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Königliches Nichts

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18.04.2002
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Königliches Nichts

Vor einiger Zeit, genau genommen vor dreihunderteinundzwanzig Jahren, aber nicht direkt im Barock, sondern etwas weiter links, wurde die Tochter eines königlichen Königs Königin, weil ihr Vater verstarb.

Natürlich sollte die holde Isolde, so hieß die traurige Trauernde, bald irgendeinen am Hof untätigen Adligen heiraten, damit das Land wieder einen König hätte. Baldiger Nachwuchs war selbstverständlich auch erwünscht. Die zukünftige Braut hatte jedoch keine Lust, ihre Freiheit zu verlieren, sie sann auf eine Finte. Die Regentin versammelte die geschmückten, gepuderten, berockten, und beschnallschuhten Adligen sowie die farblos bekittelte Dienerschaft in dem prächtigen Thronsaal. Sie verkündete:
„Ich werde denjenigen Bewerber hohen Standes oder niedrigen Sitzes heiraten, der mir ein schönes Nichts als Brautgabe verehrt.“
„Wie einfach“, riefen viele Hofleute, „dann bringen wir einfach nichts!“
„Das tut ihr sowieso“, tadelte Isolde voller Hohn, „sagt erst einmal, was dieses Nichts ist, welches ihr mir geben wollt.“
Daraufhin entstand ein wirres Gemurmel, inwiefern es denn das Nichts gäbe, ob Menschen darüber überhaupt sinnvoll sprechen könnten, man gewann den Eindruck, der ganze Saal sei mit schwärmenden Bienen gefüllt.
Schließlich verschaffte sich der alte Altersminister Gehör.

Diesen Minister konnte die Regentin nicht leiden, weil er seinen Gehstock verkehrt herum spazieren trug. Außerdem faselte der Kauz irgendwas mit Fistelstimme von einem Golfspiel, welches er in Zukunft spielen wolle, mit Löchern in der Erde, die ein Nichts enthielten, weil sonst kein Ball hineinpassen würde.
„Wenn das Nichts beim Einlochen aus dem Loch verschwindet, packe ich das Ding in edles Papier und bringe es meiner verehrten Hoheit als Präsent“, triumphierte der Möchtegerngolfer. „Noch besser - ich fasse alle siebzehneinhalb Löcher zusammen, welch würdiges Geschenk.“

Die Herrscherin verzog ihr Gesicht, wie von Schmerzen geplagt, die würdigen Portraits der goldgefassten Ahnengalerie im Saal schienen ebenfalls zu leiden.

Der schlaksige Schlossastronom blinzelte mit seinen entzündeten Augen, er meinte, das Universum dehne seinen Raum ins Nichts aus, das Nichts müsse dort draußen sein, da unser Universum der Rest sei.
„Dösbaddel“, raunzte die Königin mit dem ihr eigenen Charme „es gibt kein Außerhalb, das Universum umfasst alles, also muss sich das Nichts hier befinden!“ „Wo, wo?“, riefen die Höflinge voller Begeisterung, aber Isolde rülpste nur anstelle einer Antwort.

„Mir, nun ja“, mischte sich der todschick in Schwarz gekleidete Obertheologe ein, „mir gefällt, in prinzipio der Gedanke, mit Nichts meinen wir, hmm - existenzielle Erfahrung. Kein Nichts im Bezug zu dem Etwas, sondern den Punkt, unendlich klein, zwischen ‚Jetzt’ und ‚Jetzt gleich’, ohne Qualitäten. Bewusstsein des Nicht-Seins, dadurch Wahrnehmung des Seins ermöglichend.“
„Ihn haben sie wohl aus einem Kanaldeckelloch gezogen, dass Er dermaßen hohl schwätzt?“ Die Landesherrin war stinkig. “Eine unendlich kleine Erfahrung ist keine. Verneint Er nicht das Schaffen des Schöpfers, ex nihilo, durch die Annahme, das Nichts sei höchstens eine Einsicht?“
„Niemals! Ich denke ... ich meine - das Nichts besteht eigenschaftslos. In ihm findet man keine Kausalität, weil nichts existiert, was etwas bedingen könnte. Jedes Nichts wird allenfalls mit Hilfe des reinen Seins treffend beschrieben. Wenn keine Kausalität vorhanden ist, entspringt dank Gottes Kraft alles dem Nichts, weil es keine einschränkenden Vorgaben für das Entstehen gibt …“
„In diesem Fall wird das Nichts vom Etwas aufgehoben. Vielleicht überlegt Er mal, ob es als Eigenschaft gilt, keine Eigenschaft zu besitzen. Jedenfalls, wenn Nichts keine Eigenschaft hat, besitzt Nichts auch nicht die Eigenschaft, keine Kausalität zu haben. Dann kann es nicht alles hervorbringen, du runzliger Rübenkopf!“ Die widerspenstige Braut hatte gerade einen Anfall von höflicher Freundlichkeit.

