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Jenseits der Lichter

Seniors
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26.02.2009
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Jenseits der Lichter

Es war mir nie aufgefallen, wie nah an der Grenze von Licht und Dunkelheit ich mein Leben verbracht hatte. Nur ein kleiner Anstoß hatte genügt, um sie zu passieren.

Kein Mond erhellte den Pfad, als ich auf dem Weg nach Hause die Abkürzung durch den Park nahm und sich mir ein seltsamer Gedanke aufdrängte. Besäße die Finsternis eine Stimme, dann lachte sie mich aus.
Mein Gefühl flüsterte, es sei die mitternächtliche Stunde. Mein Verstand sagte: „Was für ein Klischee!“ Und ich, innerlich seufzend, gab ihm recht. Genau dieses Klischee sollte ich erleben. Die Idee dazu hatte Susanne gehabt.
Es sei nötig, hatte sie behauptet, etwas Besonderes zu erfahren, bevor man sich der Krimi-Schreiberei hingäbe. Gefühle, echte Gefühle, vor allem Angst und so. Ich verstünde schon. Nun, ich hatte nicht gleich verstanden, und so hatten Susanne und ihr Bruder noch gute drei Stunden auf mich eingeredet.

Deshalb war ich jetzt hier. Im dunklen Park. Allein. Und es war saukalt. „Danke Susanne, vielen, vielen Dank“, flüsterte ich mit Atemwölkchen vor meinem Mund und ich wünschte mir meinen Wagen herbei, den ich für dieses unsinnige Abenteuer vor Susannes Haus zurückgelassen hatte. Wie angenehm es doch wäre, wenn …“
Ein aufflatternder Vogelschwarm riss mich aus meinen Gedanken.
Raben. Wahrscheinlich. Irgendwo dort vorne steigen sie auf, wo die Dunkelheit sich doppelt anstrengt, undurchdringlich zu wirken. Undurchdringlich, undurchdringlicher, am undurchdringlichsten.
Schluss mit dem Blödsinn. Wer oder was mochte die Viecher aufgeschreckt haben?

Langsam ging ich weiter, den Oberkörper leicht gebeugt und den Kopf nach vorne gereckt. Meine Augen brannten bald vom Hineinstarren in die Dunkelheit. Die Kälte fand nun endgültig den Weg durch meinen Mantel. Die Raben kehrten nicht zurück. Etwas, jemand oder gar eine Bande hielt sie von ihrem Schlafbaum fern.
Ist es wirklich Kälte, die durch den Stoff kriecht und mich frösteln lässt, oder greift die Finsternis, die Braut des Bösen, nach mir?
Ich blieb stehen und lauschte. Kein Geräusch drang heran. Doch die Raben blieben fort. Raben lassen sich nicht so leicht vertreiben. Es sind hartnäckige Biester.
Plötzlich hörte ich von rechts, vielleicht hundert Meter entfernt, aufgeregtes Krächzen. Die Vögel stritten sich um die Plätze auf einem anderen Baum.
So viele Umstände betreiben Tiere nicht ohne Grund. Es wäre vermutlich klüger, umzukehren. Der Kluge gibt nach. Andererseits, Finsternis, die Braut des Bösen? Was für ein Unsinn. Und außerdem, Angst ist keine Naturgewalt, sie ist Einstellungssache. Oder? Sie lässt sich herbeireden und, wie etwas Unnötiges, wieder wegrationalisieren. Ja genau. So sieht es aus. Aber das kann man selbstverständlich nicht schreiben. Nein, in der Fiktion muss Angst eine Art Eigenleben haben, sonst taugt sie nichts.

Ich ging weiter, nun nicht mehr gebückt. Um mich herum bald absolute Dunkelheit. Die Lichter der Zivilisation hatten ihren letzten Einfluss verloren. Niemand konnte mich sehen.
Die Finsternis hütet ihre Kinder.
Diesem Gedanken wohnte Tröstliches inne. Er vertrieb die Kälte. Die Raben schwiegen und meine Schritte klangen unbekümmert.
Gefühle und so, hat Susanne gesagt und damit selbstverständlich die Angst gemeint. Als ob ich die nicht kennen würde. Angst ist im Lichtermeer der Stadt das vorrangige Gefühl. Angst vor dem Alleinsein, dem Chef, verrückten Glatzköpfen, dem Postboten, der eine Mahnung bringen könnte, und, nicht zu vergessen, die Angst vor der Angst. Aber hier? Die Finsternis hütet ihre Kinder. Hier gibt es keine Angst.
Ich beschleunigte meine Schritte, wollte diesen lästigen Spaziergang hinter mich bringen.
Die Raben sind vermutlich vor einem Marder geflüchtet, der ihnen nachgestiegen war. Das hat nichts mit Angst zu tun, das war rationales Handeln. Von beiden Seiten. Von den Raben als Beute und dem Marder als Jäger.
Ich verlangsamte meinen Gang.
Hat Susanne nicht auch gefordert, ich müsse Interessantes schreiben? Aber was soll an Angstgefühlen interessant sein, wo sie doch jeder kennt? Die Frage lautet folglich: Was muss es für ein Gefühl sein, zu jagen, oder besser noch, zu töten? Das gilt es zu ergründen. Hier, in der Finsternis.
Ein Windstoß ließ Laub rascheln. In meinen Ohren klang es wie rauschender Beifall.
Das ist doch Irrsinn. Ich schüttelte den Kopf. Aber, nur einmal angenommen, ich nähme mir vor, den nächsten Menschen, der mir begegnet, umzubringen.
Ich atmete tief und gleichmäßig.
Dazu bräuchte ich eine Waffe. Oder wenigstens einen Stein. Und dann: es einfach tun. Ohne zu überlegen. Zuschlagen und weitergehen. Und in mich hinein horchen. Wegen der Schreiberei. Aber eigentlich wegen der übergeschnappten Susanne.

Ich verließ den Pfad. Altes Laub knisterte unter meinen Schuhen, dicke Wurzeln ließen mich stolpern. Ich stützte mich an einen Baum.
Hier gibt es zweifellos genug Steine. Angenommen, ich fände trotz der Dunkelheit einen geeigneten und nähme ihn an mich. Das wäre ein erster Schritt. Vielleicht kommen dabei schon ein paar interessante Gefühle auf. Bei jedem weiteren Schritt könnte ich mein Vorhaben abbrechen. Selbstverständlich.
Mit den Schuhen scharrte ich Laub beiseite und stieß alsbald an einen Stein, der mir groß und schwer genug erschien und überraschend gut in der Hand lag. Die Finsternis sorgt für ihre Kinder. Sie lässt es ihnen an nichts mangeln.
Ich lächelte und ging auf dem dunklen Pfad weiter Richtung Parkmitte, dorthin, wo alle Wege sich kreuzten.

Der Stein strahlte Kälte aus. Sie durchdrang meine Finger, kroch meinen Unterarm hinauf. Ich stellte mir vor, wie sie nach meinem Herz griff. Und ich stellte mir vor, wie sie dabei ins Leere stieß. In der Finsternis braucht man kein Herz, nur Verstand.
Und dieser, nun kühl und messerscharf, sagte mir, ich hätte keine Ahnung, wie man zuschlägt. Ich müsse üben.
Der nächste Baum erschien mir wie ein geeignetes Opfer. Er stand direkt am Weg. Ich trat leise heran, visierte auf dem Stamm einen Punkt an, der sich etwa in der Höhe meiner Schultern befand, packte den Stein fester, holte aus und schlug zu.
Ich hatte wirklich keine Ahnung gehabt. Mein Schlag hatte vermutlich kaum die Rinde verletzt. Ich versuchte es noch dreimal. Dann kam mir das Ergebnis fast brauchbar vor. Beinahe tödlich. Der fünfte Schlag, sein lautes Pock schallte durch die Dunkelheit, riss mir fast den Stein aus der Hand. Mein Handgelenk schmerzte. Ein Zeichen meines Erfolges.
Jemanden den Schädel zu zertrümmern, wäre einfacher als zunächst angenommen.

Vor mir lag der runde Platz, in den alle Wege mündeten. Bei Tageslicht hätte ich die Bänke am Rande des kleinen Areals sehen können. Dann säßen dort Spaziergänger, Hundebesitzer unterhielten sich, Jogger legten eine Verschnaufpause ein. Doch bei Eiseskälte dort die Nacht zu verbringen, wagten nicht einmal Stadtstreicher. Da war ich mir sicher.
Ich lauschte nach Schritten und wunderte mich, wie ungeduldig ich dabei wurde. Irgendwann, hoffentlich bald, wird jemand diese Abkürzung nutzen.
Die schnelle Verbindung durch den Park zwischen den Stadtteilen war verlockend, wenn man die letzte Straßenbahn verpasst hatte.
Vielleicht wird der späte Fußgänger das Klischee erkennen, in das er geradewegs hineintappt. Er wird Angst haben, weil er sich nicht von seinen Sorgen trennen kann. Nur wenige bringen es fertig, die Lichter der Stadt hinter sich zu lassen, nicht nur gegenständlich, sondern auch gefühlsmäßig, um sich der Finsternis anzuvertrauen.

Ich genoss die Stille, mit Zuversicht erfüllt.
Mein Weg wird hier nicht enden. Schon bald werde ich kein Kind der Finsternis mehr sein, sondern ihr Apostel. Denn ich werde an meiner Tat wachsen, werde stark und stärker, unbezwingbar. Ich werde die Finsternis in mir tragen. Susanne wird es als erste spüren. Susanne, die immer so zugeknöpft ist wie ihre obligatorischen Kostümjacken. Susanne, die beim mittäglichen Quicky, wenn sie sich dazu mal herab lässt, immer nur auf mir hocken will, damit ihre vollendete Hochfrisur nicht zerzaust, und die mich nicht küsst, weil ihr Lippenstift verschmieren könnte. Ja, Susanne, du wirst meine neue Macht spüren. Ich packe deine Haare, zwinge dich auf die Knie und dränge meinen Schwanz zwischen deine fein geschminkten, eitlen Lippen und gebe es dir, bis mein Saft dir zur Nase heraus läuft.
Ich hatte das Atmen vergessen.

Und dein Bruder, der jeden Abend wie eine verdammte Anstandsdame bei dir herumlungert, wird künftig mit ansehen, was für hochinteressante Sachen ich mit dir anstelle. An die Heizung gekettet, wird er seine Gefühle herausschreien und ich werde ihm begierig zuhören. Natürlich alles nur der Schreiberei wegen, das wirst du verstehen müssen, liebste Susanne. Ihr werdet mir Gefühle liefern, bis ihr keine mehr habt.
Mit tiefen Zügen füllte ich meine Lunge mit kühler, sauberer Luft.

