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Kaffee
„Danny, ich brauche einen Kaffee – extra stark.“ Schwerfällig lasse ich mich auf einem der Barhocker an der Theke nieder und seufze. Was für ein Tag … Im Büro ging alles drunter und drüber. Die Assistentin meines Chefs war krank geworden und wer musste sofort einspringen und nebenbei noch die eigenen Aufgaben als Sekretärin erfüllen? Natürlich ich.
„Was ist los?“ Danny, der junge Mann hinter der Theke, grinst mir entgegen und stellt eine riesige Tasse gut duftenden Kaffees vor mich. Danny weiß, wie er mich retten kann und das rechne ich ihm sehr hoch an. In vielen Cafés ist es nun einmal so, dass man hineinkommt, bestellt und überhaupt keinen persönlichen Eindruck von den Menschen, die an diesem Ort arbeiten, bekommt. Das finde ich furchtbar schade. Und deshalb komme ich jeden Tag zu Danny.
„Das Übliche.“, seufze ich und fische nach der Menükarte, obwohl ich diese eigentlich schon fast auswendig kann.
„Vielleicht sollte ich mal mit deinem Chef reden?“, lacht Danny. „Jeden Morgen kommst du lachend hier reinspazierst, trinkst deinen Kaffee und gehst zur Arbeit. Mittags quälst du dich hier rein, dass ich fast Angst habe, du könntest gleich zusammenbrechen. Und im Übrigen, hältst du die Karte falsch herum.“
Sofort drehe ich die Karte um. Das war mir gar nicht aufgefallen, so sehr hatte ich mich auf ihn konzentriert. Manchmal macht es mir wirklich Angst, wie gut er mich schon kennt.
Ich nehme einen großen Schluck von dem Kaffee. Er schmeckt traumhaft und ich kann ohne ein schlechtes Gewissen anderen gegenüber sagen, dass es der beste Kaffee der Stadt ist.
Danny geht um die Theke herum und nimmt die Bestellung einer älteren Frau auf. Ich beobachte ihn. Kurze blonde Haare, die sich zu einigen Locken ringeln, dunkle Augen und eine sportliche Figur. Was mich an dem ganzen Traumbild allerdings stört, ist die kleine Tätowierung an seiner Schulter, welche eine Schlange darstellt. Er hat sie mir einmal gezeigt.
„Also, willst du was essen?“, fragt er mich, als er wieder hinter der Theke steht. Es gibt doch nichts Schöneres als einen Mann, der einem die innigsten Wünsche erfüllt, oder etwa nicht?
Ich muss grinsen und sehe ihn viel sagend an. Er versteht sofort und schon steht ein Teller mit einem Schokoladenmuffin neben meinem Kaffee.
„Danke, du bist spitze.“ Und schon strahle ich. Er schüttelt nur lachend den Kopf.
„Wenn man jede Frau so schnell zufrieden stellen könnte, wäre die Welt wunderbar.“, murmelt er und macht sich daran einige Eisportionen zuzubereiten.
Wieder trinke ich von meinem Kaffee. Noch habe ich etwas Zeit, mich auszuruhen. Dann kommt der zweite Teil dieses Tages, an dem ich meine Tochter vom Kindergarten abholen muss. So ist das, wenn man eine allein erziehende Mutter ist. Man muss immer auf Trapp sein. Aber bis jetzt habe ich es ganz gut geschafft, denke ich.
„Musst du nicht los?“, fragt Danny plötzlich.
„Willst du mich loswerden?“, lache ich und blicke zu ihm auf. Er lehnt sich mit seinen Armen auf die Theke und sieht mir genau ins Gesicht.
„Erinnerst du dich an einen kleinen Engel, der auf dich wartet?“
Ich zeige ihm meine Uhr.
„Ich habe noch Zeit. Schock mich doch nicht so.“
„Jen, reg dich jetzt nicht auf.“, meint er scherzhaft ernst und zeigt auf die große Uhr, die an der gegenüberliegenden Wand hängt. Ein letzter Blick auf meine eigene Uhr zeigt mir, dass ein Unterschied von einer halben Stunde besteht!
Mit einem Schrei springe ich auf und eile aus dem Café. Das gibt es doch nicht! Warum gerade heute!
Ich sprinte die Straße in meinen Stöckelschuhen entlang und schaffe es seltsamerweise ohne ein einziges Mal umzuknicken zum etwa zehn Minuten entfernten Kindergarten, wo der kleine Engel, wie Danny Laila nennt, schon wartet.
„Es tut mir so leid, mein Schatz.“ Ich bleibe keuchend vor dem kleinen Mädchen mit den braunen Engelslöckchen stehen und gehe vor ihr in die Hocke. 5 Jahre ist sie jetzt schon alt.
„Du bist schon wieder zu spät.“, murmelt sie traurig und ich sehe die Tränen in ihren Augen.
„Ich weiß …“ Ich nehme sie auf meine Arme und gehe langsam den Weg zurück.
„Weißt du, was wir jetzt machen? Wir gehen Pizza essen, ja?“
„Nein.“, meint Laila entschieden und will von mir wieder runter gelassen werden.
„Als Wiedergutmachung.“ Ich sehe sie bittend an. Nur zu gut weiß ich, dass es ohne eine Wiedergutmachung an diesem Tag keine Ruhe mehr geben wird. Oh Gott, jetzt lasse ich mich auch schon von einem Kind zu Dingen zwingen, die ich sonst nie tun würde!
„Ich will zu Danny.“, beschließt sie schließlich. Wow, ich hätte nicht gedacht, dass sie so einen guten Geschmack hat. Aber gut, sie kommt eben ganz nach mir.
„Gut.“, stimme ich zu und sie läuft sofort los. Nein, dieses Mal renne ich ihr nicht nach, nein. Aber wenn sie auf die Straße läuft … Und schon renne ich ihr doch hinterher und- Mein rechter Stöckelschuh ist hin, der Absatz abgebrochen!
Ich humple mit dem Absatz in der Hand zurück zu Dannys Café, hebe meine Tochter auf einen Barhocker und setze mich neben sie.
„Da sind ja meine zwei Lieblingsfrauen.“, grinst Danny auch schon.
Ich lege den Absatz vor mich auf die Theke und blicke Danny seufzend an.
„Danny, ich brauche einen Kaffee – extra stark.“