„Das Nichts ist nicht nicht Etwas, sondern an sich Nichts“, meldete sich selbstbewusst ein kleiner Mann, auf dem Kopf den Hut mit drei Spitzen.
„Ach, halte die Klappe, Kant“, konterte die konsequente Regentin. „Wie ich Ihn kenne, wird Er das später, mit einem lässig in die Diskussion geworfenen ‚keinesfalls apriori’ widerrufen. Wäre es nicht an der Zeit, dass Er seine Zuckerperlen nimmt, die nichts enthalten, aber trotzdem wirken, und dann ins Bett zu gehen?“
„Tatsächlich“, jammerte der Kleine, „dabei wollte ich vor dem Schlafen Königsberger Klopse essen, das wird wohl nichts werden.“
„Er weiß, auf welche Weise Nichts entsteht!“, jubelten die Höflinge höflich.
„Ich ahnte das sofort“, frohlockte der beleibte Leibarzt. „Zwanzig Klopse, die man nicht isst, die aber trotzdem weg sind – du weißt ja – das ergibt die geheime Formel des Nicht-Seins.“
„Genau, mit dem Essen muss die Sache zusammenhängen: Den ganzen Tag lang hat das Volk nichts gegessen, vielleicht ist das Nichts deshalb nicht auffindbar“, maulte der findige Fürst von Finkelstein.
Daraufhin ging er in die nördliche kantige Ecke des runden Thronsaals, drückte irgendeinen Knopf, Walzermusik ertönte.
„Stell' Er das nur kurz geborgte Radio ab, bevor es wieder verschwindet“, fauchte die widerspenstige Braut, „das hat doch noch niemand erfunden! Was ist denn jetzt schon wieder los?“
Gebückt, unter heftigem Schnaufen zog der schmächtige Minister für Wissen und Schaft sowie Berg und Bau mit Hilfe eines Seils eine rasselnde Maschine mit quietschenden Rädern in den Thronsaal, ein regelrechtes Monstrum: Da gab es riesige Trichter, einen Tauchsieder weiterhin große, stillose, mit der Öffnung aneinander genietete Eierbecher. Kleine Spiegel bedeckten dieses kugelartige Gebilde. Rostige, ratternde Gestänge vervollständigten das Bild, außerdem verwundene Rohre, die früher mit Sicherheit Blechblasinstrumente gewesen waren. Einem Saxophon entquoll zischend grüner Dampf. Mitten auf dem Ungetüm prangte ein Schild


‚Guericke Industries -
Nichts als unsere Leidenschaft!’

„Dieses Ding sieht sehr beängstigend aus“, traute sich der stellvertretende Ersatz- Leibdiener zu flüstern.
„Keine Angst, die Maschine macht Nichts.“
„Warum schleppen Sie das Ungetüm dann hier her?“, stichelte der Zeremonien-meister, er griff theatralisch an seinen Ehrendegen.
„Mann, Er ist ein Hohlkopf, wenn auch ein adliger.“ Die weise argumentierende Hoheit ließ ihren Charme spielen. „So, zeige Er uns, wie das Nichts entsteht!“
Der Angesprochene zog an einer Art Vorhangkordel: Zischend und stampfend, prustend und Qualm pustend setzten sich einzelne Teile des Ungetüms in Bewegung.
„Falls ich erklären darf - hier entsteht das Nichts, weil mein Gerät in einem kleinen Gebiet jegliches Etwas verdampft.“
Isolde lachte. „Er ist total beknallkopft! Innerhalb des Universums befindet sich kein Nichts, weil es immer, selbst bei absoluter Leere, zumindest Raum gibt.“ Sie wedelte erzürnt mit ihrem Fächer. „Raum jedoch, vermag nicht Nichts zu sein. Ein raumloses Nichts jedoch wäre nicht vom Etwas unterscheidbar, da man es nicht feststellen kann.“

Der königliche HamSter nahm all seinen Mut zusammen, als Minister der Hamburgerlogie inklusive Steroidkunde kam er sich ziemlich wichtig vor.
„Das Nichts existiert nicht, nichts benötigt keinen Platz - aber wäre Schweizer Käse ohne Löcher nicht kleiner? Demnach nimmt das Nichts Raum ein!“

