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Kann ich Brötchen kaufen, bitte?

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19.05.2015
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Kann ich Brötchen kaufen, bitte?

Emma hält die Augen fest geschlossen, gibt sich den Irrlichtern ihrer Träume hin. Szenen wechseln. Sie rennt durch Straßenschluchten. Der Himmel wirkt, als klebten die Häuserfluchten an ihm. Ihre Schritte hallen über den Asphalt. Sie erkennt weit und breit keinen Menschen, kein Tier, strebt einer Feuersonne entgegen, die alles in sich aufsaugt. Dann dreht sie sich um, tanzt im Rhythmus von Ballsaalmusik, spürt Wellen, die an einem Kreuzfahrtschiff anbranden. Ihre Schuhe klackern über Parkettboden, Meeresparfüm umweht sie. Wo Emma sich auch hinbewegt, öffnet sich eine Schneise. Die Menge weicht zurück, bis sie vor ihren festtagsgewandeten Eltern steht. Sie betrachtet ihren Vater, glaubt, auf der Regenbogenhaut die Korallen- und Fischwelt zu erkennen, die unter dem Schiff vorbeigleitet. Sterne übersäen das Gesicht ihrer Mutter, verwandeln sich in das Löwenwappen ihrer Dienstbehörde. Emma tritt zu ihnen, will die Eltern fest an sich drücken, als sie ein Geräusch wahrnimmt, ein Brausen, das in ihr Bewusstsein vordringt, den Bildern ihren Platz raubt. Das Smartphone vibriert, wütet über die Holzfläche des Nachttisches. Sie greift es und öffnet die Augen einen Spalt weit, erkennt die Nummer der Dienststelle, schnauft durch und drückt auf den grünen Kreis mit dem Telefonhörer. Die Glasoberfläche fühlt sich kalt an.

„Ja?“
„Einsatz! Sofort!“
„Wo?“
„Im Riedfeld. Da randaliert einer von denen aus der Einrichtung vor der Bäckerei. Magda Niedmeier hat angerufen.“
„Die alte Niedmeier?“
„Ja.“
„Bin schon unterwegs.“
„Paul ist gerade losgefahren. Du triffst ihn vor Ort. Für Ruhe sorgen, durchgreifen, Personalien aufnehmen, klar, Emma?!“
„So was von, Chef!“

Während Emma mit ihrem Chef telefoniert, streift sie sich die Hose über und schlüpft ins Hemd. Sie beendet das Gespräch. Ihre Haare fühlen sich klebrig an, feucht von der Nacht. Wirklichkeit schlägt Emma entgegen, Erinnerungen lösen sich aus dem Nebel. An Max, der ihr mit geilem Grinsen sagte, dass er sie nicht mehr treffen könne. Es wäre zu kompliziert, auch wegen ihrer Schichtdienste. Dabei hatte sie ihn gesehen, Hand in Hand mit einem Püppchen. An die Mitteilung des Regierungspräsidiums, dass sie erst im nächsten Jahr ein Studium an der Akademie beginnen, in den höheren Dienst aufsteigen könne.

Sie riecht den Traumschweiß, die Pizzareste des gestrigen Abends, beseitigt den schalen Geschmack im Mund, indem sie etwas Zahnpasta auf den Zähnen verteilt. Die Wochenendbereitschaft war ihr gerade recht gekommen. Emma öffnet das Fenster, vollständig bekleidet, bereit. Sie bemerkt einen Tautropfen auf den Blättern des Rhododendrons vor dem Haus, der zu Boden fällt. Eine Krähe fliegt auf das Dach des Nachbarhauses, Amseln zwitschern. Sie schnallt das Halfter um, prüft den Verschluss, steigt in die Stiefel, zieht den Gürtel fest und geht los. Emma stellt sich die Brezeln, Brötchen, den Kuchen, all die Köstlichkeiten vor, die der Vater von den Niedmeiers mitbrachte, die Tüten, die er auf den Tisch legte, das Familienglück, den Höhepunkt des Sonntags, einleitete. Der Motor des Autos heult auf, weil das Automatikgetriebe erst mit Zögern hochschaltet.


Jamals Kopf brennt. Er kann die Dämonen nicht verscheuchen, findet keinen Schlaf, weil er Tamina im Sinn hat, sich ihre Zimtstimme, die Sternenaugen, die Seidenhaut vorstellt. Er trägt ihr Geschenk am Handgelenk. Die Farbe des Bändchens verbleicht. Manchmal berührt er es, hofft, dass sich eine geheime Tür öffnet und sie gerade in diesem Augenblick an ihn denken muss. Seit er hier angekommen ist, wartet er auf seine Braut, sein Ein und Alles.

„Es ist besser, Du vergisst Tamina. Inschallah findest Du eine Andere.“ Die Worte seines Cousins Mohammed, das, was er ihm heute am Telefon gesagt hatte, die Andeutungen, trafen ihn wie ein Steinhagel, der vom Himmel fällt. Er überlegt, wer ihm Tamina wegnehmen will. Jaqub kommt ihm in den Sinn, ein Schwein, das sich an die hübschesten Mädchen ranmacht. Jamal hasst ihn, sein Blut kocht hoch, wenn er daran denkt, dass das Arschloch Taminas Haut berührt. Er öffnet das Fenster, sucht nach Zeichen, findet keine. Tamina meldet sich seit Tagen nicht bei ihm.

Zeit fürs Gebet. Jamal rollt den Teppich aus, wäscht sich, dreimal Mund, dreimal Nase, Hände, Arme, Gesicht, Nacken, hinter den Ohren, in ihnen, schrubbt die Haut sorgfältig. Das Wasser fühlt sich frisch an, kühl, er reibt sich Körnchen aus den Augenwinkeln, trocknet sich ab. Er muss die Handtücher waschen. Dann beugt er die Knie, flüstert heilige Worte. Allah beachtet ihn nicht, vielleicht weiß er nicht einmal, wer Jamal ist. Gott schweigt, obwohl er sich fürchtet, den Hoffnungsbergen ausgeliefert ist, inbrünstiger betet. Jamal legt sich hin, zieht die Decke über den Kopf, lauscht in die Nacht, hört Ahmed nebenan atmen, Musik aus einem weiter entfernten Zimmer, leise Rhythmen, und döst so lange, bis draußen das Wutgeschrei ertönt. Jamal nennt sie Nachtwölfe, Nebelschakale. Sie kriechen aus ihren Verstecken, Kapuzenleute, mit Fackeln und Taschenlampen in den Händen, die sich vor das Heim stellen, ihre Stimmen gegen die Mauern peitschen, wütend, aufgebracht klingen, Sprüche an die Mauer schreiben, englisch, damit jeder die Botschaft versteht: Go home where you belong, Germans first, und so weiter.

Jamal geht über den Flur zum Aufenthaltsraum, trifft dort den Heimleiter Werner. Malik steht bei ihm, senkt den Blick, die Fäuste in den Hosentaschen versteckt.
„Es reicht. Ich ruf die Leute zusammen. Dann gehen wir raus und reden mit den Arschlöchern“, sagt Malik und stellt sich breitbeinig vor den Heimleiter.
„Reden?“, sagt Werner, sitzt am Tisch und schaut zur Deckenlampe, wo eine Motte sich nach Licht sehnt und gegen das Glas schlägt.
„Ja.“
Werner fixiert Malik: „Das gibt bloß Ärger. Ich ruf die Polizei!“
„Lass mal, wir können das alleine regeln“, sagt Malik.
Jamal lehnt am Türrahmen und sagt: „Er hat Recht, das geht so nicht weiter mit den Nachtwölfen da draußen.“ Die beiden schaeuen ihn an.
„Schluss jetzt, Leute, ich ruf die Polizei, kapiert. So regeln wir das in Deutschland, gewöhnt euch besser schnell dran!“ „Du kapierst echt gar nichts. Sich anspucken lassen und schweigen, das sind eure Gesetze“, flüstert Jamal und wendet sich ab.
„Du verstehst gar nichts“, ruft ihm Werner hinterher.

Jamals Schritte quietschen auf dem Linoleumboden, es gibt nichts mehr zu sagen. Er schließt das Zimmer hinter sich und legt sich mitsamt den Neon-Nikes auf die Decke, rollt sich ein, will die Dämonengedanken vertreiben, schweigen, an Tamina denken, träumen und beten und warten und warten und warten.

Die Dämmerung setzt ein, Schatten, Farben lösen sich. Jamal verlässt das Haus. Die Brötchen der Dorfbäckerei riechen nach Heimat und kosten dreißig Cent das Stück. Er füllt die Lungen mit Morgenluft, nimmt die Stille wahr, die sich über die Träume der Menschen gelegt hat, nimmt den Weg um die Siedlung herum, begegnet keinem, muss niemanden anlächeln.

Von weitem sieht er die alte Bäckersfrau, ihren gekrümmten Rücken, die Schneehaare, hinter der Theke. Sie redet nicht gern mit Fremden, das spürt er. Jamal wagt es nicht, sie zu fragen, wovor sie sich fürchtet. Die Tür steht einen Spaltbreit offen. Er betritt den Laden, saugt den Duft der frisch gebackenen Brötchen auf. Die Wärme des Ofens dringt in seine Haut ein, er erinnert sich an zu Hause, wenn alle zusammensaßen, kauten, Krümel auf dem Tisch liegen und das Haus mit Lachen und Geplapper fütterten. Die alte Frau fegt die Auslage, dann fallen die Brötchen krachend in den Kasten und formen einen goldglänzenden Haufen. Sie schaut in die andere Richtung, als wünschte sie sich, dass Jamal sich in Luft auflöse. Er zieht den Kopf ein, federt die Schritte ab, als wäre er gar nicht hier. Nach einer Weile hält er es nicht mehr aus und nähert sich der Theke. Die Stirn der alten Frau glänzt.

„Entschuldigung.“ Die alte Frau reagiert nicht.
„Kann ich bitte Brötchen kaufen?“ Jamals Stimme vibriert. Die alte Frau wendet den Kopf:„Wir haben geschlossen!“, ruft sie ihm entgegen, dreht sich weg und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Kann ich Brötchen kaufen, bitte?“, sagt Jamal. Er zeigt auf die Auslage.
„Bitte verlassen Sie die Bäckerei!“, sagt sie.
Er tritt einen Schritt näher, presst die Lippen zusammen, er fuchtelt mit den Armen: „Bitte, Brötchen, drei Stück!“, schreit er.
Die alte Frau fährt sich durch die Haare, dreht sich zur Backstube um: „Hermann, kannst du bitte kommen?“, sagt sie.
Jamal steht da, sprungbereit, hört Geräusche aus dem Nebenraum. Eine Tür öffnet sich, mehr Backstubenduft weht in den Laden. Hermann trägt weiß, ein Häubchen bedeckt den Kopf, schaut ihn an.
„Der Herr will Brötchen kaufen, obwohl wir geschlossen haben“, sagt die alte Frau und zeigt auf Jamal.
Hermann stemmt die Hände in die Hüften und sagt: „Raus hier, sofort! Wir haben geschlossen!“
„Drei Brötchen, bitte!“
„Raus habe ich gesagt, verstanden? Vor Ladenöffnung gibt’s keine Brötchen. Wo kommen wir da hin?“
Jamal zögert, tritt von einem Bein auf das andere, die Gesichtsmuskeln zucken. Die Tür erzittert, als er sie zuschlägt.

