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Jahreszeiten im Abgrund

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10.09.2007
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Jahreszeiten im Abgrund

Tank ist noch nicht da, also müssen wir warten, das sind wir unserer Freundschaft schuldig. Aber ein Bierchen genehmigen wir uns trotzdem, und die alten Slayer-Scheiben dürfen wir auch hören, spricht ja nichts dagegen. Also legt Mark „Reign in Blood“ auf, zum hundersten Mal, und ich frage mich, ob das neue Album genauso kompromisslos und hart sein wird wie dieses. Auf dem Cover ist ein großer Totenkopf mit umgedrehten Kreuzen zu sehen, das ist schonmal gut. Und die Titel klingen verheißungsvoll: „War Ensemble“, „Dead Skin Mask“, „Seasons in the Abyss“, Dunkelheit, Nacht, so soll es sein.

„Was heißt Abyss?“, frage ich Mark und er stellt die Dose Bitburger auf seinem Schreibtisch ab, auf dem Schulbücher und Stifte liegen, stellt sie mitten auf sein aufgeschlagenes Matheheft, in zwei Wochen ist Prüfung, das Bier wird einen Rand lassen, ein Zeichen des Protests zwischen den Formeln und Zahlen, den Versuchen, die Wirklichkeit in ein System zu zwingen, mitten in der schönen Ordnung der ganzen Schule, dieses verdammten Dorfes. Mark nimmt das Wörterbuch, fährt mit dem Finger über die Seite.

„Abgrund“, ruft er und ich bin sofort ergriffen, blicke nochmal auf die Liste der Titel: „Seasons in the Abyss“, Jahreszeiten im Abgrund, ja, das hat was. Und ich denke an dunkle Schluchten, Fantasielandschaften, denke daran, wie die Sonne in der Ferne untergeht, die Schatten auf den Felsen länger werden, wie Kälte hinaufkriecht und die Wüstenhitze vertreibt, sie war immer da, heimlich, aber jetzt übernimmt sie das Kommando, Kälte und Dunkelheit, der Tag ist vorbei. Ich nippe an meinem Bier und blicke aus dem Fenster. Die Sonne geht auch hier unter, der Wald sieht fast bläulich aus. Mark zerdrückt seine Bierdose und ich schüttele meine Büchse: Sie ist noch halbvoll. Und in dem Moment hören wir, wie unten die Bremsen von Tanks Fahrrad quietschen. Jetzt wird er das Rad abstellen, Marks Mutter wird ihm die Tür öffnen, Tank wird die Treppe hochmarschieren und dann werden wir endlich wissen, wie Jahreszeiten im Abgrund klingen.

„Ihr habt ja schon mit dem Saufen angefangen“, ruft Tank, als er ins Zimmer kommt, aber wir hören kaum, was er sagt, und das weiß er ganz genau, denn wir sind gefangen von dem, was wir sehen: Tank trägt eine Lederjacke.
Er hat es tatsächlich getan: Am Tag nach der Konfirmation ist er in die Stadt gefahren und hat all das Geld von seiner Verwandtschaft für die Lederjacke ausgegeben, die wir zehntausendmal bewundert haben, im Fenster des Motorradladens, dreihundertzwanzig Mark hat er auf den Tresen gehauen und da ist sie, schwarz, voll mit dicken Reißverschlüssen und schweren, silbernen Knöpfen.

„Wie geil ist das denn?“, ruft Mark.

Und Tank grinst, er sieht breit und kräftig aus in der Jacke, das weiß er, hat er bestimmt vorm Spiegel ausprobiert, und zum ersten Mal spüre ich, dass wir richtige Rocker sein können, wenn wir wollen, dass wir ernst genommen werden können in der Schule, im Dorf und sogar in der Stadt. Nach Weihnachten werde auch ich das Geld beisammenhaben, und dann kaufe ich mir die gleiche Jacke und Mark vielleicht auch, dann werden alle sehen, dass wir eine Einheit sind mit unseren Lederjacken und unseren langen Haaren, eine verschworene Armee.