„Mein Ministerlein hat nichts begriffen, das ist ja zum Haare raufen“, rügte die Herrscherin.
„Tatsächlich“, murmelte der andächtig lauschende Hofstaat und begann sich die Haare zu raufen.
„Erstaunlich, wie dieses Nichts in ihrem Kopf derart viel Blödheit produziert“, grummelte Isolde in der nur ihrer Stellung angemessenen, charmanten Art.
„Ein Nichts muss vorhanden sein“, behauptete der amtlich schallende Hofmarschall etwas zögerlich, „sonst hätten wir keinen Ort für das, was es gibt“.
„Ha - Er ist ein Nichts, gibt es Ihn nun, oder nicht?“
„Das Nichts muss doch wenigstens in Form einer Idee Gestalt annehmen dürfen“, klagte der Vorsteher der kirchlichen Kragendesigner.
„Schon wieder“, die Königin rümpfte überheblich die Nase, sie genoss die Situation. „Ach was, wir können Nichts nicht alleine denken, ausschließlich als Abwesenheit von Dingen, als Vergleich zweier Zustände - anwesend, abwesend. Ein Vergleich setzt jedenfalls eine Festlegung voraus, was gegenständlich existiert beziehungs- weise was nicht, demnach ergibt sich eine ganz willkürliche Aussage. Nach unserem Gusto legen wir fest was fehlt. Wenn das Glas leer aussieht bestimmen wir, dass Nichts Abwesenheit von Getränk ist, aber die Anwesenheit von Luft ignorieren wir, per definitionem. Sind alle Dinge abwesend, gilt erneut: Raumloses Nichts kann nicht vom Etwas unterschieden werden. Es gibt höchstens das unerkannte Nichts oder in speziellen Fällen ein das Nichts bezeichnendes Symbol, zum Beispiel ein gedankliches Konstrukt, mit dessen Hilfe man sogar die uns vertrauten Zahlen ableitet. Im Nichts ist einiges los, unter Umständen können dort sogar Kräfte wirken! Bemüht euch nicht, ihr werdet meine Ausführungen sowieso nicht kapieren, soviel sage ich schon mal vorbeugend.“
„Gegen welche Krankheit?“ Voller Begeisterung klatschte der Gesundheitsreferent in die Hände, der Altersminister verbeugte sich.
„Was hat der denn?“
„Ein schlechtes Gehör“, flüsterte der Adjutant zum Referenten, „er verstand ‚verbeugen’, der Gute.“

Plötzlich verstummten alle Gespräche. Der Hofstaat starrte gebannt auf die inzwischen stark vibrierende Maschine von Guericke Industries. Rhythmisches Stampfen war zu vernehmen, das Eierbecherding drehte sich surrend, reflektierte Lichtblitze, die aus dem Trichter schossen. Das zerbeulte Saxophon dampfte, nebelspuckend, man hörte näselnd den ohrwurmerzeugenden Refrain einer Discomelodie, Kant schrie mit schriller Stimme „wäre ich bloß in meinem Zimmer geblieben!“, Rattern, Stampfen, Menschen zucken; Brummen, Summen, Blitze flitzen, Hofschranzen tanzen, Bässe wummern …

Die Landesherrin hatte sich schon längst verdrückt, sie schaute erzürnt zum Schloss. „Scheiß Disco-Party, ihr Murksdenker“, rief die Königin in Richtung der grauen Mauern. „Ich habe eure Bauchspeichelungen - äh, Bauchpinseleien satt.“
Dunkle Wolken hatten sich zusammengebraut, eine Stimme erschallte:
„Rien ne va plus“.
Aber ich schon, sinnierte Isolde trotzig, ich werde zur Feministin umschulen, lieber irgendeinen schlauen Habenichts heiraten, als einen von diesen Deppen.
„Ihr gedankenlosen Nichts-Nutze, na - kann es die Gruppe von Dingen, die es nicht gibt, geben?“, schimpfte sie höhnisch in Richtung des Schlosses, mit dem ihr eigenen Charme.

 

Hallo aquata,

danke für deine lobenden Worte!

Ein halbes Loch gibt es meiner Meinung nach nicht. Es stellt sich auch die Frage, ob viele Löcher eingroßes ergeben (analog dazu lässt sich überlegen, ob es sich mit dem Nichts wie mit Unendlichkeiten verhält).

Ja, der Golfplatz ist noch nicht ausgereift, deshalb auch keine achtzehn Löcher :)

In der Theorie (Mathematik) kann man ganz gut mit dem Nichts umgehen oder dem Fast Nichts.

L G,


Tschüß Woltochinon

 

Lieber Herr Philochinon ;),

Was ist in dem Loch, bevor das Schwein rein kommt? Nichts. Kann man das Schwein in etwas schieben, dass es nicht gibt?