Draußen weht Eiswind von den Wäldern her. Jamal geht ein paar Schritte und setzt sich auf das Bänkchen gegenüber der Bäckerei, das zwischen zwei Kastanienbäumen steht. In den Baumkronen glaubt Jamal Schatten zu erkennen, vielleicht Engel, Feen, Märchengestalten, die ihn beobachten. Jamal zieht die Jacke fest an sich, spielt mit dem Bändchen am Handgelenk, formt im Gedanken Worte, Gebete, ohne sich von dem Kloß zu befreien, den er in sich trägt. Später schließt er die Augen, spürt, wie das Holz, auf dem er sitzt, wärmer wird, wartet, hört den Vögeln und den Stimmen zu, die er in sich versammelt hat, den Kinderlandschaften seiner Erinnerungen, und vergisst die Kälte, die stockende Zeit.

Schritte knirschen über den Asphalt. Eine Gestalt nähert sich dem Laden, huscht gemächlich im Morgendunst durch Jamals Blickfeld. Die Tür der Bäckerei öffnet sich, die Schatten hantieren, gestikulieren, kurz hält die Nebelfigur Tüten in den Händen und schleicht zum Dorf. Jamal schaut ihr hinterher, spannt den Körper, stemmt sich von der Bank hoch und springt wie eine Katze los, in der Faust einen der Pflastersteine, die vor dem Bänkchen verstreut sind. Er schlägt gegen die Ladentür, presst die Kehllaute der Heimat aus sich heraus, schreit. Hermann kommt zur Tür, zeigt ihm das Wolfsgebiss, verriegelt das Schloss und verschwindet in der Backstube. Jamal schaut durch das Fenster. Durch die Ritzen riecht er den Goldbrötchenduft, vor seinen Augen liegt bereit, was er begehrt. Drei Brötchen will er, mehr nicht. Der metallene Knauf gibt nicht nach, das Glas zittert, als er an der Tür rüttelt. Also schlägt er mit dem Pflasterstein gegen die Fläche. Ein Splitterteppich entsteht, zerbrochene Glasstückchen, die aneinander kleben bleiben, den Blick nach innen verwehren. Er schlägt weiter und weiter, ohne Ergebnis, rennt zum Bänkchen zurück, um sich mit mehr Steinen zu bewaffnen, bombardiert den Laden. Mehr Bruchflächen bilden sich. Er sammelt die Geschosse ein, wirft erneut. In den umliegenden Häusern werden Lichter angeknipst, Gesichter zeigen sich an den Fenstern. Jamal läuft auf und ab, kann nicht stehen bleiben, wie ein Vulkan, auf dem sich eine Erdspalte öffnet, damit das Magma entweicht. Er hebt die Arme zum Himmel, fühlt sich befreit, stark, als hätte er lange auf diesen Moment gewartet.


Emma erreicht den Dorfplatz, ihre Blicke irren über die Szenerie. Der Morgen trägt ein Nebelkleid. Das Blaulicht auf Pauls Wagen vor der Bäckerei blinkt. Rufe schallen zu ihr. Fliedergeruch und Abwasserfäulnis dringen in ihre Nase. Vor einer verwüsteten Ladenfront stehen sich zwei Männer gegenüber, einer in Uniform, Paul, großgewachsen, dichter Vollbart, breite Schultern, der andere ein Olivenhautkerl in Neon-Turnschuhen, wild gestikulierend, einen Stein in der Hand. Sie bemerkt Anwohner, die an Hauseingängen warten oder hinter Fenstern versteckt, das Geschehen beobachten. Sie beschleunigt ihre Schritte, nähert sich. Als sie die beiden erreicht, hebt Paul den Arm, um den Kerl zu überwältigen, dreht sich ruckartig, dennoch nicht schnell genug. Eine steinbewehrte Faust trifft Pauls Gesicht, der auf die Knie sinkt. Emma handelt, wie sie es gelernt hat, gedankenentleert, automatisch, löst die Pistole aus dem Halfter und sagt: „Den Stein fallen lassen, die Hände hinter den Kopf!“

Der Feueraugenmann rührt sich nicht. Paul stöhnt, krümmt sich.
„Haben Sie mich verstanden? Legen Sie sofort den Stein auf den Boden und verschränken die Hände über dem Kopf!“
Jamal nickt, lächelt wirr, als registriere er erst jetzt, dass sie eine Frau ist, streicht über das Handgelenk, macht einen Schritt hin zu dem blutenden Paul, der sich aufrichtet, ein Bein des Mannes umfasst und mit der anderen die Pistole zieht. Der Mann reagiert schnell, stößt sein Knie gegen Pauls Hand. Die Pistole fällt zu Boden. Unterdessen hält Emma die Waffe mit beiden Händen fest, steht mit gespreizten Beinen vor dem Fremden und richtet sie auf ihn.
„Keine Bewegung mehr oder ich muss von der Schusswaffe Gebrauch machen!“
Keine Reaktion. Der Mann greift nach Pauls Pistole. Der Warnschuss peitscht über den Platz.
„Hände hoch, das ist meine letzte Warnung!“

Jamal reagiert nicht. Emma zielt auf ihn, umklammert sie fester, weiß, dass sie handeln muss. Das Drehbuch sieht nichts anderes vor. Dennoch zögert sie, Sekunden verstreichen. Paul nimmt ihr die Entscheidung ab, indem er sich auf ihn stürzen will, der aber sofort die Waffe auf ihn richtet, den Finger am Abzug. Ein Schuss löst sich. Jamals Kugel schlägt in der Bäckerei ein. Der nächste Schuss trifft Jamal aus der Nähe, durchschlägt seine Brust, Blut quillt aus der Wunde. Er lässt die Pistole los und stürzt zu Boden. Wie ein Feuerball, der vom Himmel fällt. Emma fühlt Jamals Blick auf sich lasten, kann nicht ausweichen, wartet, wartet, bis er bricht. Die Sehnsucht, die Verwunderung, die sich in seinen Augen spiegeln, wird sie ihren Schreckenserinnerungen, den Alpträumen beifügen. Sie senkt den Lauf der Waffe, spürt die Hitze, die von ihr ausgeht, zittert, schafft es gerade noch, sie wegzustecken, bevor sie sich an ihr verbrennt. Blut- und Stahlgeruch steigen empor, darüber hat sich Brötchenduft festgesetzt.

 

Zurück aus der Pfingstfrische :Pfeif:

Sozusagen ein Jubiläums-Post: vor fast genau drei Jahren habe ich mich bei den Wortkriegern angemeldet.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, das stimmt, wenn's knallhart kommt, treffen alle Probleme der Welt aufeinander und vermögen nicht nur Emma aus der Traumwelt in den Alptraum zu entführen -

aber, Jubilarin,
liebe Isa,

kann eine Kurzgeschichte in schönen Bildern Probleme der Welt vor einer Bäckerei lösen -
da ist Emma, die gerne in den höheren Dienst will, aber ein Kollege ist zuerst dran -
nicht nur vor der Bäckerei sei Ruhe die erste Bürgerpflicht, nicht erst seit Egmont
und die Residenzpflicht dafür sorgt, dass den Bewohnern des Heimes die Decke auf den Kopf fällt, und zudem die kleinste Ungleichbehandlung - denn nichts anderes geschieht da durch die Bäckersfamilie - das Feuer entzündet wird...
und wie nebenbei ist Jamal ja auch noch auf den Juden eifersüchtig und somit nicht gut auf den zu sprechen ...

Bin ich froh, dass fasr alle hier, die aufgenommen wurden, ihre kleine Wohnung außerhalb der ehemaligen Lager gefunden haben ...

In all der Tragik muss dem Ruhrpöttler gar ein bisschen - eher unfreiwillige - Komik aufkommen, spätestens wenn es heißt

Das Blaulicht auf Peters Wagen vor der Bäckerei blinkt unablässig.
Warum?
Dienstwagen der Polizei werden in Essen und anderen Städten "Peterwagen" genannt, "Peter 1" bis "Peter" was weiß ich.

Triviales

Sie schaut in die andere Richtung, als wünsche sie sich, dass Jamal sich in Luft auflöse.
Besser Konjunktiv irrealis, als wünschte ... auflöste.

Zeichen, ohne Worte (incl. Auslassungspunkten nachher)

„Entschuldigung“. Sie reagiert nicht.

Höflichkeitsform. Kommt öfters vor
Bitte verlassen sie die Bäckerei!“
Sonst wär da schon das "du" gefallen.
„Raus habe ich gesagt, Hast du verstanden, du…? Vor Ladenöffnung gibt’s keine Brötchen. Wo kommen wir da hin?“

Du hast doch "ß" auf der Tastatur
Es gelingt ihm nicht, sich von dem Kloss zu befreien, den er in sich trägt. Er schließt die Augen, ...

sie ... ihm
... kurz darauf wendet sie sich zum Dorf, in den Händen Brottüten. Jamal schaut ihm hinterher, ...

Genitiv-s weg!
... verriegelt er sie, zeigt Jamals sein Wolfsgebiss und ...
(bei Jamal natürlich)

„Den Stein fallen lassen, die Hände hinter den Kopf!“. Der ...
„Haben sie mich verstanden? Legen sie sofort den Stein auf den Boden und verschränken die Hände über dem Kopf!“

Hm, eher durchwachsen wegen s. o. gelesen vom

Friedel,
der immer noch Steuern verklärt ...

 

Hallo lieber steuerverklärter Friedel-Erklärer,

dankeschön für deinen Besuch, die von dir angemerkten Stellen habe ich verändert, wie aufmerksam, wortkriegergeschult du liest, was man übersieht, übersehen will, ganz unbewusst, wie zum Beispiel die Höflichkeitsgroßschreibung der Anrede in der direkten Rede, die auf mich jedes Mal unnatürlich wirkt.

kann eine Kurzgeschichte in schönen Bildern Probleme der Welt vor einer Bäckerei lösen -
nein, kann sie nicht, die Bilder sollen die Traumwirklichkeit zeigen, in der sich die handelnden Personen begeben. Die Geschichte hat übrigens so oder so ähnlich tatsächlich stattgefunden.