„Sieht cool aus“, ruft Mark und Tank zurrt ein bisschen an der Jacke herum, er fühlt sich noch nicht so ganz wohl darin und sieht erleichtert aus, als ich ihn frage, ob ich sie mal anprobieren darf.

Die Jacke ist schwer und das dunkle Leder riecht herb. Mit dem Gewicht auf meinen Schultern fühle ich mich ein bisschen wie ein Zwerg, der in einem Meer aus Leder und silbernen Knöpfen versinkt, aber Mark und Tank sehen mich ernst an, nicken anerkennend, und ich drücke mein Kreuz durch und fühle mich gut. Dann reiche ich die Jacke an Mark weiter, er ist der Kräftigste von uns dreien und kann fünf Dosen Bier an einem Abend trinken, mir wird schon nach der dritten schwindelig.

„Warm in dem Ding“, murmelt er, aber ich sehe, dass es ihm gefällt. Nach Weihnachten werden wir alle so eine Jacke haben, vielleicht mache ich auch einen Aufnäher auf den Ärmel, von Slayer oder Metallica.

Als das Album endlich läuft ist es dunkel draußen. Mark hat zwei Kerzen angezündet und plötzlich geschieht etwas in dem Zimmer. Seine Mutter ist in die Stadt gefahren und wir haben die Anlage voll aufgedreht; Gitarrenriffs schneiden durch die Luft, das Schlagzeug drischt auf unsere Schädeldecke ein und die Schreie des Sängers dringen hinein in unsere Seelen, rütteln uns auf, es ist, als würde pure Energie aus den Boxen stoßen, in unsere Körper hinein, und wir können nicht anders, erst sitzen wir im Schneidersitz auf dem Boden und nicken zum Takt, aber irgendwann steht Mark auf und schüttelt seinen Kopf, so wie wir es in den Videos auf MTV „Headbanger’s Ball“ sehen oder im Rockpalast, wo wir manchmal Samstags hingehen. Ich muss lachen und Mark lacht auch, aber dann stehen auch Tank und ich auf und schütteln unsere Haare, meine gehen mittlerweile bis zum Kinn, seit kurzem kann ich mir einen Zopf machen, und wir schwingen unsere Mähnen zu Slayer, und Tank spreizt Zeigefinger und kleinen Finger von der ausgestreckten Faust ab, während er in der anderen die Bierbüchse hält. Er trägt die Lederjacke, es ist genau wie in den Videos, und ich denke: Jetzt gibt es kein Zurück mehr. In dem Moment ist es, als wären wir eine Bande von Verstoßenen, wir hausen im Wald, wo wir die Trupps des Sheriffs überfallen, uns über ihr Gold hermachen, und Abends sitzen wir ums Lagerfeuer und essen mit unseren bloßen Händen von Fett triefendes Fleisch. Und ich merke, dass da noch etwas anderes ist im Zimmer, etwas Uraltes, eine Präsenz, als wären wir in dunkle Zeiten hinabgestiegen, in eine Höhle, Menschen, die zum ersten Mal ihre Stärke erfahren gegen die wilden Tiere, die Unwetter und die Welt dort draußen, die im flackernden Licht des Feuers den Rausch auskosten, und in dem Moment ist die Schule mit all den Klausuren und Hausaufgaben wie auf einem anderen Planeten.

