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Katzengesang
Diese verdammte Katze! Jetzt heult sie schon wieder so laut im Garten. Es ist jede Nacht dasselbe, nie hat man seine Ruhe! Wem zum Teufel gehört dieses Mistvieh überhaupt? Der wird ein Donnerwetter zu hören bekommen! Er soll gefälligst seine Katze zu Hause einsperren in der Nacht! Bestimmt scheisst sie auch noch hier in den Garten. Dann stinkt es wieder unerträglich, so dass er keine Minute im Garten geniessen kann, ohne zuerst die Scheisse wegzuräumen. Na endlich: Stille.
Herr Müller versucht sich zu beruhigen. Weil ihm das nicht sofort gelingt, schlurft er ins Bad, schnappt sich eine Schlaftablette und schluckt sie mit wenig Wasser vom Hahn. Jetzt sollte es dann klappen mit Einschlafen; in einer halben Stunde wirkt die Tablette.
Herr Müller lässt sich in die Kissen zurückfallen und schaltet die Lampe auf dem Fenstersims neben seinem Bett aus. Doch kaum hat er die Augen zugemacht, hört er ein durchdringendes Fiepen. Widerwillig schaltet er das Licht wieder ein. Was zum Teufel ist denn jetzt schon wieder los? In dieser Nachbarschaft kann man keine Sommernacht mit geöffnetem Fenster schlafen; das ist eine Zumutung!
Vor Wut fast platzend packt Herr Müller die Nachttischlampe und leuchtet damit in den Garten. Genau unter dem Fenster sitzt das verdammte Vieh, mitten in seinen Tulpen, und spielt mit einer in Todesangst kreischenden Maus.
„Hau ab! Verschwinde!“, schreit er die Katze an und fuchtelt wild mit der Lampe herum. Doch die Katze zeigt sich wenig beeindruckt. Sie wirft Herrn Müller einen fragenden Blick zu und widmet ihre Aufmerksamkeit wieder der sterbenden Maus. Sie nimmt die Maus in die Schnauze und wirft sie in die Luft. Die Maus piepst nochmals und die Katze schaut kurz schräg hinauf zu Herrn Müller. Sie lacht ihn aus! Bestimmt kommt sie absichtlich immer in seinen Garten, weil sie weiss, dass er sich gottlos aufregt über sie. Es macht ihr sogar Spass, wenn er fluchend mit rotem Kopf am Fenster erscheint!
Ein letztes klägliches Piepsen der Maus – dann ist es ruhig. Er starrt die Katze an, die nun die Maus mit einem knackenden Geräusch verschlingt. Jetzt ist die Katze satt; da wird sie sich wohl zurückziehen. Schon will er sich umdrehen und zu Bett gehen, als die Katze wieder zu singen anfängt. Er kann es nicht fassen. Sie glotzt mit grossen unschuldigen Augen zu ihm herauf und miaut herzzerreissend. Ja hat denn dieses Vieh kein Herrchen, das es nerven könnte?
„Fertig jetzt!“ schreit Herr Müller.
„Miaaaaaauu!“, antwortet die Katze.
Sie verhöhnt ihn, definitiv. Aber das lässt er sich nicht bieten, nicht von einem strohdummen und nichtsnutzigen Wollknäuel! Wütend holt er mit dem Arm aus und schmeisst die Lampe, welche ein langes Kabel hat, auf die Katze hinunter. Mit einem eleganten Sprung rettet sich diese vor dem Geschoss und wirft Herrn Müller aus sicherer Distanz einen vielsagenden Blick zu. Doch es scheint gewirkt zu haben, die Katze verzieht sich in Nachbars Garten.
Endlich Ruhe! Erschöpft von der Aufregung und unter der einsetzenden Wirkung der Schlaftablette denkt Herr Müller nicht einmal mehr daran, die Lampe am Kabel raufzuziehen. Er lässt sich einfach in sein Bett plumpsen und fällt sofort in einen tiefen Schlaf.
Wenig später stolziert die Katze mit einer Maus in der Schnauze zurück in seinen Garten. Herr Müller wird sich sicher über das mitgebrachte Geschenk freuen! Doch was ist hier los? Herr Müller steht ja gar nicht mehr am Fenster! Diese Menschen sind einfach zu ungeduldig. So lange hat sie ja gar nicht gebraucht, um die Maus zu fangen!
Vorhin, als sie mit ihrer Maus spielte, hatte sie deutlich gemerkt, dass er eifersüchtig war. Er wollte bestimmt am liebsten selber eine haben. Darum hatte sie ihm miauend versprochen, auch eine Maus für ihn zu fangen. Und er schien sie verstanden zu haben, denn er warf ihr ja zum Dank dieses Spielzeug in den Garten. Und jetzt ist er einfach schlafen gegangen? Schade, mit ihm ist es immer kurzweilig; ausserdem ist er fast der einzige Mensch, der sich regelmässig mit ihr abgibt.
Die Katze deponiert die Maus unter Herrn Müllers Fenster. Am nächsten Morgen wird er sich bestimmt über die Überraschung freuen.
Jetzt will sie das leuchtende Spielzeug aber nicht länger warten lassen. Neugierig nähert sie sich der brennenden Lampe auf dem Rasen. Da tanzen ja Falter im Licht! Das Flattern der Flügel hört sich wie eine Einladung an: „Komm spiel mit uns!“, scheinen sie zu rufen. Der Tiger nimmt diese Aufforderung gerne an: Er duckt sich und sucht sich mit grossen Pupillen ein Opfer aus. Er wackelt mit dem Hinterteil und springt plötzlich mit den Krallen voran auf einen Falter und den Lampenschirm, der dadurch einen beträchtlichen Schranz erhält. „Was für ein tolles Spielzeug!“, denkt die Katze und schon nimmt das nächtliche Vergnügen seinen Lauf.
Am nächsten Morgen trifft Herrn Müller fast der Schlag, als er aus dem Fenster schaut. Seine wunderbaren Tulpen liegen geknickt und zertrampelt auf der Erde. Und seine Lampe, die er nachts nicht mehr reingeholt hat - herrje! Der Lampenschirm ist völlig zerfetzt.
Schon flammt die Wut auf die Katze wieder im geplagten Mann auf. Dieses verdammte Mistvieh schafft es tatsächlich, auch am Morgen sein erster, unliebsamer Gedanke zu sein! Und igitt! Was liegt denn da direkt unter seinem Fenster? Eine tote Maus! Jetzt reicht es endgültig, so kann das nicht weitergehen. Da muss er etwas dagegen unternehmen! Und er hat auch schon einen konkreten Plan. Er packt seine Jacke, verlässt das Haus und setzt sich in seinen Wagen. Sein Ziel ist ein Elektrofachgeschäft. Dort kauft er einen sogenannten Katzenschreck: Durch Ultraschallwellen, die für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar sind, schlägt dieses Gerät Katzen in die Flucht. Zufrieden installiert Herr Müller das Gerät in seinem Garten und freut sich auf störungsfreie Nächte. Was er nicht weiss; Sein nächtlicher Besucher hat ein Geburtsgebrechen; er kann Ultraschallwellen gar nicht hören...