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Karriereknick

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19.05.2006
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Karriereknick

Im einzigen Café meines Heimatortes gab es in den Achtzigern einen Rallye-Klub, der zweimal im Monat illegale Autorennen veranstaltete. Kurz vor meinem zwanzigsten Geburtstag lernte ich dort Schurli kennen. Er war ein paar Jahre älter als ich und immer knapp bei Kasse. Das war, neben seiner Autoleidenschaft, unser größter gemeinsamer Nenner. Wir wurden rasch Freunde. Von seinem verstorbenen Vater hatte Schurli ein kleines Grundstück geerbt, auf dem er einen vergammelten Schrottplatz betrieb. Ständig rauchte er. Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand waren dunkelbraun verfärbt. Schurli bohrte gerne in der Nase, und wenn er sich unbeobachtet fühlte, wischte er den Rotz an seiner Hose ab. Am wohlsten fühlte er sich in der öligen Montiergrube am Schrottplatz. Dort schraubte er den ganzen Tag an rostigen Autos herum, immer hatte er Dreck unter den Fingernägeln, immer roch er nach Benzin.
Ebenso wie ich, war Schurli ein begeisterter Rallyefahrer. Wir fuhren mit unseren auffrisierten Kübeln jedes Rennen, das vom Klub veranstaltet wurde. Häufig gab es Blechschäden und technische Defekte. Das ging immer mehr ins Geld, bald stand uns das Wasser bis zum Hals.
An einem schwülen Julitag besuchte ich unser Klub-Café. Einer der wenigen anwesenden Gäste war Schurli. Er saß im Garten unter einem Sonnenschirm und rauchte eine Zigarette. Alles an ihm wirkte entspannt. Über die Ränder seiner verspiegelten Sonnenbrille linste er mich freundlich an. „Wie läuft's, Amigo?“ Genussvoll schmatzend nahm er einen Schluck Bier.
„Scheiße“, stieß ich hervor und setzte mich ihm gegenüber. „Die Bank gibt mir keine Kohle mehr. Hab zu viel überzogen.“
Schurli stieß ein paar Rauchringe aus und zuckte mit den Schultern. „Geht mir nicht anders. Ist immer dasselbe, was?“
Ich nickte. Der Kellner kam und nahm meine Bestellung auf. Nachdem er gegangen war, beugte sich Schurli etwas vor und sagte leise: „Vielleicht wüsste ich eine Lösung für unser Problem ... wenn ...“, er blickte sich lauernd um, „wenn du mal auf deinen Job vergisst und kein Hosenscheißer bist.“
Ich wurde hellhörig. „Spuck‘s aus!“
Er sah mich triumphierend an. „Was meinst du, wo ich die breiten Alufelgen für meinen Volvo herhabe?“
Ich schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung.“
Schurli lehnte sich zurück, zündete sich genüsslich eine neue Zigarette an und inhalierte tief. „Hab ich mir vorige Woche besorgt.“ Er blies einen Rauchring. „Hat nur zehn Minuten Angst gekostet.“
Für einen Moment starrte mich mein verblüfftes Spiegelbild aus seinen Brillengläsern an, dann verstand ich. Eine nie gekannte Gier überschwemmte mich, drängte alle Bedenken zurück. „Meine Reifen sind komplett hinüber“, sagte ich leise. „Und die Überprüfungsvignette ist seit zwei Monaten abgelaufen.“
Schurli zwinkerte gönnerhaft. „Am Donnerstag zieh‘ ich die nächste Nummer ab. Wenn du willst, komm mit. Was wir nicht brauchen können, verkauf‘ ich am Schrottplatz.“ Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. „Die Kohle teilen wir.“
„O.K.“, sagte ich hastig. „Treffen wir uns Donnerstagabend im Moststüberl?“
Schurli nickte, warf einen Blick auf seine Armbanduhr und winkte den Kellner heran. „Die Rechnung geht auf mich.“ Er zahlte, stand auf und rückte seine modische Sonnenbrille zurecht. „Also bis dann, hab heut‘ noch was Wichtiges zu erledigen.“ Grinsend schob er die Daumenspitze zwischen Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand hin und her.
***
Am Donnerstag, gegen Mitternacht, zogen wir los. Schurli schlug vor, seinen Wagen zu nehmen. Der vergammelte Volvo stank nach kaltem Rauch, die Sitze waren ölverschmiert und grau von Zigarettenasche. Werkzeug, Plastiktüten und leere Bierdosen lagen im Fahrzeuginneren herum.
Schurli startete die Kiste, mit quietschenden Reifen fuhren wir los. Nach dem heftigen Regen der letzten Nacht, war es den ganzen Tag über heiß und stickig gewesen. Ich kurbelte das Fenster herunter, lehnte mich zurück und ließ mir den kühlen Fahrtwind ins Gesicht blasen. Es kam mir seltsam vor, dass ich überhaupt keine Angst verspürte. Nicht einmal Nervosität. Stattdessen machte sich ein erwartungsvolles, geradezu freudiges Gefühl in mir breit. Ich spürte etwas Neues, Aufregendes auf mich zukommen, etwas, das ich nicht kannte und dessen Reiz so groß war, dass ich darüber alles andere vergaß. Mit jedem Kilometer, den wir durch die Nacht fuhren, steigerte sich dieses Empfinden. Ich konnte es kaum noch erwarten, anzufangen.
Übermütig stieß ich Schurli mit dem Ellbogen an, grinste und rieb mir die Hände. Er feixte zurück, wir verstanden einander wortlos, lagen auf der selben Wellenlänge. In diesem Moment hätte kein Blatt Papier zwischen uns gepasst.
Ein Gebrauchtwagenhändler am Stadtrand Wiens war unser erstes Opfer. Wir stiegen aus und überprüften die Sachlage. Das Firmengebäude lag stockfinster da, eine Straßenlaterne warf mattes Licht auf den offenen Autoabstellplatz. Gelegentlich huschten die Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos die Glasfront des Gebäudes entlang, wir duckten uns, um nicht gesehen zu werden. Das angrenzende Gelände war unverbaut und wurde landwirtschaftlich genutzt, die schwüle Luft roch nach Getreide und feuchter Erde. In einiger Entfernung quakte eine Froschkolonie um die Wette. Ansonsten war es völlig ruhig.
