Was ist neu

Johann

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30.03.2010
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Johann

Jeder hatte sich eine Vorstellung davon gemacht, wie Johann sein müsse.
Die Mehrheit stellte sich ihn wahrscheinlich als pathologischen Idioten vor, wofür wohl der bäuerliche Name verantwortlich war.
Der Umstand jedoch, dass er zu uns in die elfte Klasse kam, relativierte unser Vorurteil gegen ihn als dümmlich Beschränkten.
So wenig glaubwürdig ein Name als Aussage über einen Menschen generell ist, war er das bei ihm vor allem dadurch, dass er ihn erst seit kurzer Zeit trug.
Und so fragt sich jeder, wie schwierig es sein muss, plötzlich nicht mehr der sein zu können, der man früher war.
Die Schulleitung hatte selbstverständlich versucht, Johanns Identität geheim zu halten, doch die Diskretion leckte, und heraus sickerte die Geschichte, deren Substanz bereits so viele Ausläufer und Verzweigungen hatte, dass die Austrittsstelle unauffindbar wurde.
Daraus entstand ein neues Schweigen, eine Diskretion der zweiten Dimension- Wir leugnen unser Wissen.
Johann, der ganz normale, neue Schüler.
Ich aber fürchte mich vor meinem Wissen und dem, was passiert, schöpfe ich einmal aus Versehen, in einem unüberlegten und banalen Moment aus diesem.

Man weist uns ein, wir spielen ein Spiel, lügen über das offene Geheimnis, verstellen uns.
„Seid nett, loyal und sozial zu Johann“, sagt unsere Lehrerin, bevor sie die Klasse verlässt, und sich auf den Weg macht, den Neuen abzuholen.
Dass etwas in unser aller Köpfen anders läuft als sonst, merke ich daran, dass es trotz der Abwesenheit der Lehrerin still im Raum, gefüllt mit sechsundzwanzig Jugendlichen, bleibt.
Ich spüre die straffe Spannung aller und die Angst, dass unsre kaum zu überspielende Befangenheit uns verraten könnte.
Ich persönlich versuche nichts zu denken, nicht an Johann, nicht an mich, ich will nur das größtmögliche Nichts denken, bis die Tür aufgeht.

Unsre Köpfe heben sich aus der Versenkung zwischen unseren Schultern, unsere Augen richten sich von der Tischplatte auf einen plötzlich vor der Tafel stehenden hageren Körper, den wir noch nie gesehen haben, jedoch alle wissen, was er bereits erlebt hat.
Und dann vergehen die Sekundenbruchteile, die eine Musterung dauert.
Dünne Beine von einer engen Jeans bekleidet, ein khakifarbenes, offen getragenes Hemd über einem weißen T-Shirt, und silberne Ringe an langgliedrigen Fingern. Das Gesicht schmal und hohlwangig, halb bedeckt von blondem, langem Haar.
Es sind Sekunden der Betrachtung, eine Heftigkeit in kürzeste Zeit gepackt, die mein Gehirn zum Totalabsturz bringen, Angst und eine unbestimmte Panik, die von meinem Wissen herrühren. Plötzlich zeigt der Lehrer neben mich, und dieser Junge kommt auf mich zu.
Ich begreife mit einem heißen Schreck, dass er neben mir sitzen wird.
Unheil naht, macht mich hektisch und lässt meine Gedanken sich überschlagen. Dann höre ich mich plötzlich sprechen, automatisch, in zu hoher unnatürlicher Stimme.
„Und du bist Michael?“

