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Isoliert Mittendrin

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30.11.2003
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Isoliert Mittendrin

Nie war ich großartig mit Armut in Verbindung gekommen. Natürlich bemerkte ich die Bettler auf den Straßen und ab und zu warf ich ein paar Centstücke in ihre Hüte mit Löchern, die sie den Passanten hinhielten. Und mir entgingen auch nicht die Diskussion über Hartz 4, das ja einige in die Armut stürzen sollte. Mir entging das alles nicht, aber wirklich realisieren tat ich es nicht.
Meiner Meinung nach war jeder selbst für sein Glück zuständig und nicht der Staat.
Und außerdem, Armut in Deutschland gab es ja gar nicht. Punkt.
Bis mir eine Freundin einen Nachhilfejob vermittelte.
Es war ein grauer Apriltag und es waren nicht viele Menschen unterwegs. Stirnrunzelnd schaute ich im Bus auf den Zettel in meiner Hand. Ich hatte weder je etwas von die Straße gehört, noch war ich je in der Gegend gewesen. Mühsam hatte ich den Stadtplan studiert und stieg nun an der Haltestelle aus, wobei ich hoffte, dass sie richtig war.
Eine halbe Stunde irrte ich zwischen baufälligen Häusern und stillgelegten Baustellen entlang.
„ Entschuldigen sie, ich suche die Heinzboldstraße. Wissen sie wo das ist?“, fragte ich einen Mann auf der Straße. Er hob abwehrend die Hände und stammelte: „ Ich – ich nicht verstehen.“ Der Mann eilte davon. Zwei andere verstanden nur Bruchstücke meines Deutsches, bis ein dritter mir helfen konnte. Mühsam eilte ich an unzähligen gleich ausshenden Kiosken vorbei, bis ich endlich vor der richtigen Haustür stand. Mein Blick strich an Özans, Galliks und Gülcis vorbei, bis ich den richtigen Namen fand.
Die Treppen knarrten unter meinen Schritten, als ich das dunkle Treppenhaus empor stieg. Ich musste ganz nach oben und kam an keinem einzigen Fenster vorbei. Nur ein dunkler, mit Spinnenfäden behangener, Tunnel. Ich wollte jetzt schon wieder weg von hier.
„ Ah, hallo“, begrüßte mich die Frau freundlich und ihr Kopftuch verrückte etwas, sodass man den Ansatz ihrer dunklen Haare erkennen konnte. Ich musste meinen Kopf einziehen, da der Eingang selbst für mich zu niedrig war.
„ Eine Moment, bitte“, sagte die Mutter meiner Nachhilfeschülerin und ich versuchte den sprachlichen Fehler zu überhören. Drei kleiner Kinder rannten unter meinen Beinen entlang oder an mir vorbei. Ich folgte der Mutter in die Küche. Die Decken der Wohnung waren niedrig und die Fenster klein. Die Mutter erzählte mir in gebrochenem Deutsch, sie habe 5 Kinder, aber ich konnte bei aller Mühe nicht mehr als zwei Zimmer in der Wohnung zählen. Ein kleiner runder Tisch diente der Familie zum Essen und die die 3 Jährige und der 16 Jährige teilten sich das gleiche Zimmer.
Meine Nachhilfeschülerin war 10, seit einem halben Jahr in Deutschland, und hatte die größten Probleme mir zu folgen. Ich drosselte das Tempo meiner Sprache. Traurig bemerkte ich, dass sie kaum mitkommen konnte in der Schule. Und die Eltern konnten noch weniger Deutsch.
Nach zwei Stunden hatte ich dem Mädchen ein paar Artikel und in Ansetzten das Präteritum beigebracht. Die Eltern wollten, dass ich wiederkam und ob zwei Euro die Stunde reiche. Ich versuchte höflich zu sein, auf keine Frage direkt zu antworten, und antwortete stets, ich hätte im Moment viel zu tun.
Als ich erneut durch das dunkle Treppenhaus ging, klopfte mein Herz wie wild. Alles verunsicherte mich, so viel Fremdes umgab mich.
Ich kannte den Geruch der Gewürze nicht, die ein Kioskhändler verkaufte und verstand kein Wort der Sprache, die auf der Straße gesprochen wurde. Ich fühlte mich verloren, als wäre ich gerade in einem fremden Land angekommen.

