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Kein Ding für'n King

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27.09.2004
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Kein Ding für'n King

Es ist alles so typisch. Genauso läuft es immer in den Foto – Love – Stories der Bravo ab. Zwei verlieben sich und ehe sie es sich gegenseitig eingestehen, gibt es ein langes Hin- und Her, weil beide Angst haben und sich unsicher über die Gefühle des jeweils anderen sind und dieser ganze Mist.
Die Bravo macht das, damit die präpubertären Leser auch was zum Schmökern haben, der Rest der Menschheit macht es, weil der liebe Gott ein Sadist ist. Das ganze Pirschen, Flirten, Balzen, die ganze Unsicherheit, das Erröten, das alles ist die Bravo für den lieben Gott. Will auch mal was zu lachen haben, da oben, schließlich gibt’s nicht allzu viel zu lachen für ihn; verplante, rotgewandete und colatrinkende Weihnachtsmänner, Konsumrausch am Fest der Liebe, nervende Theologen. Kann man irgendwie verstehen, dass er da Ablenkung braucht.
Aber, frage ich mich, warum macht er das ganze erniedrigende Schauspiel nicht bei Meerschweinchen oder Weinbergschnecken? Warum bei den Menschen? Warum bei mir?

Es fing alles ganz locker an. Party am Wochenende, wo gehen wir hin, zu Jens, der hat Besuch und will ihn uns vorstellen.
Alles locker, alles easy. Bißchen Haare kämmen, kurz unter die Dusche springen, passt schon. Auf zu Jens.
Der geheimnisvolle Besuch steht noch unter der Dusche, also setzen wir anderen uns alle ins Wohnzimmer und stopfen Chips in uns hinein. Alles wie immer. Ich bemühe mich, dem Gespräch über die neue Telekom - TV - Reklame und dem damit aufkeimendem Hass auf kleine dicke Menschen, die zur Weihnachtszeit ein fröhliches, aber unmelodisches „Telekom Telekom Telekom“ zur Melodie von „Stille Nacht“ singen, ein Telefon in die Kamera schwenken und dabei mit ihren Wurstfingerchen auf das „wirklich stabile“ Plastikgehäuse klopfen, meine volle Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich fange schon an, mich zu ärgern, dass ich überhaupt gekommen bin, schließlich hätte ich zuhause auch mal wieder etwas Sinnvolles tun können. Den Kühlschrank abtauen oder die Spinnweben hinter dem Kleiderschrank hinten links beseitigen zum Beispiel.
Gerade als mir aufgeht, was ich da für einen Mist denke (ich habe keinen Staubwedel), öffnet sich die Tür und ein Engel schwebt herein.
Ein von Gott mit einer mehr als sinnvollen Menge an Sexappeal ausgestatteter Engel. Dunkle Locken, blaue Augen und ein Mund, der sinnlicher ist, als der von David Beckham, wenn der nicht spricht. Ich schaue mich um, ob irgendwo ein himmliches Orchester steht und lieblich Posaune spielt, dirigiert von André Rieu, der mit dem entrücktem Lächeln einer drogenabhängigen Riesenschildkröte seine Geige wie einen Taktstock schwenkt. Nichts zu sehen. Ich wende mich wieder der Erscheinung im Türrahmen zu, die, ganz unhimmlisch, ein wenig linkisch und verlegen lächelt, und dabei ein entzückendes Grübchen im Kinn entblößt.
Haben wollen, haben wollen.
Sein Körper scheint beinahe täglich das Fitnessstudio von innen zu sehen, nach der Oberarmmuskulatur zu schließen, die sich unter der Jacke abzeichnet. Gibt es wohl ein Fitnessstudio im Himmel?
„Hey, alles klar? Ich bin Simon, ein Kumpel von Jens. Freut mich, euch endlich alle mal kennenzulernen. Er erzählt ja andauernd von euch, da kann man fast schon neidisch werden. Da dachte ich mir, es wär ganz nett, euch mal persönlich zu sehen, damit ich selber überprüfen kann, ob Jens‘ wilde Lobeshymnen auf seine Clique gerechtfertigt sind.“
Alle lächeln geschmeichelt. Ich nicht. Ich grinse ihn an wie ein Pavian auf Ecstasy und hoffe, dass ich nicht allzu sehr erröte.
Ich kann mein Glück kaum fassen, als er sich aufs Sofa neben mich fallen lässt und mich freundlich anlacht. Dazu ein:
„Hey, ich bin Simon, freut mich, dich kennenzulernen.“