Ja, die Finsternis wird fortan in mir sein. Sie wird mich immun machen gegen die Lichter der Stadt. Ich werde frei sein von allem, was sie repräsentieren. Wer kann noch mit mir mithalten, wenn ich erst einen Menschen getötet habe. Niemand.
Tja, ich schätze, liebste Susanne, die Sache entwickelt sich interessanter als von dir vermutet.

Jemand hat gehustet. Endlich! Von wo er herkam, ließ sich nicht eindeutig sagen. Doch sein Weg brächte ihn zu mir. Zwangsläufig. Ich stand aufrecht und still. Wartend. Die Finsternis wird es fügen.
Mein Stein strahlte Kraft und Wärme aus. Leise Geräusche unsteter Schritte drangen zu mir herüber.
Ich werde ihm Uhr und Bargeld abnehmen. Es wie einen Raubmord aussehen lassen.
Als nächstes konnte ich die Angst, die zu den eiligen Schritten gehörte, wie den Duft eines köstlichen Gebäcks wittern. Verführerisch. Ja, ich meinte sogar, die Richtung ausmachen zu können, aus welcher dieser Lockduft zu mir wehte. Wenn ich nicht die Orientierung verloren hatte, und daran glaubte ich keine Sekunde, der Mensch denkt, die Finsternis lenkt, dann kam mein Opfer aus der Richtung, in der meine Wohnanlage sich befand.
Vielleicht hat er, oder sie, einen meiner Nachbarn besucht. Dann könnte ich Gram und Verfall, sozusagen als Draufgabe, hautnah studieren. Susanne wird begeistert sein von meinen neuen Kenntnissen.

Glückshormone oder deren heimliche und düstere Geschwister überrannten jeden Winkel meines Gemüts. Dabei belebten sie ein verloren geglaubtes Gespür, vielleicht ein Stück längst verdrängter Urkraft, die in jedem Menschen schlummerte. Ich konnte plötzlich wie eine Fledermaus die Dunkelheit durchdringen, konnte exakt meine Position in dem Areal ermitteln, jeden Baum orten, der den Platz umgab, wie mit einem Radar die Bewegungen meines Opfers erfassen und somit vorausberechnen.
Ich wusste, es käme knapp an mir vorbei. Ich bräuchte nur drei Schritte zur Seite treten, dann würde es mich nicht entdecken und wie ein Blinder an mir vorbeitappen. Mit dem Pochen seines bangen Herzens im Ohr, würde es taub sein für meinen raschen Angriff.

Der Stein in meiner Hand schien plötzlich viel zu leicht. Doch diesen Umstand schrieb ich der neuen Kraft in mir zu. Alles schien plötzlich leicht. Mein ganzer Körper samt dickem Mantel wog nichts.
Der Glaube an die Macht der Finsternis stärkt mir Leib und Seele. Sie ist die wahre Urkraft, denn sie war das Erste von allem. Sie gebar Gott und Gott erschuf das Licht, sehr zum Missfallen der Finsternis. Und sie bestraft dafür Gott und seine Geschöpfe, die sich in seinem Licht suhlen. Der Gott muss darum bangen, dass ihn seine Kinder nicht verlassen. Und seine Kinder müssen ein Leben in Furcht führen, vielseitiger Furcht, die nur in seinem verfluchten Licht gedeiht.
Diese Erkenntnis trieb mir Tränen in die Augen.
Susanne wird staunen, welch interessante Geschichten ich von nun an schreiben werde. Mögen meine Erzählungen unter den Jüngern des Lichts Erkenntnis verbreiten, auf das sie den Pfad zur Freiheit finden, die Urkraft des Universums annehmen, Soldaten der Finsternis werden und alle Unverbesserlichen auslöschen, wo immer sie sich zeigen.

Auf der Wegkreuzung wurden die Schritte der Gestalt unsicher und schlurfend. Sie passierte meinen Standort, gebückt von der Bürde des Lichtes, an welches ihr törichtes Herz sich klammerte.
Ich schlug einen sanften Bogen, elegant, auf Zehenspitzen, und gelangte unbemerkt hinter den Rücken der Gestalt. Sie war etwas kleiner als ich. Ihr den Schädel einzuschlagen, wäre ein Leichtes. Die Prüfungen der Finsternis sind wohlwollend.
Während ich meinen Stein am gestreckten Arm langsam hob, kam mir eine weitere Erkenntnis. Ich sollte dieses Klischee erleben: nächtlicher Park, einsamer Spaziergänger, Angst vor einem Überfall. Das war der Plan gewesen, Susannes Plan. Doch naturgemäß musste es in diesem Szenario eine zweite Partei geben. Das hatte Susanne nicht bedacht. Und sie hatte nicht bedacht, dass die Wege der Finsternis unergründlich sind. So hatte die Finsternis, die wahrhaft allwissende und allmächtige, mich für die andere Seite der Medaille vorgesehen.

Mir wurde heiß, als stünde der Park in Flammen. Ungeheure Energien durchströmten meinen Körper. Alle Sinne konzentrierten sich auf das Töten. Der Gehörsinn glich den Rhythmus meiner Schritte denen des Opfers an. Die Augen fokussierten auf den leicht wippenden Schädel. Das Hirn berechnete jede Nuance dieser Bewegung voraus. Die Nase nahm den köstlichen Geruch der Angst auf. Die Geschmacksnerven signalisierten Gier. Der Tastsinn erfasste die Oberfläche des Steines, jeder Finger der rechten Hand schob sich in die optimale Position. Er lag gut in der Hand, wie dafür geschaffen. Die Muskeln in Arm und Schulter spannten sich bis an die Schmerzgrenze. Die Kraft konzentrierte sich auf den einen Punkt des Schädels, auf den sie sich entladen sollte. Der Stein sauste herab.

Es knackte dumpf, mit matschigem Ausklang, etwa so, als bräche ein Stiefel die dünne Eisfläche einer sumpfigen Pfütze. Nach dem lauten „Pock“, während der Übung am Baum, überraschend, aber auch ein wenig enttäuschend. Die Gestalt taumelte ein oder zwei Schritte und fiel mit dem Gesicht voran zu Boden. Ich kniete mich auf ihren Rücken, bereit, noch einmal den Stein auf ihren Schädel sausen zu lassen. Es erwies sich als unnötig, die breiige Masse nochmals zu bearbeiten. Doch die Hitze in mir war machtvoll. Ich tat es noch zweimal. Aller guten Dinge sind drei.
Abgekühlt legte ich behutsam mein Werkzeug beiseite.
Der Jünger des Lichts besaß keine Uhr. Wie Susannes verdammter Bruder. Daher weiß er nie, wann es Zeit ist, zu gehen. Aus der rechten Manteltasche entnahm ich eine Geldbörse. Wie schwach diese selbst ernannten Lichtgestalten doch sind, hier, umgeben von der wahren Urkraft des Universums.

Die Raben krächzten, stritten sich um das Aas, das ich ihnen überlassen hatte, und meine Schritte klangen unbekümmert. Wer könnte jetzt noch mit mir mithalten? Susanne am allerwenigsten, auch mein Chef nicht. Kein Höriger des falschen Gottes, keine Mahnung wird mich je wieder ängstigen.

Bald gewannen die Lichter der Zivilisation an Geltung. Nun konnte man mich wieder sehen.
Die Finsternis entsendet ihre Apostel auf steinige Wege.
Der Gedanke ließ mich frieren. Ich blickte an mir herab. Blut klebte an Hose und Mantel. Meine Schritte klangen jetzt hastig. Die Rückseite meines Wohnblocks tauchte auf. Tausend Lichter verleugneten die Finsternis.
Auf dem Parkplatz entdeckte ich meinen Wagen. Er stand unter einer Laterne. Kälte zog mir die Eingeweide zusammen. Mir stockte der Atem. Ich nestelte die Geldbörse aus meiner Manteltasche. Eilig suchte ich im Licht nach dem Namen des Besitzers. Auf der Bankkarte las ich „Robert Feinbein“. Mir wurde schwindelig. Susanne hatte mir ihren Bruder entgegengeschickt. Sie hatte sich um mich gesorgt. Und sie hatte daran gedacht, dass ich den Wagen am frühen Morgen bräuchte.

Im Briefkasten fand ich den Wagenschlüssel, zusammen mit einem lieben Gruß.
Susanne. Wie soll ich ihr je wieder unter die Augen treten? Sie wird erkennen, was ich getan habe. Und sie wird es ans Licht zerren.

Ich blickte zurück zum Park. Es war mir nie aufgefallen, wie nah an der Grenze von Licht und Dunkelheit ich mein Leben verbracht hatte. Nur ein kleiner Anstoß hatte genügt, um sie zu passieren.

Das Krächzen der Raben klang in meinen Ohren wie spöttisches Gelächter.

 

Zigga, Dot, Achillus,

Ähm … da hats mir zwischendurch ein paar Word Dokumente zerschossen. Hab ich wohl irgendwelche Steuerelemente oder so Zeuch mitkopiert und dann gabs Buchstabensuppe. Und bla bla …

Also, dann, besser spät als nie …
Mit zigga fang ich schon mal an, dot und Achillus folgen gegen Abend oder morgen.

Hallo zigga!


ja, im großen und ganzen habe ich deine geschichte gern gelesen. ein schriftsteller (oder einer, des es gern sein würde) versucht die gefühle eines mörders nachzuempfinden, und wird selber zu einem. das ist schön geschrieben, las sich gut, aber am ende ... naja, dachte ich mir: ist das wirklich möglich? ich meine, der typ hat schon gewaltig einen an der waffel:
Gern gelesen, und dann auch noch im Großen und Ganzen, das freut mich!

