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Kein Ding für'n King
Es ist alles so typisch. Genauso läuft es immer in den Foto – Love – Stories der Bravo ab. Zwei verlieben sich und ehe sie es sich gegenseitig eingestehen, gibt es ein langes Hin- und Her, weil beide Angst haben und sich unsicher über die Gefühle des jeweils anderen sind und dieser ganze Mist.
Die Bravo macht das, damit die präpubertären Leser auch was zum Schmökern haben, der Rest der Menschheit macht es, weil der liebe Gott ein Sadist ist. Das ganze Pirschen, Flirten, Balzen, die ganze Unsicherheit, das Erröten, das alles ist die Bravo für den lieben Gott. Will auch mal was zu lachen haben, da oben, schließlich gibt’s nicht allzu viel zu lachen für ihn; verplante, rotgewandete und colatrinkende Weihnachtsmänner, Konsumrausch am Fest der Liebe, nervende Theologen. Kann man irgendwie verstehen, dass er da Ablenkung braucht.
Aber, frage ich mich, warum macht er das ganze erniedrigende Schauspiel nicht bei Meerschweinchen oder Weinbergschnecken? Warum bei den Menschen? Warum bei mir?
Es fing alles ganz locker an. Party am Wochenende, wo gehen wir hin, zu Jens, der hat Besuch und will ihn uns vorstellen.
Alles locker, alles easy. Bißchen Haare kämmen, kurz unter die Dusche springen, passt schon. Auf zu Jens.
Der geheimnisvolle Besuch steht noch unter der Dusche, also setzen wir anderen uns alle ins Wohnzimmer und stopfen Chips in uns hinein. Alles wie immer. Ich bemühe mich, dem Gespräch über die neue Telekom - TV - Reklame und dem damit aufkeimendem Hass auf kleine dicke Menschen, die zur Weihnachtszeit ein fröhliches, aber unmelodisches „Telekom Telekom Telekom“ zur Melodie von „Stille Nacht“ singen, ein Telefon in die Kamera schwenken und dabei mit ihren Wurstfingerchen auf das „wirklich stabile“ Plastikgehäuse klopfen, meine volle Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich fange schon an, mich zu ärgern, dass ich überhaupt gekommen bin, schließlich hätte ich zuhause auch mal wieder etwas Sinnvolles tun können. Den Kühlschrank abtauen oder die Spinnweben hinter dem Kleiderschrank hinten links beseitigen zum Beispiel.
Gerade als mir aufgeht, was ich da für einen Mist denke (ich habe keinen Staubwedel), öffnet sich die Tür und ein Engel schwebt herein.
Ein von Gott mit einer mehr als sinnvollen Menge an Sexappeal ausgestatteter Engel. Dunkle Locken, blaue Augen und ein Mund, der sinnlicher ist, als der von David Beckham, wenn der nicht spricht. Ich schaue mich um, ob irgendwo ein himmliches Orchester steht und lieblich Posaune spielt, dirigiert von André Rieu, der mit dem entrücktem Lächeln einer drogenabhängigen Riesenschildkröte seine Geige wie einen Taktstock schwenkt. Nichts zu sehen. Ich wende mich wieder der Erscheinung im Türrahmen zu, die, ganz unhimmlisch, ein wenig linkisch und verlegen lächelt, und dabei ein entzückendes Grübchen im Kinn entblößt.
Haben wollen, haben wollen.
Sein Körper scheint beinahe täglich das Fitnessstudio von innen zu sehen, nach der Oberarmmuskulatur zu schließen, die sich unter der Jacke abzeichnet. Gibt es wohl ein Fitnessstudio im Himmel?
„Hey, alles klar? Ich bin Simon, ein Kumpel von Jens. Freut mich, euch endlich alle mal kennenzulernen. Er erzählt ja andauernd von euch, da kann man fast schon neidisch werden. Da dachte ich mir, es wär ganz nett, euch mal persönlich zu sehen, damit ich selber überprüfen kann, ob Jens‘ wilde Lobeshymnen auf seine Clique gerechtfertigt sind.“
Alle lächeln geschmeichelt. Ich nicht. Ich grinse ihn an wie ein Pavian auf Ecstasy und hoffe, dass ich nicht allzu sehr erröte.
Ich kann mein Glück kaum fassen, als er sich aufs Sofa neben mich fallen lässt und mich freundlich anlacht. Dazu ein:
„Hey, ich bin Simon, freut mich, dich kennenzulernen.“
Um es kurz zu machen: Der Abend war ein Traum, ich unterhielt mich blendend mit ihm, wir quatschten über alles, Gott und die Welt, Fußball und Fitnessstudios. Ich fand heraus, dass er nicht nur witzig war, denselben Humor hatte wie ich, sondern auch noch dieselben Filme mochte und wir beide leidenschaftlich gerne Tennis spielten.
