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Kaugummi

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27.08.2007
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Kaugummi

In den Sommerferien nach der sechsten Klasse beschlossen meine Eltern, mich in ein Ferienlager zu schicken.
„Mensch, ich beneide dich!“, sagte meine Mutter mit verträumtem Blick. „Zwei Wochen lang am See! Sonne, Wald und Abenteuer!“
Warum fuhr sie dann nicht selbst? Ich legte überhaupt keinen Wert darauf, mit zehn hinterlistigen und hormonell aufgeladenen Zwölfjährigen in einem muffigen Zimmer zu wohnen und mir Sand ins Bett streuen zu lassen.
Aber ich wurde nicht gefragt.

Am Tag der Abreise brachten mich meine Eltern zum Bahnhof und übergaben mich an Angelika, meine Gruppenleiterin. Sie war eine Studentin mit Nickelbrille und Jesuslatschen, deren längliche Brüste wie zwei Füllhörner unter dem ausgewaschenen T-Shirt baumelten. Angelika rauchte eine nach der anderen und sah aus, als wäre sie lieber sonstwo auf der Welt.
„Vergiss nicht, abends immer deine Zahnspange zu putzen!“, sagte meine Mutter beim Abschied.
Ich nickte mit hochroten Ohren. Das Mädchen neben mir kicherte so leise, dass nur ich es hörte. Ihre Eltern waren schon längst verschwunden und sie taxierte alle Neuankömmlinge mit prüfendem Blick.
„Ich bin die Petra“, sagte sie zu mir, „aber du kannst mich Pepsi nennen!“
„Pepsi“, wiederholte ich lustlos. Ich konnte Leute nicht ausstehen, die einem ungefragt ihren albernen Spitznamen aufdrückten. Als zwei neue Mädchen auftauchten, ließ sie mich sofort links liegen. Die eine hieß Dorit und lachte bei jeder Gelegenheit, die andere nannte sich Sanni und musterte verächtlich meinen grünen Wanderrucksack. Eine nach der anderen trudelten meine „neuen Freundinnen“ ein, wie meine Mutter sie in ihrer totalen Ahnungslosigkeit bezeichnet hatte. Zum Schluss kam noch eine namens Franziska Friedrich.
„Alle da?“, fragte Angelika. Sie guckte verschlafen in die Runde. Ja, wenn sie es nicht wusste, wer dann? Ich ging zum Bus wie zum Schafott.

„Schon besetzt!“, zwitscherte Pepsi und hielt die Hand auf den freien Sitz neben sich, als ich mich an ihrem Platz vorbeischob.
Ich schmiss mich in eine Reihe weiter hinten und beobachtete, wie sich der Bus mit drängelnden und lärmenden Kindern füllte. Einige packten, kaum dass sie saßen, ihren Proviant aus und es roch nach Leberwurstbroten und gekochten Eiern.
„Das sieht so süß aus!“, konnte ich immer wieder Pepsis schrille Stimme von vorn hören. Sanni oder Dorit zeigte ihr ein Heft mit eingeklebten Fotos.
Franziska ließ sich so geräuschlos neben mir nieder, dass ich sie erst ein paar Sekunden später bemerkte.
„Hallo!“, hauchte sie. Sie zerrte am Reißverschluss ihrer Tasche und riss sich ein Stück Fingernagel ab.
Ein Blick genügte. Franziska Friedrich war das geborene Opferlamm. Scheu und huschig, zu blöd, ihre Tasche aufzumachen und außerdem noch mit Raffzähnen geschlagen.
Und wie es aussah, hatte sie mich gerade zur Freundin erkoren. Nun, das konnte sie vergessen!
Ich schloss die Augen.
Heilige fremde Macht, an die ich eigentlich nicht glaube, bewahre mich vor Stumpfsinn, Verblödung, Nachtwanderungen und Mädchen, die sich nach koffeinhaltigen Getränken benennen. Und lass die zwei Wochen schnell herumgehen ...

Obwohl ich auf das Schlimmste gefasst war, übertraf Pepsi meine kühnsten Vorstellungen. Ich konnte mich nicht entscheiden, was schrecklicher war – ihre quiekende Befehlsstimme, ihre einschmeichelnde Art, mit der sie die anderen umgarnte oder die Raffinesse, mit der sie Franziska Friedrich drangsalierte.
„Oh, Franziska, deine Schuhe!“, sagte sie zum Beispiel und hielt den Atem an – gerade lange genug, um die ergeben dastehende Franziska in der winzigen Hoffnung zu baden, dass ihre ausgelatschten Treter vielleicht ein einziges Mal in ihrem Leben bei anderen Anklang finden würden.
„ … würde ich nie anziehen!“, vollendete Pepsi dann ihren Satz und ging hocherhobenen Hauptes aus dem Zimmer, gefolgt von ihrem Fußvolk, das vor der Tür in hysterisches Gelächter ausbrach.
Angelika war viel zu sehr damit beschäftigt, sich von Ronny, dem Rettungsschwimmer, das Batikhemd hochschieben zu lassen und bekam von all den Sticheleien kaum etwas mit.