Wir fingen sofort an. Von einem weißen Ford nahmen wir mit Hilfe zweier Wagenheber alle vier Alu-Räder ab, es folgten beide Außenspiegel und die Breitstrahler. Innerhalb weniger Minuten lag der geplünderte Wagen auf seiner Bodenplatte. Das Auto gleich daneben hatte eine gültige Überprüfungsvignette an der Windschutzscheibe. Schurli zog eine Rasierklinge hervor und entfernte die Folie fachmännisch. Grinsend hielt er sie mir entgegen. „Die Überprüfung Ihres Fahrzeugs ergab keinerlei Mängel. Hier ist Ihre neue Vignette.“ Erleichtert klebte ich sie auf die Innenseite meiner Zigarettenschachtel.
„Eigentlich sollten wir hier gleich volltanken“, sagte Schurli. Aus dem Kofferraum seines Volvos holte er eine Handpumpe und einen Plastikkanister. Er öffnete den Tankverschluss eines der abgestellten Autos und führte den Pumpenschlauch ein. Dann drückte er mehrere Male auf den Balg und schon floss Benzin. Schurli füllte den Sprit in den Tank seines Volvos, wir grinsten uns an und begannen wie verrückt zu lachen. Alles ging so einfach.
Wir plünderten noch ein paar weitere Autos, dann machten wir uns auf den Heimweg. Es war so gegen drei Uhr früh.
Auf halber Strecke bog Schurli völlig überraschend in eine Hauseinfahrt, die in einen mit Efeu bewachsenen Innenhof mündete. An einer Feuermauer lehnte ein verrosteter Kleinbus ohne Bereifung. Er stand etwas wackelig auf Ziegelsteinen aufgebockt und trug keine Nummernschilder.
„Heiße Ware immer abkühlen lassen“, sagte Schurli. „Das Haus gehört meinem Onkel und ist schon lange unbewohnt. Lass uns hier alles umladen und ein paar Tage zuwarten. Es läuft uns nichts davon.“ Er warf mir einen verschmitzten Blick zu. „Du vertraust mir doch?“
Ich nickte. Schurli und ich stiegen aus und luden die Beute in den Kleinbus. Dann machten wir uns endgültig auf den Heimweg.
In einer stillen Seitengasse bremste Schurli plötzlich scharf und hielt an. „Siehst du diese Weitstrahler?“ Er wies auf den rechten Straßenrand. Zwischen zwei Kastanienbäumen stand ein weißer Audi mit riesigen Zusatzscheinwerfern.
Ich sah auf die Uhr. Es war gegen vier, der Morgen begann bereits zu dämmern. „Ach was, scheiß auf die Töpfe“, sagte ich. „Wir haben genug für heute. Lass uns nach Hause fahren. Ich bin hundemüde.“ Demonstrativ fuhr ich mit dem Sitz zurück, legte meine Beine auf das Armaturenbrett, verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Augen.
“He, das sind große Weitstrahler!“ Er ließ nicht locker. „So was klaut man nicht an jeder Ecke.“
Bevor ich etwas sagen konnte, stellte er den Wagen ab und stieg aus. Ich blickte mich gründlich um. Der weiße Audi parkte vor einem niedrigen Häuschen mit rostigem Eisenzaun. Es wirkte unbewohnt. An einigen Stellen blätterte der Mauerputz, die Garageneinfahrt war von Gras überwuchert.
Auf der anderen Seite der Straße gab es mehrstöckige Wohnblocks. In einigen Fenstern brannte Licht.
Ich ging zu Schurli, der schon vor dem Audi kniete. „Der Platz ist nicht günstig“, sagte ich. „Lassen wir es besser sein.“
„Ach was“, flüsterte er. Mit einer Kombizange kappte er die Stromkabel knapp unter der Stoßstange und schob die Enden hinter das Frontblech zurück. „Ich brauch zwei 17er Gabelschlüssel. In fünf Minuten sind wir weg.“
„Ich ... ich weiß nicht so recht.“
„Komm jetzt, scheiß dich nicht an“, zischte er. „Die zwei Töpfe lass‘ ich nicht liegen. Nachher ist Schluss für heute.“ Er hob seine beiden Nikotinfinger. „Ich schwöre es.“
Widerwillig ging ich zum Wagen und fischte die Schlüssel aus dem Kofferraum. Schurli war ein Profi. Blitzschnell montierte er die Scheinwerfer ab und versteckte sie unter den Vordersitzen seines Volvos. „So“, meinte er zufrieden. „Und jetzt lass uns abhauen.“ Im selben Moment hörten wir das Geräusch eines rasch näher kommenden Autos.
„Nur jetzt keine Bullen“, stieß Schurli hervor. „Wir tun sicherheitshalber so, als müssten wir pinkeln!“
Rasch trat ich zu einem der Kastanienbäume und holte meinen Schwanz raus. Wenige Sekunden später tauchte am Ende der Gasse ein Streifenwagen auf. Er kam gegen die Einbahn gefahren und blieb mit quietschenden Reifen neben mir stehen. Das Blaulicht lief an, links und rechts sprang ein Polizist aus dem Wagen.
„Was tun Sie hier“, rief der jüngere, während er seine Kappe aufsetzte. „Weisen Sie sich aus!“ Er trug nur einen einzelnen, schmalen Silberstreifen auf seinem Revers, war also noch ein provisorischer Inspektor mit Zeitvertrag. Genau wie ich selbst.
„Wir wollten mal pinkeln“, sagte ich und schloss demonstrativ meinen Hosenschlitz. „Wo liegt das Problem?“
„Die Fragen stellen wir“, sagte der ältere und ranghöhere Beamte. „Zeigen Sie mir Ihre Papiere." Er wandte sich an Schurli, der pinkelnd unter dem anderen Kastanienbaum stand. „Sie auch!“
Wir holten unsere Ausweise hervor. „Worum geht es denn überhaupt?“, wiederholte ich und zeigte dem jüngeren, wie beiläufig, meinen Dienstausweis. Er blickte mich verblüfft von oben bis unten an. „Du bist, ... ich meine, Sie sind, ... ein Polizist?“ Der junge Beamte warf einen Blick zu seinem Kollegen. „Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr.“
Er kratzte sich nachdenklich am Kopf und zeigte unsere Ausweise dem älteren Kollegen. Der warf nur einen kurzen Blick darauf, nahm wortlos eine Taschenlampe aus dem Streifenwagen und begann die parkenden Autos zu untersuchen. Mit hochgezogenen Schultern blickte ich den jüngeren Polizisten an. „Was ist los, Kollege?“