Draußen ist die Luft kühl geworden, Tank zieht am Reißverschluss seiner Lederjacke und wir schieben unsere Räder. Mark geht noch ein Stück mit, zur Tankstelle, Kaugummi und Chips kaufen, bevor wir uns trennen müssen und jeder seinen Weg nach Hause geht, morgen ist wieder Schule. Es ist still auf den Straßen, kaum ein Auto fährt noch in diesem Kaff, nur unsere Schritte und das Quietschen der Fahrräder in der Nacht, aber in unseren Ohren klingt noch die Musik. Vor uns die Lichter der Tankstelle, und daneben im Dunkeln die Bushaltestelle, von der aus wir immer in die Stadt fahren. Auf einer Bank sitzen zwei Gestalten, mit dem Rücken zu uns und rauchen. Als wir näherkommen, sehen wir, dass es Björn und Teufel sind. Ich schlucke und habe das Gefühl, dass der Takt nicht mehr stimmt, dass wir drei plötzlich in unseren Bewegungen stocken, dass wir aus unserer Welt hinausgerissen und in eine andere Wirklichkeit hineingestoßen werden. In dem Moment dreht sich Teufel um, er hat etwas gehört, blickt angestrengt in die Dunkelheit. Wir sind schon so nah gekommen, dass er uns sehen kann und nun grinst er blöd und stößt seinen Kumpel an, nickt rüber zu uns und da blickt auch Björn zu uns her, steht sofort auf und zieht an seiner Zigarette.

„Na sowas, die Mädchen sind noch unterwegs,“ ruft er und bläst den Rauch in die Luft. Das ist seine neueste Idee, uns Mädchen zu nennen wegen unserer Haare.

„Müsst ihr nicht nach Hause, zu Mama? Oder für die Schule lernen?“ Wir gehen einfach weiter, tun so, als bemerkten wir ihn nicht, aber ich spüre, wie unsere Schultern herabsacken. Jetzt sind wir nicht mehr die stolze Armee, jetzt sind wir ein Rudel von Hunden, die immer wieder verprügelt werden. Wir gehen weiter auf die Tankstelle zu, ich wünsche mir, wir würden über irgendwas reden, unsere Stille verrät uns, aber mir fällt nichts ein.

Und plötzlich kichert Teufel los, vom ganzen Rauchen ist seine Stimme kratzig geworden: „Guck Dir mal die Jacke an, Alter!“, ruft er und stößt Björn in die Rippen, seinen Meister, und der beugt sich ein wenig vor, sieht Tanks Jacke und lacht sein unechtes Lachen, wahrscheinlich kann er gar nicht fröhlich sein.

„Ne Lederjacke! Seid ihr jetzt richtige Rocker oder was? Tank, komm mal her, gib mir die Jacke!“, aber wir gehen weiter, an der Tankstelle vorbei, beachten sie nicht, und ich spüre, wie es in meinem Kopf brennt vor Scham.

„Gib mir die Jacke, hab ich gesagt“, ruft Björn und plötzlich landet eine Bierflasche neben uns, explodiert auf dem Asphalt und ich zucke zusammen, wende mein Gesicht ab, weil ich keine Splitter ins Auge bekommen will. Wir schieben unsere Räder, einfach weiter, nicht beachten, aber etwas stimmt nicht, Mark bleibt stehen. Ich drehe mich zu ihm um, will, dass er weitergeht, aber er bewegt sich nicht und ich habe sein Gesicht noch nie so gesehen wie jetzt, voller Entschlossenheit. Er ist ganz ruhig, dreht sich um, hebt den Hals der Bierflasche auf aus all den Scherben, springt plötzlich vor und feuert ihn in Richtung der zwei Idioten, er wirft mit viel Kraft und Björn muss den Kopf einziehen, mit Panik auf dem Gesicht, die Scherbe hätten ihn fast getroffen, aber jetzt zersplittert sie auf der Straße, und Björn und Teufel gucken uns mit großen Augen an. Mist, denke ich, jetzt sind wir dran, aber sie machen gar nichts, starren uns nur verdutzt an und da merke ich, dass die Zeit vorbei ist, in der wir uns von denen was gefallen lassen, etwas ist doch noch da von der Räuberbande, die im Wald haust.

„Pass bloß auf“, ruft Björn, aber es klingt nicht mehr so überzeugt. Und plötzlich lacht Mark, das ist ein echtes Lachen, er streckt den beiden seinen Mittelfinger entgegen, und wir lachen mit, drehen uns um und ich muss mir Mühe geben, mich nicht umzublicken, ob uns die beiden nicht folgen, ob sie nicht eine weitere Bierflasche schmeißen, aber ich schaue geradeaus weil man das so macht, wenn man gewinnt. Und wir reden über das neue Slayer-Album, nicht über die zwei Idioten da hinten, und erst als wir um die Ecke gebogen sind, sage ich: „Hoffentlich verprügeln die uns nicht, wenn die einen von uns alleine sehen.“

Aber Mark zuckt nur mit den Schultern und sagt: „Dann verprügeln wir sie eben das nächste Mal.“

„Genau“, sagt Tank, aber es klingt etwas unsicher.