Wenn wir schwimmen gehen sollten, war Franziskas Badeanzug regelmäßig verschwunden und acht teuflische Augenpaare beobachteten sie bei ihrer hilflosen Suche. Ihr aschgrauer, zerflederter Teddy steckte jeden Abend woanders, manchmal im Mülleimer, manchmal im Brombeerbusch hinter dem Bungalow. In ihrer Seifendose lag ein Regenwurm, ihre Schlüpfer hingen im Gebüsch vor dem Jungsbungalow und ihr Federhalter, das einzige gute Stück, das sie besaß, verschwand auf Nimmerwiedersehen.
Mit ihr konnte man es machen, weil sie sich nie wehrte. Sie hatte keine Freunde und niemanden, der sie beschützte. Sie bekam ja nicht einmal Post!
Unbegreiflicherweise erhielt das Scheusal Pepsi jede Menge Post und bereits nach sechs Tagen ein Paket.
„Ui“, sagte sie mit einem triumphierenden Glitzern in den Augen. „Lauter leckere Sachen!“
Sie wühlte in dem Paket herum wie ein irrer Chirurg und zog ab und zu etwas Grellbuntes ans Licht, um daran zu schnuppern, es zu bewundern und erregt wieder hinein zu werfen.
Ihr Hofstaat hatte sich um sie versammelt und beobachtete sie mit lechzenden Mäulern. Zum Mittagessen hatte es undefinierbare Fleischbatzen und Rohkostsalat gegeben. Erst in zwei Tagen würden wir wieder in die Stadt kommen, um Süßigkeiten zu kaufen.
„Hmmm!“, machte sie glücklich. „Bubble Gum!“ Sie nahm ein kleines rosa Päckchen und verteilte je einen Kaugummi an Sanni und Dorit. Die anderen standen mit langen Gesichtern daneben.
„He, Franziska“, rief sie auf einmal. „Wann bekommst du denn dein Paket?“
Franziska starrte an die Wand und antwortete nicht.
„Haben deine Eltern kein Geld? Oder sind sie froh, dass sie dich mal los sind?“
Sanni und Dorit lachten meckernd und Pepsi sah sich beifallsheischend um.
„Die schreiben dir ja nicht mal! Warum denn nicht? He, Franziska? Warum schreibt dir dein Papa keinen Brief?“
Franziskas Antwort war so leise, dass man sie mehr erahnen als verstehen konnte.
„Mein Vati ist tot.“
Ich hatte das Gefühl, als ob mir jemand einen schweren Stein auf die Brust drückte.
Sanni und Dorit kauten mit offenem Mund. Keiner wusste, was er sagen sollte. Bis auf Pepsi.
„Geil!“, sagte sie. „War wohl schon uralt, dein Papi, was?“
Franziska reagierte nicht.
„Hör auf“, sagte ich. Wo war Angelika, die Schlampe?
Verlegen drehten sich einige Mädchen weg. Pepsi begann, mit den Fingern an ihr Bett zu trommeln und summte dazu. Plötzlich fing sie an zu singen: „Franziskas Vater ist tot, er war schon faltig und alt, nanananananana, jetzt ist er tot und eiskalt …“
Erwartungsgemäßes brach Dorit in lautes Gelächter aus. Franziska saß da wie eine Steinstatue. Ich ging wütend aus dem Zimmer.