Er senkte den Blick zu Boden. „Wir wurden anonym verständigt, dass hier Autoeinbrecher am Werk sind.“ Seine Stimme klang unsicher.
„So ein Blödsinn“, sagte ich rasch. „Da konnte wieder jemand nicht schlafen und hat Geister gesehen. So etwas erlebe ich in jedem zweiten Nachtdienst.“ Der junge Inspektor grinste, er war schon halb auf unserer Seite. Dennoch läuteten meine inneren Alarmglocken Sturm. Ich wusste, der anonyme Anrufer konnte jederzeit auf der Bildfläche erscheinen und alles zunichtemachen. Bei dem Gedanken wurde mir heiß, meine Hände begannen zu schwitzen. Der ranghöhere Beamte leuchtete mit seiner Taschenlampe in unser Auto. Er wandte sich an Schurli. „Was machen Sie mit dem Werkzeug, das überall herumliegt?“
„Ich betreibe in Niederösterreich einen Schrottplatz“, sagte Schurli lächelnd. „In meinem Wagen sieht es immer so aus.“ Er zündete sich eine Zigarette an und blies einen dicken Rauchring. Wo hatte er nur diese Ruhe her?
„Öffnen Sie den Kofferraum“, sagte der ältere Polizist. Schurli zögerte keine Sekunde. Der Beamte leuchtete in den schmutzigen Kofferraum. Außer Müll, dem leeren Plastikkanister und schmutzigem Werkzeug gab es nichts zu sehen. Er drehte sich angewidert weg.
Schurli grinste ihn frech an, mir hingegen klopfte das Herz bis zum Hals. Bemüht um einen ruhigen Tonfall sagte ich zu dem Beamten mit der Taschenlampe: „Wir sind sehr müde, Herr Kollege und würden jetzt gerne nach Hause fahren.“
Ich hatte das Wort Kollege besonders betont. Der Ältere knipste die Taschenlampe aus und suchte meinen Blick. „Bei einem solchen Verdacht müssen wir uns schon etwas genauer umsehen. Gerade Sie, als Kollege, sollten das wissen.“
Ich nickte, tat einsichtig und schwieg.
Erst jetzt nahm er meinen Dienstausweis genauer unter die Lupe, brauchte alle Zeit der Welt dafür. Ich stand wie auf Nadeln, unentwegt schrie meine innere Stimme: Nur weg von hier! So schnell wie möglich, weg von hier!
Endlich nahm er seine Lesebrille ab und verstaute sie umständlich in einem Etui. „Meinetwegen können Sie weiterfahren“, sagte er. „Der Anrufer ist nicht hier, keines der umstehenden Autos scheint beschädigt zu sein.“ Er steckte das Brillenetui in seine Brusttasche und gab uns die Ausweise zurück.
Geschafft! Mit feuchten Händen steckte ich meinen Dienstausweis ein.
Der ältere Beamte nahm seine Kappe ab, strich sich das Haar zurück und lächelte zum ersten Mal. Er setzte sie wieder auf und blickte zu seinem Begleiter. „Lass uns hier abhauen, Karl. Aber melde es vorher der Zentrale.“
Noch eine Verzögerung. Mir schlief das Gesicht ein.
Sein jüngerer Kollege ging zum Streifenwagen und schaltete das Blaulicht ab. Dann teilte er dem Kommissariat über Funk das Ende des Einsatzes mit. Schurli und ich verabschiedeten uns, die beiden tippten grüßend an ihren Kappenrand und ich stieg in den Volvo. Gerade als Schurli die Fahrertüre öffnen wollte, kam aus dem verwahrlosten Einfamilienhaus ein alter Mann in einem zerschlissenen Bademantel zum Gartentor gelaufen. Er war völlig atemlos und zitterte am ganzen Körper. Seine weißen Haare standen ungekämmt in alle Richtungen. „Aufhalten, aufhalten!“, kreischte er. „Ihr lasst sie ja wieder laufen!“ Er zeigte auf Schurli und mich. „Das sind die beiden Gauner. Ich hab sie genau beobachtet.“
Für einen Moment war es völlig still. Niemand sagte ein Wort. Nur das nächtliche Zirpen der Grillen war zu hören. Der Polizist mit der Taschenlampe sah mich für einen Moment verständnislos an, dann wurde sein Gesichtsausdruck steinhart. „Karl, sieh dir sofort nochmal ihren Wagen an.“ Er legte seine rechte Hand auf die Pistolentasche und ließ uns keine Sekunde aus den Augen.
Sein jüngerer Kollege wurde rasch fündig. Der Besitzer des Audis wurde vom Kommissariat ermittelt, kurze Zeit später erschien er am Tatort und bestätigte das Fehlen der Weitstrahler. Wir wurden sofort festgenommen und auf das Kommissariat gebracht. Dort warfen sie uns, voneinander getrennt, in muffige Arrestzellen.
Bereits am frühen Vormittag erhielt ich Besuch von einem Wachzimmerkollegen. Er kam in Begleitung eines Kriminalbeamten und brachte das Formular für den freiwilligen Austritt von der Sicherheitswache mit. Es war bereits ausgefüllt, nur meine Unterschrift fehlte noch. Mir blieb keine Wahl, einzige Alternative wäre die fristlose Entlassung gewesen. Ich konnte spüren, wie peinlich meinem Kollegen die Situation war. Er schüttelte den Kopf. „War das wirklich notwendig?“
Ich blickte zu Boden, zuckte mit den Schultern und schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen? Der Kriminalbeamte hielt mir ungeduldig seinen Kugelschreiber hin. Rasch nahm ich das Formular und unterschrieb. Dann ließ ich mich wortlos auf das schmuddelige Bett fallen und drehte mein Gesicht zur Wand. Mein Kollege wartete noch einen Moment, dann verließ er grußlos die Arrestzelle.
Wir wurden stundenlang einvernommen, aber Schurli und ich hielten dicht. Vom rostigen Kleinbus im begrünten Innenhof verrieten wir kein Wort, auch die Überprüfungsvignette an der Innenseite meiner Zigarettenschachtel überstand alles unentdeckt. Was blieb, waren die verdammten Weitstrahler.
Am späten Nachmittag unterschrieben wir das Geständnis, kurz danach erfolgte unsere Entlassung aus dem Arrest.
Als ich vor das Kommissariat trat, regnete es in Strömen. In meiner rechten Hand trug ich eine abgewetzte Plastiktüte, in der sich der Inhalt meines Wachzimmerspinds befand. Ich hielt sie mir schützend über den Kopf, während ich auf den Bus wartete.