Wahrscheinlich ist das Loch ein Ofen - darauf läuft alles hinaus: Fressen oder gefressen werden, Vermehrung der Entropie, oder?


Jetzt schreib ich dir schon mal mutig ne Ecke Nonsense und was passiert? Du versuchst daraus etwas Sinnhaftes zu machen und spekulierst freiflottierend über ein Ofenrohr als Loch. Tse... :D

Ich wünschte, ich hätte jetzt diesen Uli Stein Comic zur Hand und könnte ihn dir zusenden. So sinngemäß ist auf dem Comic ein Schwein zu sehen, das halb aus einem Backofen raushängt, die Hausfrau steht ratlos davor und in der Küchentür steht der Kundendienstler und fragt sinngemäß die Hausfrau: "Sie, sagten, sie haben ein Problem mit dem Backofen?" (na ich gebs auf, man kann Uli Stein Comics nicht erzählen ;) )

Es soll ja so ein Stückchen weiter oben über uns sowas wie schwarze Löcher geben. Wenn ein Loch eine Farbe bekommt, ist es ja ein farbiges Loch und somit existent oder benötigt Nichts etwa eine Farbe, die anders aussieht als nach nichts? :D

 

lakita schrieb:
Es soll ja so ein Stückchen weiter oben über uns sowas wie schwarze Löcher geben. Wenn ein Loch eine Farbe bekommt, ist es ja ein farbiges Loch und somit existent oder benötigt Nichts etwa eine Farbe, die anders aussieht als nach nichts? :D
Oh, oh, lakita! Damit hast Du aber die Ampore der Pandora geöffnet (nix für ungut, Pandora ;) ): Schwarze Löcher sind nämlich noch ein Stück unanschaulicher als ganz normale Löcher.
Während nämlich das Loch im Käse sehr wohl etwas umfasst, nämlich Luft, Raum und Zeit, gilt all dies für Schwarze Löcher nicht. Es enthält, umfasst und umgrenzt buchstäblich nichts: keinen Raum, keine Zeit. (Und die Farbe ist nur eine Merkhilfe für die Physiker. "Ach ja, das sind ja die Dinger, die nix enthalten." Man könnte sie genausogut "grüne Löcher" nennen.) :)

 

Isch weiß... :altklugtu:

diese schwarzen Löcher wären, gäbe es sie auf Erden, der wahre Jungbrunnen, weil sie zeitlos sind. *neidischinsallblick*

Aber ein bisschen längeres Leben kann man sich ja auch auf Erden herbeimogeln. Man muss nur am besten in Äquartornähe auf einem Zehntausender leben, oder besser, wenns geht noch höher, das bringt glatt ein paar Tage längeres Leben. Du weißt schon weswegen, Naut, nicht wahr? :D

 

Hallo lakita,

„Es soll ja so ein Stückchen weiter oben über uns sowas wie schwarze Löcher geben. Wenn ein Loch eine Farbe bekommt, ist es ja ein farbiges Loch und somit existent oder benötigt Nichts etwa eine Farbe, die anders aussieht als nach nichts?“

- Schwarz ist keine `echte´ Farbe, sondern die Abwesenheit von Licht. Kommen aus dem Loch keine Photonen, ist es schwarz (was aber nicht heißt, das es das Nichts ist, könnte auch ein schwarzes Loch sein). Aus einem farbigen Loch kommen Photon, also ist es nicht nichts oder es müssen Photonen reflektiert werden, dann ist es erst recht nicht das Nichts. Wenn etwas nach nichts aussieht - ist es dann etwas, nämlich das, was nach dem Nichts aussieht? Die Antwort der Königin „… eine Festlegung …, was gegenständlich existiert beziehungsweise was nicht“.

„Jetzt schreib ich dir schon mal mutig ne Ecke Nonsense und was passiert? Du versuchst daraus etwas Sinnhaftes zu machen und spekulierst freiflottierend über ein Ofenrohr als Loch“

… was uns nur zeigt, wie nah Nonsens und Vernunft beieinander liegen, vielleicht ist Nonsens nur Vernunft von der anderen Seite her betrachtet …

Uli Stein ist prima, in der beschriebenen Situation hilft garantiert, ganz ungeniert - der Schweinevwerdichter der Woltochinon AG: Ganz ohne Pein, mach´s Schwein ganz klein!

Philochinon - ach, wie schön, doch zu viel der Ehre!