Nachts wachte ich auf, weil ich aufs Klo musste. Normalerweise rannten wir alle zwischen 20.00 und 22.00 Uhr mindestens zehnmal aufs Klo - es war schließlich der Höhepunkt des Tages, mit wehendem Nachthemd durch die Dunkelheit zu flattern und vielleicht sogar auf ebenso nachtwandelnde Jungs zu treffen. Aber heute hatte ich keine Lust gehabt und so getan, als ob ich lesen wollte.
Auf meiner Armbanduhr war es um drei Uhr morgens. Als ich aus dem Bungalow taumelte, konnte ich einen Blick auf Angelika werfen, die in einem kleinen Verschlag neben unserem Zimmer schlief. Sie lag mit offenem Mund im Bett und sah aus wie ermordet.
In pechschwarzer Dunkelheit stolperte ich den Waldweg entlang zu den Waschräumen. Dort brannte ein einsames Lämpchen und da, im Niemandsland zwischen Mädchen - und Jungsklo, saß Franziska Friedrich und weinte.
„Franziska“, rief ich leise. Sie sah mit tränenverschmiertem Gesicht zu mir hoch.
„Komm doch wieder rein“, sagte ich hilflos. „Hier ist es doch kalt.“
Franziska stand sofort auf und folgte mir. Sie schien überhaupt keinen eigenen Willen zu haben. Wir sprachen kein Wort und als wir wieder ins Zimmer schlüpften, stieß ich mit dem Fuß gegen etwas Hartes.
Pepsis Paket.
Ich griff mir die Kiste und holte wahllos eine Handvoll heraus. Franziska sah mich mit erschrockenen Augen an. Es war Kaugummi. Ich kippte ihr die Hälfte hin und wickelte meinen Teil aus. Ohne nachzudenken stopfte ich mir die rosa Masse in den Mund und fing an, darauf herumzukauen. So mitten in der Nacht schmeckte es seltsam, viel zu aufdringlich und zu süß, wie etwas, das nicht in dieses schreckliche Ferienlager gehörte, wie eine Substanz aus dem All.

Franziska und ich kauten schweigend riesige Klumpen von Kaugummi. Sie lächelte mich schüchtern an. Mir tat schon der Kiefer weh und ich zog die Gummimasse aus meinem Mund.
Das war ja alles gut und schön, aber wohin damit? Im Papierkorb würde sie es sofort finden.
Aber warum eigentlich auch nicht? Doch als ich Pepsi, alias Petra, in ihrem Doppelstockbett liegen sah, hatte ich eine bessere Idee. Ich streckte die Hand nach Franziskas Kaugummi aus und machte aus meinem und ihrem eine riesige, klebrige Masse.
Und dann rieb ich sie sorgsam und methodisch in Pepsis blonde Haare. Strähne für Strähne umschmierte ich mit Kaugummi, verteilte noch ein paar Tupfer auf ihrer Kopfhaut am Scheitel entlang und wuschelte ihr ein kleines Kaugumminest am Hinterkopf zurecht.
Pepsi schnarchte und bewegte sich nicht einmal. Dann verstreute ich die Kaugummipapiere in ihrem Bett und stellte das Paket wieder an seinen Platz.
Franziska grinste mich an.
In diesem Moment sah sie fast hübsch aus.

 

Hallo sammamish,

hat mir sehr gut gefallen. Ich habe so eine richtige Abneigung gegen das koffeinhaltige Erfrischungsgetränk bekommen und hatte Mitleid mit Franziska.

Insofern hast du es sehr hübsch geschafft, Gefühle zu erzeugen. Allerdings wurde mir erst sehr spät klar, dass es sich bei der Erzählerin um ein Mädchen handelt - was aber nicht störend war.

Die Angelika taucht zwar auf und wird charakterisiert, erhält dann aber keine Rolle. Der Geschichte würde nichts fehlen, wenn man sie einfach rausstreichen würde. Denke ich zumindest.

Die Mädels, die Rollen spielen, könnte man ein wenig mehr charakterisieren. Was haben sie an? Welche Haarfarbe haben sie?

„Das sieht so süß aus!“, konnte ich immer wieder Pepsis schrille Stimme von vorn hören. Sanni oder Dorit zeigte ihr ein Heft mit eingeklebten Fotos.

Das hat mir besonders gefallen. :)

Schöne Grüße,

yours

 

Hallo sammamish,

es gibt wohl nichts Schlimmeres als pubertierende Gören, besonders die dominanten.
Ich las deine Geschichte gerne, mir scheint, du hast das in ähnlicher Form selber schon erlebt - ich habe fast sogar eine frühere Ferienfreizeit-Gruppenleiterin (wenn auch aus der damaligen BRD) in Angelika erkannt.

Mittlerweile sehe ich es jedoch schon fast problematisch an, vom Westkaugummi zu sprechen - ich kann mir gut vorstellen, dass die Leser unter 30 nichts mit diesem "West-xy" Begriff anfangen können und denken, die Zigarettenmarke hat sich ein zweites Standbein aufgebaut.

Man könnte nun auch sagen, der politische Hintergrund sei bei der Geschichte so unwichtig, dass es egal ist, ob jeder Leser versteht, dass die Mädels in der DDR gelebt haben. Da aber dann der begehrte Kaugummi, den man eben nicht an jeder Ecke kaufen kann, so hingebungsvoll als Kleber verwendet worden ist, kann man als Leser auch mehr Schadenfreude empfinden, mir gings jedenfalls so.