 

Hallo Manuela,
das ist eine handwerklich tadellose Geschichte und sie gefällt mir überwiegend gut. Der erste Teil klingt, als komme ein ziemlich buntes roadmovie, die beiden Prots sind sehr lebendig und deine knappen, präzisen Beschreibungen der Orte haben mich gut mitgenommen auf die nächtliche Reise.
Für mich kippt das Ganze, als der Polizist sagt: "wir haben einen anonymen Hinweis bekommen." Ab da wird es irgendwie hölzern und kriegt sowas belehrendes. Die Dialoge erscheinen gestelzt, ich glaube nicht, dass Beamte so viel verraten oder sich quasi rechtfertigen für ihren Einsatz.
Das Ende mit der (wohlverdienten) Strafe und dem Karriereverlust ist mir fast schon zu vorhersehbar und platt, da war es auch keine wirkliche Überraschung, dass der eine Prot selbst Polizist war. Indgesamt wirkt es dann ein bisschen wie ein Lehrstück für Kids, mit erhobenem Zeigefinger.
Schade, denn ich finde, dass du sehr pointiert und interessant erzählst; bin gespannt, was die anderen dazu sagen.
LG,
Jutta

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Jutta!

Vielen Dank für Lesung und Kommentar. :) Wenn du sagst, dir hätte die Geschichte überwiegend gefallen, auch handwerklich, dann freut mich das natürlich besonders.

Für mich kippt das Ganze, als der Polizist sagt: "wir haben einen anonymen Hinweis bekommen." Ab da wird es irgendwie hölzern und kriegt sowas belehrendes. Die Dialoge erscheinen gestelzt, ich glaube nicht, dass Beamte so viel verraten oder sich quasi rechtfertigen für ihren Einsatz.

Ich verstehe, was du meinst. Allerdings gibt es nur diese eine Info. Der ältere lässt sich auch vom Dienstausweis nicht beeindrucken. Und dann weiß der junge Beamte ja, dass es sich bei seinem vis a vis um einen Polizisten handelt. Da gelten schon andere Regeln. ;)
Außerdem werden die beiden ja nicht in flagranti ertappt. Wie oft rufen Verrückte am Wachzimmer an, und erzählen Schauergeschichten.

Den Schluss meiner Geschichte schaue ich mir gerne nochmals an.

... bin gespannt, was die anderen dazu sagen.

Ich auch!:D

Nochmals ein Dankeschön,
netten Gruß,
Manuela :)

 

Hallo Manuela,
ja, so bleibt der Lesefluss besser erhalten. Am Ende würde ich noch einiges straffen, z.B.:
In Handschellen brachten sie uns in das (zuständige) Wachzimmer...

Ich zuckte (resignativ) mit den Schultern

...und brachte das bereits ausgefüllte (amtliche) Formular für den...

...regnete es in Strömen. Außer der abgewetzten Plastiktüte mit den Sachen aus meinem Spind war mir nichts geblieben. (Den Satz mit dem Kollegen, der es hinterlegt hat, würde ich streichen, spielt keine Rolle. Ebenso den ersten
Teil des letzten Satzes, da du ja schon gesagt hast, dass es regnet)

Ich hielt sie schützend über meinen Kopf, während ich auf den Bus wartete.
(Könnte der letzte Satz sein)

LG,
Jutta

 

Mensch, Jutta, Danke, dass du nochmals vorbeigeschaut hast. Hab nahezu alle Vorschläge übernommen. ;)

Merci, Manuela :)

 

Hallo Manuela,

hätte dich fast durch deine Namenszusammenstreichung nicht erkannt. Aber wo österreichisch geredet wird, schau' ich genauer hin. Und darum entkommst du mir auch diesmal nicht.

M.A.S.C

ist nur eine Kleinigkeit, aber auch nach dem C gehört ein Punkt, diesen Fehler wiederholst du ein paar Zeilen tiefer.

Das war, neben der Autoleidenschaft, unser größter gemeinsamer Nenner.

Beide Beistriche sind nicht vonnöten.

Wir fuhren rasch aufeinander ab.

Mit diesen Satz stimmt etwas nicht. So, wie du ihn gebrauchst, vermute ich eher eine aufkeimende intime Beziehung. Du meinst aber wohl eher so etwas wie: Wir schwangen auf einer Welle:

Das ging immer mehr ins Geld, bald wussten wir nicht mehr ein und aus, vor finanziellen Problemen.

Wie wär's so: Das ging immer mehr ins Geld. Bald wussten wir nicht mehr ein und aus vor finanziellen Problemen.

„Was läuft ab, Amigo?“

Nein, nein, glaub' ich dir nicht. Entweder "Wie läuft's, Amigo?" oder "Was geht ab, Amigo?"

Am Donnerstag, gegen Mitternacht, zogen wir los.

Wieder sind beide Beistriche kein Muss.

Diebstour

Da bin ich mir, ehrlich gesagt, nicht ganz sicher, ob diese saloppe Kurzform "Diebstour" überhaupt rechtens ist. Aber selbst wenn, den Teil "Diebs" kombinierst du sehr häufig mit anderen Worten, zu häufig. Da fallen dir sicher noch andere Wörter ein.

