- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Jagd
Jagd
“Verdammt, Walther! Mach endlich die Tür zu, es wird kalt!”
Der große, stämmige Mann, an der offenen Tür, sah kurz über seine Schulter, bevor er seinen Blick wieder in die Dämmerung richtete.
“Er müsste längst da sein, Paul”, sagte er dann. “Es wird dunkel.”
Paul setzte sich aufrecht, nahm eine Flasche Bier vom Tisch und öffnete sie.
“Ach, er wird schon kommen”, Paul nahm einen großen Schluck. “Du weißt doch, wie Vince ist. Der wird sich kräftig einen hinter die Binde gießen. Und soll ich dir was sagen - recht hat er.” Wieder setzte er die Flaschen an. Walther schloss die Tür der Blockhütte und trat ans Fenster.
“Es schneit wieder.”
Nun sah auch Paul besorgt zum Fenster.
“Gibt verdammt viel Schnee, dieses Jahr.” bemerkte er monoton.
“Was ist, wenn er sich verfahren hat?” fragte Walther, ohne sich umzudrehen.
“Traust du deinem Bruder nicht einmal zu, ein paar Bier zu kaufen?” Bei diesem Satz öffnete Paul die nächste Flasche.
“Doch, verdammt”, Walther fuhr herum und setzte sich zu seinem Freund an den Tisch. “Aber Vince war noch nicht oft zum Jagen hier oben.”
“Und trotzdem hast du ihn fahren lassen.” stellte Paul fest. Die Blicke der Männer trafen sich. Dann strich sich Walther nervös durchs Haar.
“Du hast recht. Ich hätte selbst gehen sollen!”
“Das hab ich doch gar nicht gesagt”, warf Paul ein. “ Mach dir keine Sorgen. Sicher sitzt er irgendwo und lässt sich vollaufen.”
“Dafür kennst du Vince nicht gut genug. er ist nicht so ein Säufer...”
“Wie ich”, fiel ihm Paul ins Wort. “Das wolltest du doch sagen, oder?”
Walther schüttelte genervt den Kopf.
“Jetzt hör schon auf damit”, er sprang auf. “Ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten und von mir aus, kannst du saufen, so viel du willst! Aber da draußen”, dabei deutete er zum Fenster. “da draußen ist mein Bruder!”
Paul sah betroffen zu Boden.
“Was schlägst du vor?” fragte er dann und stellte sein Bier auf den Tisch.
“Wir werden ihn suchen.”
Paul sah seinen Freund ungläubig an.
“Aber du hast doch selbst gesagt - es schneit! Es wird dunkel. Willst du mitten in der Nacht, bei diesem Wetter, wirklich durch die Berge laufen? Wo wollte Vince hin? Spencers Rock - stimmt´s? Das sind acht Meilen! Willst du acht Meilen durch hohen Schnee laufen, um ihn zu suchen? Ich meine, wo willst du ihn denn suchen?”
“Ich habe keine Ahnung”, gab Walther zu. “Auf jeden Fall werde ich hier nicht rumsitzen, und gar nichts tun!”
Paul atmete schwer aus.
“Na gut, wir werden ihn suchen”, stimmte Paul schließlich zu. “Aber ich garantiere dir: In spätestens einer Stunde wird Vince hier auftauchen - voll wie ein Elch - und er wird uns furchtbar auslachen.”
“Ich hoffe, du hast recht. Ich hoffe, du hast recht, Paul.”
Die Männer traten auf die Veranda hinaus. Inzwischen war es dunkel geworden und der Schneefall hatte noch mehr zugenommen.
Vor der Hütte standen zwei Schneemobile, aber die Männer verzichteten auf ihre Gefährte. Bei der Suche in unwegsamerem Gelände waren sie, bei diesem Wetter, nicht hilfreich. Walthers Pick Up, der hier oben von vornherein nutzlos war, parkte in Spencers Rock.
Das Licht ließen die Freunde, als Orientierungshilfe für Vince, brennen. Auch eine Nachricht lag auf dem Tisch. Falls er kam, sollte er sich keine Sorgen machen und einfach warten. Mit warmen Daunenjacken, Handschuhen und gefütterten Stiefeln bekleidet, stapften sie los. Während Paul eine blaue Wollmütze trug, begnügte sich Walther mit der Kapuze seiner Jacke. Beide trugen eine große Taschenlampe, deren armdicker Strahl die Nacht durchschnitt. Schneeflocken tanzten im Licht.