Es ist still in der Klasse.
Wäre ich vor Schreck nicht derart versteift, schlüge ich mir die Hand vor den Mund.
Es ist wie beim Tabu-Spiel. Und ich habe eines der Worte auf dem Kärtchen gesagt.
Aber es ist nicht etwa das Schuldgefühl, meiner Mannschaft den Punkt versaut zu haben, es ist die egoistische Scham über meine eigene Dummheit.
Jetzt denkt jeder ich bin dumm.
Ich hebe den Blick, und sehe in dieses hohlwangige, von mir verratene Gesicht.
„Ich ...ich ...“, meine Hand fährt in mein ratloses Gesicht, wobei ich mir mit meinen ruckartigen Bewegungen den Zeigefinder beinahe ins Auge ramme, „Ich ... bin nicht der... also...“, stammele ich, bis es herausplatzt: „Alle wissen es!“
Und eine weitere heiße Welle durchfährt mich. Nein, ihn hatte ich nicht verraten, ich hatte von Anfang an uns alle verraten.
Mit großen Augen sehe ich ihn an, wie er mit der Hand auf die Rückenlehne des Stuhls gestützt noch immer vor mir steht.
Mein Blick wandert herunter von seinem Gesicht, die schmalen Schultern herab, den Arm entlang zu seiner Hand mit den beringten Fingern.
„Johann, kommen Sie mit, ich bringe Sie raus“, unsere Lehrerin steht neben ihm, legt sanft ihre Hand an seinen Oberarm.
Ich verstehe nicht, warum sie mich nicht sofort mit einem bösen Blick bedenkt, mich nicht sofort rügt, aber dann verstehe ich.
Es geht nicht um mich. Es geht um Michael- um Johann.
Plötzlich höre ich ein Flüstern, „Schon okay.“
Die Hand auf der Stuhllehne in meinem Blickfeld löst sich und Johann nimmt neben mir Platz.
Jetzt wage ich es, meiner Lehrerin direkt in die Augen zu sehen.
Sie weiß selbst nicht, was sie machen soll, was richtig ist.
Unsicheren Schrittes geht sie zurück ans Pult, wo sie beginnt, Papiere unnötig zu ordnen.
In dieser Zeit beginne ich den Groll der sechsundzwanzig Schüler zu spüren.
Jetzt gibt es eine dritte Dimension des Schweigens, und schon mit der Zweiten waren wir überfordert.
Ich wage es kaum, neben mich zu sehen, taste mit meinen Augen wie mit Händen im Dunkeln. Vorsichtig, nicht wissend, was ich erwischte, packte ich zu.
Aber Johann schaut nach vorne, die Arme auf der Tischplatte verschränkt.
Mit drei zusammengehefteten Blättern macht die Lehrerin große Schritte auf meinen Tisch zu, und legt sie vor Johann hin.
„Das ist dein Stundenplan, ein Raumplan und eine allgemeine Schülerinformation.“
Er blickt lächelnd zu ihr auf, ein wohlwollendes Lächeln und streicht sich dabei mit den Fingern Haar aus dem Gesicht hinters Ohr.
Warum machen wir uns bloß so verrückt? Er wird es gewohnt sein, dass die Menschen auf ihn betroffen reagieren, er wird es so sehr gewohnt sein, dass er es satt ist.
Die Lehrerin beginnt in die stumm vor ihr sitzende Klasse hineinzureden, ob sie Zuhörer hat, weiß ich nicht.
Unsere Situation kommt dem Bewusstmachen eines verdrängten Inhalts gleich. Johann ist das Ich, vor dem wir als Über-Ich in ein Schweigen hinein das Schlimme verdrängt haben. Jetzt ist es bewusst geworden, wir konnten es nicht länger mit dem Kopf unter die Wasseroberfläche drücken.
Und nun?
Ich blicke neben mich, als Johann aufsteht und die Lehrerin verstummt.
Langsam unter siebenundzwanzig Augenpaaren geht er nach vorne.
Als er neben unserer Lehrerin ankommt, sieht er uns alle an. Sein Blick streift durch die Reihen.
Was ihn auch dazu bringt, vielleicht die Erkenntnis, dass bewusst gewordenes Trauma verarbeitet werden will, auch wenn er es für sich wahrscheinlich schon mehr als einmal getan hat, aber er beginnt, uns von Michael zu erzählen.

 

Hey Sim!

Dankeschön fürs Lesen! Ja, das hatte ich befürchtet, dass man die Kürze und das gar so abrupte Ende bemängeln würde. War ein Versuch wert....
Jetzt habe ich noch was hinzugefügt, das die Länge etwas mehr als verdoppelt.
Freue mich über weitere Anregungen (oder Bestätigungen meiner Ängste...:))
Bis dann und Schönen Tag
Timo

 

Hey TimoKatze,

ich finde das Intro auch sehr gelungen :). Aber es ist hier, wie bei einem Witz, wo man die Pointe nicht erzählt bekommt - und damit ist der ganze Witz ... naja, er ist eben keiner.