Soweit meine kleine Textarbeit. Zur Geschichte an sich: Durchaus stimmiges Portrait einer überall existierenden Randkultur. Die kleinen Gauner mit den besten Absichten, egal aus welcher Gesellschafts- oder Berufsschicht, irgendwie immer cool, doch letztendlich nur auf der Suche nach dem Kick, ohne Konsequenzen zu bedenken. Wie schon Jutta Ouwens sagte, lebendige Protagonisten zum Angreifen.
Nichts desto Trotz stockt es für mich ab Seite 3 ein wenig. Da ganz plötzlich ein gewaltiger Abfall des Mutes des Erzählers, gut - vielleicht eine Ahnung. Dann hören sie das Geräusch eines Autos und gehen pinkeln anstatt ihr Heil in der Flucht zu suchen. Na ja, wie auch immer - letztendlich sind die Polizisten da und da ja der Erzähler selbst Polizist ist, sollte er doch eigentlich wissen, wie es ab jetzt läuft und im Normalfall hat er sicher den einen oder anderen Trumpf im Ärmel, um seine Kollegen angemessen zu beruhigen und selber mit einem Schreck davonzukommen.
Aber gut - er will halt gefangen werden. In Österreich kann das schon mal vorkommen, sonst hätten wir weder Adler noch Freud hervorgebracht.

Gefallen hat's mir trotzdem.
lg
lev

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Lev, du treue Seele,
und vielen Dank, dass du dir Zeit für meinen Text genommen hast.

hätte dich fast durch deine Namenszusammenstreichung nicht erkannt. Aber wo österreichisch geredet wird, schau' ich genauer hin. Und darum entkommst du mir auch diesmal nicht.

Und ich hatte schon gehofft, du würdest mich nicht entdecken. :D

ist nur eine Kleinigkeit, aber auch nach dem C gehört ein Punkt, diesen Fehler wiederholst du ein paar Zeilen tiefer.

Merci, wird gleich korrigiert.

Das war, neben der Autoleidenschaft, unser größter gemeinsamer Nenner.

Beide Beistriche sind nicht vonnöten.

Richtig! Aber auch nicht verboten. ;)
In diesem Fall, behalte ich sie zur besseren Abtrennung bei.

Wir fuhren rasch aufeinander ab.
Mit diesen Satz stimmt etwas nicht. So, wie du ihn gebrauchst, vermute ich eher eine aufkeimende intime Beziehung. Du meinst aber wohl eher so etwas wie: Wir schwangen auf einer Welle:

Irgendwie lustig, dass du gerade das anmerkst, anderswo wurde diese sprachliche Pointe, in Bezug auf den vorhergehenden Satz gelobt. ;)

Das ging immer mehr ins Geld, bald wussten wir nicht mehr ein und aus, vor finanziellen Problemen.

Wie wär's so: Das ging immer mehr ins Geld. Bald wussten wir nicht mehr ein und aus vor finanziellen Problemen.


Wär natürlich eine Möglichkeit. Da denke ich noch drüber nach.

„Was läuft ab, Amigo?“

Nein, nein, glaub' ich dir nicht. Entweder "Wie läuft's, Amigo?" oder "Was geht ab, Amigo?"


Ist gebongt. Das übernehme ich gerne.

Am Donnerstag, gegen Mitternacht, zogen wir los.

Wieder sind beide Beistriche kein Muss.


Dito! Siehe oben.

Diebstour

Da bin ich mir, ehrlich gesagt, nicht ganz sicher, ob diese saloppe Kurzform "Diebstour" überhaupt rechtens ist.


rechtens? :confused:
Ist doch ein weit verbreiteter Terminus, mMn.

Edit: Habs grad nochmal gelesen und ein paar "Diebe" entfernt. Merci für den Tipp. ;)

Dann hören sie das Geräusch eines Autos und gehen pinkeln anstatt ihr Heil in der Flucht zu suchen. Na ja, wie auch immer - letztendlich sind die Polizisten da und da ja der Erzähler selbst Polizist ist, sollte er doch eigentlich wissen, wie es ab jetzt läuft und im Normalfall hat er sicher den einen oder anderen Trumpf im Ärmel, um seine Kollegen angemessen zu beruhigen und selber mit einem Schreck davonzukommen.
Aber gut - er will halt gefangen werden. In Österreich kann das schon mal vorkommen, sonst hätten wir weder Adler noch Freud hervorgebracht.

Flucht, ist a priori ein Schuldeingeständnis. Das hätte erst blöd ausgesehen, wenn sie die beiden dann mit Blaulicht eingeholt hätten. So spielten sie die Unschuldslämmer. Außerdem wussten sie ja gar nicht, ob es tatsächlich die Polizei ist.
Der stärkste Trumpf im Ärmel war der Dienstausweis. Deshalb hat er ihn ja auch gezückt. Normalerweise öffnet der alle Türen und verhindert sämtliche Alkoholkontrollen. ;) Was hätte er denn sonst machen können? Mitten in der Nacht und in Zivil. Bin für Vorschläge offen.


Wie schon Jutta Ouwens sagte, lebendige Protagonisten zum Angreifen.
Durchaus stimmiges Portrait einer überall existierenden Randkultur.
Gefallen hat's mir trotzdem.

Trotzdem oder gerade deshalb freut solches natürlich die Verfasserin.

Schönen Gruß ins Zwischenstromland,
schickt Manuela :)

 

Hallo Manuela,

ich fand die Geschichte eigentlich richtig locker und spannend und als sich herausstellte, dass der Prot Polizist ist, rieb ich mir sozusagen die Hände voller Vorfreude auf das, was da noch kommen würde. Ein Undercover Polizist? Irgendein spektakuläres Ende? Und dann verpuffte die Geschichte einfach so, auf eine resignierte und provinzielle Art. Das fand ich echt schade!
Ja, und es hat auch so etwas Moralisierendes: Hände weg vom Eigentum anderer Leute etc.

Ich glaube, das Problem liegt darin, dass man dem Prot ein wenig gleichgültig gegenüber steht.
Wäre er richtig dämlich, hätte das Ganze etwas Komisches an sich und man könnte lachen, wäre er richtig verzweifelt, hätte man Mitleid, so aber denkt man nur „Pech gehabt, selber Schuld.“
Ich hoffe, du verstehst, was ich meine!

Gruß,
Sammamish

 

Liebe Manuela!

Ich hab Deine Geschichte auch sehr gern gelesen, sie ist sehr schön erzählt, die Erzählersprache wirkt ebenso authentisch wie die Beschreibungen der Lokalitäten, besonders gelungen fand ich da den Gebrauchtwagenhändler, der Handlung an sich und ihren Details.