Mark will sich bald zum Boxen anmelden. Vielleicht mache ich das auch, denke ich, als ich auf mein Rad steige und wir uns Gute Nacht gewünscht haben, und ich lache plötzlich wieder, während das Licht meiner Fahrradlampe auf den Weg scheint, vielleicht ist es das Bier, aber ich fühle mich frei, und in dem Moment weiß ich, dass alles möglich ist, wenn wir nur zusammenbleiben. Dann stelle ich mir vor, wie ich im Rockpalast irgendwann mal ein Mädchen ansprechen und ihr ein Bier ausgeben werde, das nehme ich mir fest vor, aber noch nicht für nächste Woche, nichts überstürzen, erst nach der Matheklausur.

 

Hallo TeBeEm,

gelungene Geschichte über diese drei Jungs. Die Handlung selbst ist zwar erst gegen Ende der Geschichte aktionreicher, davor ist es eher eine Milieubeschreibung, was in diesem Zimmer stattfindet und wie dein Protagonist es mental einordnet, aber es enthält seltsamerweise genügend Spannung, um nicht langweilig zu wirken.

Die Figuren sind dir gut gelungen. Sie wirken glaubhaft und ich habe nichts gefunden, was ich an ihnen als ungenau oder unrund bemängeln müsste.
Sie wirken selbst in ihrer schwankenden Art gut, die Szene, in der Tank seine Lederjacke vorführt und dabei doch recht unsicher wirkt, die Szene, in der dein Protagonist der Aggression der am Bushalteplatz Wartenden ausweichen möchte, um fast jeden Preis und die Geschwindigkeit, in der er sich dem Handeln seines Freundes sofort mental anschließt, ist anschaulich beschrieben und man bekommt eine leise Ahnung davon, wie solche Gruppen, die ja meist bedrohlich auf einen wirken, zusammen halten.

Man erfährt, wie wenig Zusammenhalt eigentlich da ist , auf welch fragilem Gerüst das alles steht und wie intensiv jedoch der Wunsch danach vorhanden ist, zusammen starkt zu sein. Diese Gruppendynamik hast du locker und wie ein Blick hinter die Kulissen eingefangen. Hat mir gefallen.


Textkram:

und er stellt die Dose Bitburger auf seinem Schreibtisch ab, ich sehe dort das Mathebuch und seine aufgeschlagenen Hefte, in zwei Wochen ist Prüfung, aber er stellt das Bier einfach mitten auf dem Heft ab und es wird einen Rand lassen, ein Zeichen des Protests zwischen all den Formeln und Zahlen, den Versuchen, die Wirklichkeit in ein System zu zwingen, berechenbar zu machen. Jetzt ist da ein Rand von Bier zwischen den gekritzelten Formeln, ein Makel, der alles durcheinanderbringt, die schöne Ordnung von Herrn Wirtz, der ganzen Schule, von diesem verdammten Dorf, von diesem langweiligen Land in dem alles immer nur funktioniert.

Ich würde an diesem Absatz noch etwas feilen. Er würde mit hoher Wahrscheinlichkeit verdichteter wirken, wenn dort weniger stünde. Im Grunde hast du schon mit dem 1. Satz alles gesagt, den Rest denkt sich der Leser selbst. Herr Wirtz ist hier nicht wirklich wichtig als Name. Man weiß, da handelt sich jemand Ärger ein und macht dies vorsätzlich. Darum geht es. Der Rest darf ruhig vom Leser selbst ausgemalt werden.

Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo TeBeEm,

mich hat Deine Geschichte voll erwischt. Wie eine kleine Zeitreise, als man sich noch zu Hause traf und (wir taten es heimlich) Alkohol trank, dazu Musik hörte und man sich so cool fühlte und schon aus Prinzip die Schule Scheiße fand.
Die Lederjacke als Freiheitssymbol, das nicht abwarten können, auch endlich eine zu haben. (Oder war es das Moped?)

Die drei Jungs kaufe ich Dir voll und ganz ab, das Zimmerszenario fand ich stimmungsreich und die Begegnung an der Bushaltestelle :), tja, da waren halt immer welche, die "Größer" waren, als man sich selbst schon fühlte.

Ansonsten hat lakita ja schon viel gesagt.

Sprachlich verwendest Du sehr schöne Bilder, auch die vielen Wortwiederholungen fand ich nicht lästig, nur solche:

Und dann stelle ich mir vor, wie ich im Rockpalast irgendwann mal ein Mädchen ansprechen werde, ihr ein Bier ausgeben werde

Und die Bedeutung des Bierrandes im Mathebuch habe ich schon beim ersten Mal kapiert ;).

Sehr gern gelesen und mich bestens unterhalten gefühlt.
Vielen Dank und beste Grüße
Fliege

 

Hallo TeBeEm,

ganz unkonstruktiv und schnell, da ich weg muss, Dir das aber dennoch sagen wollte: tolle Geschichte!
Deine anderen Geschichten fand ich auch immer ziemlich gut, aber ich glaube, die hier ist am besten.
Lederjacken, Metalheart und ein Hauch von Schwermut und verflossener Jugend, alles nachhaltig und dennoch ohne viel Gewese dargestellt, super.

LG
Sammamish

 

Hallo zusammen,
herzlichen Dank für die aufmunternden Worte...freut mich, dass die Geschichte Euch Spaß gemacht hat. Hab sie sprachlich noch etwas gestrafft, Ihr habt ja recht!

@lakita:
Danke für die aufmunternden Worte. Diesen Widerspruch zwischen Fragilität und dem Wunsch nach einer ganz festen Gruppe habe ich in dieser Zeit tatsächlich sehr stark empfunden, wahrscheinlich nichts Ungewöhnliches. Man hat halt doch noch etwas mehr Vertrauen in Gruppen, irgendwann geht das ja dann auch flöten ;-)

@Fliege
Auch Dir vielen Dank, haben wir ja offenbar einen ähnlichen Hintergrund, nur bin ich nie Moped gefahren. Schule find ich allerdings auch im Nachhinein scheiße ;-) Haben die stärkeren Jungs an der Bushaltestelle bei Dir auch immer geraucht?

@sammamish
Danke für das "hastige" Kompliment, die Geschichte ist mir bisher mit Abstand am leichtesten Gefallen.

Herzliche Grüße
TeBeEm

 

Hi TeBeEm,

nach den ersten zwei Absätzen der Geschichte habe ich, warum auch immer, gedacht, dass es um zwei bzw. drei Jungs geht, die einen Amoklauf planen. Und bin froh, dass meine Gedankengänge nicht bestätigt wurden.

Vielmehr ist es eine schöne Geschichte über die Zeit des langsamen Erwachsenwerdens mit all ihren Hürden aber auch Wünschen und Möglichlichkeiten.

Besonders gut gefallen hat mir dieser Teil:

Als das Album endlich läuft, ist es dunkel draußen, Mark hat zwei Kerzen angezündet und plötzlich geschieht etwas in dem Zimmer. Seine Mutter ist in die Stadt gefahren und wir haben die Anlage voll aufgedreht; Gitarrenriffs schneiden durch die Luft, das Schlagzeug drischt auf unsere Schädeldecke ein und die Schreie des Sängers dringen durch diesen metallischen Sturm hinein in unsere Seelen, rütteln uns auf, es ist, als würde pure Energie aus den Boxen stoßen, in unsere Körper hinein, und wir können nicht anders, erst sitzen wir im Schneidersitz auf dem Boden mit unseren Bierdosen und nicken im Takt mit den Köpfen, aber irgendwann steht Mark auf und schüttelt seinen Kopf, so wie wir es in den Videos auf MTV „Headbanger’s Ball“ sehen oder im Rockpalast, wo wir manchmal Samstags hingehen.
Beim Lesen hatte ich das Gefühl mit dabei zu sein. Sehr schön.