Du hast die Antiheldin sehr schön geschildert, wenn sie mir manchmal auch fast ein Hauch zu erwachsen in ihren Gedanken erschien - aber es ist für mich noch glaubwürdig.

Ich habe kaum etwas am Text als solchen auszusetzen. Nicht oft bekomme ich hier so eine fehlerlose KG zu lesen :).

Was mir auffiel, war der erste Satz:

In den Sommerferien nach der sechsten Klasse beschlossen meine Eltern, mich in ein Ferienlager zu schicken.
Das liest sich, als würden sich die Eltern erst in den Sommerferien (als Zeitangabe) dazu entschließen, du wolltest aber wohl eher damit andeuten, wie alt die Protagonistin ist. Vielleicht kannst du den Satz dahingehend irgendwie ändern, denn im Absatz darauf wird das Alter sowieso angesprochen.


Sie war eine Studentin mit Nickelbrille und Jesuslatschen, deren längliche Brüste wie zwei Füllhörner unter dem ausgewaschenen T-Shirt baumelten. Angelika rauchte eine nach der anderen und sah aus, als wäre sie lieber sonstwo auf der Welt.
:D

Auch die weiteren Beschreibungen, die sich um Angelika drehen, haben mich amüsiert.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo sammamish,

ja, hat mir auch gut gefallen - viel Neues kann ich zu der Geschichte nicht sagen. Ich möchte aber bernadette wiedersprechen; ich gehöre zu der Lesergruppe unter 30 und für mich war sehr deutlich, dass die Geschichte in der DDR spielt. Dass da "ein Paket aus dem Westen" kommt, dürfte unmissverständlich sein und den "Westkaugummi" weit weg von der Zigarette rücken (an die ich als Nichtraucherin auch überhaupt nicht gedacht habe ;)).

Ansonsten: eine gut zu lesende Geschichte, ich war zwar nie im Ferienlager, aber du hast in mir sehr lebendige Bilder erzeugt. Ein wenig bleibt deine Protagonistin außen vor (mit wem verbringt sie ihre Zeit?), das finde ich in diesem Fall allerdings noch verzeihlich, denn die Geschichte empfinde ich trotzdem als flüssig geschrieben und rund.

gerne gelesen,
liebe Grüße
ciao

Malinche

 

Hallo sammamish,

mich hat die Geschichte leider gelangweilt. Die Handlung ist banal, was mich nicht unbedingt stören würde, wäre der Konflikt in irgendeiner besonderen Weise beleuchtet. So ist die Geschichte ohne Salz und Pfeffer, sowohl inhaltlich als auch sprachlich. Vielleicht was für Jugend - da könnte man sich noch fragen, ob die Vorgehensweise der Erzählerin in Ordnung ist, oder so, wobei Pepsi schon unausstehlich genug dargestellt ist. Und wer ist Angelika?
Also: Sehr einseitig und seicht das Ganze, psychologisch und interpretatorisch uninteressant, obwohl der Titel mehr verspricht: Ich habe gehofft, "Westkaugummi" könnte dem Ganzen etwas Tiefe verleihen, ist aber in dem Fall total unwichtig, ob die Handlung in DDR oder sonstwo spielt, macht keinen Unterschied. Am Ende kann man höchstens den Schluss ziehen: Die DDR-Mädchen waren also wie alle andren! Na, danke!
Liest sich jetzt böse an bestimmt, nun ja, ich denke, womöglich liegts nur am Thema. :)

Gruß
Kasimir

 

Hallo sammamish,

ich muss mich leider Kasimir anschließen. Besonders die Darstellung der Personen fand ich völlig übertrieben und unglaubhaft. Beispielhaft ist Pepsi: 12-jährige sind fies und pubertär, aber nicht so fies, unterstelle ich einfach mal. Und wenn, dann muss das überzeugender dargestellt werden, aber wie es aussieht hat Pepsi ja überhaupt kein Gewissen.
Ich finde auch, wenn es relevant ist, wann die Geschichte spielt, muss das früher deutlich werden. Dass es sich um DDR-Geschichte handelt, wird nur durch den Titel behauptet und dann erst in der Mitte der Story, als diese Zicke ihr Westpaket bekommt. Ansonsten könnte die KG doch überall und zu jeder Zeit spielen.
Nicht zuletzt fand ich sie zu vorhersehbar, einfach, weil sie sämtliche Klischees aufgreift: Schon als Franziskas Name das erste Mal fiel und zwischen all die kleinen dummen Mädchen gestellt wurde war mir klar, dass es am Ende eine Annäherung zwischen Erzählerin und Franziska geben wird und dass die so ein bisschen Außenseiterin ist. Zum Glück war es dann nicht so extrem wie ich befürchtet hatte, von wegen "lass uns Freunde sein", das kann ich dir also zugute halten. ;)
Geschrieben ist das Ganze sauber und flüssig, ich fand es auch nicht langweilig, es hat mich unterhalten, sieh das also nicht als Totalverriss. Aber für meinen Geschmack wars zu seicht, sorry.