Ich denke, Du wolltest über ein Geheimnis, was dann doch keines ist, man sich jedoch als Verräter fühlt, wenn man es ausspricht - oder so schreiben. Schönes Thema und auch gut umgesetzt. Nur hast Du bei der Umsetzung ein Problem. Du lenkst die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Michael/Johann Geschichte und genau die, enthältst Du mir vor. Das ist eine Zwickmühle, und Du solltest Dich entscheiden, welche der beiden Geschichten Du schreiben willst: Johann/ Michael, dann sollten da noch ein paar Absätze ran, oder Du gehst das Geheimnisding anders an, planst neu - und streust da nicht so einen Diamanten rein, der das überstrahlt, was Du eigentlich erzählen wolltest.


„Seid nett, loyal und sozial zu Johann.“, sagt unsere Lehrerin,

Kein Punkt am Ende der Rede, wenn der Satz weiter geht.

Ich begreife mit einem heißen Schreck, dass er neben mir sitzen wird.
Ich spüre Unheil nahen, werde hektisch und überschlage mich in meinen Gedanken.
Ich höre mich plötzlich sprechen, automatisch, in zu hoher unnatürlicher Stimme.

Drei Sätze, die mit "ich" beginnen, finde ich in diesem Fall als nicht so glücklich. Auch die Zeilenumbrüche vor jedem Satz - mmhh - brauch ich nicht.
Machst Du ja viel im Text - ich mag es nicht. Das zerstückelt alles irgendwie. Also, nix gegen Absätze - aber bitte mit Sinn ;).

Es ist wie beim Tabu-Spiel. Und ich habe eines der Worte auf dem Kärtchen gesagt.

Ja - schöner Vergleich!

„Ich...ich...“, meine Hand fährt in mein ratloses Gesicht,

Leerzeichen vor und hinter den drei Punkten

„Johann, kommen Sie mit, ich bringe Sie raus.“, unsere Lehrerin

wieder kein Punkt

Jetzt gibt es eine dritte Dimension des Schweigens, und schon mit der Zweiten waren wir überfordert, wie sich durch mich herausgestellt hat.

würde ich streichen, haben wir ja gerade erleben dürfen ;)

Was ihn auch dazu bringt, vielleicht die Erkenntnis, dass bewusst gewordenes Trauma verarbeitet werden will, auch wenn er es für sich wahrscheinlich schon mehr als einmal getan hat, aber er beginnt, uns von Michael zu erzählen.

Das Kursive ist ziemlich verstrickt. Das geht auch klarer zu formulieren. Und wenn Du mich fragst - hau es weg :)!

Soviel von mir.
Beste Grüße Fliege

 

Hallo TimoKatze!

Das ist schon hübsch geschrieben, aber ich würds anders gewichten. Momentan kommt die ganze Spannung daher, dass niemand weiß, warum Michael nun eigentlich Johann ist - und das wird auch nicht aufgelöst, was ich enttäuschend finde.

Wenn du mit ein, zwei Worten andeutest, was mit Michael war, warum er Jonathan geworden ist, und dafür mehr Gewicht auf den Erzähler legst (wie heißt der gleich nochmal? Und warum hab ich zwei Namen im Kopf, kenne aber den Erzähler nicht?), würde die Geschichte sehr, sehr gewinnen. Ich könnte mich dann drüber freuen, bei dieser Peinlichkeit stummer Zeuge sein zu können und wäre nicht durch diese Michael-Jonathan Geschichte abgelenkt.

Bis bald!
yours

 

Hallo an Alle!

Erstmal: Wow! So viele Antworten!
Als erstes habe ich die formalen Hinweise von Fliege bearbeitet.
Nur bei meinem letzten Satz wollte ich doch ganz gerne alles so lassen, auch wenn es verstrickt ist.
Ein paar Sätze habe ich in einen Absatz gepackt, und meine Interpunktion bei Wöärtlicher Rede gebessert (und hoffentlich nicht versehentlich noch mehr Fehler rein gepackt :Pfeif: )
Die Inhaltsebene lässt sich nicht so schnell abhandeln, und da muss ich auch erst mal die Antworten genauer für mich analysieren und bin sehr dankbar für euer aller Lob und Tadel. :)
Noch mal wow und Danke-Danke!!
Timo

 

Hallo Timo,

im Wesentlichen kann ich mich sim anschließen, will dann aber noch ein paar Hinweise zur Sprache geben.

