. Es brach durch die Engstelle bei der Insel, drehte bei und dampfte kraftvoll durch die Wellen nach Osten. Die Schaufelräder vibrierten und eine Kette aus Girlanden spannte sich wie ein schützendes Zelt über den schlanken Schiffskörper.

„Ein Schiff“. Mit einem Schrei packte Papa seinen Fotoapparat, sprang berauscht in den Wind und drückte auf den Auslöser. Die kleine Marie blieb im Schutze des dicken Baumes und schlug sich vor Aufregung laut lachend die Hände vors Gesicht. Papa tanzte im Regen und sang frei nach Wolfgang Borchert „Stell dich mitten in den Wind, …und sei ein Kind“.

Fünf Minuten später waren sie im Hotelzimmer und rubbelten die Haare trocken. Zehn Minuten später träumten sie schon – ein jeder von seiner Inselgeschichte.

 

Hey Lichtgestalt!

Die Geschichte ist eigentlich interessant, für sich interessant, nicht für mich. Ich komme mir verarscht vor, weil der Autor den Leser hinters Licht führt mit einem sehr billigen Trick. Du gibst deinen Protagonisten nur deshalb die Anfangsbuchstaben, um eine blöde Pointe hinzukriegen. (Außerdem nervt mich eh diese Kafkanachahmung mit den Buchstaben als Namen. Wenn schon kopieren, dann richtig, mach dahinter jeweils einen Punkt.)

Die Geschichte ist deshalb interessant, weil ich genau wissen möchte, warum eigentlich J. sich diese Gedanken macht. Ich möchte jetzt nicht zu viel verraten, weil ich damit wohl deine Intention kaputt machen würde und die anderen Leser nicht das Vergnügen hätten. Mein Anliegen: Ich möchte die Geschichte der Figuren, bevor sie auf die Insel kommen, erfahren. Oder du streust ein paar Infos zwischendurch ein.

Gaaanz, ganz schreckliches Ende, da blöde Auflösung. Gefällt mir absolut nicht und es reißt für mich auch die ganze Geschichte mit sich unter.

JoBlack

 

Hallo Lichtgestalt ,
ich habe Deine Geschichte sehr gern gelesen, da ich recht gespannt auf die Pointe war. Grauenvoll finde ich das Ende überhaupt nicht, aber ich vermisse ebenfalls ein bißchen die Vorgeschichte. Warum ist J. die Inselgeschichte so wichtig? Das findet man gar nicht heraus und das ist schade. Ansonsten hat's mir gut gefallen :)

 

Salve Lichtgestalt,

ich mochte die Geschichte recht gerne, finde die Pointe allerdings überflüssig. Die Hauptwirkung erzielt sie durch den Kontrast der Prots, durch die Lebenslust des Kindes und den leichten Überdruss (Midlifecrisis?) des Vaters. Den ollen Kalauer, die Leser aufs Glatteis zu führen, brauchst Du nicht.
Vor allem nicht mit dem bewusst irreführenden Satz:

Kein ideales Paar, so könnte man meinen.
Wenn du es denn nicht lassen willst, dann mach wenigstens einen Vater und seine Teenager-Tochter (oder Mutter und Sohn) draus, aber bitte mit ausgeschriebenen Namen.

Im Gegensatz zu den Vorkommentatoren fehlt mir die Begründung für die gedämpfte Stimmung des Vaters kein bisschen. In dem Alter kommt es schon mal vor: man reflektiert, was man erreicht hat, was noch kommt im Leben, welche Träume wahrscheinlich unerfüllt bleiben werden.
Wäre es meine Geschichte, würde ich auf dieser Klaviatur noch ein wenig klimpern, aber es ist Deine, darum musst Du entscheiden.

Ansonsten:
Zahlen in literarischen Texten werden ausgeschrieben.

gemeinsam Schwimmen zu gehen
schwimmen
Diesen Satz und den folgenden würde ich zu einem zusammenziehen, weil der zweite sonst grammatikalisch unkorrekt bleibt (fehlendes Verb und so).
hinunter zum Grossen Steg
großen. Klein in jedem Fall, mit ss ist nur gestattet, wenn Du Eidgenosse bist.
wieder am Dicken Turm ankamen
dicken

LG, Pardus

 

Hallo Lichtgestalt,
als die Anfangsbuchstaben auftauchten, bin ich sofort ans Ende der Geschichte geagangen. Zu durchschaubar, der Trick!
LG,
Jutta

 
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Hallo Lichtgestalt,
ich fand die Handlung und die Gedanken gut, könnten noch schlichter kommen, wäre auch gut. Die Abkürzungen und die späte Aufklärung der Beziehung sind überflüssig, davon lebt die Geschichte nicht. Wenn schon eine Überraschung, dann sollte sie sich aus der Handlung ergeben und nicht darauf, daß der Erzähler etwas preiszugeben bereit ist.
Du stellst den Erzähler in fast gleichen Abstand zu den beiden Personen, das macht es sehr objektiv, nimmt aber auch Intensität. Ich wäre an die Tochter etwas näher rangerückt, weil sie die junge, offenere ist und intensiver erlebt.

Das Spannungsfeld zwischen Vater und heranwachsender/herangewachsener Tochter und die mit der Ablösung gegebenen Möglichkeiten, sich auch von den Rollen zu lösen, sind interessanter Stoff, der hier mitschwingt und dem Du eine schöne Leichtigkeit gibst. Schön und unterhaltsam präsentiert wird das Thema in "Mein Vater, der Held", ein Film mit Gerard Depardieu in der Hauptrolle (Original: Mon père, ce héros, ich meine die französische Verfilmung, nicht das amerikanische Remake, das ebenfalls mit Gerard Depardieu produziert wurde).

Ein paar Handgriffe, dann ist die Kg richtig gut,

Gruß Set

 
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Hallo liebe Kritiker,

das war meine erste KG auf KG und ehrlich gesagt hatte ich ein wenig Angst vor der Kritik. In all diesen Geschichten hängt so viel Eigenes - und das macht mich - uns alle? - verletzlich.

Dann habe ich doch nach ein paar Wochen die Kommentare gelesen - und siehe da, es war einfühlsam und hilfreich! Und über Kafka habe ich auch etwas gelernt! Vielen Dank für Form und Inhalt.

Ihr habt mich (fast) überzeugt, dass die Geschichte mit ausgeschriebenen Namen und ohne Pointe leben kann. Mit ging's - wohl etwas platt - um ein nochmals Lesen nach der Pointe. Der Frage nachgehen, ob liebende Zweisamkeit auch mit Kindern stattfinden kann (zur Abgrenzung, da ich gerade M Biller / Die Tochter lese: liebende Zweisamkeit ohne Sex). Wie man in solchen Momenten kindliches Empfinden bei sich selbst zulassen und wiederentdecken kann. Und wie daraus eine kleine Ahnung von Glück entsteht.

Die Vorgeschichte der Prots (sagt man so?) ist allerdings "another (short) story".

Viele Grüsse

Lichtgestalt

 

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