Liebe Grüße,
strudel

 
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Hi sammamish,

also die Darstellung von Pepsi fand ich nun eigentlich überhaupt nicht unglaubwürdig. Es gibt nichts Schlimmeres als pubertierende Zicken.
Auch von der Sprache her hat mir die Geschichte gefallen. Dein Stil ist durchweg flüssig und gut zu lesen. Ein paar schöne Vergleiche hast du auch drin.
Allerdings muss ich Kasimir recht geben: Dem Text fehlt es irgendwie an Würze. Das Mobbing wird zu oberflächlich und zu kurz dargestellt. Man kann sich nicht in die Personen hineindenken. Sie verhalten sich zwar meiner Meinung nach durchaus realistisch, aber trotzdem fehlt ihnen charakterliche Tiefe. Du handelst das alles irgendwie ziemlich schnell ab, und man erfährt nichts über die Hintergründe.
Eigentlich finde ich das schade, denn generell hat mir die Geschichte eigentlich gefallen; sie charakterisiert nur leider nicht ordentlich.
Schön finde ich übrigens den Schlusssatz. Der hat was.

Sie lag mit offenem Mund im Bett und sah aus wie ermordet.

Da musste ich lachen.

Grüße

Cerberus

P.S. Warum die Handlung nun in die DDR verlegt ist, kann ich ebenfalls nicht nachvollziehen. Da fehlt der Bezug total.

 
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Hallo ihr,

hier ist ja ganz schoen was los.

@ yours truly - die Angelika glaenzt durch Abwesenheit, sage ich mal, denn eigentlich waere es ja der Job der Erzieherin, die Goeren zur Raeson zu bringen. Insofern finde ich nicht unbedingt, dass ich sie weglassen sollte, sie hat ja durchaus eine Funktion, sei es auch nur die, nicht zu handeln. Ja, die Maedchen koennte man noch mehr beschreiben. Ich bin mehr so ein Fan von Charakteren, die durch ihre Handlung beschrieben werden, aber vielleicht hast du Recht.
Danke dir fuer's Lesen!

@ Bernadette - der Westen hatte also auch seine Angelikas! Zum politischen Kontext - da haben sich ja hier einige geaussert - das war eigentlich nicht meine Absicht, da etwas Politisches reinzubringen. Es koennte genau so gut 'Bubble Gum" heissen Obwohl die Tatsache, dass der "gute" Westkaugummi zweckentfremdet wird, natuerlich eine Extra Bedeutung gewinnt, wie du schon angemerkt hast.
Danke dir auch!

@Malinche - ich denke auch, dass man ein "historisches" Produkt trotz allem in einem Text als solches identifizieren kann. Sonst wuesste ja keiner mehr, was Gamaschen oder sowas sind. Die Prota verbringt schon ihre Zeit mit den anderen, aber unwillig. Das sollte wohl noch deutlicher werden.
Du warst echt nie im Ferienlager??


@Kasimir - ja da bist du wohl von dem Titel irregefuehrt worden. Da habe ich gar nicht daran gedacht, dass der Leser da etwas "mehr Politisches" erwartet, aber eigentlich haette mir das klar sein sollen. Denn du hast Recht, dass der Kaugummi aus dem Westen ist, spielt (fast) keine Rolle und es koennte genauso gut im Schullandheim in der Pfalz spielen. Daher verstehe ich deine Enttaueschung "die Maedchen in der DDR waren wie alle anderen" nicht ganz. Natuerlich waren sie wie alle anderen! Genau so fies, genau so albern! Was denn sonst? Es sollte keine historische Betrachtung sein, sondern mehr eine Jugend - Zicken - Abhandlung. Wahrscheinlich doch mehr was fuer Jugend.
Danke fuer deinen Kommentar!
PS: Angelika ist die Gruppenleiterin