Trotzdem funktioniert sie aber für mich nicht, was daran liegt, daß Du offenbar möglichst lange verschweigen willst, daß der Erzähler selbst Polizist ist. Alles, was bis zu dieser Information wirklich so glaubwürdig wirkte, daß ich mich fragte, ob Du uns hier wohl Jugenderlebnisse schilderst :D, beginnt dann zu schwimmen: Dann frage ich mich etwa, warum er als Polizist so wenig Geld hat, oder warum schaltet er hier nicht:

„Was meinst du, wo ich die breiten Alufelgen für meinen Volvo herhabe?“ Er sah mich triumphierend an. „Und den neuen Sportauspuff.“
„Keine Ahnung. Woher denn?“
Als Polizist ist ihm das doch nicht fremd, da kann er doch nicht so danebenstehen, wenn der Schurli (*g*) ein glattes Geständnis ihm gegenüber ablegt, Freizeit hin oder her: Sein Denken müßte da anders sein. Und als Polizistenverarschung á la Kottan scheint mir die Geschichte auch nicht angelegt zu sein, obwohl diese Stelle gut dazu passen würde. :confused:

„O.K.“, sagte ich verblüffend schnell, alle Bedenken beiseite schiebend.
Wenn sich ein Polizist zu so etwas verleiten läßt, wären gerade seine Bedenken und warum er es dann doch tut, interessant. Würdest Du seinen Beruf nicht möglichst lange geheimhalten wollen, was in meinen Augen wirklich nichts bringt, könntest Du hier ausführlicher werden, und ich denke, dann könnte man auch eher mit ihm mitfiebern, weil man hofft, daß er sich noch besinnt und umkehrt, denn die Folgen, die es für ihn hat, sind jedem klar.

Am Rande hab ich mich auch gefragt, ob die beiden nie über ihre Berufe gesprochen haben - immerhin reden sie ja auch übers Geld. Aber das ist nur ein kleiner Punkt, der untergeht, wenn Du den größeren beseitigst. ;)

Für Textarbeit hab ich grad keine Zeit, aber es war sowieso kaum etwas. Das Einzige, was mich wirklich gestört hat, ist:
"Schurli bohrte gerne in der Nase, wenn er sich unbeobachtet fühlte, wischte er den Rotz an seiner Hose ab."
Da würde ich nach der Nase einen Punkt oder zumindest Strichpunkt machen, weil man es sonst zuerst falsch betont liest (als gehörten Teil 1 + 2 zusammen, statt 2 + 3).

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Sammamish!

Recht schönen Dank für deine Stellungnahme. Schade, dass dir der Schluss nicht gefallen hat, aber wenigstens die ersten beiden Drittel haben dich einigermaßen erreicht.
Als Undercoveragenten könnte ich mir meinen Prot nicht gut vorstellen, auch wenn du dir das so gewünscht hättest. :D
Wegen zweier Hohlköpfe, die ein paar Felgen oder Außenspiegel stehlen, setzt doch keine Behörde Spezialkräfte ein. Nein, ich wollte nur eine Episode zweier junger Männer erzählen, die sich aus Geldmangel zu kriminellen Aktionen hinreißen lassen und dabei erwischt werden.
Vielleicht war das einfach nur zu unspektakulär für deinen Geschmack. ;)

Ja, und es hat auch so etwas Moralisierendes: Hände weg vom Eigentum anderer Leute etc.

Ist das wirklich so falsch?


Und dann verpuffte die Geschichte einfach so, auf eine resignierte und provinzielle Art.

Provinzielle Art? Darunter kann ich mir ehrlich gesagt nicht viel vorstellen.

Ich hoffe, du verstehst, was ich meine!
Ich bemühe mich sehr darum. ;)

Nette Grüße,
Manuela :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Susi!

Danke für deine netten Worte und die kritischen Anmerkungen. :)

... daß ich mich fragte, ob Du uns hier wohl Jugenderlebnisse schilderst

Aber Susi! Ich bin entsetzt, wo du nur hindenkst! :D

Dann frage ich mich etwa, warum er als Polizist so wenig Geld hat, oder warum schaltet er hier nicht:

In den frühen Achtzigerjahren verdiente ein junger Polizist in den ersten beiden Dienstjahren ungefähr 7500,- Schilling netto im Monat. (etwa. 1100 Mark) Das war nicht einmal damals viel wert.
Er schaltet ja. Er braucht nur einige Sekunden dafür. Warum sollte er denn sofort annehmen, sein Freund wäre ein Autoeinbrecher?

… dann könnte man auch eher mit ihm mitfiebern, weil man hofft, daß er sich noch besinnt und umkehrt, denn die Folgen, die es für ihn hat, sind jedem klar.

Negative Folgen hat sowas nur, wenn man erwischt wird. Würden alle Verbrecher davon ausgehen, erwischt zu werden, gäbe es vermutlich keine. Außer Affekttäter. Gerade die leichtsinnige Gedankenlosigkeit wollte ich beschreiben. Devise: Wird schon gut gehen. Und dass er kein Musterpolizist ist, zeigt schon die Tatsache, dass er illegale Autorennen in auffrisierten Kisten fährt.

Am Rande hab ich mich auch gefragt, ob die beiden nie über ihre Berufe gesprochen haben - immerhin reden sie ja auch übers Geld.

Natürlich weiß Schurli, dass sein Freund ein Kieberer ist. Sonst wäre er doch überrascht gewesen, als die Polizisten ihre Ausweise verlangten. Nur dem Leser wird diese Tatsache erst kurz vor der Verhaftung mitgeteilt.

Für Textarbeit hab ich grad keine Zeit, aber es war sowieso kaum etwas.

Wenn du das sagst, wird's wohl stimmen!

Schurli bohrte gerne in der Nase, wenn er sich unbeobachtet fühlte, wischte er den Rotz an seiner Hose ab.

Danke für den guten Hinweis, hab den Satz sofort geteilt.

Merci, und liebe Grüße,
Manuela :)

 

Hallo Manuela,

soll sie doch moralisch sein (was sie zweifelsfrei ist), ich mag die Geschichte auch in ihrer relativen Absehbarkeit und (fast) Katharsis des Protagonisten im Regen. Wobei ich die eingebaute Pointe, daß der Erzähler Polizist ist, unerwartete, also ist eher der Ausgang der Geschichte (es wird böse enden) absehbar gewesen, nicht jedoch der Weg dorthin, so soll es sein :)
Doch, gefällt mir wirklich gut, Du bist dicht an den Charakteren dran, zeigst sie deutlich - besonders gut gefällt es mir ab dem nächtlichen Streifzug - und findest dabei eine gute Balance, um mich als Leser an der Geschichte bleiben zu lassen und sie zu verfolgen.
Allerdings finde ich das Wortspiel des aufeinander abfahrens nicht gut platziert, einmal, weil es falsche Assoziationen weckt (warum das Geschlecht des Prots verheimlichen, wenn es die Geschichte nicht nötig hat ?) und weil es als hintergründiges Wortspiel nicht zum Timbre der Geschichte passt.