Nein, das ist nicht wirklich möglich.
Wenn man im Maskenball auf solche gravierenden Zweifel an einigen binnenfiktionalen Tatsachen stößt, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man sortiert die Story zur, im weitesten Sinne, fantastischen Literatur oder man bemängelt die Unmöglichkeiten.
Immerhin hast du dich auf die Geschichte eingelassen, ohne sie mit Gewalt in die Krimi-Ecke drängen zu wollen. Das war für mich sehr erholsam und beruhigend.
Das Genre ist bei dieser Geschichte aber auch nicht leicht zu erkennen. Es gibt zwischen den Genres keine klare Grenze wie einst die Berliner Mauer. Die Grenze, welche ich in der Krimi-Rubrik unter „Was passt in diese Rubrik“ gezogen habe, wird hier überschritten. Jedoch „draußen“, in der Welt zu bezahlender Druckwerke, ich denke da beispielsweise an den
Krimi-Autor Sebastian Fitzek, wird diese Grenze (besonders in DER NACHTWANDLER) schon hin und wieder überschritten und kaum einer regt sich darüber auf. Er hat ja auch im Roman den Platz, irgendwelche Erklärungen nachzuschieben, die für mich jedoch ebenfalls kaum realistisch klingen (aus rechtlichen Gründen: Das ist meine persönliche Meinung).
Kurz gesagt: Es bleibt auch in Zukunft schwierig.

aber dieser wahnsinn scheint ihn ja erst zu überkommen, als er in den park kommt, und je länger er dort ist, desto mehr überkommt ihn dieser wahnsinn. am anfang sind seine gedanken noch ganz klar und unpathologisch. diesen umschwung von normalem gedankengang hin zu psychopath ist schon geschickt gemacht, aber ich fragte mich eben: kann das wirklich in so kurzer zeit passieren? war auf jeden fall interessant zu lesen.
ich schätze jetzt mal, dass das absicht war, denn je weiter die geschichte voranschreitet, desto skuriler wird die gedankenwelt des prots:

Sehr fein beobachtet! Genauso ist es. Das ist, neben ein paar anderen Dingen, die im Park den gewöhnlichen Rahmen, sprengen wäre übertrieben, ich sage mal, verlassen.

das sind ja echt kranke gedanken aber irgendwie waren diese sätze für mich auch ein bisschen heiße luft, die machten die gedankenwelt des prots etwas zäh, weil man durch sie nichts neues erfuhr, die sagen im prinzip alle: ich werde immer mehr zum psychopathen. kam mir jedenfalls beim lesen so vor, vielleicht fällt das auch unter geschmackssache.
Diese kranken Gedanken gingen mir leicht von der Hand. Muss ich jetzt zum Arzt? :D
Heiße, etwas zähe Luft … ja, ich schaue mal, ob ich davon was ablassen kann. Aber das wird schwierig und braucht daher Zeit. Sicherlich muss der Rhythmus bleiben, sonst geht der Effekt verloren. Dein Eindruck: „die sagen im prinzip alle: ich werde immer mehr zum psychopathen.“ scheint mir beim zweiten Durchlesen getroffen. Dein, so vermute ich, erster Eindruck (siehe oben), war ja ein anderer.
Vielleicht werde ich die Apostel-Arie etwas raffen? Mal sehen.

da fragte ich mich, wieso läuft der leicht gebeugt? aus angst läuft man doch nicht gebeugt, oder? und die augen brennen wegen der dunkelheit ... ich weiß nicht. vielleicht eher wegen der kälte, oder so?
Wirklich nur ganz leicht nach vor gebeugt. Macht man automatisch, wenn man nach vorne nix deutlich erkennen kann. Dazu muss es nicht einmal dunkel sein.
Die Augen brennen nicht von der Dunkelheit, sondern vom Hineinstarren … in die Dunkelheit. Die sind halt ohne zu zwinkern immer, sozusagen mit bewusster Anstrengung, geöffnet. Dadurch trocknen sie aus und „brennen“.

fand ich gut.
und
schön, dass du den stein nochmal erwähnst; der prot hat sich verändert, ist jetzt teil der finsternis. schöne metapher
Schön, dass auch mal so Stellen herausgepickt werden, mit denen ich mir viel Mühe gegeben habe.

den teil fand ich gut. jetzt ist dem kerl echt endgültig die sicherung durchgebrannt aber ein plötzlich würde ich streichen, ließt sich schöner.
Danke!
Und ein plötzlich ist plötzlich weg.

das fande ich auch eine gute stelle.
Ja, wieder der Stein mit drin. Es gibt insgesamt drei Symbole, die durch die Geschichte schleichen. Das ist nicht mehr so wirklich zeitgemäß, passt aber gerade deshalb zu diesem Text … und machte beim Schreiben Spaß!

da stimmt etwas mit der satzkonstruktion nicht, ich würde es so umstellen: Es war mir nie aufgefallen, wie nah ich mein Leben an der Grenze von Licht und Dunkelheit verbracht hatte.
Hmm … da könntest du recht haben. Meine Konstruktion ist nach altem Schema. Die Position des „ich“ zum Beispiel. Die ist zwar nicht falsch, aber nicht mehr vom Duden empfohlen.
Die Frage ist nun, passt das alte Schema zum Abschluss der Geschichte oder eher nicht. Darüber muss ich nachdenken.

alles in allem hat mir deine geschichte gefallen. der prot bekommt in der dunkelheit des parks plötzlich macht, die er im wahren leben wahrscheinlich nicht hat (siehe die beziehung mit der frau), und nach der er sich sehnt; das bringt ihn bei seiner recherche zum durchdrehen und macht ihn zum mörder. lediglich der fade beigeschmack, ob jemand mit normalem geisteszustand (so weit man das aus dem text beurteilen kann) so schnell den verstand verlieren und jemanden umbringen kann, blieb mir nach dem lesen, das nahm ich ihm irgendwie nicht ab.
Ja, die Beziehung zu Susanne, da musste halt was hin, wo man den Wandel dann nachvollziehen kann. Blöder Chef usw. reichte mir da nicht aus. Vielleicht ein Fehler? Ich weiß nicht. Jedenfalls habe ich die Susanne nicht ganz so schlecht erscheinen lassen. Damit man nicht sagen kann: Jawoll! Richtig so, zeigs der Pute! Diesen Gedanken soll der Leser nicht haben.
Ob er bei seinen fortgeschrittenen Recherchen noch ans Schreiben denkt, ist fraglich.
Aus dem Text:
Und in mich hinein horchen. Wegen der Schreiberei. Aber eigentlich wegen der bescheuerten Susanne.
Es gibt auch davor Stellen, die vermuten lassen, dass ihn die Schreiberei kaum interessiert.
Erst später dreht sich auch das um. Er will plötzlich schreiben, aber nur, um Susanne zu ärgern, sein Apostelgelaber loszuwerden und Anhänger seiner kruden Religion zu werben. So in etwa.
Stimmt, jemanden umbringen, das ist nicht so leicht. Vor allem nicht erschlagen, erstechen usw., erschießen oder vergiften fällt einem schon leichter, weil es dabei räumlichen Abstand oder zeitlichen Abstand gibt usw.

würdest du vielleicht eine kleine vorszene zeigen, in der die machtlosigkeit des prots ggü. seinen mitmenschen deutlich wird, und man merkt, dass er diese machtlosigkeit hasst, aber nichts gegen sie machen kann,
Von der Sache her richtig. Habe ich auch drüber nachgedacht. War mir dann aber auch nicht sicher, warum und für wen er das alles schreibt und unter welchen Umständen. Immerhin ist es ein Ich-Erzähler, da sollte man sich so was als Autor fragen. Und ich fand dann auch eine Lösung für mich:
Der wichtige Teil beginnt mit „Deshalb war ich jetzt hier. Im dunklen Park.“
Obwohl Vergangenheitsform, benutzt er das Wort „jetzt“. Daran kann man vielleicht erkennen, dass diese Erinnerung (vielleicht zu Therapiezwecken oder als Erklärungsversuch für sich selbst) einen höheren Stellenwert einnimmt als andere Erinnerungen. Er wird also nur diese sich (oder einem imaginären Leser) ausführlich vor Augen führen (wollen).

so, das war's aber jetzt von meiner seite ...
Was da von deiner Seite kommt, freut mich sehr!


Lieben Gruß!

 

Hallo Achillus!

Die Idee der Geschichte gefällt mir gut. Aus bizarren Selbstexperimenten kann man eine ganze Menge machen. Ein schöner Ansatz. Wer von uns würde nicht gern aus dem Alltagstrott ausbrechen und mal etwas Ungewöhnliches oder sogar Riskantes machen?
Klar, diesen Aspekt kann man der Geschichte durchaus entnehmen.

Ich mache übrigens hin und wieder solche Experimente, um eine Ahnung von der Praxis zu erlangen. Echte Gefühle sind dabei leider nicht möglich, jedenfalls mir nicht.
Doch es ist interessant zu wissen, *hüstel* wie ungeschickt und zaghaft man zu Anfang mit einem Stein auf einen Baum einschlägt. Das hab ich aber nicht wegen dieser Story gemacht, das ist schon zwei oder drei Jahre her. Und selbstverständlich hatte ich dabei auf Unsichtbarkeit geachtet.

Die dramaturgische Umsetzung finde ich okay, denn es gibt schon so etwas wie die Steigerung oder Zuspitzung des Plots. Da könnte man aber einiges besser machen. Insbesondere ist der Text für meinen Geschmack an verschiedenen Stellen zu langatmig. Der Protagonist ergeht sich in diversen Reflexionen, die zwar seinen Geisteszustand ein wenig beleuchten, aber die Story nicht vorantreiben. Da geht ein bisschen die Luft raus.
Dramaturgie … Das freut mich!
Wegen der Länge diverser Reflexionen bin ich grad noch am Überarbeiten. Dieses stufenweise beleuchten seiner Verfassung sollte jedoch nicht verloren gehen.

Was die Glaubwürdigkeit des Charakters betrifft, da sehe ich einen der größeren Schwachpunkte. Berufsbedingt kenne ich mich ein wenig mit Gewalt/ Körperverletzung/ Mord und Totschlag aus und meinem Empfinden nach ist das keine psychologisch plausible Ereigniskette. Anders ausgedrückt: Der Mensch, den ich in der ersten Hälfte des Textes kennenlerne, ist nicht der Mensch, der jemanden "einfach so" umbringt. Und in der Zwischenzeit passiert nichts, was dieses Charakterveränderung erklären könnte.
In Sachen glaubwürdiger Charakter, bzw. glaubwürdige Wandlung, stehst du nicht alleine da. Eine psychologisch plausible Ereigniskette gibt es, betrachtet man das Innere dieser Figur, nicht. Meine Argumente dazu hast du sicherlich bereits gelesen.

Lass uns ein kurzen Ausflug in die Realität machen … nein, du kannst ruhig sitzen bleiben, so war das jetzt nicht gemeint!
Von außen betrachtet gibt es dieses Phänomen in abgeschwächter Form durchaus. Was dabei in den Köpfen passiert, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Wähnen sich manche Menschen unbeobachtet, tun sie seltsame Dinge, seltsame Bewegungen bis hin zu Handlungen oder auch kleine Straftaten (Schwupps, ist die Dose Tunfisch in der Tasche) die man sonst nicht von ihnen kennt und auch nicht vermutet. Dazu muss es nicht einmal dunkel sein. Was zählt ist unsichtbar sein.

Auch innerhalb vertrauter Räume und im Kreis vertrauter Menschen, z.B. der Familie, verhalten sich einige sogar völlig anders als in der Öffentlichkeit (Sichtbarkeit). Da gab es mal einen sehr beliebten Komödianten und Bühnenschauspieler, der, wie irgendwann herauskam, seine Familie ständig drangsalierte und auch schlug. Das konnten nicht einmal seine langjährigen Kollegen glauben.