In all der Tragik muss dem Ruhrpöttler gar ein bisschen - eher unfreiwillige - Komik aufkommen, spätestens wenn es heißt
Das Blaulicht auf Peters Wagen vor der Bäckerei blinkt unablässig.
Warum?
Dienstwagen der Polizei werden in Essen und anderen Städten "Peterwagen" genannt, "Peter 1" bis "Peter" was weiß ich.
hätte ich mal wissen müssen:D

und zudem die kleinste Ungleichbehandlung - denn nichts anderes geschieht da durch die Bäckersfamilie - das Feuer entzündet wird...
ist ja nur ein Anlass, der Zündfunke, die Ursachen, was aus was wird – auf beiden Seiten – den Sprengstoff,wollte ich zeigen.

Ja, das stimmt, wenn's knallhart kommt, treffen alle Probleme der Welt aufeinander und vermögen nicht nur Emma aus der Traumwelt in den Alptraum zu entführen -
die Fallhöhe der Realität sozusagen

Liebe Grüße aus der Vortaumzeit
Isegrims

 

Guten Morgen, Isegrims

Erstmal alles Gute zum Dreijährigen. Ich habe Deine Geschichte gestern schon gelesen, jetzt komme ich auch mal zum Kommentieren.

Ich finde es toll, wie Du Deine Charaktere entfaltest. Emma vom träumenden Mädchen zur Polizistin mit Waffe, Jamal mit seinem Traum von Tamina und vom Brötchen. Es geht viel um Träume, würde ich sagen, um den Wunsch nach einer besseren Zukunft, nach Entfaltung. Das fand ich sehr berührend, und das hast Du erzählerisch natürlich toll umgesetzt.

Erstmal Kleinigkeiten:

Manchmal drückt er es zu fest.

Das fand ich komisch. Ich nehme an, er hält es in der Faust? Ein Armband drücken, da kann ich mir nur mit viel Nachdenken was drunter vorstellen. Kurz hatte ich das Gefühl, das hat was mit Drogen zu tun. Würde ich umformulieren.

Jamal geht über den Flur zum Aufenthaltsraum, trifft dort den Heimleiter Peter.

Wieso eigentlich zwei Peters? Für eine solch kurze Geschichte werden zwar extrem viele Namen erwähnt, aber eigentlich könnte einem doch noch was anderes einfallen. Und wenn das Absicht ist: Na ja, begeistert mich nicht so sehr. Ich dachte kurz: Warum ist der Polizist denn Heimleiter?

Das dürft Ihr nicht.

Peter ihrzt die beiden? Das ist ja komisch. Ansonsten das „ihr“ klein schreiben.

„Sich anspucken lassen und schweigen, das sind Eure Regeln“, sagt Jamal.

Hier auch. Höflichkeitsanreden schreibt man groß. Nicht schnöde „ihr“s und „du“s.

Die Brötchen der Dorfbäckerei schmecken nach Heimat und kosten 30 Cent das Stück.

Die Zahl würde ich ausschreiben.

Er lässt sich Zeit, füllt die Lungen mit Morgenluft, spürt die Stille, die sich über die Träume der Menschen gelegt hat, nimmt den Weg um die Siedlung herum, begegnet keinem, muss niemand anlächeln, der ihm ein Wolfsblick schenkt, ihm mitteilen will, dass er nichts ist, ein Gast, geduldet, ungeliebt.

„niemanden“ statt „niemand“.

Die Brötchen duften nach Milch, Weizen, strahlen die Wärme des Ofens ab, erinnern ihn an zu Hause, wenn alle beim Frühstück zusammensaßen, kauten, Krümel auf den Tisch fielen und das Haus mit Lachen und Geplapper fütterten.

Die Krümel fütterten das Haus mit Lachen und Geplapper? Das passt nicht. Entweder schreibst Du: „… die Krümel auf den Tisch fallen ließen“ (dann ist das Subjekt immer noch „alle“), oder Du schiebst „das Haus mit Lachen und Geplapper fütterten“ an zweiter Stelle und wechselst danach erst das Subjekt, oder Du stellst davor ein weiteres Subjekt.

„Entschuldigung“

Hier fehlt jetzt der Punkt komplett. Auch nicht richtig. Er kommt vor das Anführungszeichen oben.

„Hermann, kannst Du bitte kommen?“, sagt sie mit Engelsstimme.

Auch „Du“ wird nur in Briefen groß geschrieben. Hier klein.

Raus habe ich gesagt, Hast Du verstanden, Du…?

Same here. Und Leerzeichen vor die drei Punkte. Und „hast“ klein schreiben oder davor einen Punkt machen.

Ich habe nochmal nachgelesen, was Friedel empfohlen hat, und ich glaube, das bezog sich auf ein von Dir geändertes „Sie“. „Sie“ und „Ihr“ im Sinne von: „Könnten Sie mir bitte die Marmelade reichen“ und „Wie geht es Euch heute, Euer Majestät?“, schreibt man groß. Das kann man sich einfach merken, wenn man nämlich eine einzelne Person im Plural anspricht. Anreden wie „ihr“ (für mehrere Personen) und „du“ schreibt man nur in der Briefform groß. Nicht in allen anderen Texten.

Jamal geht ein paar Schritte und setzt sich auf das Bänkchen gegenüber der Bäckerei, flankiert von zwei Kastanienbäumen mit geschwungenen Zauberwurzeln, die Märchengestalten, Riesen, Zwergen, Eulen, Wölfen, gleichen.

Ich weiß nicht, warum Du immer noch ein Komma hinter Deine Aufzählungen setzt. Meistens kann ich das irgendwie tolerieren hier aber finde ich es sehr seltsam. „Märchengestalten“ könnte ja noch Klammer auf „Riesen, Zwergen“ Klammer zu sein, das verstehe ich also. Aber „Eulen, Wölfen“ ergänzt doch die Aufzählungen „Märchengestalten“, und das Verb „gleichen“ bezieht sich darauf.

Es gelingt ihm nicht, sich von dem Kloß zu befreien, den er in sich trägt. Er schließt die Augen, dämmert, spürt wie die Holzlehne sich an ihm wärmt und wartet, hört den Vögeln und den Stimmen zu, die er in sich versammelt hat, den Kinderlandschaften seiner Erinnerungen, und vergisst die Kälte, die stockende Zeit.

Komma vor „wie“. Und danach ist die Frage: Wartet die Holzbank oder wartet Jamal? Wenn Ersteres, dann richtig, wenn Letzteres, dann muss unbedingt ein Komma vor das „und“.

Emma handelt wie sie es gelernt hat, gedankengeleert, automatisch, löst die Pistole aus dem Halfter:

Komma vor „wie“.

„Haben Sie mich verstanden? Legen Sie sofort den Stein auf den Boden und verschränken die Hände über dem Kopf!“

Hier ist die Anrede richtig. Super.

Ich fand die letzte Szene toll, die Verwirrungen, die Hektik, die Du in der Sprache transportierst. Ich bin nicht total begeistert davon, dass Du die Perspektiven vermischst. Das passt aber ja irgendwie zur allgemeinen Hektik der Szene, aber das nur als Leseeindruck.

Ich war eine Weile stutzig, weil Emma wirklich schießt und zwar direkt tödlich trifft. Ich dachte, das ist in Deutschland sehr unüblich. Kann ich mir im Eifer des Gefechts und vor allem, da ich mir vorstelle, dass alle recht nahe beieinander stehen, aber schon vorstellen. Das Nahebeeinanderstehen hat aber den Nachteil, dass ich nicht genau weiß, wie sie überhaupt schießen kann, wenn Peter noch an Jamal dranhängt. Ist nicht das Risiko wirklich gewaltig, dass sie ihren Kollegen trifft?

Das Coole daran ist aber eigentlich, dass ich selbst keinen Überblick über die Szene habe, und das hast Du wirklich toll umgesetzt. Ein wirklich starker Schluss.

Falls Jamals Geist emporsteigt, werden sie ihn mitnehmen und sättigen.

Den letzten Satz wiederum finde ich sehr pathetisch. Braucht es den wirklich? Ich meine, mit dem „falls“ wirfst Du hier noch die Frage nach einem Leben nach dem Tod auf, und eine Vokabel wie „sättigen“ passt natürlich super zu diesem biblischen Motiv. Das finde ich etwas zu viel.

Insgesamt aber sehr gerne gelesen. Jetzt gilt es das Anredekuddelmuddel aufzuräumen. Make it work!

Brötchenduftende Grüße,
Maria

 
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Hallo Isegrims,

ich hab deine Geschichte gelesen und mir gefällt vieles in ihr, es gibt einige wirklich gelungene und schöne Formulierungen und auch die gesamte Konzeption finde ich ansprechend.
Hin und wieder werden mir deine Composita zu viel (besonders am Anfang), aber das gibt sich, je weiter man in deine Geschichte hineinkommt. Ich habe mir ein paar Sachen markiert, auf die ich vielleicht später noch einmal zurückkomme.

Denn mich beschäftigt nach dem Lesen deiner Geschichte etwas anderes. Und das ist die Glaubwürigkeit des dargestellten Konfliktes und seiner Prämissen.
Ich verstehe, dass dein Jamal extrem aufgeladen ist durch seine Situation: die Flucht, die Bedingungen des Asylantenheimes, die nächtliche Bedrohung, das Gefühl des Nicht-Erwünschtseins. Dazu die Sehnsucht nach der Familie und der Heimat. Dieser Jamal trifft auf ein typisches AfD-Bäckerpaar:

Jamal fragt:

‚Kann ich bitte Brötchen kaufen?’

Die Antwort:

„Wir haben geschlossen!“,
und als er nicht geht:

„Bitte verlassen sie die Bäckerei!“
Dann Jamals Reaktion:

Jamal tritt einen Schritt näher, presst die Lippen zusammen, der Brustkorb hebt und senkt sich, er fuchtelt mit den Armen: „Bitte, Brötchen, drei Stück!“, schreit er.
Die alte Frau zuckt zusammen, fährt sich durch die Haare, wendet den Kopf Richtung Backstube: „Hermann, kannst du bitte kommen?“, sagt sie mit Engelsstimme. (‚Engelsstimme’ ???)