LG,

tschüß Woltochinon


Hallo Naut,

„"Ach ja, das sind ja die Dinger, die nix enthalten." Man könnte sie genausogut "grüne Löcher" nennen.“

Das sehe ich anders: Da aus ihnen keine Photonen entweichen können, haben sie berechtigt ihren Namen. (Nach Hawking kann ein Partner eines virtuellen Teilchenpaares dem schwarzen Loch entkommen, demnach wäre es nicht ganz schwarz). Schwarze Löcher saugen Materie auf, sind also nicht leer, manche haben eine Million Sonnenmassen). Wahrscheinlich hast du das mit etwas verwechselt oder ich habe es anders verstanden, als du es meinst (Die virtuellen Teilchen kommen aus einem bedingt leeren Raum).

L G,

tschüß Woltochinon

Danke euch beiden für euer Interesse! :)

 

Hi Woltochinon!

Jetzt kriegst du wenigstens ein wenig inhaltliche Diskussion :)

ob es sich mit dem Nichts wie mit Unendlichkeiten verhält

wie ist das gemeint?

Die Magdeburger Halbkugeln mit dem zerstörten Etwas, dann kommt die Disco-Kugel heraus, überraschender Twist!

aquata

 

Hallo aquata,


„ob es sich mit dem Nichts wie mit Unendlichkeiten verhält

wie ist das gemeint?“

Ich meine folgendes: Es gibt verschieden große Unendlichkeiten, obwohl sie immer dem Kriterium des Unendlich-seins entsprechen. Gibt es auch verschieden große Nichts?

Guericke als `Zerstörer´ der Angst vor dem Vakuum zeigt halt, wie die Technik (Experimente) bei Erkenntnis eine Rolle spielt, aber auch wie sie sich verselbständigt und das ignorante Volk frönt lieber Nichtigkeiten wie Disco, während die intellektuelle Königin das Weite sucht (suchen muss).

Danke für dein Interesse!

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Woltochinon

Was mir an deinem Text besonders gut gefällt, sind die eingestreuten proletenhaften Ausdrücke der Königin.

Sie erzeugen einen schönen Gegensatz zur phylosophischen Wolke und lassen die Geschichte wohltuend zwischen der sabbernden Abgehobenheit des Hofstaats und einem gewissen bodenständigen Pragmatismus ihrer Regentin pendeln.

Daraufhin ging er in die nördliche kantige Ecke des runden Thronsaals, drückte irgendeinen Knopf, Walzermusik ertönte.
„Stell` Er das Radio ab“, fauchte die widerspenstige Braut, „das hat doch noch niemand erfunden! Was ist denn jetzt schon wieder los?“
Dieses Zwischenspiel störte meinen Lesefluss, wirkt irgendwie aufgesetzt, hm weiss nicht, Bauchgefühl.

Mein Lehrer für Elektrotechnik verlangte damals von uns jeweils "nehmen Sie mal ein relativ kleines i (Strom)", ich hasste ihn dafür.
Ein relativ kleines i ist fast nichts, aber mir blieb jeweils der Bezug verschlossen. Bis heute... ;-)

Gruss dot

 

Hi Wolto,

das Hofstaatambiete in Verbindung mit dem Nichts ließ mich dauernd an des Kaisers neue Kleider denken :).

Der Kraut-und-Rüben-Stil zwischen Satire, Humor und Philo empfand ich als sehr erfrischend. Die Königin ist mir sympatisch. Ich frage mich aber doch, wie bei der allgemein höfischen Inzucht noch solch ein intelligentes Wesen hervorgehen konnte ;).

Gut amüsiert, gerne gelesen, nichts als Erkenntnis mitgenommen.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hi Wolto,

bei so viel philosophieren über das Nichts, weiß ich schon fast nichts mehr über deine KG zu sagen.:shy:

Jedoch, fand ich deine königliche Prot äusserst erfrischend.
Und gerade diese beiden Sätze:

Daraufhin ging er in die nördliche kantige Ecke des runden Thronsaals, drückte irgendeinen Knopf, Walzermusik ertönte.
„Stell` Er das Radio ab“, fauchte die widerspenstige Braut, „das hat doch noch niemand erfunden! Was ist denn jetzt schon wieder los?“
finde ich bezeichnend.
Zeigen sie doch, dass in deiner KG nichts so ist wie es gewesen sein könnte.
Soll heissen, dass sich in dieser Zeit, nichts so abgespielt hat.
Andererseits sagt man, es gibt nichts was es nicht gibt.
Darum denke ich, das Nichts gibt es nicht. (Oh Mann :schiel: )

Nichts desto Trotz, fand ich sie amüsant und habe sie gerne gelesen.:)

lieben Gruß, coleratio

 