Das sind nur zwei Beispiele, die mich zu der Grundidee gebracht haben. An eine wissenschaftlich wasserdichte Umsetzung habe ich mich nicht herangetraut. Daher der Ausflug ins surrealistische.

Die Sprache gefällt mir insgesamt ganz gut, aber auch hier gibt es Verbesserungspotential. Auf einen Punkt gebracht finde ich, dass die Formulierungen häufig zu umständlich geraten. Vom Grammatischen her mögen sie korrekt sein, aber der Text fließt noch nicht so richtig.
Sprache insgesamt gut … Du machst mich glücklich!
Ja, so eins zwei zu arg verdrechselte Dinger sind mir, nach etwas zeitlichem Abstand, auch ins Auge gefallen. Vielleicht find ich noch mehr. Es sind auch noch andere Kleinigkeiten zu überlegen, aber das dauert bestimmt ne Woche. Ich werde auf jeden Fall dazu noch mal einen Sammelbeitrag posten.

Pathos, Klischee und Schwulst sind ein zweites Hauptproblem des Textes, aus meiner Sicht. Neben dem bereits zitierten ersten Satz auch beispielsweise: "Glückshormone oder deren heimliche und düstere Geschwister übermannten jeden Winkel meines Gemüts." Das ist zu dick aufgetragen, finde ich. Ähnliche Stellen gibt es eine ganze Menge, das schadet dem Text.
Okay, auch damit stehst du nicht alleine da. Jedoch, bis auf kleine Nivellierungen wird da nix verändert. Es gibt ja auch andere Stimmen zu diesem Thema.
Und für mich passt das alles recht gut zusammen. Pathos, als Zeichen eines vertikalen Weltbildes, und Schwulst, überschwängliche Sicht- und Ausdrucksweise, das ergänzt sich doch optimal. Ob es jedem Leser gefällt, ist eine andere Sache.

Meine Gesamtkritik lautet daher, dass die schöne Grundidee der Geschichte unter der Unglaubwürdigkeit des Charakters und dem pathetischen Tonfall des Erzählers leidet. Hier besteht meiner Ansicht nach Potential für Verbesserung.
Und meine Kritik an deinem Beitrag:
Sehr klar strukturiert, vielseitig, kompetent, logisch und verständlich. Da gibt es nur noch wenig Potential für Verbesserungen!

Vielen Dank!


Hallo dot!

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust
Das hast du schön gesagt. Wo ist nur der verdammte Like-Button?

und so weiss auch ich nicht, wohin der Text mich führen will. Möchte er nun mehr eine philosophische Innenansicht eines durchgeknallten Autors abgeben oder Krimi mit einem zugegeben konstruierten, aber trotzdem ganz netten Twist sein. Der zähe Einstieg und das Geplänkel - wie die Deklination von Undurchdringlich - lassen mich ungeduldig werden, und so freute ich mich mehr über die Worte zwischen dem Kursivtext.
Über „durchgeknallter Autor“ werden wir uns noch unterhalten müssen! „Und zwar aus der Nähe“, wie St. King wohl noch hinzugefügt hätte. :D

Philosophische Innenansicht, ja, daran hab ich nicht gedacht, aber nicht schlecht. Dieses religiöse Zeug, das hat was von Philosophie.

Das Geplänkel äh … die Monologe, ja, die empfinden viele als lästig, andere (leider weniger als viele) sind begeistert. Ich weiß nicht, wieso das von manchen so strikt abgelehnt wird. Vielleicht unbewusst, weil halt so Dinge drin vorkommen, die man unter Umständen nicht lesen will. Oder weil man einen Krimi und somit mehr Handlung und echte Konfrontation erwartet. Und dann das. Verstehen kann ich das schon. Aber ändern nicht.

Trotz gewünschter Ironie, der Pathos ist stärker - und das nervt mich in diesem Text.
Ich entdecke da keine Ironie (im zitierten Beispiel). Pathos, ganz klar, und Schwulst, passt beides wie Arsch auf Eimer. Und gleich darauf sagt er sich, das sei Unsinn. Also kann das, selbst in den Augen eines Lesers, keine Ironie gewesen sein.

Mit „der bescheuerten“ distanziert er sich hier für meinen Geschmack etwas zu stark von Susanne, von der er - emotional abhängig - zu dieser Tat getrieben wird.
Hab ich in der Word Version grad geändert. Poste die aber nicht extra deswegen. Will ja noch anderes ändern.

Weniger vom Kursivtext und mehr Aktion würden dem Text auf jeden Fall gut tun, aber da renne ich wohl bereits offene Türen ein.
Ach, du nun wieder …

Vielen Dank, lieber Kollege!

 

Hey Asterix,

ich muss mal sagen, dass mir echt nicht klar war, worauf Du mit der Geschichte hinaus wolltest. Und jetzt wo es nachzulesen ist, ja, dieser Gedanke wäre mir glatt nicht gekommen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es mir nicht eindeutig genug aus dem Text hervorgeht :).

Und ja, ich war auch der Meinung, er steht da jetzt, um Angst zu spüren. Auch wenn Du sagst, dass stünde ja nirgendwo:

Gute drei (3!) Stunden auf ihn eingeredet, das heißt nicht, dass er es am Ende eingesehen hat. Der wollte einfach seine Ruhe.

Das steht ja auch nirgendwo. Du sagst - Schwester sagt, geh in den Wald und spüre Angst - er geht. Das er daran nicht unbedingt Freude hat, kommt schon durch das: Vielen Dank, raus, es kommt für mich aber durch drei Stunden auf mich eingeredet nicht heraus, dass er nachgibt um seine Ruhe zu haben. Vielleicht haben die deinen Prot. in den drei Stunden ja auch umgestimmt. Wer weiß das schon. Das ist doch Lesart und zu großer Spielraum für den Leser. Schreib doch hin: Ich willigte ein, nur um endlich meine Ruhe zu haben. Damit wäre dann die erste falsche Fährte aus der Welt.

Ich denke, das ist im allgemeinen mein Problem. Du lässt da 'ne Menge Raum für eigene Gedanken, die dann eben in die verschiedensten Richtungen driften und im rickschen Fall, auch mal in die Richtung, wo Du es gern hättest.

Besäße die Finsternis eine Stimme, dann lachte sie mich aus.

Das ist der erste Satz. Über die Bedeutung muss ich Dir jetzt nichts sagen. Ich frage mich allerdings im Kontext deiner Erzählabsicht, warum sie ihn auslacht? Sie eröffnet ihm Möglichkeiten - und das ist für mich etwas ganz anderes. Mit dem satz im Hinterkopf, bin ich also darauf eingestellt, jmd. im Verlauf des Textes zu treffen, der in der Finsternis versagt, nicht jmd. der eine neue Seite an sich entdeckt.

Gefühle, echte Gefühle, vor allem Angst und so. Ich verstünde schon. Nun, ich hatte nicht gleich verstanden, und so hatten Susanne und ihr Bruder noch gute drei Stunden auf mich eingeredet.

Und genau der Halbsatz impliziert, dass sie die Zeit genutzt hatten, ihn zu überzeugen.

So viele Umstände betreiben Tiere nicht ohne Grund. Es wäre vermutlich klüger, umzukehren. Der Kluge gibt nach. Andererseits, Finsternis, die Braut des Bösen? Was für ein Unsinn. Und außerdem, Angst ist keine Naturgewalt, sie ist Einstellungssache. Oder? Sie lässt sich herbeireden und, wie etwas Unnötiges, wieder wegrationalisieren. Ja genau. So sieht es aus. Aber das kann man selbstverständlich nicht schreiben. Nein, in der Fiktion muss Angst eine Art Eigenleben haben, sonst taugt sie nichts.

Und hier redest du schon wieder über Angst. Also, das ist doch alles nicht zum Thema hin. Das ist doch irreführend. Und davon kann man selbstverständlich nicht schreiben. Ich lese hier schon in den Prot. hinein, er würde schreiben. Steht ja auch wieder nigendwo, dass er ne faule Sau ist und nur davon träumt, im RL noch nie eine Seite zustande gebracht hat.

Die Lichter der Zivilisation hatten ihren letzten Einfluss verloren. Niemand konnte mich sehen.

Das sagt auch so alles und nichts. In den ersten Satz kann ich so ziemlich alles hineindeuten. Unter Umständen kommt mir auch der Gedanke, dass somit auch die Spielregeln der Zivilisation aufgehoben werden, aber da gehst Du als Autor schon mächtig das Spiel mit dem Glücksrad ein.

Hat Susanne nicht auch gefordert, ich müsse Interessantes schreiben? Aber was soll an Angstgefühlen interessant sein, wo sie doch jeder kennt?

Und immer wieder lenkst du den Leser auf Angst und Schreiben. Du kannst ihm echt nicht vorwerfen, dass er irgendwann glaubt, es ginge darum :D.

Die Frage lautet folglich: Was muss es für ein Gefühl sein, zu jagen, oder besser noch, zu töten? Das gilt es zu ergründen. Hier, in der Finsternis.
Ein Windstoß ließ Laub rascheln. In meinen Ohren klang es wie rauschender Beifall.
Das ist doch Irrsinn. Ich schüttelte den Kopf. Aber, nur einmal angenommen, ich nähme mir vor, den nächsten Menschen, der mir begegnet, umzubringen.

Und hier lenkst Du den Leser ziemlich brachial darauf, dass es zu einer Umkehrhandlung kommt. Er hat jetzt genug von der Opferrolle und wechselt zur Täterrolle. Das ist aber für mich nicht durch den Schutz der Finsternis bedingt, sondern beruht auf der Zeichnung des Prots. die Du mir zuvor geliefert hast.

... Zuschlagen und weitergehen. Und in mich hinein horchen. Wegen der Schreiberei.

Und schon wieder 'ne Finte!

Vielleicht kommen dabei schon ein paar interessante Gefühle auf ...

Und es geht immernoch um Gefühle, um ein Experiment. Es geht noch immer nicht darum, dass Finsternis Möglichkeiten erschafft. Sie ist der Rahmen, aber nicht die Motivation. Mir ist nicht klar, dass ihm nicht die selben Gedanken kämen, wäre er bei Tag losmaschiert.

Vor mir lag der runde Platz, in den alle Wege mündeten. Bei Tageslicht hätte ich die Bänke am Rande des kleinen Areals sehen können. Dann säßen dort Spaziergänger, Hundebesitzer unterhielten sich, Jogger legten eine Verschnaufpause ein. Doch bei Eiseskälte dort die Nacht zu verbringen, wagten nicht einmal Stadtstreicher. Da war ich mir sicher.