>…, doch die Diskretion leckte, …< wen oder was denn?, ist man verführt zu fragen, denn das Adjektiv „leck“ - zunächst ein niederdeutscher, aber inzwischen allgemein verwendeten Ausdruck für „undicht“ (an Schiffen ursprünglich), wird inzwischen um die Bedeutung von „rissig“ erweitert, - ist etwas gänzlich anderes, als das Verb „lecken“, bei dem man mit der Zunge über etwas lang fährt. Wie aber letzteres zum Adjektiv „lecker“ wird, ist erstgenanntes zum Verb umgewandelt worden im Sinne von „undicht sein/Wasser duchrchlassen/tröpfeln“.
Wäre nun die Frage, ob Diskretion (Verschwiegenheit, aber auch: Takt, wenn ich nämlich diskret mit etwas umgehe, was wohl hier in Deinem Text gemeint ist), ob also ein taktvoller Umgang ein Leck haben kann, was ich bezweifel. Wohl kann’s taktlos (indiskret) zugehn, schwerlich aber „lecken“. Mir fällt aber derzeit keine genauere Formulierung ein, dass ich direkt die Frage stellen muss,

wieso der Name „Johann“ bäuerlich sein soll? Der Name ist wie Michael hebräischen Ursprungs, wogegen keine Wandlungen in Hans, Mike oder sonst was hilft. (Johannes, griechische Form für hebräisch Johanan, „Gott ist gnädig“, Kurzformen Johann, Jan, Hans; italienisch Giovanni, französisch Jean, spanisch Juan, englisch John, Jack, ungarisch János, russisch Iwan.;
Michael „Wer ist (wie) Gott?“, Kurzformen → Michel; Mike, Michel, Miguel).
Was wäre überhaupt ein bäuerlicher Name? Georg*, fiele mir da ein, bei dem hülfe auch nicht Jürgen und Jörg. Aber in einer Zeit, da der Bantufürst Tschaka zierlich, weiblich und weiß wiederkäme, wäre aber immer noch besser, als ein Kind Axe, Caloderma oder Schauma zu nennen.

Bliebe mir noch anzumerken zu >Ich persönlich versuche nichts zu denken, …< -

Was zum Teufel wäre persönlicher als dieses Personalpronomen? Wie denkt man – auch wenn man NICHT denkt – unpersönlich? „Ich persönlich“ sagen Parlamentarier, wenn sie dem Fraktionszwang entkommen wollen. Willst Du pc pflegen?

Gruß

Friedel

* Georg, griechisch georgos, "Landmann, Bauer", George, Georges.

 

Hallo Alle!

Friedel, ich kanns dir nicht erklären, aber ich assoziiere mit Johann einen Bauern.
So was gibts, ich meine, es gibt auch Namen die man mit Intelligenz, Attraktivität usw. in Verbindung bringt. Und- natürlich kann ich da nur von mir sprechen- Namen die man mit Berufen oder Bildung assoziiert.
Tut mir leid, wenn ich da irgendeinem auf den Schlips getreten bin.
Desweiteren hänge ich mich nicht an meinem "ich persönlich denke..." auf.
Und da komme ich zu Udo1234

Lieber Udo,
In deinem ersten Kommentar bist du ja gerade zu ein enthusiastischer Verfechter meiner Geschichte! Freut mich, dass es so was gibt, in deinem Zweiten scheinst du mir deine literarische Zuneigung etwas zu relativieren, und dann- plötzlich nach Friedrichards Kommentar wirst du ganz kreativ, und- wenn ich das richtige Verstehe, erneut zum Verfechter meiner (achtung! wird jetzt zum running gag...) Persönlichkeit.
Na ja.

Mit meinen Überlegungen/Überarbeitungen zur Geschichte, um die es eigentlich geht, bin ich soweit, dass ich mich dazu entschieden habe, definitiv nicht Michaels Geschichte offen zu legen
1., weil es dann reißersich würde (jedenfalls mit der Idee die ich habe)
2., weil es dann tatsächlich von meiner Intention, eigentlich mehr die Atmospäre eines offenen Geheimnisses darzustellen, abweichen würde.

So weit Danke nochmals an alle Leser
Tschüßle, Timo

 

Hallo Timo!

2., weil es dann tatsächlich von meiner Intention, eigentlich mehr die Atmospäre eines offenen Geheimnisses darzustellen, abweichen würde.