Woltochinon schrieb:
Ich meine folgendes: Es gibt verschieden große Unendlichkeiten, obwohl sie immer dem Kriterium des Unendlich-seins entsprechen. Gibt es auch verschieden große Nichts?
Die gibt es tatsächlich, zum Beispiel, wenn man "Nichts" über eine Menge vom Maß Null definiert: Eine Linie besteht aus unendlich vielen Punkten, berechnet man jedoch ihren Flächeninhalt (ihr Integral über der Ebene), so ist es Null, die Linie ist im verhältnis zur Fläche buchstäblich Nichts.
Genauso gibt es für jeden umgebenden Raum (3D, 4D, ... Hilbert-Räume, ...) eine Fülle von Mengen, die das Maß Null haben, sogenannte Nullmengen. Ein bunter Strauß von Nichts.
Interessant: Viele dieser Mengen sind sowohl vom Maß Null (also quasi Nichts), als auch unendlich (weil sie - wie die Linie - unendlich viele Punkte enthalten).

 

Hallo dotslash,

„Sie erzeugen einen schönen Gegensatz zur phylosophischen Wolke und lassen die Geschichte wohltuend zwischen der sabbernden Abgehobenheit des Hofstaats und einem gewissen bodenständigen Pragmatismus ihrer Regentin pendeln“

Besser hätte ich es nicht ausdrücken können …
Irgendwie war es klar, dass die Königin keine normale Königin sein konnte, aber erst als ich sie näher kennen lernte, wurde mir klar, wie schlimm sie ist.

„Stell` Er das Radio ab“, fauchte die widerspenstige Braut, „das hat doch noch niemand erfunden! Was ist denn jetzt schon wieder los?“

Dieses Zwischenspiel störte meinen Lesefluss, wirkt irgendwie aufgesetzt, hm weiss nicht, Bauchgefühl.“

- Schade, gefällt mir besonders gut. Einmal kostet es eine gewisse Überwindung so aus der Realität zu springen, dann ist es aber auch eine ganz praktische Konfrontation mit dem Nichts.

Danke für deinen netten Kommentar,

l G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo bernadette,


„das Hofstaatambiete in Verbindung mit dem Nichts ließ mich dauernd an des Kaisers neue Kleider denken :)

Ja, diesen Des-Kaisers-neue-Kleider-Effekt gibt es immer, wenn eine gewisse Borniertheit zugegen ist. NICHTS ist so, wie es scheint …

„Der Kraut-und-Rüben-Stil zwischen Satire, Humor und Philo empfand ich als sehr erfrischend. Die Königin ist mir sympatisch. Ich frage mich aber doch, wie bei der allgemein höfischen Inzucht noch solch ein intelligentes Wesen hervorgehen konnte ;).“

- Freu mich sehr über das „erfrischend“!

Wahrscheinlich stirbt die Adelslinie jetzt aus - die Königin wird kaum einen ihr adäquaten Mann finden.

„als Erkenntnis mitgenommen“

- Eine der größten philosophischen Erkenntnisse ist doch zu wissen, dass man NICHTS weiß (bzw. wissen kann), noch nicht einmal das NICHTS in den Griff kriegt - es ist wohl un-fass-bar :D

Vielen Dank für deine Anmerkungen!

L G,

tschüß Woltochinon


Hallo coleratio,


Daraufhin ging er in die nördliche kantige Ecke des runden Thronsaals, drückte irgendeinen Knopf, Walzermusik ertönte.
„Stell` Er das Radio ab“, fauchte die widerspenstige Braut, „das hat doch noch niemand erfunden! Was ist denn jetzt schon wieder los?“

finde ich bezeichnend.
Zeigen sie doch, dass in deiner KG nichts so ist wie es gewesen sein könnte.
Soll heissen, dass sich in dieser Zeit, nichts so abgespielt hat.“

Jetzt kann ich aufatmen - du bestätigst diese Stelle! Ist schon komisch: Wir reden von allerlei Absurdem (Wurmlöchern, Zeitreisen, virtuellen Teilchen mit geborgter Energie) - wenn es aber ans Alltägliche geht, schrecken wir vor dem Absurden zurück. Freut mich, dass du die Stelle „bezeichnend“ findest.

„es gibt nichts was es nicht gibt“. Kommt auf die Definition an: Ist das Nichts Teil von all den Dingen, von denen man sagt, es gibt sie?

Freut mich, von dir zu hören und wenn ich dich unterhalten konnte.

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Naut,

vielen Dank für deinen mathematischen Input! Ich finde das sehr spannend.