Okay, hier mal was Konkretes. Aber es fügt sich auch ganz wunderbar in all die anderen Lesarten ein, die hier so aufgetaucht sind. Und letztendlich ist es ja nicht die Dunkelheit, sondern das es da keine Menschen/Beobachter gibt. Und so neu ist die Erkenntnis nicht, dass man einen Mord möglichst ohne Zeugen begeht, es sein denn, man will damit politische Aufmerksamkeit erzeugen. Also, da denkt doch niemand weiter drüber nach, das ist doch gegeben. Und wenn Du das ins Bewusstsein des Leser holen willst, dann tue das doch auch. Dann musst Du doch vorher wen anlegen, der keiner Fliege was zu leide tun kann ( :D ) und bei der nächstbesten Gelegenheit zum Mörder mutiert.
Also ja, das steckt schon auch irgendwie drin, aber weil Verbrechen per se meist unbeobachtet stattfinden, erkennt man darin nicht unbedingt die Motivation. Das es in diesem speziellen Fall eben das (!) Besondere ist.

Denn ich werde an meiner Tat wachsen, werde stark und stärker, unbezwingbar. Ich werde die Finsternis in mir tragen. Susanne wird es als erste spüren. Susanne, die immer so zugeknöpft ist wie ihre obligatorischen Kostümjacken. Susanne, die beim mittäglichen Quicky, wenn sie sich dazu mal herab lässt, immer nur auf mir hocken will, damit ihre vollendete Hochfrisur nicht zerzaust, und die mich nicht küsst, weil ihr Lippenstift verschmieren könnte. Ja, Susanne wird meine neue Macht zu spüren bekommen, wenn ich sie bei den Haaren packe und vor mir auf die Knie zwinge. Und dann meinen Schwanz zwischen ihre fein geschminkten, eitlen Lippen dränge und es ihr gebe, bis mein Saft ihr zur Nase heraus läuft. Und ich werde ihr mitteilen, was für hochinteressante Sachen ich mit ihrem einfältigen Bruder, der jeden Abend wie eine verdammte Anstandsdame bei ihr herumlungert, anstellen werde. Natürlich nur der Schreiberei wegen, du verstehst schon, werde ich zu ihr sagen. Dann wird sie mir gefügig sein, wann und wie ich es will.

Naja, eigentlich sollte er bei Tageslicht ja wieder zum Weichei mutieren, was er auch sicherlich tut. Vielleicht wäre das ein besserer Rahmen für deine Erzählabsicht. Ein Weichei bei Tageslicht, ein Dämon in der Dunkelheit. Aber das ist ja irgendwie auch nicht wirklich ein Thema. Aber zumindest wäre man nicht ständig auf der Experimentierspur - die sich hier ne Menge Raum verschafft und deshalb das auch alle als Experiment lesen und so unentschlossen vor der Geschichte stehen und dann auch noch mit der Pointe hintendran - oh, Bruder erwischt.

Ich blickte zurück zum Park. Es war mir nie aufgefallen, wie nah an der Grenze von Licht und Dunkelheit ich mein Leben verbracht hatte. Nur ein kleiner Anstoß hatte genügt, um sie zu passieren.

Der Satz sollte am Anfang stehen und nicht am Ende. Oder am Anfang und Ende. Jedenfalls ist das mal eine eindeutige Spur und kein raten zwischen den Zeilen :).

Also, man kann den Text sicher so lesen, wie Du ihn schreiben wolltest. Man kann ihn aber auch als Persiflage oder als Psychogramm lesen (und an den Stellen funktioniert er dann halt auch nur bedingt, weil er das ja nicht sein will, aber die Anlagen dazu schon vorhanden sind). Er lässt das alles zu. Du schreibst immerzu von seinem Autordasein und ich soll jetzt erkennen, dass er gar keiner ist? Die Erkenntnis: Gelegenheit macht Diebe ist zu banal, um das ich darin die Besonderheit des Textes erkenne.

Unter dem Maskenball habe ich den Text schon mit Spannung gelesen und bin auch gut durch den Text gekommen. Am Ende stand ich dann so da und dachte, was in aller Welt will der Text von mir? Als Psychogramm unglaubwürdig, als Persiflage nimmt sich der Text zu wichtig. Das kann es nicht sein, da würde ich Dir in beiden Fällen mehr zutrauen. Mit den heutigen Wissen würde ich sagen, zu viele Finten. Und ich weiß nicht, ob die Aufarbeitung des Themas, also den Rahmen den Du dafür geschaffen hast, nicht doch zu weit ablenkt, von dem, worauf es Dir ankommt. Ich würde ihn auf keinen Fall einen Autor sein lassen (eher einen Typen von Finanzamt der nachts auf seinen Chef trifft) und auf gar keinen Fall würde ich es unter das Mäntelchen eines Experimentes stecken.

War jetzt nicht so aufbauend. Aber ich durfte bei den 700 qm auch die Erfahrung machen, dass den Text niemand so verstanden hat (oder nur in Teilen), wie ich ihn eigentlich hatte schreiben wollen. Du hast immerhin Rick. Ist halt 'ne Gradwanderung und eine Erfahrung, wieviel man zwischen die Zeilen stecken kann und ab wann es für den Leser nicht mehr sichtbar ist. Was ihn dazu bringt, falsch abzubiegen. Habe ich jetzt mal für deinen Text versucht aufzuschreiben.

Liebe Grüße, Fliege

 

Hallo Asterix!

Findest du die Genre-Diskusion nicht ein klein wenig schizophren?
Ich sag's jetzt einfach mal: "Sieh an, jetzt hat der Asterix sein komisches Geschreibsel nach Seltsam geschoben."
Ah, ich hab's! Dichtnix ist deine zweite, vollkommen von dir abgespaltene Persönlichkeit.

Meine unvereingenommene Meinung kennst du ja, nun habe ich noch ein paar Fragen, bzw. Anmerkungen, die sich beim Mitlesen so ergeben haben.

Susanne:
Wieso sollte der Leser Susanne nicht im Park erwarten? Nach meiner Leseart könnte sie dort sehr gut auftauchen, nämlich um Buh-schreiend hinter einem Baum hervorzuspringen, um deinem Prot eine Lehre zu erteilen, weil er ja nicht kapieren will, dass er Gefühle, sprich Angst, zu erleben habe. Drei Stunden musste sie auf ihn einreden! Sie muss es ihm zeigen, damit er endlich kapiert!

Deine Grundidee:
Habe ich das jetzt richtig verstanden? Du wolltest einen Typen zeigen, der im Schutze der Anonymität etwas tut, was er nicht tun würde, wenn man ihn dabei sehen könnte. Okay, genau so habe ich den Charakter deines Prots herausgelesen.
Aber das kann doch nicht alles sein, das "Wesentliche", das ist doch nur der Charakter des Prots. Er handelt seinem Charakter entsprechend. Wo ist der Rest der Geschichte? Wo ist das, was auf deinem Grund eigentlich gebaut sein müsste? Warum soll das Ende "zwingend" sein?

„Ich konnte plötzlich wie eine Fledermaus die Dunkelheit durchdringen, konnte exakt meine Position in dem Areal ermitteln, jeden Baum orten, …“
Das sagt aus, er konnte die Dunkelheit durchdringen und jeden Baum orten.
=> Nee, das sagt aus, dass dein Protagonist denkt, meint, er könnte das. Das ist ja alles seine Perspektive, nicht Tatsache. Kann er sich einbilden, der schwafelt doch über die Finsternis genug zusammen.

"Der Kerl schreibt nix."
=> Das lese ich in dem Text nicht. Für micht war er immer Möchtegern-Autor. Nur so kann ich mir auch das ganze Geschwafel über die Finsternis erklären.
(Okay, jetzt kapiere ich. Grundidee und Ausführung: Der gesamte Text ist nur eine riesige Metapher. Dafür, dass "man" im Schutze der Anonymität Dinge tut, die man sonst nicht tun würde. Ernsthaft? Das ist so 'n Deutungstext? Sorry, aber sowas finde ich furchtbar!)

"Wäre der vorliegende Fiktionstyp von vornherein bekannt, wäre der eine oder andere mit dem Text ganz anders umgegangen."
=> Ernsthaft? Die Leute lesen Koontz und versuchen dann herauszudeuten, was - ja, was? Ich habe keine Ahnung, ich lebe, ich lese in einem anderen Univerum. (Du liest doch auch Koontz. Schick mir mal 'ne Liste mit allem, was ich da rauszudeuten verpasst habe.)

Himmel, da merkt man gar nicht mehr, dass ich ursprünglich Spaß beim Lesen hatte. Nee, nee, wenn Autoren mit ihren Absichten kommen - nee, blievt mi weg!

Grüße
Chris

 

Hallo Fliege!

Und ja, ich war auch der Meinung, er steht da jetzt, um Angst zu spüren. Auch wenn Du sagst, dass stünde ja nirgendwo

„Der wollte einfach nur seine Ruhe“ oder „er will keine Angst erleben, sondern er soll Angst erleben“ ergibt sich aus dem Zusammenhang mit anderen Textstellen, beginnend direkt vor der von dir zitierten:
Mein Verstand sagte: „Was für ein Klischee!“ Und ich, innerlich seufzend, gab ihm recht. Genau dieses Klischee sollte ich erleben. Die Idee dazu hatte Susanne gehabt.
Hinweis eins: „innerlich seufzend“ Wäre es wirklich sein Wille, hätte er gejubelt, statt geseufzt.
Hinweis zwei: „sollte ich“ – nicht etwa: wollte ich …
Hinweis drei: Das war Susannes Idee. Das impliziert eine Distanzierung zu dem, was er gerade tut.
Nachtrag:
Aber, weiter unten in deinem Kommentar, habe ich noch eine Möglichkeit zusätzlicher und deutlicherer Lösung entdeckt und entsprechende Änderung vorgenommen.
Neu: Hinweis vier: und ich wünschte mir meinen Wagen herbei, den ich für dieses unsinnige Abenteuer vor Susannes Haus zurückgelassen hatte.

Und genau der Halbsatz impliziert, dass sie die Zeit genutzt hatten, ihn zu überzeugen.
Schauen wir uns doch das Ganze an:
>>Gefühle, echte Gefühle, vor allem Angst und so. Ich verstünde schon. Nun, ich hatte nicht gleich verstanden, und so hatten Susanne und ihr Bruder noch gute drei Stunden auf mich eingeredet.<<
Susanne sagt, er verstünde schon(was sie meint). Der Prot antwortet, nein, er verstünde nicht (was sie meint). „Was sie meint“ ist die einzig sinnvolle Erweiterung.
Zu dem Zeitpunkt geht es also um das „Verstehen“ einer fremden Meinung, nicht um das Teilen ein und derselben Meinung.
Dann redet Susanne 3 Stunden auf ihn ein, um, jetzt gedanklich zurück zur ersten Aussage dieser Textstelle, was zu tun? Ihm ihre Meinung aufzuzeigen und zu begründen. Mehr steht da nicht.