Da denke ich ganz spontan: Von dir lese ich nie wieder Geschichten zuende, in denen es um ein Geheimnis geht, weil es am Ende ja doch nicht gelüftet wird. :)

Verstehst du, was ich meine? Abgesehen davon: Der Atmosphäre würde es nicht schaden, weil von den Schülern kennst ja eh jeder. So, wie du es hast, beschreibst du nämlich, wie sich einer fühlt, der ausgeschlossen ist. Weil JEDER das Geheimnis kennt. Nur er nicht. Also eher ein geschlossenes Geheimnis. Geschlossen für den Leser.

Bis bald!

yours

 

Hallo Timo,

meine Anmerkungen sind gewiss nicht bös gemeint (warum auch?), aber "Johann" mit dann auch nur einem Bauern zu assoziieren wirkt schon merk - und denkwürdig. Sprichstu oder Dein Prot von Dir bzw. sich in der oder für die Mehrzahl, schließlich lautet der zwote Satz >Die Mehrheit stellte sich ihn wahrscheinlich als pathologischen Idioten vor, wofür wohl der bäuerliche Name verantwortlich war<, wobei immerhin der Charakter einer Vermutung den letzten Nebensatz auszeichnet.

Warum Udos kreativer Teil zu meinem Lobe verschwunden ist wird wohl auf eine Grundreinigung schließen lassen.

Interessant wäre zu wissen, welche Namen Intelligenz oder umgekehrt Blödheit verraten. Caloderma verriete reine Haut, Schauma Reinlichkeit, oder?

Ich hoffe, nicht zu kryptisch zu sein.

Gruß & schönen Herbstanfang wünscht

Friedel

 

„Seid nett, loyal und sozial zu Johann“, sagt unsere Lehrerin, bevor sie die Klasse verlässt, und sich auf den Weg macht, den Neuen abzuholen.
In was für einer Zeit spielt das denn? Der Erzähler wirkt im ersten Absatz als hätte er einen Stock im Arsch. Und die Lehrerin fordert hier „Loyalität“? Was ist das auch für ein Unsinn? Man kann doch nicht zu einem Neuen loyal sein?

Es geht nicht um mich. Es geht um Michael- um Johann.
Plötzlich höre ich ein Flüstern, „Schon okay.“
Mal ernsthaft, so schön das Szenario ist, aber das ist doch wirklich ein selten dämlicher Plan? Wie kann so was denn durchsickern? Und wie kann die Lehrerin nichts davon wissen, dass jeder den Namen des Kindes kennt? Sehr absurd alles.

Hm, das Szenario ist gut, ich finde es auch gut, dass es ein offenes Ende hat – man denkt natürlich an Missbrauch oder ein Familiendrama, das sich auch in den Zeitungen wiedergefunden hat. Aber ich weiß nicht, ob der Erzähler die richtige Wahl dafür war. Der Ich-Erzähler ist ein schwieriger Caharakter hier, angelesnes Wissen, eine reflektierte Angst vor dem Verlust der sozialen Stellung innerhalb dieses Klassenverbundes, er wirkt mehr wie jemand, der schon aus der Schule raus ist und sich daran noch mal zurückerinnert. Ich denke nicht, dass Freud mit dem Ich und Über-Ich schon Thema in der Schule ist? Vielleicht mal nebenbei im Deutsch-Unterricht, wenn man ein entsprechendes Buch behandelt. Also müsste er sich das nebenbei angelesen haben – was ja auch möglich ist – aber … pff, ich weiß nicht, ob’s den Ich-Erzähler hier so braucht, weil es dadurch einen Entfremdungs-Effekt bekommt, der stark von dem eigentlichen Thema weggeht und zu diesem Nebenschauplatz (Was zum Teufel das eigentlich für ein Erzähler ist, führt). Und das macht das ganze so indirekt. Es ist nicht der blick in ein Klassenzimmer, in dem etwas Ungeheuerliches vorgeht. Sondern es ist der Blick auf einen etwas verkorkst wirkenden Jungen, der beschreibt, wie etwas Ungeheuerliches, das ihn nur indirekt etwas angeht, auf ihn wirkt. Ich hätte lieber den Blick von außen gehabt. Die Geschichte hätte mir in der 3. Person besser gefallen. Die hätte altmodischer erzählt werden sollen.

Sonst ist das ein gutes Thema, es ist ganz ordentlich geschrieben, aber der Text geht für mich dann in der Masse unter. Es ist nichts, was mich auf einer tieferen Ebene bewegen würde. Er wirkt nicht echt. Nicht „literarisch“ echt. Der Erzähler eignet sich nicht als Betrachter für dieses Ereignis.

Gruß
Quinn

 

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