„Gibt es auch verschieden große Nichts?“

Ich hatte mit solchen mathematischen Dingen schon lange nichts mehr zu tun, mir scheint es aber, dass es bei dem `Maß Null´ eher definitionsgemäß um Nichts geht? Die Punkte einer Linie ergeben zwar keine Fläche, ein dimensionsloser Punkt ist aber durch ein Koordinatensystem festgelegt, durch ein solches System hat man Eigenschaften festgelegt, das wahre Nichts ist aber eigenschaftslos (kommt halt wieder auf die Definition von Nichts an).

Dem gegenüber stellen würde ich das absolute, vollkommene Nichts. Dies hätte auch keinen Raum als Eigenschaft, enthält somit auch keine virtuellen Teilchen, es ist demnach nicht vorhanden.

Das absolute, vollkommene Nichts gibt es nicht, da die Festlegung `nicht geben´ eine Existenz verbietet. (Hat das absolute, vollkommene Nichts die geforderte Eigenschaft des `Nichts´, hebt es sich selbst auf. In dem Moment, in dem dieses Nichts auftaucht, verschwindet es wieder). Das absolute, vollkommene Nichts (das auch keinen Raum hat), kann deshalb nicht verschieden groß sein.
Ein Nichts in einem erlaubten Raum (das Fehlende in einem Etwas) gibt es auch nicht in verschiedenen Größen, nur der ihm zugehörige Raum ist verschieden groß.

Naja - so stelle ich mir das halt vor, man müsste wohl viele Fälle unterscheiden und jedes Mal die Rahmenbedingungen festlegen. Es ist doch eine Freude, staunend den bunten „Strauß von Nichts“ gegenüber zu treten …

Danke für dein großes Interesse und deine horizonterweiternden Anmerkungen.

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Woltochinon!

Aha, in Null-Komma-Nichts hat er seine Königliche Hoheit hierher verschieben lassen. Aber das macht Nichts, denn ich habe die Geschichte trotzdem gefunden, und Nichts kann mich davon abhalten, einen Kommentar dazu zu schreiben. Obwohl dabei eigentlich Nichts erwähnt wird, was nicht bereits in vorherige Kritiken den Weg gefunden hat. Obwohl ...

Bei meinen Bemühungen, mir selbst eine Vorstellung von dem Thema zu machen, stolperte ich über den berühmten Sokrates-Satz, der in einem speziell für solcherlei Fragen zuständigen Forum für Diskussionen sorgte.
So soll die korrekte (und logische) Übersetzung desselben lauten:
Ich weiß, worüber ich nichts weiß. anstelle von: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Je länger ich darüber nachdenke ...

Und noch ein weiteres, alltägliches Beispiel aus dem bunten Strauß des Nichts:
Mann: "Was hast Du denn, Schatz?"
Frau: "Ach, Nichts ..."
Zumindest in diesem Fall ist ein Nichts vorhanden. :D

Schließe mich bernadette an. Erfrischend. Mir gefällt diese Geschichte ausgesprochen gut! Und die selbstbewusste, pragmatische Prot. ebenfalls. Klasse!


Lieben Gruß
Antonia

 

Hallo coleratio,

ich bin es noch mal, mir ist da noch etwas aufgefallen:
Dein Zitat („Es gibt nichts, was es nicht gibt“) ist ein gutes Beispiel dafür, wie man bei der Diskussion über das Nichts die Begriffe gut definieren muss, um dasselbe zu meinen.

„Es gibt nichts, was es nicht gibt“ …

… kann heißen: Es gibt alles (bedeutet, es gibt nichts, was nicht doch irgendwo existiert)

Wenn das so ist, gibt es auch das Nichts, es sei denn, man definiert „gibt/geben“ so, dass „geben“ bedeutet, etwas hat beschreibbare Eigenschaften (ein Haus, eine Idee).
Hat das Nichts beschreibbare Eigenschaften? Eher nicht, abgesehen von denen, die man durch Definition erlaubt.

… kann heißen: Es gibt nichts, das die Eigenschaft hat nicht zu sein.

Ich glaube, man muss die Worte ziemlich auf die Goldwaage legen …

L G,

tschüß Woltochinon

 

Es gibt alles (bedeutet, es gibt nichts, was nicht doch irgendwo existiert)
Ich denke, dass wir Menschen noch nicht so weit sind (oder nur nicht bereit sind) zu glauben, dass es nichts gibt, was nicht doch irgendwo existiert.
Ich denke da z.B. an kleine Kinder, die oft ihre unsichtbaren Freunde haben. Mit ihnen reden oder spielen, obwohl niemand sonst sie hören oder sehen kann. Oder Farben und Töne, die für uns nicht wahrnehmbar sind, aber für Tiere durchaus.
Hat das Nichts beschreibbare Eigenschaften?
Solange man das Nichts nicht kennt, kann man es nicht beschreiben.
Nichts ist wohl das, was man nicht in seiner Vorstellungskraft hat.