Das ist der erste Satz. Über die Bedeutung muss ich Dir jetzt nichts sagen. Ich frage mich allerdings im Kontext deiner Erzählabsicht, warum sie ihn auslacht? Sie eröffnet ihm Möglichkeiten - und das ist für mich etwas ganz anderes. Mit dem satz im Hinterkopf, bin ich also darauf eingestellt, jmd. im Verlauf des Textes zu treffen, der in der Finsternis versagt, nicht jmd. der eine neue Seite an sich entdeckt.
Der erste Satz ist dem Protagonisten in den Sinn gekommen, bevor die Ereignisse im Park ihren Lauf nahmen. In seiner Ich-Erzählung, Vergangenheitsform, gibt er die Gedanken, die er während seines nächtlichen Abenteuers hatte, in der Gegenwartsform und 1:1 wieder.


Ich denke, das ist im allgemeinen mein Problem. Du lässt da 'ne Menge Raum für eigene Gedanken, die dann eben in die verschiedensten Richtungen driften und im rickschen Fall, auch mal in die Richtung, wo Du es gern hättest.
Soviel Raum ist da gar nicht. Entropie, ja, doch am Ende, so meine ich, Entropieminderung.
Naja, mit dem neuen Hinweis Nummer vier (siehe oben) ist der Entropie hoffentlich die Spitze genommen.

Und hier redest du schon wieder über Angst. Also, das ist doch alles nicht zum Thema hin. Das ist doch irreführend. Und davon kann man selbstverständlich nicht schreiben. Ich lese hier schon in den Prot. hinein, er würde schreiben. Steht ja auch wieder nigendwo, dass er ne faule Sau ist und nur davon träumt, im RL noch nie eine Seite zustande gebracht hat.
Selbstverständlich denkt er über Susannes Meinung noch nach, mit der sie ihn drei Stunden traktiert hat. Aber er sucht nach wie vor keine Argumente pro Susanne, sondern gegen ihre Meinung.
Er hat im RL noch keine Seite geschrieben. Das steht auch im Text:
>> Es sei nötig, hatte sie behauptet, etwas Besonderes zu erfahren, bevor man sich der Krimi-Schreiberei hingäbe.<< Das Zauberwort: „bevor“.

Das sagt auch so alles und nichts. In den ersten Satz kann ich so ziemlich alles hineindeuten. Unter Umständen kommt mir auch der Gedanke, dass somit auch die Spielregeln der Zivilisation aufgehoben werden, aber da gehst Du als Autor schon mächtig das Spiel mit dem Glücksrad ein.
Man muss da nix hineindeuten. Entweder ist man neugierig und lässt sich auf das angebotene Rätsel ein oder nicht. Nur wer weiterliest, und dabei diese Textstelle nicht gleich wieder vergisst, kann am Ende die Lösung dazu finden.

Und immer wieder lenkst du den Leser auf Angst und Schreiben. Du kannst ihm echt nicht vorwerfen, dass er irgendwann glaubt, es ginge darum.
Nur wegen dem Thema Schreiben ist er im Park. Und in dem Zitat findet sich wieder ein Hinweis, mir fällt jetzt wirklich schwer, das Wort Holzhammer hier zu vermeiden, dass er gegen seine Überzeugung in den Park gegangen ist. Susanne musste es von ihm „fordern“.
Das wäre dann, nach der neuen Zählung, Nummer fünf.

Und hier lenkst Du den Leser ziemlich brachial darauf, dass es zu einer Umkehrhandlung kommt. Er hat jetzt genug von der Opferrolle und wechselt zur Täterrolle. Das ist aber für mich nicht durch den Schutz der Finsternis bedingt, sondern beruht auf der Zeichnung des Prots. die Du mir zuvor geliefert hast.

Auch wieder aus dem Zusammenhang gerissen. Der Text bietet zuvor mehr als nur eine Vorbereitung auf diesen Wandel.

>> Angst ist im Lichtermeer der Stadt das vorrangige Gefühl. << usw.

Der Prot wurde zuvor im Text als ein ängstlicher Mensch gezeigt. Wovor er sich fürchtet, wurde direkt benannt. Seine Furcht erstreckt sich demnach über alle Lebensbereiche. Weiterhin wurde er zuvor im Text als wenig durchsetzungsfähig dargestellt, indem er Susannes Forderungen ohne Einsicht erfüllt.

Der Wandel wird (vermutlich) in Gang gesetzt durch die Dunkelheit, in der er sich befindet:
>>Die Finsternis hütet ihre Kinder.
Diesem Gedanken wohnte Tröstliches inne. Er vertrieb die Kälte. Die Raben schwiegen und meine Schritte klangen unbekümmert. <<

Damit hat man auch schon einen Teil der Lösung zu dem Rätsel:
„Die Lichter der Zivilisation hatten ihren letzten Einfluss verloren. […]“


Und schon wieder 'ne Finte!
Und schon wieder aus dem Zusammenhang gerissen! :D
>>Wegen der Schreiberei. Aber eigentlich wegen der bescheuerten Susanne.<< Das kann man doch nicht trennen! Hinweis Nummer sechs, wenn ich mich nicht verzählt habe.

Und es geht immernoch um Gefühle, um ein Experiment. Es geht noch immer nicht darum, dass Finsternis Möglichkeiten erschafft. Sie ist der Rahmen, aber nicht die Motivation. Mir ist nicht klar, dass ihm nicht die selben Gedanken kämen, wäre er bei Tag losmaschiert.
Das ist der Beginn des Wandels. Gefühle, jetzt ja, aber nicht die, welche Susanne gefordert hat. Später will er ja sogar schreiben. Aber keinen Krimi, wie man im weiteren Text lesen kann.
>>Tja, ich schätze, liebste Susanne, die Sache entwickelt sich interessanter als von dir vermutet.<<
und:
>>Mögen meine Erzählungen unter den Jüngern des Lichts Erkenntnis verbreiten, auf das sie den Pfad zur Freiheit finden, die Urkraft des Universums annehmen,…<<
Er will, im Gegensatz zu vorher, nun etwas schreiben. Doch keine Krimis.
Es wandelt sich halt alles, in der Geschichte.

Ob die Finsternis der Rahmen oder die Motivation zu den Handlungen im Park ist, ist die große Frage. Es ist die Frage, die offen bleibt, die offen bleiben muss, jedenfalls nach meiner Erzählabsicht. Aber dazu gleich mehr.

Okay, hier mal was Konkretes. Aber es fügt sich auch ganz wunderbar in all die anderen Lesarten ein, die hier so aufgetaucht sind. Und letztendlich ist es ja nicht die Dunkelheit, sondern das es da keine Menschen/Beobachter gibt. Und so neu ist die Erkenntnis nicht, dass man einen Mord möglichst ohne Zeugen begeht, es sein denn, man will damit politische Aufmerksamkeit erzeugen. Also, da denkt doch niemand weiter drüber nach, das ist doch gegeben. Und wenn Du das ins Bewusstsein des Leser holen willst, dann tue das doch auch. Dann musst Du doch vorher wen anlegen, der keiner Fliege was zu leide tun kann und bei der nächstbesten Gelegenheit zum Mörder mutiert.
Also ja, das steckt schon auch irgendwie drin, aber weil Verbrechen per se meist unbeobachtet stattfinden, erkennt man darin nicht unbedingt die Motivation. Das es in diesem speziellen Fall eben das (!) Besondere ist.
Ich habe nie und werde nie eine Geschichte schreiben, in der einer Fliege Leid angetan wird. :)

Die Figur ist so angelegt, dass man sie als ängstlich und feige oder positiver ausgedrückt, als friedfertig erkennen kann.

„Da denkt keiner drüber nach, das ist doch gegeben“
Das Gefühl hatte ich vor dem Schreiben. Deshalb die Geschichte, deshalb die Frage, die am Ende offen bleibt. Was passierte da in der Dunkelheit? Bildete sie lediglich den Rahmen einer neuen Möglichkeit oder war sie der Antrieb zu einer neuen Sichtweise?
Beide Varianten stecken in der Geschichte oder anders gesagt, im Leser. Das ist schon ein Brocken "Freiheit" im Text.

Noch etwas zur Sichtbarkeit. Er fühlt sich zunächst nur von Menschen unbeobachtet, später auch von Gott. Das ist ein Aspekt, den man ruhig mit einbeziehen darf. Der nimmt ja viel Raum ein.
„Das Besondere“ an der Figur sollte aus dieser Geschichte herausbleiben. Dazu mehr weiter unten.

Naja, eigentlich sollte er bei Tageslicht ja wieder zum Weichei mutieren, was er auch sicherlich tut. Vielleicht wäre das ein besserer Rahmen für deine Erzählabsicht. Ein Weichei bei Tageslicht, ein Dämon in der Dunkelheit. Aber das ist ja irgendwie auch nicht wirklich ein Thema. Aber zumindest wäre man nicht ständig auf der Experimentierspur - die sich hier ne Menge Raum verschafft und deshalb das auch alle als Experiment lesen und so unentschlossen vor der Geschichte stehen und dann auch noch mit der Pointe hintendran - oh, Bruder erwischt.
Ja, das tut er. Und nicht nur „sicherlich“. Kaum ins Licht getreten, hat er schon wieder schieß vor Susanne. Und diese „Pointe“ ergibt sich zwingend. Aus mehren Gründen.
Zum einen ist sie der Erzählabsicht dienlich, zum anderen gehört dieses Ende zu einer „guten“ Geschichte. Das heißt, der Leser soll nicht mit Gefühl entlassen werden, dass der Prot seiner gerechten Strafe entkommt. Warum das nun wieder so sein soll, in einer „guten“ Geschichte, würde hier zu weit führen. (Ähm, da fällt mir ein, das kannst du im Autoren-Thread „Der etwas andere, aber garantiert ultimative Leitfaden zu spannenden Geschichten …“
unter den Absätzen „Die Umkehrung der Entropie oder: Wie man das Hirn des Lesers befriedigt“ und „Mach es noch einmal, Schatz!“ finden.)

Die „Experimentierspur“ bleibt als solche erhalten, nur inhaltlich wandelt sich das Experiment ins Gegenteil. Aus Susannes gefordertem Experiment, wie fühlt sich ein potentielles Opfer, macht der Prot sein eigenes Experiment: Wie fühlt sich ein Täter.


Der Satz sollte am Anfang stehen und nicht am Ende. Oder am Anfang und Ende. Jedenfalls ist das mal eine eindeutige Spur und kein raten zwischen den Zeilen Der Satz sollte am Anfang stehen und nicht am Ende. Oder am Anfang und Ende. Jedenfalls ist das mal eine eindeutige Spur und kein raten zwischen den Zeilen

Also, das find ich richtig gut. :)
Das habe ich jetzt mal so umgesetzt. Der Blick auf die Uhr passt dann leider nicht mehr zwischen. Der ist raus.