@ apfelstrudel - likewise. Ich sehe schon, die Tatsache, dass die DDR mit hereinspielt, sorgt nur fuer Verwirrung, denn das Thema ist nicht DDR, sondern mobbing. Da muss ich noch mal was aendern. Allerdings muss ich dir widersprechen, apfelstrudel - allein die Tatsache, dass du solche fiesen Geschoepfe vielleicht nicht kennst und uebertrieben findest, heissst nicht, dass sie nicht existieren - immer schon existiert haben und wohl auch immer werden! :klug:

@Cerberus81 - okay, der DDR Aspekt fliegt raus, die Entscheidung ist gefallen.
Darum geht es ja auch letztendlich nicht. Ich hatte gehofft, die Charaktere mit nur wenigen Strichen auseichend zu charakterisieren, aber offenbar fehlt doch noch etwas. Obwohl es zum Hintergrund des "mobbings" im Grunde nicht viel zu sagen gibt. Warum pubertierende Maedchen das so gern machen weiss der Himmel!

Danke euch allen sehr fuer die Anregungen und Kommentare!

gruss, sammamish

 

Hallo Are-Efen,

eigentlich habe ich es ja schon gesagt, aber ich sage es dennoch gern noch einmal, dass eine Art "DDR-Abrechnung" nicht meine Absicht mit dieser Geschichte war. Da habe ich einfach nur den falschen Titel gewaehlt, den ich jetzt auch angefordert habe, aendern zu lassen.
Somit ist nun alles "West" aus dieser Geschichte verschwunden und damit wird nun hoffentlich endlich klar, dass der Text weder eine politische Aussage hat, noch anstrebt.
Ansonsten kann ich offengestanden mit deinem Kommentar nicht so richtig etwas anfangen. Wenn deine Ferienlagererlebnisse sehr angenehm waren, dann ist das ja sehr schoen fuer dich.
Ich kann dir nur sagen - meine waren es nicht, ich bin genau zwei Wochen gefahren, nicht laenger und nicht kuerzer und das Essen war immer beschissen. Aber da dies ja, wie gesagt, rein perseoenliche Erlebnisse sind, die wir hier offenbar "vergleichen" ist es sowieso muessig, darueber zu diskutieren.
Sicher sind die Ferienlager mit guter Intention ins Leben gerufen worden - aehnlich wie heutzutage vielleicht Schueleraustauschprogramme, die sich trotz aller guten Absichten fuer einzelne Leute furchtbar gestalten.


Viele Gruesse,
sammamish

 

Hallo sammamish!

Na, da sammeln sich aber schnell Kommentare an unter deinem Texten. Mein Kommentar bezieht sich auf die politisch bereinigte Version, die erste Version habe ich nicht gelesen.

Meine erste Frage: Was soll der Text in "Sonstige"? "Jugend" kann zur Zeit wirklich etwas Qualität/Quantität vertragen.

Der erste Absatz: Da steht, die Protagonistin will nicht ins Ferienlager. Okay, wenn das wichtig für den Text ist, solltest du auf die ablehnenden Gründe näher eingehen, nicht nur behaupten. Und auch erklären, warum sie nicht einfach "Nein" sagen kann. Wenn es nicht wichtig ist, dann kannst du es komplett streichen.

"Eine nach der anderen trudelten meine „neuen Freundinnen" ein," => An dieser Formulierung stimmt was nicht, denke ich.

"Ich ging zum Bus wie zum Schafott." => Und ich dachte, die würden mit dem Zug fahren, weil sie doch am Bahnhof sind.

"und es roch nach Leberwurstbroten und gekochten Eiern." => Spätestens hier wird klar, dass die Gesichte nicht in der Jetzt-Zeit spielt. Ich finde es allgemein immer etwas schade, wenn da Autoren ihre "Jugenderinnerungen" runterbeten, ohne vorher zu sagen, dass es eben "Texte aus grauer Vorzeit" sind.

"Das sieht so süß aus!", konnte ich immer wieder Pepsis schrille Stimme von vorn hören." => Dass ich derartige Zusammenstellung von Dialog und "inquit" nicht leiden kann, habe ich, glaube ich, schon mal erwähnt.

"Ein Blick genügte. Franziska Friedrich war das geborene Opferlamm. Scheu und huschig, zu blöd, ihre Tasche aufzumachen und außerdem noch mit Raffzähnen geschlagen." => Nee, sorry, da reicht mir deine Behauptung, dein Blick nicht. Aus dem, was du hier sagst, kann ich nicht schließen, dass Franziska ein Opferlamm ist, schon gar nicht seit ihrer Geburt. Und was sind "Raffzähne"? Ich kenne den Begriff nur metaphorisch, aber das passt hier nicht.

