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Irgendwie anders...
Irgendwie anders...
Eisiger Wind wehte in unregelmäßigen Abständen über den alten Marktplatz und wirbelte Laub auf.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es viertel vor sechs war. Also war ich zu früh, hatte noch eine ganze halbe Stunde.
Ich strich mir eine Strähne aus der Stirn und ging langsam auf eine der Bänke zu, die unter alten Kastanien standen, welche rings um den Platz postiert waren.
Ich liebte diese Bäume. Sie strahlten immer eine gewisse Ruhe aus.
Mit einem leisen Seufzer schloss ich die Augen, blickte zum Himmel und atmete tief ein. Die Luft war kalt und stach in meiner Brust, doch das störte mich nicht weiter.
Nach einer Weile öffnete ich die Augen wieder und sah direkt gegenüber von mir ein Pärchen. Die Beiden waren einige der wenigen Menschen, die sich bei diesem Wetter draußen aufhielten.
Ich beobachtete sie eine Weile, sah, wie sie Zärtlichkeiten austauschten und sich küssten, sich so nah waren in aller Öffentlichkeit und doch ganz für sich.
Wurde traurig...
Meine Erinnerungen entglitten mir und ich sah es wieder vor mir.
Ein ähnlicher Tag wie heute war es gewesen, nur war der Himmel klarer. Ich konnte mich viel zu gut daran erinnern.
So auch diesmal...
Skizzenhaft sah ich die Klasse vor mir. Lautes Stimmengewirr begleitet von leisem unterschwelligen Gemurmel und schließlich das Öffnen der Tür. Er trat ein...
Ich schüttelte kurz den Kopf und vertrieb die Gedanken sowie meinen verschwommenen Blick.
Als sich meine Sicht wieder geklärt hatte, war das Paar verschwunden, aber trotzdem blieb immer noch diese Traurigkeit.
So könnten wir nie da sitzen. Ich legte meinen Kopf schief und versuchte, es mir vorzustellen, doch es gelang mir nicht. Zu surreal war dieser Gedanke und das war meine Schuld.
Ich war feige!
Ich gestand es mir ein, doch ändern wollte ich nichts. Warum auch? Es war bloßer Selbstschutz. Ich hätte es vermutlich nicht ausgehalten, von den anderen verspottet zu werden.
Ach was verspottet, das wäre noch nett gewesen...
Keine Sekunde würden sie mich in Ruhe lassen, wenn sie es wüssten.
In ihren Augen wäre ich dann nicht normal.
Jetzt passte ich noch in ihre Reihen, ich passte mich auch an. War genau wie sie.
Normal....
Ich lachte leise auf.
Normal, was ist das schon.
Nur ein Wort.
Ein Wort, an dem die Menschen das fest nageln, was sie für den Standard halten.
Und was tue ich?
Ich verleugne mein Selbst, um akzeptiert zu werden.
Ich ignoriere mich, nur um aufgenommen zu werden, in einer Gesellschaft, die Angst vor dem Anders-Sein hat.
Was ist schon falsch daran, sein Leben zu leben?
So zu leben, das man selbst glücklich ist?
Ist es wirklich richtig, sich selbst, zu belügen, nur um den anderen das vorzuspielen, was sie sehen wollen?
Ist es richtig, sich selbst seelische Schmerzen zuzufügen, nur damit die Anderen glauben, man sei das, was in ihren Augen richtig ist.
Wie kann man denn überhaupt so ein Leben leben wollen!?
Ich seufzte und sah noch einmal gen Himmel, als sich plötzlich zwei Arme von hinten um mich schlangen und mein Herz für einen Moment aussetzte. Bevor sich ein beruhigendes Gefühl in meinem Magen breit machte.
Ich lächelte.
Ja, genau in solchen Momenten wusste ich es. Für solch ein Gefühl lohnte es sich einfach, irgendwie anders zu sein...
~EndlessRain~