Und (wie oben bereits gesagt) aus Abenteuer habe ich ein unsinniges Abenteuer gemacht. Vielleicht hilft es ja.


Die Erkenntnis: Gelegenheit macht Diebe ist zu banal, um das ich darin die Besonderheit des Textes erkenne.
Stimmt. Das war auch nur so ein Einfall während ich einen Komm schrieb. Nicht wirklich treffend, doch ein Fingerzeig in die grobe Richtung. Dachte ich, ohne genauer drüber nachzudenken.


Unter dem Maskenball habe ich den Text schon mit Spannung gelesen und bin auch gut durch den Text gekommen. Am Ende stand ich dann so da und dachte, was in aller Welt will der Text von mir?
Immerhin ein Lichtblick für mich. :)

Das sollte man sich bei jedem Text fragen. Und auch, ob der Text eine Antwort oder eine Frage formt.
Und ich, als Autor, muss mich fragen, ob sich außer mir überhaupt irgendein Mensch über so was und in der Form Gedanken macht. Es kann ja sein, dass ich irgendwie falsch ticke, aufgrund von, tja, was weiß ich.


Und ich weiß nicht, ob die Aufarbeitung des Themas, also den Rahmen den Du dafür geschaffen hast, nicht doch zu weit ablenkt, von dem, worauf es Dir ankommt. Ich würde ihn auf keinen Fall einen Autor sein lassen (eher einen Typen von Finanzamt der nachts auf seinen Chef trifft) und auf gar keinen Fall würde ich es unter das Mäntelchen eines Experimentes stecken.
Der Finanzbeamte und sein Chef, das wäre mir zu speziell. Da kann fast jeder Leser sich sagen: Betrifft mich nicht. Bin kein Finanzfuzzi und kein Chef.
In den aufgezählten Ängsten kann fast jeder seine eigene finden, denke ich. In der Anonymität der Hauptfigur kann sich jeder selbst sehen (wenn er Willens ist). Irgendwo hatte ich es schon geschrieben: Ich will auf das Allgemeinmenschliche hinaus und das bedingt: möglichst weit weg von irgendeinem Archetyp. Zugegeben: Das ist immer eine Gradwanderung.

War jetzt nicht so aufbauend. Aber ich durfte bei den 700 qm auch die Erfahrung machen, dass den Text niemand so verstanden hat (oder nur in Teilen), wie ich ihn eigentlich hatte schreiben wollen. Du hast immerhin Rick. Ist halt 'ne Gradwanderung und eine Erfahrung, wieviel man zwischen die Zeilen stecken kann und ab wann es für den Leser nicht mehr sichtbar ist. Was ihn dazu bringt, falsch abzubiegen. Habe ich jetzt mal für deinen Text versucht aufzuschreiben.
Ich hoffe, dass nun der Widerwille der Hauptfigur gegen Susannes Idee endgültig deutlich sichtbar ist. Auch das Kopieren des Resümees an den Anfang mag dem Leser helfen. Mal schauen.

Die 700qm, ich erinnere mich dunkel. Irgendwie lag ich da na dran, aber nicht wirklich drauf, oder? Und bei meinem „Gesagt ist gesagt“ war es auch nicht einfach. Dein Bär statt ein Bär, und so Kleinigkeiten.

Vielen Dank, für diesen aufschlussreichen Beitrag, liebe Fliege!


Hallo Chris!

Findest du die Genre-Diskusion nicht ein klein wenig schizophren?
Nein. Wenn du die Beiträge gelesen hast, und das hast du, zumindest deiner Behauptung nach, hättest du die Antwort finden müssen.

Meine unvereingenommene Meinung kennst du ja, nun habe ich noch ein paar Fragen, bzw. Anmerkungen, die sich beim Mitlesen so ergeben haben.
Ja, kenne ich, und die hat mir durchaus gefallen.

Susanne:
Wieso sollte der Leser Susanne nicht im Park erwarten? Nach meiner Leseart könnte sie dort sehr gut auftauchen, nämlich um Buh-schreiend hinter einem Baum hervorzuspringen, um deinem Prot eine Lehre zu erteilen, weil er ja nicht kapieren will, dass er Gefühle, sprich Angst, zu erleben habe. Drei Stunden musste sie auf ihn einreden! Sie muss es ihm zeigen, damit er endlich kapiert!
Ich lasse mal beiseite, was Susanne für Gründe haben könnte, nicht selbst zu gehen, sondern ihren Bruder zu schicken. Entscheidend ist, was mit der Geschichte passiert, wenn Susanne erschlagen wird. Irgendwo hatte ich das schon zweimal erwähnt. Zuletzt, ich glaub, es ist das dritte Mal, in der Antwort auf Flieges Beitrag.


Deine Grundidee:
Habe ich das jetzt richtig verstanden? Du wolltest einen Typen zeigen, der im Schutze der Anonymität etwas tut, was er nicht tun würde, wenn man ihn dabei sehen könnte. Okay, genau so habe ich den Charakter deines Prots herausgelesen.
Aber das kann doch nicht alles sein, das "Wesentliche", das ist doch nur der Charakter des Prots. Er handelt seinem Charakter entsprechend. Wo ist der Rest der Geschichte? Wo ist das, was auf deinem Grund eigentlich gebaut sein müsste? Warum soll das Ende "zwingend" sein?
Ja, das ist es, was die Figur tut.
Der Prot zeigt kaum Charakter. Er zeigt ein Bündel gebräuchlicher Ängste. Dann, irgendwann in der Dunkelheit, zeigt er ein nicht allzu gebräuchliches, aber dennoch bekanntes Verhalten – freilich in überspitzer Weise.
Das „Wesentliche“ ist die Frage, wie mag dieser Wandel zustande gekommen sein.

„Ich konnte plötzlich wie eine Fledermaus die Dunkelheit durchdringen, konnte exakt meine Position in dem Areal ermitteln, jeden Baum orten, …“
Das sagt aus, er konnte die Dunkelheit durchdringen und jeden Baum orten.
=> Nee, das sagt aus, dass dein Protagonist denkt, meint, er könnte das. Das ist ja alles seine Perspektive, nicht Tatsache. Kann er sich einbilden, der schwafelt doch über die Finsternis genug zusammen.
Das ist (Fledermaus usw.) nicht sein Eindruck vor Ort (steht nicht kursiv). Es ist ein Urteil aus der Erinnerung getroffen, also mit zeitlichem Abstand. Wenn man sich nun fragt, wem oder warum er die ganze Story erzählt, kommt man zu dem Schluss, dass hier keine Rechtfertigung im Fordergrund steht. Er ist, innerhalb der fiktiven Welt, ja schonungslos offen. Es ist demnach eher eine persönliche Aufarbeitung. Also kann man diese sonderbaren Fähigkeiten durchaus als Tatsache verstehen.
Was er dort in der Dunkelheit an Gedanken hat, als Geschwafel abzutun, ist dem Verständnis der Geschichte nicht dienlich. Ich habe es (ich dachte, du liest mit?) Anderorts bereits erwähnt, was viel Raum einnimmt, hat auch entsprechende Bedeutung.

"Der Kerl schreibt nix."
=> Das lese ich in dem Text nicht. Für micht war er immer Möchtegern-Autor. Nur so kann ich mir auch das ganze Geschwafel über die Finsternis erklären.
(Okay, jetzt kapiere ich. Grundidee und Ausführung: Der gesamte Text ist nur eine riesige Metapher. Dafür, dass "man" im Schutze der Anonymität Dinge tut, die man sonst nicht tun würde. Ernsthaft? Das ist so 'n Deutungstext? Sorry, aber sowas finde ich furchtbar!)
Er hat, so steht es im Text, noch nix geschrieben.
Zum Geschwafel sag ich jetzt nix mehr.
Ein Deutungstext? Weiß nicht, müsste ich erst mal googeln, was genau das sein soll.
Eine riesige Metapher? Das trifft es nicht. Eher eine Periphrase – das kommt mir jetzt auch irgendwie bekannt vor … hmm.
Ach, ebenso sorry, ich ahnte nicht, dass du den Text lesen würdest.

"Wäre der vorliegende Fiktionstyp von vornherein bekannt, wäre der eine oder andere mit dem Text ganz anders umgegangen."
=> Ernsthaft? Die Leute lesen Koontz und versuchen dann herauszudeuten, was - ja, was? Ich habe keine Ahnung, ich lebe, ich lese in einem anderen Univerum. (Du liest doch auch Koontz. Schick mir mal 'ne Liste mit allem, was ich da rauszudeuten verpasst habe.)
Ja, ernsthaft!
Denn an der Stelle ging es darum, wie realistisch die Story angelegt ist. Es ging nicht darum, irgendwas rein- oder rauszudeuten. Das sind grundverschiedene Dinge.

Himmel, da merkt man gar nicht mehr, dass ich ursprünglich Spaß beim Lesen hatte. Nee, nee, wenn Autoren mit ihren Absichten kommen - nee, blievt mi weg!
Schön, dass du zu deinem ersten Eindruck noch stehst.
Und warum hast du es nicht dabei belassen? Warum musstest du nachfragen? Ich antworte nur auf Fragen, reine Höflichkeit, nix weiter.
Nee, nee, dass die Geschichte dir jetzt verleidet ist, das ist nicht meine Schuld, den Schuh zieh dir mal schön selber an!

Liebe Grüße

Asterix

 

Vorweg, ich hab den Text erst jetzt entdeckt. Also gleich innerhalb der richtigen Kategorie und auch mit allen Deinen Änderungen, die Du bis jetzt vorgenommen hast. Das ist natürlich ein Vorteil.

Ich finde den Text sehr stark! Die Konstellation: Macht, indem er den Stein nimmt, und Unentdeckt-Bleiben, da es dunkel ist, ist klar herausgestellt. Ich habe das sehr gerne gelesen.

Nur zwei ganz winzige Anmerkungen: Raben sind nicht Beutetiere von Katzen. Oder brichst Du hier bewusst mit der Realität, dann finde ich es misslungen, weil es so auf der Kippe ist. Ja, schon, eine Katze kann mit sehr viel Glück mal einen Raben fangen. Wenn du den Prot. da drin spiegeln willst, also die Katze hat auch im Dunkeln die Macht und Gelegenheit, die sie eigentlich nicht hat, dann müsstest Du das, denke ich, genauer herausarbeiten. So denke ich: Da ist ein Fehler. Keine vernünftige Katze jagt einfach einen Raben. Jedenfalls ist das nicht 'normales Verhalten'.