"mit der sie Franziska Friedrich drangsalierte." => Nicht behaupten, beschreiben! Die Sache mit den Schuhen ist nicht wirklich Drangsal, oder? Zu harmlos.

"zerflederter" => Ich würd's mit Doppel-d schreiben, aber mein PONS hat mir verraten, dass deine Version ebenfalls gebräuchlich ist.

"Mit ihr konnte man es machen, weil sie sich nie wehrte. " => Auch hier (bzw. bis hier): Du behauptest das alles, aber beschreibst es nicht wirklich. Und daher kommt es beim Leser nicht an. Lass uns Franziskas Reaktionen sehen! Was macht sie? Guckt sie beschämt auf den Boden, heult sie, geht sie wortlos weg, beißt sie sich auf die Zunge?
Du sagst: "Ich bin mehr so ein Fan von Charakteren, die durch ihre Handlung beschrieben werden" => Dann mal ran!
(Bei der Sache mit Franziskas Vater kommt dann ja ein wenig, aber das reicht nicht, bzw. der Text ist schlecht aufgebaut, sorry.)

"zog ab und zu etwas Grellbuntes ans Licht," => Auch darunter kann ich mir nicht wirklich etwas vorstellen.

"nanananananana," => Versuch das mal zu lesen. Wenn du es so lang haben willst, dann baue bitte ein paar Bindestriche ein.

"sogar auf ebenso nachtwandelnde Jungs zu treffen." => Äh, dass in dem Ferienlager auch Jungs sind, bekomme ich erst jetzt mit!

"Auf meiner Armbanduhr war es um drei Uhr morgens." => Ohne "um", oder besser ganz umformulieren. Es ist ja nicht nur auf der Armbanduhr drei Uhr.

"Als ich aus dem Bungalow taumelte," => Auch wie es da eigentlich aussieht, weiß ich bisher nicht. Wie groß sind die Zimmer, wer wohnt mit wem zusammen, wo ist Franziska?

"Franziska stand sofort auf und folgte mir. Sie schien überhaupt keinen eigenen Willen zu haben." => Wieder so eine Behauptung, die mir durch dieses "eine Mal" absolut nicht klar wird.

"Es war Kaugummi. Ich kippte ihr die Hälfte hin" => Hinkippen eines halben Kaugummis?

Und dann ist der Text überraschenderweise schon zu Ende.
Also, sorry, aber bei diesem Text fehlt mir viel, sehr viel. Besonders die Charakterisierungen sind nur fadenscheinig vorhanden, und da ich ja schon ein paar Texte von dir gelesen habe, bin ich mir sicher, dass du das besser kannst. Am "Kaugummi" solltest du wirklich noch arbeiten.
(Oh, und wenn dich das Mobbing-, bzw. das Ferienlager-Thema interessiert und du Gelegenheit zur Revanche suchst - ich empfehle dir meine "Klassenfahrt" und mein "Enjoying life". Ich freue mich immer über Kritik.)

Grüße
Chris

 

Hallo Chris,

jetzt bemängelst also auch du, dass die Charaktere nicht „tief“ genug sind. Hm.
Das gibt mir dann schon irgendwie zu denken. Von selbst sieht man das natürlich nicht. Ich schrecke immer davor zurück, mich in Einzelheiten zu verzetteln, aber hier ist wohl doch noch mehr angebracht.

Interessant, was dir so alles als unverständlich auffällt. Darauf wäre ich nie gekommen, aber offenbar setze ich Dinge voraus, die der Leser nicht wissen kann, wie zum Beispiel dass Ferienlagerbusse oft vor dem Bah hof abfuhren, dass im Ferienlager natürlich auch Jungs waren, war ja kein Mädcheninternat und dass die Gruppenleiterin meist mit im Zimmer schlief oder manchmal in einem kleinen Nebenzimmer.


Ich finde es allgemein immer etwas schade, wenn da Autoren ihre "Jugenderinnerungen" runterbeten, ohne vorher zu sagen, dass es eben "Texte aus grauer Vorzeit" sind.
Ja, da gebe ich dir eigentlich recht, aber so a la „ …es war im Jahr 1985, die DDR lag in ihren letzten Zügen“, eine Geschichte einzuleiten ist auch seltsam (für mich)


"zog ab und zu etwas Grellbuntes ans Licht”, => Auch darunter kann ich mir nicht wirklich etwas vorstellen.
Das ist auch wieder was Kulturelles, das ich fälschlicherweise vorausgesetzt habe. West Süßigkeiten wirkten neben den faden Ost Süßigkeiten immer so grellbunt.