Die Situation eskaliert:

Jamal steht da, die Muskeln gespannt, raubtiersprungbereit, um sich die Brötchen zu greifen, nach denen er verlangt, hört Schritte aus dem Nebenraum. Eine Tür wird geöffnet, aus der Backstubenduft in den Laden weht und Jamal überwältigt. Hermann trägt weiß (Weiß), ein Häubchen bedeckt den Kopf. Er reckt den Kopf nach vorne und schaut sich um.
Der Fremde da, der Schwarze, will Brötchen“, sagt die alte Frau leise zu dem Bäcker und zeigt auf Jamal.
Hermann baut sich auf, stemmt die Hände in die Hüften: „Raus hier, sofort!“ Er fixiert Jamal.
„Drei Brötchen, bitte!“
„Raus habe ich gesagt, Hast du verstanden, du…? Vor Ladenöffnung gibt’s keine Brötchen. Wo kommen wir da hin?“
Isegrims, ich kann diese Szene so einfach nicht glauben. Sowohl das Verhalten des Bäckerpaars als auch Jamals Ausflippen kommen mir übertrieben und konstruiert vor. Möglich, dass es irgendwo im Bayrischen Wald oder im tiefsten Odenwald solche engstirnigen, fremdenfeindlichen Menschen gibt, möglich, dass Jamal nicht einfach weggeht und drei Brötchen ihn dazu bringen, so auszurasten. Alles ist möglich, aber so, wie ich die Szene und den Dialog lese, ist dir die ganze Situation hier zu plakativ und zu holzschnittartig geraten.
Das Verhalten und die Äußerungen des Bäckerpaares entsprechen voll den Klischees, die wir uns von solchen Menschen machen. Und in gewisser Weise tut das auch Jamal. Er ist das Konstrukt eines Asylanten, in das du all das hineingelegt hast, was dir zum Thema ‚Asylant in Deutschland’ eingefallen ist: die Sehnsucht nach der Heimat, der Freundin, die Angst, dass sie ohne ihn in Gefahr ist, die Bedrohung durch die ‚Nachtwölfe’, die Verlorenheit in dieser fremden Welt mit ihren unverständlichen Regeln.
Und auch die Bäckersleut sind klischeehafte Konstrukte in ihrer übersteigerten Angst vor Fremden, in ihrer unsinnig übertriebenen Abwehr, in ihrem Pochen auf alberne Regeln (Vor Ladenöffnung ...).

Klar, das alles kann natürlich im Extremfall aufeinandertreffen und würde sicher zu einem Bildzeitungs-Artikel taugen. Nur in einer Kurzgeschichte hätte ich es mir sich subtiler entwickelnd und feiner motiviert gewünscht. Das hier ist mir leider zu sehr Holzhammer, zu sehr darauf vertrauend, dass die Skizzierung beider Seiten auf Klischee-Ebene funktioniert und so die Eskalation begründet.

Möglicherweise geht es aber nur mir so. Ich erlebe, wenn ich mich in Deutschland aufhalte, meistens die liberale rheinische Provinz, in der man zwar auch nicht so richtig glücklich ist mit den vielen Fremden, das aber trefflich mit der geschmeidigen rheinischen Freundlichkeit überspielt. Ein Aufeinanderprallen in der Art, wie du es beschreibst, habe ich dort noch nicht erlebt. Würde mich interessieren, wie andere die von dir geschilderte Situation betrachten.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Klar, das alles kann natürlich im Extremfall aufeinandertreffen und würde sicher zu einem Bildzeitungs-Artikel taugen. Nur in einer Kurzgeschichte hätte ich es mir sich subtiler entwickelnd und feiner motiviert gewünscht. Das hier ist mir leider zu sehr Holzhammer, zu sehr darauf vertrauend, dass die Skizzierung beider Seiten auf Klischee-Ebene funktioniert und so die Eskalation begründet.

Möglicherweise geht es aber nur mir so. Ich erlebe, wenn ich mich in Deutschland aufhalte, meistens die liberale rheinische Provinz, in der man zwar auch nicht so richtig glücklich ist mit den vielen Fremden, das aber trefflich mit der geschmeidigen rheinischen Freundlichkeit überspielt. Ein Aufeinanderprallen in der Art, wie du es beschreibst, habe ich dort noch nicht erlebt. Würde mich interessieren, wie andere die von dir geschilderte Situation betrachten.

Guten Morgen barnhelm,

nur kurz: eine ausführlichere Antwort folgt. Die Idee zu der Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit, die Auseinandersetzung in der Bäckerei selbst habe ich mir ausgedacht. Klar, man kann das holzschnittartig nennen, sichtbar wird eine latentes Misstrauen gegen Fremde, sicher auch Abneigung. Das Beharren auf die Regeln, die Öffnungszeiten, halte ich aber für einen mehr oder weniger "deutschen" Charakterzug. Ich war vor einigen Tagen in der Oper. Großes Haus Wiesbaden, 18.Jahrhundert-Feeling, Logen, Sitze bis in den Himmel. Wir hatten Karten für 12€ in der obersten Reihe, wenig Sicht. Nach der Pause haben wir sichtbar freie Plätze im 1.Rang okkupiert. Dort waren fünf oder sechs Plätze frei. Eine Dame, Besucherin, fragte uns, ob wir Karten für diese Plätze hätten und wollte uns dort entfernen lassen, konnte aber nicht rechtzeitig vor Pausenende "Sicherheitspersonal" beischaffen.

Hier der Link zu der Nachricht: https://www.zeit.de/news/2018-04/13/19-jaehriger-nach-angriff-auf-polizisten-erschossen-180413-99-873416

Liebe Grüße
Isegrims

 

Hallo Maria,

ich danke dir herzlich für deinen präzisen, ausführlichen Kommentar und für deine Zeit. Sehr hilfreich, weil ich die Texte vor dem Posten zwar wieder und wieder durchlese, aber leider das eine oder andere vergesse oder erst gar nicht wahrnehmen will.:hmm:

Ich finde es toll, wie Du Deine Charaktere entfaltest. Emma vom träumenden Mädchen zur Polizistin mit Waffe, Jamal mit seinem Traum von Tamina und vom Brötchen. Es geht viel um Träume, würde ich sagen, um den Wunsch nach einer besseren Zukunft, nach Entfaltung. Das fand ich sehr berührend, und das hast Du erzählerisch natürlich toll umgesetzt.
darüber freue ich mich ganz besonders. Ich habe einige Geschichten zuvor in wechselnden Ich-Perspektiven geschrieben und dachte mir, damit könne ich Charaktere besser zeigen. Übrigens denke ich, dass es fast immer um Träume geht – insofern man noch welche hat.
Nahezu jeden deiner orthographischen und grammatischen Anmerkungen habe ich übernommen, musste ich auch, danke dir!

Die Brötchen duften nach Milch, Weizen, strahlen die Wärme des Ofens ab, erinnern ihn an zu Hause, wenn alle beim Frühstück zusammensaßen, kauten, Krümel auf den Tisch fielen und das Haus mit Lachen und Geplapper fütterten.
Die Krümel fütterten das Haus mit Lachen und Geplapper? Das passt nicht. Entweder schreibst Du: „… die Krümel auf den Tisch fallen ließen“ (dann ist das Subjekt immer noch „alle“), oder Du schiebst „das Haus mit Lachen und Geplapper fütterten“ an zweiter Stelle und wechselst danach erst das Subjekt,
die Passage habe ich ausgebessert, manchmal passiert es mir, dass ich sprachrauschmäßig den Überblick verliere und dem Klang folge.:shy:

Jamal geht ein paar Schritte und setzt sich auf das Bänkchen gegenüber der Bäckerei, flankiert von zwei Kastanienbäumen mit geschwungenen Zauberwurzeln, die Märchengestalten, Riesen, Zwergen, Eulen, Wölfen, gleichen.
Ich weiß nicht, warum Du immer noch ein Komma hinter Deine Aufzählungen setzt. Meistens kann ich das irgendwie tolerieren hier aber finde ich es sehr seltsam. „Märchengestalten“ könnte ja noch Klammer auf „Riesen, Zwergen“ Klammer zu sein, das verstehe ich also. Aber „Eulen, Wölfen“ ergänzt doch die Aufzählungen „Märchengestalten“, und das Verb „gleichen“ bezieht sich darauf.
mm, wenn ich keine setze, ändert das für mich den Rhythmus, ich verstehe aber was du meinst.

Es gelingt ihm nicht, sich von dem Kloß zu befreien, den er in sich trägt. Er schließt die Augen, dämmert, spürt wie die Holzlehne sich an ihm wärmt und wartet, hört den Vögeln und den Stimmen zu, die er in sich versammelt hat, den Kinderlandschaften seiner Erinnerungen, und vergisst die Kälte, die stockende Zeit.
Komma vor „wie“. Und danach ist die Frage: Wartet die Holzbank oder wartet Jamal? Wenn Ersteres, dann richtig, wenn Letzteres, dann muss unbedingt ein Komma vor das „und“.
okay, ich will ja nicht, dass die Holzbank unnötigerweise wartet.:D

Ich fand die letzte Szene toll, die Verwirrungen, die Hektik, die Du in der Sprache transportierst. Ich bin nicht total begeistert davon, dass Du die Perspektiven vermischst. Das passt aber ja irgendwie zur allgemeinen Hektik der Szene, aber das nur als Leseeindruck.
Das Coole daran ist aber eigentlich, dass ich selbst keinen Überblick über die Szene habe, und das hast Du wirklich toll umgesetzt. Ein wirklich starker Schluss.
super, genau so dachte ich mir die Szene.

Falls Jamals Geist emporsteigt, werden sie ihn mitnehmen und sättigen.
Den letzten Satz wiederum finde ich sehr pathetisch. Braucht es den wirklich? Ich meine, mit dem „falls“ wirfst Du hier noch die Frage nach einem Leben nach dem Tod auf, und eine Vokabel wie „sättigen“ passt natürlich super zu diesem biblischen Motiv. Das finde ich etwas zu viel.
ich wollte ihn gerade löschen, zögere, will drüber schlafen, mich fragen, ob er redundant ist oder den Text abrundet:Pfeif:

Liebe Grüße und ein Schmetterlingstraumwochenende für dich
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Isegrims!

Der Mattgoldring, den er ihr geschenkt hat, verblasst im Porzellanschälchen auf der Frisierkommode.
Haben das junge Frauen echt noch? Hört sich so antik an

Sie riecht die abgestandene Luft ihres Traumschweißes im Zimmer, die Pizzareste des gestrigen Abends, den Wein, beseitigt den schalen Geschmack im Mund, indem sie etwas Zahnpasta auf den Zähnen verteilt.
Ich würde das Unterstrichene kicken. Ich weiß, was du damit sagen und zeigen willst, es ist auch natürlich sowas, wo man sich gezwungen fühlt zu denken: Ach schön, ein schönes Bild!, aber - und das ist meine Meinung - mich lenken solche sprachlichen Blendgranaten immer ein wenig vom Text ab, gerade, wenn der Text, die Figuren und der Plot eigentlich stark genug sind, um auf so etwas zu verzichten. Es wirkt für mich immer etwas so, als ob der Autor etwas unsicher ist, als ob er jetzt noch ein paar metaphorische Perlen einbauen muss, weil er sich ansonsten ein wenig fürchtet, der Text allein würde den Leser nicht tragen. Finde ich hier unbegründet und ich finde, ich könnte mich stärker auf die Story einlassen, wenn nur Pizza und Wein in der abgestandenen Luft stehen!