Und nochmal das leidige Susanne-Thema (großartiger Name übrigens, finde ich). Ich ziehe es andersherum auf: Der Bruder wirkt so zufällig, so halbherzig. Der taucht nur in der Geschichte auf, um zu sterben. Das gefällt mir auch nicht. Der müsste irgendwie eine größere Rolle im Text vorher spielen (auch hier Machtphantasien?), so denkt man fast zwangsläufig an das (immer wieder parodierte) Crew-Mitglied bei Star Trek, das nur mitkommt, weil ja auf einem gefährlichen Planeten irgendwer sterben muss. Das passt, finde ich, nicht in die Geschichte.

Und nur noch ganz ganz nebenbei: Die sexuellen Phantasien mit Susanne: Das müsste, meiner Meinung nach, brutaler sein. Aber egal, wie gesagt, sehr gelungen, finde ich!!

 

Hallo Jim!

Stark und, trotz einiger Bedenken, sehr gelungen. Es freut mich, dass die Geschichte auch immer wieder ein paar positive Meinungen hervorbringt.

Deine Anregungen haben mich ins Grübeln gebracht, weil sie zunächst auf der Hand liegen. Daher habe ich mit meiner Antwort etwas länger gebraucht. Musste sozusagen in die Tiefen des Konzeptes abtauchen, um zu sehen, was möglicht ist und was nicht.

Raben sind nicht Beutetiere von Katzen. Oder brichst Du hier bewusst mit der Realität, dann finde ich es misslungen, weil es so auf der Kippe ist. Ja, schon, eine Katze kann mit sehr viel Glück mal einen Raben fangen. Wenn du den Prot. da drin spiegeln willst, also die Katze hat auch im Dunkeln die Macht und Gelegenheit, die sie eigentlich nicht hat, dann müsstest Du das, denke ich, genauer herausarbeiten. So denke ich: Da ist ein Fehler. Keine vernünftige Katze jagt einfach einen Raben. Jedenfalls ist das nicht 'normales Verhalten'.
Raben sind nicht Beutetiere von Katzen. Das stimmt. Katzen klettern auch selten zum Jagen auf Bäume, eher zum Rauben, würde ich sagen, also um Nester mit Jungvögel kleinerer Arten „auszurauben“, sozusagen. Sie erbeuten kleinere Vogelarten meist am Boden oder im niedrigen Gebüsch.

Genauer herausarbeiten, ja, da weiß ich nicht wie, ohne von der „Finsternis“ als Urheber seiner verwirrten Gedanken, Pläne und Handlungen abzulenken. Zöge er da Vergleiche und käme zu der Erkenntnis, die Katze sei im dunklen Park mit besonderer Kraft ausgestattet, bekäme die Story einen nicht gewollten Dreh.

So ist in seinen Gedanken eine Abstufung, ein allmähliches „Abgleiten“. Zunächst denkt er über die Raben noch relativ normal:
Die Raben kehrten nicht zurück. Etwas, jemand oder gar eine Bande hielt sie von ihrem Schlafbaum fern.
Erst viel später, als er schon tiefer im Park drinnen ist, kommt dann das Verwirrte dazu:
… das war rationales Handeln. Von beiden Seiten. Von den Raben als Beute und der Katze als Jäger.
Und das Stichwort ist dann auch für ihn „Jäger“, nicht die besondere Macht der Katze:
Die Frage lautet folglich: Was muss es für ein Gefühl sein, zu jagen, oder besser noch, zu töten? Das gilt es zu ergründen. Hier, in der Finsternis.

Also, ich sehe schon das Problem, dieses „auf der Kippe stehen“, wie du sagst, doch ich habe da keine Lösung gefunden, die in die Geschichte passt.

Immerhin ist mir beim Nachdenken über deine Anregung ein anderer Fehler aufgefallen:
Ich werde ihm Uhr und Bargeld abnehmen. Es wie einen Raubmord aussehen lassen. Man kann ja nie wissen, wer einem hier begegnet. Vielleicht ein Nachbar. Ein Raubüberfall gäbe weniger Anlass zu Ermittlungen im privaten Umfeld des Opfers.
Dieses Sicherheitsdenken passt nicht ins Konzept.
Neu:
Ich werde ihm Uhr und Bargeld abnehmen. Es wie einen Raubmord aussehen lassen.

Der Bruder wirkt so zufällig, so halbherzig. Der taucht nur in der Geschichte auf, um zu sterben. Das gefällt mir auch nicht. Der müsste irgendwie eine größere Rolle im Text vorher spielen (auch hier Machtphantasien?), so denkt man fast zwangsläufig an das (immer wieder parodierte) Crew-Mitglied bei Star Trek, das nur mitkommt, weil ja auf einem gefährlichen Planeten irgendwer sterben muss.
Dein wahrer Name ist nicht Michael Mittermeier, oder? ;)
Du hast selbstverständlich Recht, nur wenig ist über den Bruder bekannt und wird in einem Gedanken zusammengefasst:
Und ich werde ihr mitteilen, was für hochinteressante Sachen ich mit ihrem einfältigen Bruder, der jeden Abend wie eine verdammte Anstandsdame bei ihr herumlungert, anstellen werde.
Diese „hochinteressanten Sachen“ könnte sich der Erzähler noch weitschweifiger ausmalen. Aber es geht dem Erzähler hier nur um Susanne:
Und ich werde ihr mitteilen, […]Dann wird sie mir gefügig sein, wann und wie ich es will.
Dennoch, da denke ich noch drüber nach. Im Moment sehe ich zwei Möglichkeiten:
Wenn er den Bruder auch in seine detaillierten Pläne einbeziehen will, und dabei an das Herumlungern, das Stören denkt, kann das bedeuten, dass er ihn wegsperren wird, irgendwo anketten, im Keller vielleicht.
Oder er denkt an den Bruder als „Anstandsdame“. Dann könnte er ihn zwingen, zuzusehen, was er mit Susanne macht, ihn vielleicht im Schlafzimmer auf einen Stuhl fesseln und sogar mit einbeziehen. „Hey, Robert, soll ich deine Schwester in den Arsch ficken oder dich. Na los, du entscheidest!“
Wichtig ist halt, dass ein Wandel, eine Umkehrung der bisherigen Situation dabei entsteht.

Die sexuellen Phantasien mit Susanne: Das müsste, meiner Meinung nach, brutaler sein.
Juhu! Ich darf hier voll die Sau rauslassen! :D
Nein, im Ernst, das fiel mir in der vorliegenden Form schon schwer genug. Man sollte nicht vergessen, der Irre ist der Erzähler, nicht der Autor. Und nicht vergessen, es geht (lediglich) um die Umkehrung gewöhnlicher Situationen aus dem Leben des Erzählers.
Aber jetzt noch mal zurück zum vorherigen Zitat:
Der müsste irgendwie eine größere Rolle im Text vorher spielen (auch hier Machtphantasien?),
Den Bruder in die Machtphantasien des Erzählers mehr einzubeziehen, ist durchaus eine Möglichkeit, mehr, äh, Pep in die sexuellen Phantasien zu bringen. Und im Grunde gehört er ja dazu, zumindest als Störfaktor, als Sex-Verhinderer in der normalen Situation. Da könnte man noch was „drehen“.
Wie gesagt, darüber werde ich nachdenken. Die Idee gefällt mir immer besser.

Vielen Dank fürs Lesen und den interessanten Kommentar!

Lieben Gruß

Asterix

 

Nun hast Du Dir mit meinem Kommentar so viel Mühe gemacht, dass ich darauf noch einmal antworten möchte.

Zu den Raben: Dann würde ich nur ein wenig die Irritation mildern. Du schreibst:

Die Raben sind vermutlich vor einer Katze geflüchtet, die ihnen nachgestiegen war. Das hat nichts mit Angst zu tun, das war rationales Handeln. Von beiden Seiten. Von den Raben als Beute und der Katze als Jäger.

Wäre der letzte Satz in etwa: "Im Dunkeln werden die Raben vorisichtig, die Katze zum Jäger." o.ä. dann wäre meine Irritation weg. Der Satz haut jetzt noch nicht ganz hin, weil er sich nicht so gut fügt. Aber in diese Richtung könnte es gehen, dann wäre die kleine 'Unrichtigkeit' weg. Oder auch (ist aber auch noch etwas umständlich): "Von den Raben - die zur Beute werden - und der Katze - die zum Jäger wird." Naja, so ungefähr.

Wenn ich die Änderung des 'Raubmords' angestoßen habe, bin ich auch schon glücklich - Raben hin oder her - viel besser so, finde ich!

Zum Bruder: Es könnte auch andersherum sein, dass er sich vorstellt, was er mit dem Bruder macht, und Susanne muss zusehen. Dann wäre der Mord stark vorbereitet. Dann müsste man fast aufpassen, dass es nicht zu stark motiviert wird. Hielte ich aber auch für eine Möglichkeit.

Was ich mit 'brutaler' meinte, Du schreibst:

Ja, Susanne wird meine neue Macht zu spüren bekommen, wenn ich sie bei den Haaren packe und vor mir auf die Knie zwinge. Und dann meinen Schwanz zwischen ihre fein geschminkten, eitlen Lippen dränge und es ihr gebe, bis mein Saft ihr zur Nase heraus läuft.

Ich meine gar nicht hier die 'Sau rauszulassen'... eher eine etwas direktere (brutalere) Sprache. Das ginge schon mit "Ja, Susanne, du wirst [...] etc." Oder mit kürzeren, härteren Fügungen: "Ja, Susanne wird meine neue MAcht spüren. Ich packe sie an den Haaren [...] etc." So in der Art vielleicht. Das meinte ich so ungefähr mit 'brutaler'. Aber lass meinetwegen auch die 'Sau raus'. ;)

 

Hallo Jim!

Vielen Dank für deine erneute Mühe. Über die Sache mit der Katze habe ich lange nachgedacht. Es gibt da für mich keine befriedigende Lösung. Irgendwann kam ich auf die Idee, ein anderes Tier als Jäger zu engagieren. Aus der Katze ist nun ein Marder geworden.

Auch habe ich, wie empfohlen, in der Textstelle „Ja, Susanne wird meine neue Macht …“ direktere Formulierungen angewendet und auch, weiter unten, den Bruder mit einbezogen. Er muss nun zuschauen.

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Asterix,

nach langer Lesepause finde ich hier deine kleine, gut geschriebene Geschichte. Sie liest sich angenehm, erzeugt auch eine gewisse Spannung, aber ehrlich gesagt enttäuscht mich die mangelnde Überraschung am Ende. Auch der schnelle Umschwung vom Nachtwanderer zum völlig gewissenlosen Mörder ist in dieser Hurtigkeit für mich schwer nachzuvollziehen. Habe es aber dennoch sehr gerne gelesen!

Viele Grüße,

Eva

 

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