Eine schöne Geschichte über drei halbstarke Helden auf dem Weg in die Welt der Erwachsenen.

Liebe Grüsse
GR

 

Hallo TeBeEm !

Feine Geschichte! Sie erzählt einerseits Typisches: Drei Jungs, die in der Konfrontation mit anderen, die größer, stärker und gemeiner sind, über sich selbst hinauswachsen - das ist die eigentliche Handlung. Trotzdem stört das nicht. Weil der Abend der drei Jungs, sie selbst wirklich sehr sensibel und authentisch gezeichnet sind. - Ich mochte das sehr: Wie sich die drei Rocker als pubertierende Möchtegern, als gemobbte Feiglinge und Freaks (im positiven Sinne für mich :D) nach und nach entpuppen, währenddessen sie durch und durch Träumer bleiben. Beim Lesen hat mich die Nostalgie gepackt, musste an meine Schulzeit denken, in der man sich auch gern als harten Rocker stilisiert und wiederum sich pathetisch in alles Mögliche hineingesteigert und Gedichte gelesen hat. :D Echt schön!

Zur Form:
Die Erzählerstimme verrät so Einiges nur über die Art zu erzählen, das ist toll! Manchmal wird sie mir allerdings etwas zu kommentierend, das wäre nicht nötig in meinen Augen, da geht etwas Authentizität verloren:

dabei sind wir doch nur drei Vierzehnjährige, die mit Bierdosen das neue Slayer-Album feiern.

An dieser Stelle geht es dem Autor ;) wohl darum, das Alter der Jungs unterzubringen. Das muss nicht sein, irgendwo steht was von Schule, das reichte in meinen Augen. Außerdem ist zwar der Erzähler schon reflektierend, aber hier finde ich’s etwas zu viel, das kann der Leser schon selbst denken.

Vor uns die Lichter der Tankstelle wie eine Fata Morgana in der Nacht, und daneben im Dunkeln die Bushaltestelle, von der aus wir immer in die Stadt fahren.

Hier ist es Geschmackssache vermutlich, „Fata Morgana“ erschien mir beim Lesen unpassend zum Erzählerton zu sein.

jetzt sind wir nicht mehr die stolze Armee, jetzt sind wir ein Rudel von Hunden, die immer wieder verprügelt werden und sich nicht anders zu helfen wissen, als den Schwanz einzukneifen.

Das ist auch zu selbstreflektierend und zu explizit.

und da merke ich, dass die Zeit vorbei ist, in der wir uns von denen was gefallen lassen, etwas ist doch noch da von der Räuberbande, die im Wald haust.

Genauso.

Aber abgesehen von den reduntanten Stellen, eine sensible und vielseitige Geschichte. Hat mir sehr gefallen!

Gruß
Kasimir

 

Hallo Ihr zwei,

@Gesamtrechnung: Danke für das Lob. Amoklauf? Nur weil die Jungs Heavy Metal hören? Da ist mir das Erwachsenwerden doch lieber :-)

@kasimir: Auch Dir danke. Tja, einfach ist das nicht, wenn man mit vierzehn Gedichte und Pathos mag, andererseits langsam beginnen muss, "Mann" zu sein, oder das zumindest meint ;-) Freut mich, dass es Dir gefallen hat. Deine Vorschläge muss ich mir nochmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Mit der "Fata Morgana" hast Du Recht, denke ich. Was die "Vierzehnjährigen mit Bierdosen" angeht...bin mir nicht sicher, eigentlich finde ich es typisch für das Alter, dass man sich "pathetisch in alles Mögliche hineinsteigert" und voll im Moment aufgeht, andererseits ist man aber doch reflektiert genug, die eigene Situation zu durchschauen. Ich überlege mir mal, ob und wie ich das besser unterbringen kann.