In der Nacht verbrennen Sorgenfeuer Jamals Kopf.
s.o.

ie Wochenendbereitschaft war ihr gerade recht gekommen, auch wenn sie ausgerechnet Paul zugeteilt bekam, dem sie alles schenkten, die Karriere, das Vertrauen, weil er ein Kerl war.
Das heir ist eine Behauptung, die Prot stellt das auf, aber ich wüsste stattdessen gerne, wie das in Wirklichkeit aussieht. Ein Beispiel, das mir genau das zeigt, was du hier behauptest, anstatt "dem sie alles schenkten, die Karriere, das Vertrauen, weil er ein Kerl war." Ist etwas spitzfindig, aber ich finde, das würde die Szene aufwerten!

Jakob fällt ihm ein, der stinkendste Jude des Viertels, ein Schwein, ein Arschloch, der sich an jede ranmacht.
Falls es hier um ein Viertel irgendwo im arabischsprachigen Raum geht, könntest du ihn auch Yaqub nennen, so würde Jakob (u.U.) dort heißen. edit: Er ist ja Jude, Yaqub wäre die arabische Variante. Yaakov wäre Hebräisch. Aber Jakob würde auch gehen. Sorry, wollte dir nur nichts Falsches schreiben. "Jakob" hörte sich für mich eben sehr deutsch an.

Ein wenig Klischee spüre ich hier aber auch, der stinkendste Jude, der sich an jede ranmacht, das könnte ja direkt aus dem Stürmer kommen. Ich will dir das gar nicht vorwerfen. Muslimischer Antisemitismus, weit verbreitet, das ist es nicht, was in anprangere. Aber ich habe von denen aus dem Kulturraum, die antisemitisch sind, andere Klischees gehört: Zionisten, Besatzer, Faschisten, geheime Weltregierung. Der verführende Jude, das kenne ich bloß aus nationalsozialistischer Propaganda oder deutschem Antisemitismus. Ist nur meine persönlich Einschätzung, ohne Quellen.

Jamal hasst ihn, sein Blut kocht hoch, wenn er daran denkt, dass der Kerl Taminas Haut berührt.
Kannst du streichen

Zeit fürs Gebet. Jamal rollt den Teppich aus, wäscht sich,
s.o.

Er fühlt sich hilflos, gefangen, sucht nach Zeichen am Himmel, findet keine.
Noch besser, als mir zu sagen, wie er sich fühlt, fände ich, wenn du mir zeigen würdest, wie er sich fühlt: Wie fühlt sich das an, sich hilflos und gefangen zu fühlen? Dann würde ich es mehr spüren.

Dann beugt er die Knie, murmelt heilige Worte.
Ist vllt. eine Frage der Perspektive. Ich bin gerade im Kopf der Figur, immer noch auktorial, aber auktorial-personell, ich weiß, was er denkt. Hier würde ich nicht murmeln sagen. Das würde er nie sagen, dass er das Gebet murmelt, das hat etwas von Nuscheln, finde ich. Flüstern fände ich besser

ihre Stimmen gegen die Mauern peitschen
Stimmen peitschen?

Vergebens. Allah hört ihn nicht, vielleicht weiß er nicht einmal, wer Jamal ist. Gott schweigt, lässt ihn allein, egal, was er ihm erzählt, obwohl er sich fürchtet, den Hoffnungsbergen, den Tränen, der Sehnsucht ausgeliefert ist.
Ist vllt wieder eine Spitzfindigkeit von mir, aber vllt bringt dir das ja was. Ich fände es hier authentischer, wenn Jamal zwar begreift in dem Augenblick, dass er aktuell keine Hilfe Gottes erhält, aber dieser komplette innerliche Abfall vom Glaube, so schnell geht das nicht. Gläubige (Muslime) wissen das auch, alles ist Gottes Wille, wie kann ich Gott gefällig werden, wofür will er mich bestrafen, wie werde ich ein besserer Muslim, damit Gott mich erhört, Gott will mich test, ich muss auf ihn vertrauen, ich muss noch mehr beten, noch mehr mich hingeben.

„Wie am Samstag, ja? Die Polizisten reden mit denen, lachen, schreiben was auf und fahren wieder weg“, sagt Malik.
Finde ich etwas unauthentisch. Wenn ein Fackelzug vor einem Flüchtlingsheim steht holen die doch gleich die Hundertschaft. Das ist doch so ein heißes Thema, da will doch keine Polizeidienststelle einen Fehler machen und morgen in den Schlagzeilen stehen. Ich denke, Polizisten würden das sehr, sehr ernst nehmen. Ich sage das, weil ich an dieser Stelle evtl ein wenig den Autor sehe, der mir zeigen will, wie ausgeliefert Jamal etc. sind, und dass sich wehren eine gute Option wäre.

Jau, fertig gelesen. Ist eine wirklich gute Geschichte. Ich hab die Vorkommentare nicht gelesen, damit du einen unverwässerten Leseeindruck von mir bekommst. Was mir besonders gefällt, ist, dass man richtig fühlt, dass du recherchiert hast. Das ist toll. Wie sich die Polizistin zurecht macht, wo ihre Waffe sitzt, das nehme ich dir alles ab und diese Details schaffen Authentizität. Für mich jedenfalls.
Was mir an der Geschichte nicht gefällt, ist ihre Prämisse, ihre Aussage. Ich habe überhaupt kein MItleid mit Jamal. Das ist das, was man gemeinhin als "Betroffenheitsliteratur" versteht. Nimm es mir nicht übel, ich meine das gar nicht böse. Das ist gut geschrieben und erzählt, es ist wirklich bloß die Aussage, die ich nicht mag. Ich habe nicht das Gefühl, dass der Text die Wirklichkeit abbildet. Das hat mit dem deutschen Mob zu tun und damit, dass alle Deutschen hier irgendwie sau schlecht wegkommen, und der arme, arme Jamal mit seiner Liebe in der Heimat muss dann um sich schlagen und Leute umprügeln. Ich denke nicht, dass das wirklich so ist. Mir fehlt hier ein wenig der ausgleichende Part, die vielen sehr netten Freiwilligen, die auch Deutsche sind, und die von den Flüchtlingen auch wahrgenommen werden. Solche wie die Bäckereiverkäuferin ... ja, gibt es die wirklich? Ich habe noch nie so jemanden getroffen geschweige denn von einem Flüchtling das gehört. Da ist eher Konsens, dass die Deutschen ordentlich seien, bis auf ein paar Skinheads. Mir ist das in der Richtung noch etwas zu einseitig, Isegrims. Mir geht es auch nicht darum, die Prämisse oder die Richtung der Geschichte verändern zu wollen, sondern das Pädagogische der Geschichte ein wenig rauszunehmen.. Für mich ist Jamal ein großer Unsympath dadurch, was er tut und ich nehme der Geschichte dieses unterschwellig Böswillige der auftauchenden deutschen Gesellschaft einfach nicht ab und sehe hier eine gewisse Ideologie, die die Schuld für jeden Gewaltausbruch, der aus der Richtung kommt, irgendwie bei sich selbst suchen will, was zu großen Teilen absurd ist. Ich weiß, das ist Meckern auf hohem Niveau, wie gesagt, ich finde die Geschichte auch gut, aber ich fände sie noch besser, wenn sie mir noch realistischer vorkäme im Bezug auf Jamal, und mir gefällt diese Opferrolle nicht, in die du ihn steckst, diese vermeindliche Ausweglosigkeit, die keine ist, mit der der Text dann (moralisch) zu begründen versucht, weswegen jemand so etwas tut.

Gern gelesen!

Beste Grüße
zigga

 

Hallo barnhelm,

klar, den Klischeevorwurf kann ich schwer entkräften, ist auch bisschen ein Killer-Argument. Dennoch finde ich die Figuren realistisch. Den Bäckerleuten geht es um die Einhaltung von Regeln, die alte Frau hat Angst vor Fremden, das ist per se noch nicht fremdenfeindlich. Jamal ist einsam und verängstigt, leidet unter der Langeweile seiner Wartesaalexistenz und kocht hoch, weil sich in ihm ein Brei aus Frustration und Furcht aufgestaut hat. Und die Polizisten handeln, die Situation gerät außer Kontrolle. Die Charakterzeichnung stammt von mir, das Geschehen nicht. (siehe Link weiter oben). Ich fand das Bild symbolisch, deshalb habe ich den Stoff genommen und daraus eine Geschichte gemacht. Ein Flüchtling randaliert vor einer Bäckerei (Brot hat ja was Symbolisches) und wird erschossen. Unglückliche Umstände mögen dazu geführt haben. Wie in meiner Geschichte.

ich hab deine Geschichte gelesen und mir gefällt vieles in ihr, es gibt einige wirklich gelungene und schöne Formulierungen und auch die gesamte Konzeption finde ich ansprechend.
Hin und wieder werden mir deine Composita zu viel (besonders am Anfang), aber das gibt sich, je weiter man in deine Geschichte hineinkommt.
das ist mal eine Aussage, ich zügle die Einfälle, Komposita, mittlerweile, versuche mich beim Schreiben zu bändigen, schön, dass es funktioniert.

Isegrims, ich kann diese Szene so einfach nicht glauben. Sowohl das Verhalten des Bäckerpaars als auch Jamals Ausflippen kommen mir übertrieben und konstruiert vor. Möglich, dass es irgendwo im Bayrischen Wald oder im tiefsten Odenwald solche engstirnigen, fremdenfeindlichen Menschen gibt, möglich, dass Jamal nicht einfach weggeht und drei Brötchen ihn dazu bringen, so auszurasten.
Und auch die Bäckersleut sind klischeehafte Konstrukte in ihrer übersteigerten Angst vor Fremden, in ihrer unsinnig übertriebenen Abwehr, in ihrem Pochen auf alberne Regeln (Vor Ladenöffnung ...).
Ich bin gerade dabei den Dialog etwas zu entschärfen, was aber bleibt, was ich auch gar nicht als übertrieben konstruiert empfinde, ist das Beharren auf Einhaltung der Regeln, ein ziemlich deutscher Charakterzug. Angst vor Fremden? Vielleicht begegnet man der nicht, wenn man nur mit Intellektuellen und „Gut-Menschen“ redet. Eine übrigens türkischstämmige Friseurin erzählte mir erst letzte Woche, dass sie wegen der Fremden Angst davor habe, im Dunkeln alleine unterwegs zu sein. Mag jetzt Ergebnis von Propaganda sein, aber diese Ängste gibt es.

Würde mich interessieren, wie andere die von dir geschilderte Situation betrachten.
ist ein schwieriges Sujet, mal sehen, wer sich noch dazu äußern möchte.

Liebe Was-ich-mich-freue-euch/dich—bald-zu-sehen-Grüße
Isegrims

 

Hi liebe Isegrims,

ich kuck ja immer in deine Texte rein, wenn wieder einer aufploppt, aber ich fürchte, ich hab schon länger nichts mehr von dir kommentiert. Nicht, dass es schlimm wäre, wenn das so sein sollte, aber jetzt will ich es doch mal wider tun, damit das Maß an Aufmerksamkeit, deine Werke von mir bekommsen, wenigstens ein bisschen sichtbar wird.