Ein unerschöpfliches Thema.
Vielleicht könnte uns ein weiser Mönsch eine Antwort darauf geben?:hmm:
Ich weiß es leider nicht.

lieben Gru, coleratio

 

Hi Naut!

War schon gut, dass du bei der Frage für mich eingesprungen bist! :D
Bin froh, wenn ich Mathe aus meiner Freizeit raushalten kann.

so ist es Null, die Linie ist im verhältnis zur Fläche buchstäblich Nichts

Umgekehrt kann ich mir´s besser vorstellen: Fläche ist im Verhältnis zur Linie nichts. Aber da es ein Verhältnis ist …


aquata

 

Hallo Antonia,

„So soll die korrekte (und logische) Übersetzung desselben lauten:
Ich weiß, worüber ich nichts weiß. anstelle von: Ich weiß, dass ich nichts weiß.“

- Nach Bartels/Huber (Artemis 1986) stellt Sokrates das Wissen seines Nichtwissens „gegen die unreflektierte Haltung der anderen, die vieles zu wissen vermeinen, tatsächlich jedoch, wie Sokrates selbst, nichts wissen.“
Sokrates (nach Platon): `Denn ich bin mir nicht bewusst in großen oder kleinen Dingen etwas zu wissen.´
Wenn die `großen und kleinen Dinge´ alles umfassen, dann würde dies zu dem allgemeineren Ausspruch (Ich weiß, dass ich nichts weiß) passen. Aber letztlich ist es einfach interessant die Bedeutungsänderung durch das Wort „worüber“ zu betrachten.


„Mann: "Was hast Du denn, Schatz?"
Frau: "Ach, Nichts ..."
Zumindest in diesem Fall ist ein Nichts vorhanden. :D

- … worauf man Gift nehmen kann!! Und im Vergleich zu den anderen nichtsnutzigen Nichtsen wird die Frau die Eigenschaften des Ach-Nichts genau benennen können. (Sie sind halt doch konkreter, als man ihnen gemeinhin zuerkennt).

Antonia, lieben Dank für deine Anmerkungen und es freut mich sehr, dass es dir gefallen hat.

L G,

tschüß Woltochinon

Hallo coleratio,

einen Mönch würde ich nicht fragen, der ist schließlich für Glaubensfragen zuständig … ;)

Ich halte mich lieber an die weise Königin - die hat´s gut, in ihrer paradoxen Welt scheinen Paradoxien zu etwas alltäglichem zu mutieren.

„Nichts ist wohl das, was man nicht in seiner Vorstellungskraft hat“

- Ist das Unvorstellbare Teil unserer Vorstellung? Hinter welcher Maske sich das Nichts auch immer verbirgt - wenn wir es fassen wollen, entflieht es in neuer Gestalt. Deshalb unterscheiden die Philosophen auch das Nichts in Bezug zum Gegenständlichen vom Nichts als existenzieller Erfahrung.

Vielleicht müssen wir werden, wie die Kinder, können dann unsere „unsichtbaren Freunde haben.“

L G,

tschüß Woltochinon

 

Nachtrag

Hallo Woltochinon!

Sokrates (nach Platon): `Denn ich bin mir nicht bewusst in großen oder kleinen Dingen etwas zu wissen.´
Wenn die `großen und kleinen Dinge´ alles umfassen, dann würde dies zu dem allgemeineren Ausspruch (Ich weiß, dass ich nichts weiß) passen.
Stimmt schon, aber der allgemeinere Ausspruch wird m. E. innerhalb seiner Aussage ad Absurdum geführt. Wenn Sokrates weiß, dass er nichts weiß, dann weiß er ja doch etwas und etwas ist nicht nichts. Oder nicht? Ok. *zwangsjacke wieder anzieh*

Was ich zu fragen vergaß, erstens:

Vor einiger Zeit, genau genommen vor dreihunderteinundzwanzig Jahren ...
So. Nachdem ich ja inzwischen weiß, dass Du in Deinen Geschichten nichts zufällig einstreust, und ich nach Hinweisen mehrerer Personen und der Zuhilfenahme eines Großrechners rechnerisch die Jahreszahl 1685 herausbekam, würde mich doch interessieren, ob Du auf das Édit de tolérance von Nantes anspielst. Oder auf sonstwas.

Was ich zu fragen vergaß, zweitens:
Weshalb hat diese Geschichte noch niemand empfohlen?


Lieben Gruß
Antonia

 

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