Wir verabredeten uns gleich für den nächsten Tag zu einem Match, spielten, redeten, lachten. „Kein Ding für’n King“ , sagte er.
Fand ich auch. Mit so einem Menschen an meiner Seite war für mich kein Hindernis unüberwindbar. Ich konnte alles, wenn ich nur wollte. Und wenn Simon mich wollte. Ich wusste, niemals wieder würde ich jemanden treffen, der so gut zu mir passte, wie Simon. Hätte er gefragt, ich wäre mit ihm zusammengezogen, hätte seine Füße geküsst, seine Schuhe geputzt, ihm eine Kontovollmacht ausgestellt oder seinen Goldhamster frisiert.
Ab jetzt klebten wir ständig zusammen, waren der berühmt – berüchtigte Zweierpack.
Aber immer dieses Nagen in mir drin, was denkt er von mir, mag er mich nur als Freund oder ist da nicht doch mehr? Da muss mehr sein. Ich will, dass da mehr ist. Würde er so häufig mit mir zusammen sein wollen, wenn er in mir nicht mehr sähe?
Jedes Mal, wenn ich ihn sah dieses Kribbeln im Bauch, das „Beine zu Wackelpudding“ – Phänomen, die glückliche Leere im Kopf. Wozu brauchte ich noch ein Gehirn? Wollte ich nicht, nützte mir nichts. Doofes Gehirn.
Jedes Mal, wenn mein Handy piepte die Aufregung: SMS von ihm? Möchte er mich sehen? Schreibt er mir, dass er mit mir reden will? Über uns? Kein Ding für’n King?
Ich war mittendrin in der Foto –Love – Story Gottes. Als Protagonist. Und fühlte mich scheisse.
Ich hasste mich dafür, dass ich nicht normal und locker zum Mobiltelefon gehen konnte, lässig auf die Tasten drücken konnte um zu schauen, wer mir etwas mitteilen wollte. Dafür dass ich die Omis immer um ihre Gehhilfen beneidete, wenn Simon in meiner Nähe war, weil die Konsistenz meiner Beine an billigen Wackelpudding erinnerten. Dafür, dass ich nur Mist redete, wenn ich mit Simon sprach, weil mein Gehirn ausgeschaltet war. Dafür, dass mir zu warm wurde, wenn er mich anschaute, dass ich ihn in die Arme hätte reißen mögen, wenn er sich die Haare aus dem Gesicht strich. Dafür, dass er die Ursache aller meiner wunderbaren Beschwerden waren und mehr Macht über mich hatte, als je ein anderer Mensch.
All das geht mir durch den Kopf während ich hier sitze.
Simon sitzt mir gegenüber und erzählt von seinem letzten Fußballturnier. Er war der Held des Spiels, ist dann aber gestürzt und humpelt jetzt nur noch. Alle Frauen hätten sich auf ihn gestürzt, fanden ihn toll, ihn, den Held. Scheiß Frauen. Ich merke, wie die Eifersucht langsam in mir hochkriecht. Sollen die ihn doch in Ruhe lassen.
Ich beuge mich ein Stückchen vor, berühre ihn leicht am Arm.
„Simon, kann ich dir eben was sagen?“.
„Klar, wo drückt’s denn? Willst du wissen, wie man zum Helden wird? Gib’s zu, du bist neidisch auf all die Mädels, die um mich rum standen.“
Er grinst.
Ich nicht. Ich will, aber ich kann nicht. Ich fühle mich, als müsste ich jeden Moment vor Aufregung kotzen. Soll ich es ihm wirklich sagen? Wenn er nein sagt, ist unsere Freundschaft danach sicher zu Ende. Kann ich das riskieren? Will ich das riskieren?
„Simon, ich habe mich in dich verliebt.“
Er starrt mich an, Mund offen, Augen aufgerissen.
Ich rede weiter, bloss nicht aufhören, bloß keine Stille entstehen lassen.
„Gleich als wir uns das erste Mal getroffen haben, du weißt schon, bei Jens. Du hast dich neben mich gesetzt. Wir haben uns unterhalten. Den ganzen Abend.“
Er schaut mich an. Immer noch stumm.
„Verdammt, Simon, den ganzen Abend. Bedeutet dir das Ganze denn nichts? Bedeute ich dir denn gar nichts, verdammt nochmal?“.
„Ich... ich.... doch, natürlich, aber .... weißt du...mehr als Freund. Ich wusste gar nicht, dass du solche Gefühle entwickeln kannst. Ich meine....Gott, ich bin sprachlos.“
Ja, Gott, denke ich, Gott, du mieser Sadist, mein Leben ist vorbei und du bist schuld. Hast du dich wenigstens gut amüsiert, da oben? Freut mich, Honorar ist überflüssig, für dich war’s gratis. Autogramme gibt’s später.
„Aber was war denn falsch, Simon? Was stört dich denn an mir?“.
Die Frage ist überflüssig. Ich weiss es. Es ist mein Name.
Ich heiße Thomas.