Ich fang trotzdem gleich mit Kritik an, nämlich mit dem Punkt, den so viele schon genannt haben: Dass einige Einzelheiten klischeehaft wirken. Speziell bei der Bäckersfrau habe ich das so empfunden. Ich setz mal konkret hier noch mal an:

die alte Frau hat Angst vor Fremden, das ist per se noch nicht fremdenfeindlich
Die Angst ist nicht fremdenfeindlich, das mag schon sein, aber die Weigerung, demjenigen, vor dem man Angst hat Brötchen zu verkaufen, ist es. Zumal ich Leuten, vor denen ich Angst habe, lieber doch schnell meine Brötchen verkaufen würde, damit sie mich in Ruhe lassen. Und bis dann haben wir noch nicht einmal über Hermann gesprochen ...
Dagegen fänd ich es eben viel wirkungsvoller, wenn die Frau wirklich nur Angst hat, und das zeigt sie irgendwie ungeschickt aus versehen, und daraufhin tickt Jamal aus (Hermann würde ich am liebsten gar nicht auftauchen sehen). Das würde die Sache gleich in zwei Richtungen uneindeutiger machen, einmal wäre die Frau nicht so schlimm und dann wäre auch Jamals Reaktion weniger leicht zu verteidigen.

Im Traumglück
Das war mir nicht gleich verständlich, dass das wirklich ein Traum ist und keine Metapher - also Tagtraumglück. Hat mir den Einstieg etwas erschwert. Ein schwerer Einstieg kann auch etwas für sich haben. Trotzdem frage ich mich, ob das hier wirklich gut platziert ist. Spielt der Traum eine Rolle - oder reicht es, wenn sie einfach aufwacht? Den unsanften Aufprall in der wachen Welt zeigst du ja mit dem Smartphone schon.

Paul ist gerade losgefahren. Du triffst ihn vor Ort.
Fahren die echt einzeln zum Einsatz? Ich dachte, Polizisten wären immer mindestens zu zweit.

Das hier:

Für Ruhe sorgen, durchgreifen
kann ich ganz gut nachvollziehen: Er gibt die Richtlinien vor, die Situation kann ja auch mal anders sein. Dagegen ist das hier:
Personalien aufnehmen
bestimmt absoluter Standard. Das ist ja das mindeste, was gemacht wird. Ob er das wirklich so sagt? Andrerseits kling es gut, weil es den Einsatz knapp und klar veranschaulicht ...

Der Mattgoldring, den er ihr geschenkt hat, verblasst im Porzellanschälchen auf der Frisierkommode.
"ihr" könnte sich hier auf das Püppchen beziehen - auch wenn das streng genommen "es" heißen müsste. Da hab ich ein bisschen sortieren müssen beim Lesen. Klarer wird's ohne großen Aufwand vielleicht(?) durch Umstellen: "Im Porzellanschälchen auf der Frisierkommode verblasst der Mattgoldring, den er ihr geschenkt hat"

Die Erinnerung an "den Kerl" find ich gut, die zweite mit der Akademie - hm, braucht's vielleicht nicht unbedingt. Zumindest an dieser Stelle vertieft das den Blich auf Emma nicht wesentlich, und es schwächt das Erlebnis mit dem Kerl ab, weil das nicht mehr alleine steht. Das Schreiben des Regierungspräsidiums kannst du bestimmt anderswo unterbringen. Ganz unwesentlich finde ich das nämlich nicht, das wirft schon ein Licht auf die Ansage vom Chef oben.
Falls du dich entschließen solltest, das Schreiben an dieser Stelle rauszunehmen, muss natürlich eigentlich auch der Gegensatz zu Paul weg,

dem sie alles schenkten, die Karriere, das Vertrauen, weil er ein Kerl war
Aber das würde ich, ehrlich gestanden, eh killen ...

Den persönlichen Bezug zur Bäckerei find ich gut, nur

all die Köstlichkeiten
ist mir ein Tick zu viel (schon alleine, weil Brötchen dann doch recht alltägliche Köstlichkeiten sind).


Er trägt ihr Geschenk am Handgelenk. Die Farbe des leuchtendgrünen Bändchens verbleicht.
Ganz hübsch, wie sich Jamal und Emma spiegeln.

sein Alles
Klingt ja doch etwas abgedroschen - und sieht man eh daran, wie er ihr Geschenk behandelt.

Jakob fällt ihm ein, der stinkendste Jude des Viertels
Den stinkendsten Juden find ich auch zu viel. Das ist mir zu effekthascherisch, wo es eigentlich gar nicht drauf ankommt. Jamal fürchtet, dass sich einer an Tamina ranmacht, das ist gleich schlimm, egal wer es ist.
Fraglich ist mir dabei übrigens auch, ob Jamals wirklich fürchten muss, dass sein Alles auf jemanden hereinfällt,
der sich an jede ranmacht.
Eine spezifischer angedrohte Nähe fänd ich da wirkungsvoller.

Tja, jetzt muss ich langsam erst mal wider Schluss machen. Zwei Dinge hab ich noch:
- Hat Jamal nie vorher versucht, in der Bäckerei Brötchen zu kaufen?

- Die Schießerei am Ende ist mir stellenweise zu detailliert beschrieben. Das zieht sich irgendwie. Beispielsweise:

Emma handelt, wie sie es gelernt hat, gedankengeleert, automatisch, löst die Pistole aus dem Halfter
und aber erst nachdem alle Mögliche - schnelle Entwicklungen, sicher, aber trotzdem nicht wenig - passiert ist, hat sie sie erst gezogen ... Da würde ich ein paar Sachen rausnehmen, weniger den Zeitlupenblick einstellen.

Und jetzt bin ich gar nicht mal dazu gekommen, die Idee zu würdigen: Wie aus dem nichts so viel wird, und wie man sich fragen kann, inwieweit die jeweiligen Enttäuschungen das Handeln beeinflussen - und ob es an einem andern Tag ganz anders ausgegangen wäre. Ja, also dann sag ich halt wenigstens kurz: Das finde ich gut überlegt und schön schillernd umgesetzt.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Liebe Isegrims,
zunächst einmal finde ich es gut, dass du dich mit dem Thema Fremdenfeindlichkeit so engagiert auseinandersetzt. Ich hab da schon öfter was von dir gelesen. Und ich gebe dir zumindest in der Hinsicht recht, dass die Fremdenfeindlichkeit beängstigend sichtbar geworden ist, jetzt, wo sich Menschen bedrdroht fühlen, die sich ja eigentlich für tolerant halten.

Von daher muss ich vielen meiner Vorredner zustimmen, dass die Figuren zu plakativ rüberkommen. Denn die meisten Rassisten, die ich kenne, glauben, dass sie gar keine sind. Die halten sich für weltoffen und sagen Sätze wie:"Ich bin ja nun weiß Gott kein Nazi, aber ..." Ein Kollege hat mir mal erzählt, dass seine Freundin Angst vor Ausländern hätte, und er sagte ihr, dass bräuchte sie nicht, das wären viel bessere Menschen als wir. Hä?

Es sollte doch mMn darum gehen, beide Seiten als das zu sehen, was sie sind. Menschen. Mit all ihren Konflikten und guten und schlechten Seiten, und am Schluss möchte ich beide ein Stück weit verstehen können. So ist mir das zu offensichtlich auf gut und böse getrimmt. Ihr seid alle so gemein, deshalb jag ich euch jetzt den Laden in die Luft, mal so grob umrissen.
Wäre es nicht realistischer, auch die Traumatisierung des Flüchtlings mehr in den Focus zu rücken, den ganzen Scheiß, den er verarbeiten muss und niemand hilft ihm dabei. Und dann tut es vielleicht doch einer, und der entpuppt sich dann doch als fremdenfeindlich, oder beide, denn Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile sind, denke ich, sicherlich bis zu einem gewissen Grad in beiden Seiten vorhanden.

Mir fehlt hier ein wirklicher innerer Konflikt, der findet für mich nur äußerlich statt.

Gut fand ich die Darstellung der beiden Welten von der Polizistin und dem Flüchtling. Dass sie beide von etwas träumen, das sie nicht sein können. Das hat mir sehr gut gefallen. Aber durch diese Szene in der Bäckerei hat die Geschichte für mich an Kraft verloren, sorry.

Viele Grüße,
Chai

 

Hallo zigga,

sehr gehaltvoller Kommentar, vielen Dank dafür! Musste ich erst sortieren und einordnen, damit ich mir über deine Punkte klar wurde.

Was mir an der Geschichte nicht gefällt, ist ihre Prämisse, ihre Aussage. Ich habe überhaupt kein MItleid mit Jamal. Das ist das, was man gemeinhin als "Betroffenheitsliteratur" versteht. Nimm es mir nicht übel, ich meine das gar nicht böse. Das ist gut geschrieben und erzählt, es ist wirklich bloß die Aussage, die ich nicht mag. Ich habe nicht das Gefühl, dass der Text die Wirklichkeit abbildet.
Darüber bin ich vor allem gestolpert, das scheint der Knackpunkt für alle zu sein, die den Text kommentiert haben. Die Prämisse, die Aussage, ja, die kann ich bei dir und anderen offenbar nicht so transportieren, wie ich das wollte. Das Geschehen, von dem ich erzähle, hat ein reales Vorbild. (siehe weiter oben im Thread, Link zu einem Zeitungsbericht). Ein Flüchtling hat vor einer Bäckerei randaliert, Steine geworfen und wurde erschossen. Warum? Das war die Frage, die ich mir gestellt habe. Im Text will ich es als Zufallsereignis zeigen. Die handelnden Personen werden vom Sog erfasst. Keinen der Charaktere wollte ich zum Sympathieträger ausgestalten, Jamal nicht, Emma nicht, die Bäckerleute nicht. Auch die Nebenfiguren (der Heimleiter, Malik, Paul) taugen nicht dafür, bleiben Teil eines Ganzen. Insofern wollte ich auch kein Mitleid erzeugen, Jamals wird zum Opfer, die anderen könnte es aber ebenso treffen, eine Banalität, die aber der Realität gerechter wird, als konstruierte „Gutmenschengeschichten“.
Ich weiß, das ist Meckern auf hohem Niveau, wie gesagt, ich finde die Geschichte auch gut, aber ich fände sie noch besser, wenn sie mir noch realistischer vorkäme im Bezug auf Jamal, und mir gefällt diese Opferrolle nicht, in die du ihn steckst, diese vermeindliche Ausweglosigkeit, die keine ist, mit der der Text dann (moralisch) zu begründen versucht, weswegen jemand so etwas tut.
Ich finde, dass es mehrere Opfer gibt (auch Emma ist ja eins)

Mir fehlt hier ein wenig der ausgleichende Part, die vielen sehr netten Freiwilligen, die auch Deutsche sind, und die von den Flüchtlingen auch wahrgenommen werden. Solche wie die Bäckereiverkäuferin ... ja, gibt es die wirklich? Ich habe noch nie so jemanden getroffen geschweige denn von einem Flüchtling das gehört.
klar, die gibt es, ich kenne viele, die sich wahnsinnig engagieren. Die Aussage der Bäckerfrau habe ich abgemildert, aber solche wie die gibt es, die in der Öffentlichkeit Verschwiegenen, die hinter vorgehaltener Hand noch viel schlimmere Dinge sagen.