 

Hallo bluna,

bei deiner KG halte ich dir zugute, dass du erst 16 bist.
Die Idee deines Textes war, den Prot in seinem satten Leben an eine Stelle zu führen, die ihm fremd ist, so dass er sich selbst isoliert fühlt. Türken stellvertretend dafür zu nehmen, die dann auch noch

Die Treppen knarrten unter meinen Schritten, als ich das dunkle Treppenhaus empor stieg. Ich musste ganz nach oben und kam an keinem einzigen Fenster vorbei. Nur ein dunkler, mit Spinnenfäden behangener, Tunnel. Ich wollte jetzt schon wieder weg von hier.

in einem dunklen Loch wohnen, finde ich nicht so passend. groper hat das auch schon angemerkt, dass es viele andere deutsche Schicksale gibt, so dass Ausländer für diese Geschichte nicht herhalten müssten. In deinem Schülerumfeld zB gibt es sicher auch Mitschüler, die in einer Scheidungsfamilie wohnen. Ich kenne viele Alleinerziehende, die wirklich jeden Cent umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben. Auch in solch' einer Geschichte kann Isolation
(von beiden Seiten) ein Thema werden.


Zum Text:

Nie war ich großartig mit Armut in Verbindung gekommen.

großartig - würde ich weglassen

Meiner Meinung nach war jeder selbst für sein Glück zuständig und nicht der Staat.

Der Staat kann für die Finanzen zuständig sein, wenn man Hilfe braucht - Glück bekommt man durch anderes geschenkt ;)

Ich hatte weder je etwas von die Straße gehört, noch war ich je in der Gegend gewesen.

das erste je würde ich rausschmeissen

Mühsam eilte ich an unzähligen gleich ausshenden Kiosken vorbei,

weiter oben war auch schon mühsam...hat deine Prot schwer zu schleppen?

Drei kleiner Kinder rannten unter meinen Beinen entlang oder an mir vorbei.

Stell' dir diesen Satz einmal bildlich vor :D.
Eher noch: Unter meinen Beinen hindurch...


Die Mutter erzählte mir in gebrochenem Deutsch, sie habe 5 Kinder, aber ich konnte bei aller Mühe nicht mehr als zwei Zimmer in der Wohnung zählen. Ein kleiner runder Tisch diente der Familie zum Essen und die die 3 Jährige und der 16 Jährige teilten sich das gleiche Zimmer.

nochmal Mühe

Traurig bemerkte ich, dass sie kaum mitkommen konnte in der Schule. Und die Eltern konnten noch weniger Deutsch.

Traurig bemerkte ich, dass sie in der SChule kaum...

Zudem ist das ja klar, sonst hätte sie ja keine Nachhilfe nötig.


zwei Stunden hatte ich dem Mädchen ein paar Artikel und in Ansetzten das Präteritum beigebracht.

Ansätzen

Das ist für mich unglaubwürdig. Zwei Stunden am Stück, das habe ich nie geschafft, spätestens nach einer ist doch die Konzentration weg, und das grade beim ersten Mal. Ich fände es auch schön, wenn die Prot mit dem Mädchen ein Gespräch hätte, anstatt nur zu erzählen, was sie arbeiten.

Die Eltern wollten, dass ich wiederkam und ob zwei Euro die Stunde reiche.
Zeitfehler

Ich versuchte höflich zu sein, auf keine Frage direkt zu antworten, und antwortete stets, ich hätte im Moment viel zu tun.

Komischer Satz. Das stets bedeutet für mich, dass die Eltern mehrfach gefragt haben.
Du willst damit ausdrücken, dass du eigentlich nicht mehr kommen willst. Zeig das doch in wörtlicher Rede oder in der Beschreibung, wie sich die Prot bei der Familie fühlt.

Ich hatte bei dieser KG das Gefühl, dass du über Dinge schreibst, über die du teilweise nur spekulierst, wie sie sein könnten und dadurch die Realität für mein Verständnis nicht so gut triffst.