Paul hatte nicht darauf verzichtet, und sein Gewehr mitgenommen. Die Flinte umgehängt, lief er neben Walther her. Bis über die Knöchel versanken sie im Schnee, was ein zügiges Vorankommen unmöglich machte. Mit ihrem Licht rissen sie dick verschneite Büsche und Sträucher aus der Finsternis.
Da die Hütte auf einer kleinen Lichtung erbaut worden war, standen die großen Nadelbäume nicht so dicht und die Männer stapften querfeldein. Eine Straße gab es hier oben nicht. Auf sie traf man erst nach zirka fünf Meilen, hinter dem Wald. Dann führte sie noch ungefähr drei Meilen hinab, nach Spencers Rock. Nach einiger Zeit wurde das Laufen leichter. Die Männer kamen nun weiter in den Wald hinein, und der Schnee war nicht mehr so tief, da der größte Teil von den Baumkronen abgehalten wurde. Walther blieb stehen.
“Wohin gehen wir jetzt?” schnaufte Paul.
Sein Kumpel schaute sich, die Lampe schwenkend, um.
“Wir sollten den üblichen Weg absuchen”, antwortete Walther. “Ich glaube nicht, dass Vince einen Umweg genommen hat.”
“Hey, es hat aufgehört zu schneien!” bemerkte Paul.
“Dann lass uns weiter gehen”, sagte Walther. “Ich bekomme kalte Füße.”
Paul entdeckte es zuerst. Er packte Walther an der Schulter und richtete seine Taschenlampe nach vorn. Walther nickte, als er sah, was sein Freund meinte. Etwa 25 Meter vor ihnen drang ein schwacher Lichtschein zwischen den Bäumen hindurch.
“Das ist Vince´ Schneemobil!” war sich Walther sicher und rannte los.
Paul folgte ihm. Fast gleichzeitig kamen die Freunde am Fundort an. In einem Schneehaufen lag, halb zur Seite gekippt, das Schneemobil. Der Motor lief nicht mehr. Nur der Scheinwerfer brannte, halb von Schnee bedeckt, und die Männer hatten Glück gehabt, dass Licht überhaupt entdeckt zu haben. Zusammen richteten sie das Fahrzeug auf. Die rechte Seite war verbeult und die Sitzbank zeigte tiefe Risse, als hätte ein Raubtier seine Pranke hinein geschlagen. Walther richtete sich auf und leuchtete die Umgebung ab.
“Vince, Vince”, rief er immer wieder. “Wo steckst du?”
Auch Paul rief nun nach seinem vermissten Freund, und lief suchend umher.
“Walther, ich habe Vince gefunden!”
Walther rannte los. Vor Pauls Füßen lag Vince´ Körper, mit dem Gesicht nach unten. Unter ihm war der Schnee mit Blut getränkt. Walther drückte Paul seine Taschenlampe in die Hand und fiel neben seinem Bruder auf die Knie.
“Vince”, rief er entsetzt. “Was hast du?”
Walther packte Vince an der Schulter und drehte ihn vorsichtig um. Mit einem spitzen Schrei ließ Paul beide Lampen fallen und riss sich seine Hände vor das Gesicht. Walther schreckte zurück und landete auf dem Hintern. Hektisch griff er nach einer der Lampen und leuchtete Vince an.
“Oh, mein Gott.” presste er hervor, als er in Vince´ schneeverkrustetes, blasses Gesicht starrte, aus dem ihn zwei tote Augen ansahen. An seinem Hals klaffte eine große Wunde und der Rest seines Kehlkopfes hing nur noch an einem dünnen Fleischfaden. Durch seine geschlossene Jacke sahen die Männer in ein Loch, größer als eine Männerfaust, in Vince´ Brustkorb. Gebrochene Rippen ragten heraus.
“Verdammt, Vince”, jammerte Walther unter Tränen. “Was ist nur passiert?”
Paul wusste im ersten Moment nicht, was er sagen sollte. Neben seinen Freund kniete er sich hin, und legte ihm seinen Arm um die Schulter.
“Das ist furchtbar, Walther.” Pauls Stimme klang belegt. “Was sollen wir jetzt tun?”
Walther riss sich los und sprang auf.
“Wer hat das getan, zum Teufel?” schrie er in die Nacht hinein.
“Ein Tier....” Pauls Antwort klang mehr wie eine Frage.