Jau, fertig gelesen. Ist eine wirklich gute Geschichte. Ich hab die Vorkommentare nicht gelesen, damit du einen unverwässerten Leseeindruck von mir bekommst. Was mir besonders gefällt, ist, dass man richtig fühlt, dass du recherchiert hast. Das ist toll.
dankeschön, recherchieren war glaube ich sehr wichtig für diese Geschichte
Die meisten der von dir angesprochenen Stellen habe ich geändert, toll, wie genau du den Text gelesen hast!
Sie riecht die abgestandene Luft ihres Traumschweißes im Zimmer, die Pizzareste des gestrigen Abends, den Wein, beseitigt den schalen Geschmack im Mund, indem sie etwas Zahnpasta auf den Zähnen verteilt.
Ich würde das Unterstrichene kicken. Ich weiß, was du damit sagen und zeigen willst, es ist auch natürlich sowas, wo man sich gezwungen fühlt zu denken: Ach schön, ein schönes Bild!, aber - und das ist meine Meinung - mich lenken solche sprachlichen Blendgranaten immer ein wenig vom Text ab, gerade, wenn der Text, die Figuren und der Plot eigentlich stark genug sind, um auf so etwas zu verzichten.
den Einwand, dass ich sprachliche Blendgranaten als Mittel zur Aufmerksamkeitserregung nutze, den habe ich jetzt schon oft gehört, glaube aber nach wie vor, dass ich damit eine erweiterte Bedeutungsebene schaffen kann. Traumschweiß finde ich zum Beispiel unverzichtbar, weil es mehr zeigt als ein schönes Bild. Ich versuche jedoch die Wortverbindungen im Vergleich zu früheren Texten gezielter einzusetzen.

ie Wochenendbereitschaft war ihr gerade recht gekommen, auch wenn sie ausgerechnet Paul zugeteilt bekam, dem sie alles schenkten, die Karriere, das Vertrauen, weil er ein Kerl war.
Das heir ist eine Behauptung, die Prot stellt das auf, aber ich wüsste stattdessen gerne, wie das in Wirklichkeit aussieht. Ein Beispiel, das mir genau das zeigt, was du hier behauptest, anstatt "dem sie alles schenkten, die Karriere, das Vertrauen, weil er ein Kerl war." Ist etwas spitzfindig, aber ich finde, das würde die Szene aufwerten!
ja, verstehe ich, würde aber den Text mMn nutzlos aufblähen

Ein wenig Klischee spüre ich hier aber auch, der stinkendste Jude, der sich an jede ranmacht, das könnte ja direkt aus dem Stürmer kommen. Ich will dir das gar nicht vorwerfen. Muslimischer Antisemitismus, weit verbreitet, das ist es nicht, was in anprangere. Aber ich habe von denen aus dem Kulturraum, die antisemitisch sind, andere Klischees gehört: Zionisten, Besatzer, Faschisten, geheime Weltregierung. Der verführende Jude, das kenne ich bloß aus nationalsozialistischer Propaganda oder deutschem Antisemitismus. Ist nur meine persönlich Einschätzung, ohne Quellen.
mm, erwischt, ich habe die Stelle nicht geändert, aber ich wollte schon die Beziehung andeuten, die es zwischen Nazigedanken und dem Antisemitismus der Araber gibt.

ihre Stimmen gegen die Mauern peitschen
Stimmen peitschen?
ich mag das Bild und Worte, Schreie können peitschen

Finde ich etwas unauthentisch. Wenn ein Fackelzug vor einem Flüchtlingsheim steht holen die doch gleich die Hundertschaft. Das ist doch so ein heißes Thema, da will doch keine Polizeidienststelle einen Fehler machen und morgen in den Schlagzeilen stehen. Ich denke, Polizisten würden das sehr, sehr ernst nehmen. Ich sage das, weil ich an dieser Stelle evtl ein wenig den Autor sehe, der mir zeigen will, wie ausgeliefert Jamal etc. sind, und dass sich wehren eine gute Option wäre.
die Nebenhandlung, vielleicht ist die entbehrlich, muss ich drüber nachdenken, raubt vielleicht den Blick auf das restliche Geschehen, schärft ihn aber auch.

Superkommentar, konnte ich eine Menge mit anfangen, zigga!

Liebe Grüße und einen sonnenentspannten Tag für dich
Isegrims

 

Lieber erdbeerschorsch,

damit das Maß an Aufmerksamkeit, deine Werke von mir bekommsen, wenigstens ein bisschen sichtbar wird.
ein hübsches Komoliment und ich bedanke mich für deinen geschätzten Besuch, die Zeit und die Auseinandersetzung mit dem Text.

die alte Frau hat Angst vor Fremden, das ist per se noch nicht fremdenfeindlich
Die Angst ist nicht fremdenfeindlich, das mag schon sein, aber die Weigerung, demjenigen, vor dem man Angst hat Brötchen zu verkaufen, ist es. Zumal ich Leuten, vor denen ich Angst habe, lieber doch schnell meine Brötchen verkaufen würde, damit sie mich in Ruhe lassen. Und bis dann haben wir noch nicht einmal über Hermann gesprochen ...
die Frage ist aus meiner Sicht eine andere: Was ist Fremdenfeindlichkeit? Geht es da nicht oft um Angst? (Den Dialog habe ich übrigens mittlerweile etwas abgemildert)

Dagegen fänd ich es eben viel wirkungsvoller, wenn die Frau wirklich nur Angst hat, und das zeigt sie irgendwie ungeschickt aus versehen, und daraufhin tickt Jamal aus (Hermann würde ich am liebsten gar nicht auftauchen sehen). Das würde die Sache gleich in zwei Richtungen uneindeutiger machen, einmal wäre die Frau nicht so schlimm und dann wäre auch Jamals Reaktion weniger leicht zu verteidigen.
könnte man so machen, wäre aber sehr impulsiv, ich wollte das Geschehen etwas länger entwickeln.

Im Traumglück
Das war mir nicht gleich verständlich, dass das wirklich ein Traum ist und keine Metapher - also Tagtraumglück. Hat mir den Einstieg etwas erschwert. Ein schwerer Einstieg kann auch etwas für sich haben. Trotzdem frage ich mich, ob das hier wirklich gut platziert ist. Spielt der Traum eine Rolle -
sie ist aus ihren Träumen gerissen worden, dem Glück, das sie dort gefunden hat, Jamal später auch.

Paul ist gerade losgefahren. Du triffst ihn vor Ort.
Fahren die echt einzeln zum Einsatz? Ich dachte, Polizisten wären immer mindestens zu zweit.
habe ich lange darüber nachgedacht, ob das geht, schließlich ist das nicht lehrbuchmäßig, andererseits befinden wir uns auf dem Land und dramaturgisch fand ich es passender

Die Erinnerung an "den Kerl" find ich gut, die zweite mit der Akademie - hm, braucht's vielleicht nicht unbedingt. Zumindest an dieser Stelle vertieft das den Blich auf Emma nicht wesentlich, und es schwächt das Erlebnis mit dem Kerl ab, weil das nicht mehr alleine steht. Das Schreiben des Regierungspräsidiums kannst du bestimmt anderswo unterbringen. Ganz unwesentlich finde ich das nämlich nicht, das wirft schon ein Licht auf die Ansage vom Chef oben.
Falls du dich entschließen solltest, das Schreiben an dieser Stelle rauszunehmen, muss natürlich eigentlich auch der Gegensatz zu Paul weg,
mm, den Einwand verstehe ich gut, mit dem Schreiben schwächt sich die Erinnerung an den Kerl ab, klar, aber dann wäre die Parallele zu Jamal zu offensichtlich, glaube ich

dem sie alles schenkten, die Karriere, das Vertrauen, weil er ein Kerl war
Aber das würde ich, ehrlich gestanden, eh killen ...
weiß nicht, so zeigt sich die angestaute Wut in ihr

Jakob fällt ihm ein, der stinkendste Jude des Viertels
Den stinkendsten Juden find ich auch zu viel. Das ist mir zu effekthascherisch, wo es eigentlich gar nicht drauf ankommt. Jamal fürchtet, dass sich einer an Tamina ranmacht, das ist gleich schlimm, egal wer es ist.
Fraglich ist mir dabei übrigens auch, ob Jamals wirklich fürchten muss, dass sein Alles auf jemanden hereinfällt,
ja, das ist plakativ, aber Jamal braucht ein Ventil für seine Wut

Tja, jetzt muss ich langsam erst mal wider Schluss machen. Zwei Dinge hab ich noch:
- Hat Jamal nie vorher versucht, in der Bäckerei Brötchen zu kaufen?
doch, da war die Junge Bäckersfrau da

Wie aus dem nichts so viel wird, und wie man sich fragen kann, inwieweit die jeweiligen Enttäuschungen das Handeln beeinflussen - und ob es an einem andern Tag ganz anders ausgegangen wäre. Ja, also dann sag ich halt wenigstens kurz: Das finde ich gut überlegt und schön schillernd umgesetzt.
schöne Zusammenfassung für das, was ich mich gedacht habe.

In Nacht schicke ich dir Erdbeerweinsehnsuchtsgrüße
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

hat mir gut gefallen, aber … keine Chance beim Maskenball! :lol:

Ich hätte Jamal ja gerne besser kennengelernt. So ein schöner Name! :shy: Bedeutet im Arabischen Schönheit, wie ich gerade gelesen habe. Ganz kurz blitzt auf, was er möglicherweise von Juden und weiblichen Polizisten denkt, cool. Das Verhalten der Bäckersfrau ist schwer nachvollziehbar. Klar, das gibt es, bildet auch den Aufhänger der Geschichte, aber seltsam ist es schon. Ihre Weigerung, Brot zu verkaufen, verursacht so viel Leid.

Zu meinen Wolfstagen wurde verschiedentlich angemerkt, dass die Geschichte aufgrund der Tagesaktualität der Thematik als moralisierend empfunden werden könnte. Das darf frau sich hier bei deiner Geschichte ebenso bewusst machen (aber davon sollte frau sich selbstverständlich nicht vom Schreiben abhalten lassen).

Die Sonnennachtigallen-Paradiesschmetterlinge-traumtänzelnde Emma, die den finalen Rettungsschuss abgibt, interessiert mich eigentlich wenig. Die tumbe Bäckersfrau fände ich viel spannender. Sehr gerne hätte ich auch positive Aspekte ihres Charakters kennengelernt und auch ihr wird die Sache noch jahrelang nachgehen, nicht nur Emma.