Herzliche Grüße
TeBeEm

 

Hallo TeBeEm!

Wir warten noch, weil wir es so beschlossen haben, auch wenn wir eigentlich nicht mehr warten können, aber Tank ist noch nicht da, also müssen wir warten, das sind wir ihm und unserer Freundschaft schuldig.

Dieser eine Satz hat nun schon zum ich weiß nicht wievielten Male dazu geführt, dass ich die Geschichte weggeklickt habe.

Nein, ich hätte. Diesmal habe ich weitergelesen. Trotzdem frage ich mich, warum du so ein Monstrum an den Anfang stellst. Außerdem wartet man da drei Mal.

„Was heißt Abyss?“(Komma) frage ich Mark und er stellt die Dose Bitburger auf seinem Schreibtisch ab(Punkt). Ich sehe dort

„Abgrund“(Komma) ruft

Abyss“(Komma) Jahreszeiten im

die Schatten auf den Felsen

aber(Kein Komma) jetzt übernimmt sie das Kommando

Jetzt wird er das Rad abstellen, Marks Mutter die Tür öffnen,

Er wird ihr die Tür öffnen?

angefangen,“ ruft Tank

Das Komma nach dem ".

schweren(Komma) silbernen Knöpfen.

denn?“(Komma) ruft

und zum ersten Mal spüre ich, dass wir richtige Rocker sein können, wenn wir wollen, dass wir ernst genommen werden können in der Schule, im Dorf und auch in der Stadt.

cool aus,“ ruft

Das Komma nach dem ". Das hast du öfter, ich schreibs nimmer raus.

Als das Album endlich läuft, ist es dunkel draußen(Punkt) Mark hat zwei Kerzen angezündet und plötzlich geschieht etwas in dem Zimmer.

dabei sind wir doch nur drei Vierzehnjährige, die mit Bierdosen das neue Slayer-Album feiern.

Maah, der Absatz ist so schön, der verdient ein würdigeres Ende. Erstmal: Die "Vierzehnjähirgen" raus. Das ist bisher entweder klar, oder du hast die Jungs nicht ordentlich genug charakterisiert.

Ich hätte mir etwas gewünscht wie: "... dabei sind wir doch nur drei Jungs, die das erste Mal eine Lederjacke probieren."

Etwas, was mehr dem Ton des Absatzes entspricht.

In dem Moment dreht Teufel sich um

"dreht sich Teufel um"

er grinst blöd und stößt Björn an, nickt rüber zu uns und nun schaut auch Björn her, steht sofort auf und zieht an seiner Zigarette.

Wir gehen weiter auf die Tankstelle zu, ich wünsche mir, wir würden über irgendwas reden, unsere Stille verrät uns, aber mir fällt nichts ein.

Das ist schön!

aber jetzt splittert sie auf der Straße in weitere Scherben, wir hören das Splittern, und Björn und Teufel gucken

Streichen.

wir reden über das neue Slayer-Album, Seasons in the Abyss, nicht über die zwei Idioten da hinten,

Streichen. Das hatte ich noch im Kopf.

und Mark geht einfach weiter

Hier geht er mir dann doch zu oft "einfach weiter".

Das ist eine sehr schöne Geschichte, die Jungs kaufe ich dir ab (ich war ja auch mal so), und auch die Zeit hast du getroffen.

Ich hatte damals ja leider keine Lederjacke, aber eine ausgewaschene Jeansjacke, das war zwar um Längen uncooler, aber man kam damit durch. :)

Schöne Grüße,

yours

 

Hallo yours truly,

wow, danke für die Mühe und das unter den Stockhieben deutlich zu vernehmende Lob. Ich hab die Geschichte nochmal gründlich überarbeitet und dabei vieles berücksichtigt, was Du und auch Kasimir vorgeschlagen habt. Speziell beim Anfangssatz hatte ich auch so meine Zweifel, die Du ziemlich bestätigt hast. Ich hoffe, sie liest sich jetzt insgesamt glatter.

Herzlich
TeBeEm

 

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