“Welches verdammte Vieh reißt einem Menschen das Herz heraus?” schrie Walther Paul an.
“Du glaubst, das war ein Mensch?” fragte Paul ungläubig.
“Ich weiß nicht, was ich glauben soll.” Walther fing wieder zu weinen an. Paul stand auf und trat zu ihm.
“Wir müssen Hilfe holen.”
“Okay”, stimmte Walther zu. “Ich versuche auf der Straße ein Auto zu erwischen. Du bleibst solange hier. Ich möchte Vince nicht alleine lassen.”
“Ich bleibe auf keinen Fall alleine hier”, widersprach Paul. “Es ist zwar dein Bruder - aber ich bleibe nicht alleine, mit einer Leiche.”
Walther wischte sich mit der Hand über die Stirn und atmete schwer aus.
“Gut, dann bleibe ich hier, und du holst Hilfe.”
Paul nickte, streifte sein Gewehr ab und hielt es Walther hin.
“Willst du es haben?”
“Nein, nimm es ruhig mit. Ich werde es nicht brauchen.”
Paul lud die Pumpgun durch und ging los.
Walther sah Paul noch eine Zeit lang nach, bis sein Freund nicht mehr zu sehen war.
Zu Vince war er nicht mehr gegangen. Er konnte den Anblick nicht ertragen, wie er so, elend zugerichtet, im Schnee lag. Dann suchte er Holz und zündete ein Feuer an. Sollte Vince wirklich ein Raubtier angefallen haben, hoffte Walther, es durch das Feuer fern zu halten. Im Falle, dass ein Mensch die Bluttat verübt hatte, wünschte er sich, den Täter damit anzulocken, damit er ihn mit seinen eigenen Händen erwürgen konnte. Immer wieder stellte er sich dies bildlich vor.
Walther machte sich am Schneemobil zu schaffen. Ein paar Mal hatte er es schon versucht, aber der Motor sprang nicht an. Und alles was er fand, waren halb gefrorene Flaschen Bier, im Stauraum unter der Sitzbank.
Als sich Vince hinter Walther aufrichtete, bekam dieser das nicht mit. Mit glanzlosen Augen starrte er zu seinem Bruder hinüber. Er drehte sich herum, kam so auf die Knie und stand langsam auf. Unsicher, schwankend, ging er auf Walther zu. Der kniete immer noch neben dem Schneemobil und untersuchte es, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Unwillkürlich sprang er auf und drehte sich um.
Walthers Augen weiteten sich und für einen Moment vergaß er zu atmen.
“Vince”, hauchte er dann. “Das kann doch nicht sein.”
Ein Stöhnen drang über die bleichen Lippen des Toten, als er seinen linken Arm ausstreckte, um nach Walther zu greifen. Walther wich einen Schritt zurück, stürzte über das Schneemobil, fiel rücklings hin, rappelte sich aber sogleich wieder auf. Vince folgte ihm. Walther schossen Tränen in die Augen und er glaubte wahnsinnig zu werden. Und dann schrie er. Und er schien, mit all seiner Kraft, seinen ganzen Seelenschmerz hinaus zu schreien.
In diesem Moment packte Vince zu. Mit der linken Hand griff er seinen Bruder am Schopf und riss seinen Kopf nach hinten. Walther versuchte sich zu befreien, stemmte sich dagegen und langte mit der rechten Hand genau in das Loch, in Vince´ Brust. Dann biss der Tote zu. Mit einem schmatzenden Geräusch riss er Walther ein großes Stück Fleisch aus der Kehle. Zischend schoss eine Blutfontäne aus der Wunde und spritzte Vince ins Gesicht. Der Tote schleuderte sein Opfer zurück. Mit ungeheurer Kraft gestoßen, flog Walther ein paar Meter durch die Luft. Krachend prallte er mit dem Rücken gegen einen Baum. Ein Ast bohrte sich durch seinen Hinterkopf und trat am rechten Auge wieder aus. Tot blieb Walther, an den Baum gespießt, hängen. Doch Vince hatte längst noch nicht genug.
Paul blieb abrupt stehen. Die Schreie waren furchtbar gewesen. Walther musste in großer Gefahr sein, dessen war sich der Mann sicher. Mit der Flinte, in der rechten Hand, spurtete er los.