Mach weiter mit Schreiben und such dir Themen, die aus deinem Umfeld sind :)

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo zusammen,
mm, also danke erst mal für die Kritik. Ich wollte nicht die "türkischen Mitbürger" beleidigen oder sonst etwas. Ursprünglich wollte ich über Armut schreiben, irgendwie ist die Geschichte dann abhanden gekommen. :)
Was ich aber ganz deutlich sagen musst, ist, dass ich nicht grundsätzlich denke alle Türken würden in Armut leben oder ich wollte hier mein leichten Hass auf Türkenviertel ablassen. Ganz sicher nicht! Ich wollte nur bewusst machen, dass viele "Ausländer" immer noch sehr isoliert leben, wobei ich keinem die Schuld gebe. Das mit den bloden Haare streiche ich oder ich lasse es weniger überheblich klingen.
Greetz, bluna

 

Von deiner Intention mal ganz abgesehen, muss es nicht unbedingt stören, dass "Ausländer" in dieser Geschichte den Kopf herhalten müssen.
Es muss ebenso wenig stören, dass diese Bevölkerungsgruppe in "Armut" dargestellt wird.
Was aber stört, ist, dass hier Isolation mit Armut in Verbindung gebracht und gleichgesetzt wird bzw. umgekehrt.
Heutzutage leben immer noch viele Ausländer, überwiegend aus der ersten Generation, noch "isoliert", d.h. in Vierteln, die nach dem Krieg einigermaßen heil geblieben sind oder rasch aufgebaut wurden, um als Unterkunft für die "Gastarbeiter" zu dienen.
Sie wurden dort untergebracht mit "Gleichgesinnten". Viele haben versäumt, später wegzuziehen und haben dafür die Städte ihren Bedürfnissen angepasst. Sowas muss trotzdem nicht Armut bedeuten.
Aber das muss nicht einmal als ein großes Problem angesehen werden in der Geschichte.

Was mich gewaltig stört, ist die Herangehensweise an ein Thema, ohne die erforderliche Recherche dazu.
Ich bleibe bei meinem beliebten Beispiel mit den Namen. Nicht alles, was ein "ö" und ein "ü" im Klang hat, muss ein türkischer Name bzw. ein türkisches Wort sein. So auch hier. Die aufgezählten Namen sind vollkommen realitätsfern.
Niemand, der so wenig deutsch spricht und in derartiger Armut und Isolation lebt, engagiert eine Nachhilfelehrerin für seine Kinder. Erstens fehlt der Kontakt, zweitens das Budget.
Egal, wie arm und elend das Gebäude von außen auch aussieht, niemand wohnt in einem derartigen Dreckloch, ohne es sauber zu halten.
Gewürze werden in einem Kiosk zum Verkauf abgeboten? Hier mischt sich wohl außerdem ein Hauch orientalischer Basar in das Viertel.

 

Hallo Bluna,

ich habe deine Geschichte auch als beleidigend gegenüber Ausländern empfunden. Die Idee, dass dieses Mädchen mal aus ihrer heilen Welt herauskommt und sieht, wie es anderswo zugeht, fand ich gut. Es gibt auch solche Viertel, wie du sie beschreibst - oft wohnen darin sogar Ausländer - aber ich empfand deine Geschichte trotzdem als sehr Klischeehaft. Türken mit vielen Kindern, hausen in einem "Loch" etc.
Und was das Ganze mit Hartz 4 zu tun hat, weiß ich nicht. Solche Armut gab es auch vorher schon. Und das das Mädchen ihre Meinung geändert hat, wie du am Anfang behauptest - glaube ich auch nicht. Gut, sie hat gesehen, wie manche Leute leben - aber sie lässt die Armut trotzdem nicht an sich ran und tut, als würde sie alles nichts angehen.

LG
Bella

 

Hallo,
schade, dass ihr das alle so beleidigend gegenüber Ausländern empfindet.
Ich denke, ich werde die Geschichte nochmal vollständig überarbeiten. Vielleicht ist ja dann eine alleinerziehende Mutter in der Hauptrolle.
@ Bella Ich habe nie gesagt, dass die prot die Armut an sich heranlässt, sie erkennt lediglich.
Es stimmt, ich habe viele Klischees verwendet, was mir auch erst im Nachinein auffällt. Aber, es gibt solche Viertel oder nicht?

 

Hallo bluna,

Aber, es gibt solche Viertel oder nicht?

Vielleicht macht ihr eure Klassenfahrt nach Berlin. Dann lass' dich mal auf Kreuzberg ein :) .

Grüße aus dem Süden
bernadette

 

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