Wobei ich das Understatement im Titel sehr gelungen finde.

Textkram :

Die Rallys verliefen auf unbefestigten Forststraßen
Rallyes
An einem schwülen Julitag besuchte ich mit hängendem Kopf unser Klubcafé.
schickes Wort, es illustriert die deutsch-französische Freundschaft in acht Buchstaben :)
Häufig gab es Blechschäden und technische Defekte. Das ging immer mehr ins Geld, bald wussten wir nicht mehr ein und aus, vor finanziellen Problemen.
das letzte Komma würde ich rausnehmen
„Und die Überprüfungsplakette ist voriges Monat abgelaufen.“
das ist nur in Talkshows voll krass amtliches Deutsch ;)

Insgesamt eine gelungene Geschichte, hat mir gut gefallen.

Grüße
C. Seltsem

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo C. Seltsem!

Ich freue mich sehr, dass du zu meinem Text gefunden hast, und ihn auch noch gelungen findest. Ein dickes Dankeschön dafür. :)
Deine Vorschläge habe ich allesamt übernommen. Das aufeinander abfahren hat ja bereits Lev kritisiert, aber ich wollte mich nicht so Recht von dem Passus trennen. Jetzt habe ich diesen Darling gekillt. ;)

Insgesamt eine gelungene Geschichte, hat mir gut gefallen.

Merci, lieber Monsieur Seltsem, um die deutsch-französische Freundschaft nochmals zu strapazieren. ;)

Lieben Gruß,
Manuela :)

 

Hallo Manuela!

Im einzigen Café meines Heimatortes, dem M.A.S.C., gab es in den frühen Achtzigern einen Rallye-Klub, der zweimal im Monat private Autorennen veranstaltete. Die Rallyes verliefen auf unbefestigten Forststraßen, immer bei Nacht. Obwohl sie illegal waren, fanden sie regen Zulauf.
Ich würde diesen ersten Absatz streichen, die Rallyess sind eigentlich unwichtig für die Geschichte, später wird es ohnehin nochmals gesagt
bald wussten wir weder ein noch aus vor finanziellen Problemen
das klingt irgendwie komisch, ich würd einfach schreiben: bald stand uns das Wasser bis zum Hals
An einem schwülen Julitag besuchte ich mit hängendem Kopf unser Klub-Café.
es ist eigenartig: So gut du Schurli darstellst, so unglaubwürdig finde ich den Ich-Erzähler, es sind so kleine Dinge wie hier das "mit hängendem Kopf", es ist einfach ein Buch-Ausdruck, nichts, was der wahrscheinlich wirklich über sich gesagt hätte
Die Bank sagt, es gibt keine Kohle mehr
Die Geschichte spielt in österreich, deswegen finde ich den Ausdruck "Kohle" hier sehr störend, stimmt schon, heutzutage sagt man das bei uns auch schon, aber in den frühen 80ern eher nicht
„Meine Reifen sind komplett hinüber“, flüsterte ich.
hier ist es wieder, "flüstern" wurde nur ein kleiner Junge, die eigenartige Wortwahl verzerrt das Bild deines Ich-Erzählers, es sind nur Kleinigkeiten, die aber ziemliche Wirkung haben
Schurli startete die Kiste, mit quietschenden Reifen fuhren wir los
ich würd "Kübel" nehmen statt "Kiste"
Ich kurbelte das Fenster herunter,
hinunter
Erleichtert klebte ich sie auf die Innenseite meiner Zigarettenschachtel. Das war ja schnell gegangen.
hier wieder, der wirkt so bieder, weil du ihn zuviel kommentieren lässt, ich meine dieses: "Das war ja schnell gegangen", das nimmt auch den Drive aus der Geschichte.
Ich nickte zustimmend. Gleich am nächsten Tag mit der frischen Ware herumzufahren, wäre bestimmt keine kluge Idee gewesen.
auch hier wieder zu kommentierend, ich komm kein Bild von dem Typen zusammen, er gewinnt kein Profil, seine Gedanken wirken angeklebt
Weisen sie sich aus!“
groß: Sie
Wir wollten mal pinkeln“, sagte ich und schloss demonstrativ mein Hosentor.
Hosentürl, Hosenstall, Hosenschlitz, aber "Hosentor" geht einfach nicht, das klingt sehr eigenartig :D
„Zeigen Sie mir Ihre Papiere. Er
Da fehlt ein Anführungszeichen
und alles zunichtemachen
auseinander: zunichte machen
Hitzewallungen stiegen in mir auf,
nur "Hitze" bitte!
Er legte seine rechte Hand auf die Pistolentasche und ließ uns keine Sekunde aus den Augen. Sein jüngerer Kollege wurde rasch fündig. Der Besitzer des Audis wurde vom Kommissariat ermittelt, kurze Zeit
ich würde hier einen Absatz machen: Augen - Absatz - Sein jüngerer Kollege ...

Die großen Pluspunkte der Geschichte sind die Charakterisierung Schurlis, die Vergegenwärtigung der Schauplätze, und die Spannung, die du gekonnt aufbaust. Der Ich-Erzähler bleibt unklar, ich kann trotz des Geldmangels nicht nachvollziehen, wieso er das tut oder was für ein Typ er ist.

Komischerweise ist gerade die Authentizität einerseits die große Stärke, aber auch die große Schwäche der Geschichte. Ich frage mich, warum du diese Geschichte erzählst, sicher, man spürt die Spannung gut, aber es fehlen die Akzentuierungen in der Geschichte, es fehlt das Besondere daran. Was hat dich selbst daran interessiert? Das wäre der Schlüssel, um die notwendigen Akzente zu setzen.

War aber wirklich gut und spannend zu lesen!

Gruß
Andrea :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Andrea!