Paul sah zum Himmel. Die Wolkendecke war aufgerissen und über den Baumkronen stand die volle Scheibe des Mondes. Dadurch wurde Paul die Orientierung sehr erleichtert und er war nicht nur auf seine Taschenlampe angewiesen. Oft musste er aufpassen, nicht zu stolpern, oder gegen einen Baum zu laufen. Mit seinen Gedanken war er bei Walther. Was würde ihn erwarten? Und hoffentlich kam er nicht zu spät. Auch vorhin hatte er sich immer wieder die Frage gestellt, wie Vince ums Leben gekommen war. Ein Bär vielleicht? Ein Puma?
Trotz der Kälte fing Paul an zu schwitzen. Er hastete einen kleinen Hang hinauf und musste sich dabei mit der Hand abstützen. Fast auf allen Vieren kam er oben an. Von seinem Freund hörte er nichts mehr, und das bereitete ihm Sorgen. Paul machte sich Vorwürfe, Walther nicht überredet zu haben, mit zu kommen.
Dann sah er das Licht des Schneemobiles. Paul ließ seine Lampe fallen, nahm seine Flinte in beide Hände und rannte weiter. Vor ihm, im Gegenlicht, huschte ein Schatten zwischen den Bäumen hindurch. Paul konnte aber nicht erkennen, wer oder was zwischen ihnen verschwunden war. Der Anblick, der sich ihm dann bot, schnürte ihm die Kehle zu.
An einem Baum stand Walther. Aus seinem rechten Auge ragte ein Ast, auf dessen Ende sein Augapfel, wie eine Cocktail-Olive, steckte. Seine Kehle war aufgerissen und aus einem großen Loch in seinem Bauch hingen Reste seiner Gedärme. Der größte Teil davon lag, zusammen auf einem Haufen, vor Walthers Füßen. Davor kniete Vince, hielt sich mit beiden Händen ein blutiges Stück Fleisch vor den Mund, auf dem er gierig kaute.
“Oh, mein Gott!” Paul glaubte, in einen bösen Traum geraten zu sein. Nun bemerkte Vince den Neuankömmling, ließ seine Mahlzeit fallen und stand auf. Mit blutverschmiertem, zu einer Grimasse verzerrtem, Gesicht schlurfte er auf Paul zu.
“Das ist doch unmöglich”, schrie Paul. “Du warst doch tot!”
Zur Antwort bekam er nur ein Stöhnen von Vince, wobei ihm ein Schwall Blut über die Lippen schwappte. Als Vince, bis auf zirka acht Meter, heran gekommen war, riss Paul sein Gewehr hoch. Der Schuss riss Vince das rechte Bein, kurz unter dem Knie, ab. Der Untote verlor das Gleichgewicht und stürzte nach vorn. Wie eine Eidechse kroch er weiter auf Paul zu. Dieser lud das Gewehr erneut durch und legte an. Diesmal zielte er genauer.
“Du verdammter Zombie.” murmelte Paul, mit der Flinte im Anschlag. Dann explodierte eine Feuerblume vor Pauls Mossberg. Die Schrotladung fetzte Vince den Schädel vom Hals. Blut, kleine Knochensplitter und sein Gehirn verteilten sich hinter ihm im Schnee. Ein paar Mal wippten die Überreste von Vince´ Unterkiefer, am Hals, noch auf und ab. Dann sackte der Körper zusammen und blieb liegen. Paul lud abermals durch und zielte weiterhin auf Vince. Erst als er sich sicher war, dass er sich wirklich nicht mehr regte, ließ er die Flinte sinken.
Wie war das möglich, fragte sich Paul. Vince war doch tot gewesen. Aber aus welchem Grund kehrte er als Zombie zurück. Was war der Auslöser hierfür? Plötzlich machte sich ein penetrant, beißender Gestank breit, gepaart mit dem Geruch von nassem Hund. Hinter Paul erklang ein tiefes Knurren und übelriechender, heißer Atem zog ihm in die Nase. Paul stellten sich die Nackenhaare auf. Mit eingezogenem Kopf drehte er sich langsam um.
Der Werwolf war einen ganzen Kopf größer als Paul. Zwei spitze Ohren, stechende Augen, eine lange Schnauze, aus der gelbe, spitze Zähne ragten. Dazu ein muskulöser Oberkörper und zwei kräftige Arme mit riesigen Klauenhänden gaben dem Monster nicht nur eine furchterregende, sondern auch imposante, Erscheinung.