"Es war Kaugummi. Ich kippte ihr die Hälfte hin" => Hinkippen eines halben Kaugummis?
Nein – so kleine Kaugummikugeln oder Würfel, kennst du die nicht? Hubba Bubba, oder wie die heißen.

Danke dass du mich auf so viele Dinge aufmerksam gemacht hast und deine Geschichten werde ich mir bei Gelegenheit mal vornehmen.
Gruss, sammamish

 

Hallo sammamisch,

dein Ehrenretter ist da (zugegebenermaßen nur teilweise).
Also ...
ich finde die Beschreibung deiner Personen sehr gut
gleichermaßen hast du mich mit Erzählstil und Stimmung erreicht
und ich habe es nicht als DDR-Geschichte verstanden, kenne allerdings auch nicht die Ursprungsfassung

aber ...
ich stimme Chris Stone zu, dass die Rubrik Jugend besser wäre
bin über manche Begriffe gestolpert wie z.B.
Jesuslatschen (ist das nicht ein eher regionaler Begriff?)
huschig (meiner Meinung nach heißt das eher verhuscht)
Raffzähnen (Was meint man damit genau?)
Jungsbungalow (Wirklich ein Bungalow? Und sagt man dann nicht eher "der Bungalow der Jungs?)

und ...
ich war maßlos enttäuscht vom letzten Absatz. Damit war die bis dahin tolle Stimmung dahin und ganz generell hatte ich den Eindruck, dass du jetzt den "Saft" abdrehst.

Wie auch immer: 5/6 haben gepasst. Will heißen: Gute Story.

lg
lev

 

Hallo Sammamish,

eigenartig, genau die Begriffe, über die Lev stolperte, machten die Geschichte für mich so sympathisch. Ich gestehe, ich bin ein DDR-Kind und GERNE ins Ferienlager gefahren. Und dann muss ich noch gestehen, dass ich nicht zu den Typen 'Franziska' gehörte sondern eher zur anderen Gattung- allerdings ohne Westpaket! Da fehlte mir der Kontakt total.
Ich finde, in dieser Geschichte kommt die Stimmung sehr gut rüber und ich fühlte mich in meine früheste Jugend versetzt. Ich glaube, es ist egal in welchem System man seine Jugend verlebt, weil es um die Pubertät geht und die schert sich nicht um das System.
Diese kleine Beobachtungen wie beispielsweise der Geruch von Leberwurstbroten, den es natürlich heute immer noch gibt, machten die Geschichte für mich so sympathisch. Ich fühlte mich einfach zurückversetzt in die Vergangenheit und fühlte eine gewisse Melancholie.
Also, mir hat diese Geschichte gefallen. Mehr kann ich nicht sagen.

Lieben Gruß,
jutta

 

Hallo Lev,
na, das freut mich doch, dass es dir wenigstens teilweise zusagt. Die Rubrik Jugend - das ist fuer mich mehr so die Rubrik der "heutigen" Jugend, wenn ich das mal so ganz altmodisch sagen kann. Da wuerde man doch auch nicht die Geschichte eines Hitlerjungen reinstellen, oder so was - auch wenn er in der Geschichte "jung" ist. Aber viellleicht sehe ich das zu eng.

ich sehe schon, ich habe in der Story wild mit Begriffen um mich geschmissen, die kaum einer sonst zu kennen scheint.
Jesuslatschen - die schlichte Unisex-Sandale der DDR, an jedem Fuss von Stralsund bis ins Erzgebirge zu finden:
http://www.ostprodukte-versand.de/c...nr-488/Jesuslatschen-Roemer-das-Original.html


-Raffzaehne - na so Hasenzahene, Ueberbiss, so was in der Art!
-Bei "huschig" koenntest du Recht haben
-Jungsbungalow - das hiess einfach so. War natuerlich kein schicker Bungalow, sondern so Einzimmerhuetten mit so sechs Doppelstockbetten drin, ganz spartanisch. Meistens noch ein Verschlag fuer die Gruppenleiterin.


und ...
ich war maßlos enttäuscht vom letzten Absatz. Damit war die bis dahin tolle Stimmung dahin und ganz generell hatte ich den Eindruck, dass du jetzt den "Saft" abdrehst.

Schade! :sad:

lieben gruss,
sammamish

Hallo Jurewa,
danke dir fuer deine netten Worte. Ich haette nicht gedacht, dass so ein bisschen DDR Colorit so viel Missversatendnisse ausloest. Wieder was gelernt.
Aber ist doch nett, wenn du dich an deine Ferienlagerzeiten zurueck erinnerst!
Viele gruesse,
sammamish

 

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