Jetzt hast du also doch kommentiert. ;)
Recht herzlichen Dank für die Lesung meiner Geschichte und die vielen guten Hinweise. Die meisten habe ich gerne umgesetzt.

Zitat:
Im einzigen Café meines Heimatortes, dem M.A.S.C., gab es in den frühen Achtzigern einen Rallye-Klub, der zweimal im Monat private Autorennen veranstaltete. Die Rallyes verliefen auf unbefestigten Forststraßen, immer bei Nacht. Obwohl sie illegal waren, fanden sie regen Zulauf.

Ich würde diesen ersten Absatz streichen, die Rallyess sind eigentlich unwichtig für die Geschichte, später wird es ohnehin nochmals gesagt

Guter Vorschlag, hab den Absatz wesentlich gekürzt.


Zitat:
bald wussten wir weder ein noch aus vor finanziellen Problemen

das klingt irgendwie komisch, ich würd einfach schreiben: bald stand uns das Wasser bis zum Hals

gebongt!

Zitat:
An einem schwülen Julitag besuchte ich mit hängendem Kopf unser Klub-Café.

es ist eigenartig: So gut du Schurli darstellst, so unglaubwürdig finde ich den Ich-Erzähler, es sind so kleine Dinge wie hier das "mit hängendem Kopf", es ist einfach ein Buch-Ausdruck, nichts, was der wahrscheinlich wirklich über sich gesagt hätte

Dito! jetzt geht er ohne hängenden Kopf ins Café.

Zitat:
Die Bank sagt, es gibt keine Kohle mehr

Die Geschichte spielt in österreich, deswegen finde ich den Ausdruck "Kohle" hier sehr störend, stimmt schon, heutzutage sagt man das bei uns auch schon, aber in den frühen 80ern eher nicht

Also wir haben immer Kohle gesagt. Auf Wienerisch: Koin.
Das bleibt so. :D

Zitat:
„Meine Reifen sind komplett hinüber“, flüsterte ich.
hier ist es wieder, "flüstern" wurde nur ein kleiner Junge, die eigenartige Wortwahl verzerrt das Bild deines Ich-Erzählers, es sind nur Kleinigkeiten, die aber ziemliche Wirkung haben

flüstern würde nur ein kleiner Junge????
Immerhin flüsterte auch Schurli vorher. Finde ich normal. Sie machen sich gerade eine "Linke" aus.
Dennoch geändert. jetzt steht dort: sagte ich leise.

Zitat:
Schurli startete die Kiste, mit quietschenden Reifen fuhren wir los

ich würd "Kübel" nehmen statt "Kiste"
Da bleib ich bei Kiste.


Zitat:
Ich kurbelte das Fenster herunter,

hinunter

Danke, gerne übernommen.

Zitat:
Erleichtert klebte ich sie auf die Innenseite meiner Zigarettenschachtel. Das war ja schnell gegangen.

hier wieder, der wirkt so bieder, weil du ihn zuviel kommentieren lässt, ich meine dieses: "Das war ja schnell gegangen", das nimmt auch den Drive aus der Geschichte.

ist gebongt.

Zitat:
Ich nickte zustimmend. Gleich am nächsten Tag mit der frischen Ware herumzufahren, wäre bestimmt keine kluge Idee gewesen.

auch hier wieder zu kommentierend, ich komm kein Bild von dem Typen zusammen, er gewinnt kein Profil, seine Gedanken wirken angeklebt

Hast Recht. Das geht schon aus Schurlis Aussage hervor.
Hab ich gelöscht.


Zitat:
Wir wollten mal pinkeln“, sagte ich und schloss demonstrativ mein Hosentor.

Hosentürl, Hosenstall, Hosenschlitz, aber "Hosentor" geht einfach nicht, das klingt sehr eigenartig

Könnte man drüber diskutieren, aber der Hosenschlitz gefällt mir besser.


Zitat:
und alles zunichtemachen

auseinander: zunichte machen

Schreibt man seit der letzten Rechtschreibreform zusammen. Hab extra vorher nachgekuckt. :p


Zitat:
Hitzewallungen stiegen in mir auf,

nur "Hitze" bitte!

Da war ich wohl zu geschlechterverwirrt. :D
Geändert auf: Mir wurde heiß.

Zitat:
Er legte seine rechte Hand auf die Pistolentasche und ließ uns keine Sekunde aus den Augen. Sein jüngerer Kollege wurde rasch fündig. Der Besitzer des Audis wurde vom Kommissariat ermittelt, kurze Zeit

ich würde hier einen Absatz machen: Augen - Absatz - Sein jüngerer Kollege ...

Hast Recht.

Die großen Pluspunkte der Geschichte sind die Charakterisierung Schurlis, die Vergegenwärtigung der Schauplätze, und die Spannung, die du gekonnt aufbaust.

Dankeschön. Ist immerhin was!

Der Ich-Erzähler bleibt unklar, ich kann trotz des Geldmangels nicht nachvollziehen, wieso er das tut oder was für ein Typ er ist.

Hast Recht, er ist ein wenig blass, hat zu wenig Ecken und Kanten. Speziell, wenn man ihn dem Schurli gegenüberstellt. Ich hab auch schon drüber nachgedacht.
Vielleicht hätte ich die Geschichte doch besser "Schurli" taufen sollen.

Komischerweise ist gerade die Authentizität einerseits die große Stärke,
:)
aber auch die große Schwäche der Geschichte.
:(

Ich frage mich, warum du diese Geschichte erzählst, sicher, man spürt die Spannung gut, aber es fehlen die Akzentuierungen in der Geschichte, es fehlt das Besondere daran. Was hat dich selbst daran interessiert? Das wäre der Schlüssel, um die notwendigen Akzente zu setzen.

Ehrlich gesagt, ich denke nicht allzuviel über das Warum meiner Geschichten nach, verpacke auch keine intellektuellen, gesellschaftspolitischen Botschaften in meine Texte. Das überlasse ich den Literaten.
Ich schreib, was mir grade einfällt, will nur unterhalten. Wenn später einige Leser sagen, das fand ich spannend und gut geschrieben, bin ich schon zufrieden.

War aber wirklich gut und spannend zu lesen!

Na bitte! Was will ich mehr? :D

Einen schönen Abendgruß, und hab vielen Dank für deine konstruktive Stellungnahme.

Manuela :)

 

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