An den Kerl, der ihr mit geilem Grinsen sagte, dass er sie nicht mehr treffen könne, es wäre zu kompliziert, auch wegen ihrer Dienste, dabei hatte sie ihn gesehen, Hand in Hand mit einem Püppchen.

Evtl. besser: wegen ihres Jobs oder wegen Ihrer Arbeit oder wegen ihres Schichtdienstes?

Der Mattgoldring, den er ihr geschenkt hat, verblasst, seit sie ihn abgestreift hat.

Ich wüsste nicht so recht, wie ein goldener Ring verblassen könnte. Bei Mattgold ist es so, dass das irgendwann dann auch glänzt, also nicht mehr matt ist.

Tautropfen auf den Blättern des Rhododendronstrauches

Evtl. wegen der vielen Silben nur Rhododendron, ohne Strauch?

Die Brötchen der Dorfbäckerei schmecken nach Heimat

Fällt mir schwer zu glauben. Gab es in seiner Heimat nicht eher Fladenbrot oder so etwas?

muss niemanden anlächeln, der ihm ein[en] Wolfsblick schenkt
flankiert von zwei Kastanienbäumen mit geschwungenen Zauberwurzeln, die Märchengestalten, Riesen, Zwergen, Eulen, Wölfen [] gleichen

:Pfeif:

Moskitofreie Tropennacht-Grüße
Anne

 

Hallo Chai,
danke dir für den Kommentar. Man läuft natürlich Gefahr die Erwartungen zu enttäuschen, wenn man einen Text schreibt, der ein aktuelles Thema aufgreift. Dennoch finde ich es nötig, allein, um dem Thema Raum zu geben.

Von daher muss ich vielen meiner Vorredner zustimmen, dass die Figuren zu plakativ rüberkommen. Denn die meisten Rassisten, die ich kenne, glauben, dass sie gar keine sind. Die halten sich für weltoffen und sagen Sätze wie:"Ich bin ja nun weiß Gott kein Nazi, aber ..."
ich wollte keine Geschichte über Rassisten schreiben, selbst die Bäckersleute empfinden sich nicht als solche, ich wollte einen Teil der Wirklichkeit abbilden, habe ja auch eine reale Begebenheit als Grundlage genommen. Den Satz: ich bin ja keine Nazi, aber… den merke ich mir, den kann ich bei anderer Gelegenheit verwenden.

Ein Kollege hat mir mal erzählt, dass seine Freundin Angst vor Ausländern hätte, und er sagte ihr, dass bräuchte sie nicht, das wären viel bessere Menschen als wir. Hä?
mm, das ist dieses verquaste Gutemenschengegurke, um eigene Vorbehalte zu verschleiern.

So ist mir das zu offensichtlich auf gut und böse getrimmt. Ihr seid alle so gemein, deshalb jag ich euch jetzt den Laden in die Luft, mal so grob umrissen.
Wäre es nicht realistischer, auch die Traumatisierung des Flüchtlings mehr in den Focus zu rücken, den ganzen Scheiß, den er verarbeiten muss und niemand hilft ihm dabei. Und dann tut es vielleicht doch einer, und der entpuppt sich dann doch als fremdenfeindlich, oder beide, denn Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile sind, denke ich, sicherlich bis zu einem gewissen Grad in beiden Seiten vorhanden.
ich glaube, die Geschichte zeigt schon, mit was Jamal zu kämpfen hat. Die Idee, einen verpuppten Fremdenfeind zu zeigen, mag ich, passt aber nicht in den Plot.

Mir fehlt hier ein wirklicher innerer Konflikt, der findet für mich nur äußerlich statt.
mm, ich glaube schon, dass ich den inneren Konflikt von Jamal und Emma zeige. Aber eben auch, dass manche Dinge einfach geschehen, Eigendynamik entwickeln.

Gut fand ich die Darstellung der beiden Welten von der Polizistin und dem Flüchtling. Dass sie beide von etwas träumen, das sie nicht sein können. Das hat mir sehr gut gefallen. Aber durch diese Szene in der Bäckerei hat die Geschichte für mich an Kraft verloren, sorry.
muss ich drüber nachdenken, warum, sozusagen jeder, der den Text kommentiert, bei der Szene in der Bäckerei hängenbleibt, vielleicht treffe ich da einen wunden Punkt, etwas, das wir nicht wahrnehmen wollen.

Viele Grüße und einen entpsannten Sonnensonntagsausklang für dich
Isegrims

 

Hallo Anne49,

vielen Dank für deine Anmerkungen, die Zeit und die Hinweise, die ich gut gebrauchen konnte.

hat mir gut gefallen, aber … keine Chance beim Maskenball!
ja, der Maskenball, da wage ich mich nicht ran.:Pfeif:

Ich hätte Jamal ja gerne besser kennengelernt. So ein schöner Name! Bedeutet im Arabischen Schönheit, wie ich gerade gelesen habe.
ich finde den Namen auch sehr schön, auch Jamila ist ein toller Name (gibt einen wunderbaren Roman von Tschingis Aitmatov: Djamila).

Das Verhalten der Bäckersfrau ist schwer nachvollziehbar. Klar, das gibt es, bildet auch den Aufhänger der Geschichte, aber seltsam ist es schon. Ihre Weigerung, Brot zu verkaufen, verursacht so viel Leid.
vielleicht hätte sie auch einem Reichsbürgerdeutschen, den sie nicht kennt, kein Brot verkauft, wofür gibt es schließlich Öffnungszeiten:hmm:

Die Sonnennachtigallen-Paradiesschmetterlinge-traumtänzelnde Emma, die den finalen Rettungsschuss abgibt, interessiert mich eigentlich wenig.
mm, die Figur habe ich versucht, sorgsam zu entwickeln

Die tumbe Bäckersfrau fände ich viel spannender. Sehr gerne hätte ich auch positive Aspekte ihres Charakters kennengelernt und auch ihr wird die Sache noch jahrelang nachgehen, nicht nur Emma.
sie wird vielleicht am ehesten aus dem Geschehen lernen.

Der Mattgoldring, den er ihr geschenkt hat, verblasst, seit sie ihn abgestreift hat.
Ich wüsste nicht so recht, wie ein goldener Ring verblassen könnte. Bei Mattgold ist es so, dass das irgendwann dann auch glänzt, also nicht mehr matt ist.
geändert: Goldring reicht

Die Brötchen der Dorfbäckerei schmecken nach Heimat
Fällt mir schwer zu glauben. Gab es in seiner Heimat nicht eher Fladenbrot oder so etwas?
stimmt natürlich, aber in der Erinnerung unterscheidet er nicht

Liebe Ich-geh-bald-ins-Schwimmbad-Sonnengrüße
Isegrims

 

Einerseits habe ich den Text gründlich überarbeitet (möchte ihn gerne außerhalb des Internets veröffentlichen), andererseits wollte ich die neue Wortkriegerumgebung ausprobieren, deshalb der Kommentar.

 

Hallo Isa,
was sich da zwischen den Träumen Emmas und Jamals – hie Aufstieg in der Behörde und dort Ankunft in einem fremden Land und Teilhabe am ganz normalen Leben daselsbt – und handele es sich um drei Brötchen – stellstu m. E. gut dar. Hier also, was Du unbedingt korrigieren musst!

Die Häuserfluchten scheinen am Himmel zu festzukleben.
Da hastu ursprünglich an ein schlichtes „zu kleben“ gedacht.

..., spürt Wellen, die a[n] einem Kreuzfahrtschiff anbranden.

Sie betrachtet die Augen ihres Vaters, glaubt, auf der Regenbogenhaut ihres Vaters die Korallen- und Fischwelt zu erkennen. die unter einem Kreuzfahrtschiff vorbeigleitet.
Warum zwomal „ihres“ Vaters – könnte es die Regenbogenhaut einer anderen Person sein?
Direkt der Vergleich von Mutter und Behörde ist dagegen okay ...

Sie greift es sich und öffnet die Augen einen Spalt weit, …
Warum das Reflexivpronomen, als wären da nicht schon genug Pronomen? Es besteht doch keine Gefahr, dass „sie“ mit einer anderen 3. Person singular verwechselt werden kann ...

Während Emma mit ihrem Chef, dem Polizeihauptmeister Scholz, telefoniert, …
Es ist nett, dass der Chef einen Namen trägt – ist ja auch kein Fehler - aber trägt er außer seiner beruflichen Rolle eine weitere im Geschehen?

Seit er hier angekommen ist, wartet er auf seine Braut, sein Alles.
Hm, da ist die Redewendung „sein Ein und Alles“ genauer, weil sie in seinen Augen „sein“ Besitz ist und alles, was er sonst noch hat, in seiner Braut aufleuchtet.

Flüchtigkeiten

..., trafen ihn wie ein Steinhagel,[...]der vom Himmel fällt.

„Es reicht, so geht es nicht so weiter.
So, so ...

Keine Spur von der jungen Frau mit dem Blumengesicht, auf die er sich gefreut hat, die ihn bei seinem letzten Besuch bedient hat.
2 x hat? Eines lässt sich doch bestimmt vermeiden ...

Er zeigt auf die Auslage, während die alte Frau an ihm vorbei schaut, die Arme verschränkt.
„vorbeischauen“

Eine Tür öffnet sich, Backstubenduft weht in den Laden.[...]Hermann trägt weiß, ---

... Augen, die ihn beobachten.[...]Jamal zieht die Jacke fest

Er schließt die Augen, schließt die Augen, spürt, wie ---
Warum 2 x?

Er schlägt gegen die Ladentür, ruft[,] presst die Kehllaute seiner Heimat aus sich heraus, schreit.

..., fühlt sich befreit, stark, als hätte er lange auf diesen Moment gewartet.

... hin zu dem blutenden Paul, der sich plötzlich aufrichtet, die Beine des Mannes mit einer Hand umfasst …
ein Bein, ja, aber beide?

Emma kennt das weitere Drehbuch nicht, spürt Jamals verlöschenden Blick auf ihr lasten, …
„spürt … auf sich lasten“

Jetzt abe ab in die Falle

Gut Nacht!

Friedel

 

Lieber Friedel,

entschuldige die späte Antwort. Ich habe den Text mittlerweile gründlich überarbeitet, gekürzt und an einigen Stellen, wie ich hoffe, verdichtet, zum Beispiel die Dialoge, damit der Leser weiß, wer spricht.

was sich da zwischen den Träumen Emmas und Jamals – hie Aufstieg in der Behörde und dort Ankunft in einem fremden Land und Teilhabe am ganz normalen Leben daselsbt – und handele es sich um drei Brötchen – stellstu m. E. gut dar.
:Pfeif:

Hier also, was Du unbedingt korrigieren musst!
deine Anmerkungen habe ich durchgehend umgesetzt, vielen Dank.

viele Sommersonnenswimmingpoolgrüße
Isegrims

 

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