“Scheiße.” wimmerte Paul, deren Knie sich anfühlten, als wären sie mit Pudding gefüllt. Der Wolf senkte seinen Kopf und kam näher vor Pauls Gesicht. Das Monster bleckte die Zähne und knurrte. Wieder strömte Paul stinkender Atem entgegen. Dann richtete sich der Werwolf zur vollen Größe auf, erhob seinen Kopf und schickte ein ohrenbetäubendes Heulen in den Himmel.
Für einen Augenblick achtete das Ungeheuer nicht auf Paul, und dieser wollte seine Chance nutzen. Schnell sprang er einen Schritt zurück. Doch bevor er sein Gewehr hochreißen konnte, erwischte ihn der Prankenhieb im Gesicht. Paul flog durch die Luft und landete hart auf dem Rücken. Knapp neben ihm kam sein Gewehr auf. Paul hatte das Gefühl, als wäre ihm sein Kopf von den Schultern gerissen worden. Benommen langte er sich dort hin, wo einmal seine linke Wange gewesen war, und jetzt eine blutende Wunde klaffte.
Sein Gesicht brannte wie Feuer. Verschwommen sah er den großen Schatten vor sich. Langsam näherte sich der Werwolf seinem vermeintlichen Opfer. Paul kniff seine Augen zusammen und rieb sie sich ein paar Mal. Endlich konnte er wieder klarer sehen. In diesem Moment setzte das Monster zum Sprung an. Gerade noch schaffte Paul es, sein linkes Bein anzuwinkeln.
Mit großer Wucht landete der Wolf auf ihm. Mit dem angewinkelten Bein, und seiner linken Hand am Hals des Ungeheuers, hielt er es sich auf Distanz. Das Untier fletschte knurrend die Zähne. Speichel tropfte zäh in Pauls Gesicht. Mit der rechten Hand bekam er sein Gewehr zu fassen, brachte den Lauf an die Hüfte des Werwolfs und drückte ab.
Das Monster heulte auf und wurde von Paul geschleudert. Der Mann wirbelte herum und kam hoch. Sofort wollte er noch einmal auf den Wolf schießen, aber die Waffe ließ sich nicht mehr durchladen. Wahrscheinlich war sie beim Sturz beschädigt worden. Fluchend schleuderte Paul das Gewehr dem Werwolf entgegen, der noch gekrümmt am Boden lag. Dann kümmerte er sich nicht mehr um das furchtbare Geschöpf. Paul drehte sich um und rannte so schnell er konnte. Ihm fiel die Hütte ein, wo Walthers und Vince´ Gewehre waren. Er hoffte sie erreichen zu können, bevor sich der Werwolf von seiner Verletzung erholte. Dass er daran starb, glaubte Paul nicht. Er dachte an die Ironie, die in seiner Situation lag. Oft waren Walther und er, hier in die Berge, zum Jagen gefahren - Und jetzt wurde er gejagt. Ausgerechnet von einem Werwolf, den es eigentlich gar nicht geben durfte - genauso wenig, wie einen Toten, der sich wieder erhob.
Seitenstechen machte sich bemerkbar und Paul war sich nicht mehr ganz so sicher, ob er überhaupt in die richtige Richtung lief. Aber anhalten kam für ihn nicht in Frage. Das Heulen des Werwolfs fuhr ihm durch Mark und Bein. Paul konnte aber nicht bestimmen, wie weit das Monster noch entfernt war. Panik überfiel ihn, als er die schnellen Schritte hinter sich hörte. Das Untier war näher, als ihm lieb war. Mit einem großen Sprung erreichte das Ungeheuer sein Opfer. Der Werwolf holte aus, und mit einem mächtigen Hieb rammte er Paul seine Klaue in den Rücken. Sie trat vorne wieder aus und hielt Pauls Magen fest umklammert.
Federn aus seiner Daunenjacke schwebten, wie Schneeflocken, auf den verschneiten Waldboden. Paul floss Blut aus Mund und Nase. Mit einem knackenden Geräusch biss der Wolf dem Mann den Kopf ab, der kurz über den Boden rollte und dann auf der Seite liegen blieb. Klatschend fiel der Torso nach vorn in den Schnee.
Der Werwolf hob seinen Kopf, als würde er etwas wittern. In einiger Entfernung sah er die beleuchteten Fenster einer Blockhütte. Ein leises Knurren drang aus seiner Kehle. Dann packte er Pauls rechtes Bein und schleifte ihn in den Wald zurück Die Jagdsaison war eröffnet.