Um es kurz zu machen: Der Abend war ein Traum, ich unterhielt mich blendend mit ihm, wir quatschten über alles, Gott und die Welt, Fußball und Fitnessstudios. Ich fand heraus, dass er nicht nur witzig war, denselben Humor hatte wie ich, sondern auch noch dieselben Filme mochte und wir beide leidenschaftlich gerne Tennis spielten.
Wir verabredeten uns gleich für den nächsten Tag zu einem Match, spielten, redeten, lachten. „Kein Ding für’n King“ , sagte er.
Fand ich auch. Mit so einem Menschen an meiner Seite war für mich kein Hindernis unüberwindbar. Ich konnte alles, wenn ich nur wollte. Und wenn Simon mich wollte. Ich wusste, niemals wieder würde ich jemanden treffen, der so gut zu mir passte, wie Simon. Hätte er gefragt, ich wäre mit ihm zusammengezogen, hätte seine Füße geküsst, seine Schuhe geputzt, ihm eine Kontovollmacht ausgestellt oder seinen Goldhamster frisiert.
Ab jetzt klebten wir ständig zusammen, waren der berühmt – berüchtigte Zweierpack.

Aber immer dieses Nagen in mir drin, was denkt er von mir, mag er mich nur als Freund oder ist da nicht doch mehr? Da muss mehr sein. Ich will, dass da mehr ist. Würde er so häufig mit mir zusammen sein wollen, wenn er in mir nicht mehr sähe?
Jedes Mal, wenn ich ihn sah dieses Kribbeln im Bauch, das „Beine zu Wackelpudding“ – Phänomen, die glückliche Leere im Kopf. Wozu brauchte ich noch ein Gehirn? Wollte ich nicht, nützte mir nichts. Doofes Gehirn.
Jedes Mal, wenn mein Handy piepte die Aufregung: SMS von ihm? Möchte er mich sehen? Schreibt er mir, dass er mit mir reden will? Über uns? Kein Ding für’n King?
Ich war mittendrin in der Foto –Love – Story Gottes. Als Protagonist. Und fühlte mich scheisse.
Ich hasste mich dafür, dass ich nicht normal und locker zum Mobiltelefon gehen konnte, lässig auf die Tasten drücken konnte um zu schauen, wer mir etwas mitteilen wollte. Dafür dass ich die Omis immer um ihre Gehhilfen beneidete, wenn Simon in meiner Nähe war, weil die Konsistenz meiner Beine an billigen Wackelpudding erinnerten. Dafür, dass ich nur Mist redete, wenn ich mit Simon sprach, weil mein Gehirn ausgeschaltet war. Dafür, dass mir zu warm wurde, wenn er mich anschaute, dass ich ihn in die Arme hätte reißen mögen, wenn er sich die Haare aus dem Gesicht strich. Dafür, dass er die Ursache aller meiner wunderbaren Beschwerden waren und mehr Macht über mich hatte, als je ein anderer Mensch.

All das geht mir durch den Kopf während ich hier sitze.
Simon sitzt mir gegenüber und erzählt von seinem letzten Fußballturnier. Er war der Held des Spiels, ist dann aber gestürzt und humpelt jetzt nur noch. Alle Frauen hätten sich auf ihn gestürzt, fanden ihn toll, ihn, den Held. Scheiß Frauen. Ich merke, wie die Eifersucht langsam in mir hochkriecht. Sollen die ihn doch in Ruhe lassen.
Ich beuge mich ein Stückchen vor, berühre ihn leicht am Arm.
„Simon, kann ich dir eben was sagen?“.
„Klar, wo drückt’s denn? Willst du wissen, wie man zum Helden wird? Gib’s zu, du bist neidisch auf all die Mädels, die um mich rum standen.“
Er grinst.
Ich nicht. Ich will, aber ich kann nicht. Ich fühle mich, als müsste ich jeden Moment vor Aufregung kotzen. Soll ich es ihm wirklich sagen? Wenn er nein sagt, ist unsere Freundschaft danach sicher zu Ende. Kann ich das riskieren? Will ich das riskieren?
„Simon, ich habe mich in dich verliebt.“
Er starrt mich an, Mund offen, Augen aufgerissen.
Ich rede weiter, bloss nicht aufhören, bloß keine Stille entstehen lassen.
„Gleich als wir uns das erste Mal getroffen haben, du weißt schon, bei Jens. Du hast dich neben mich gesetzt. Wir haben uns unterhalten. Den ganzen Abend.“
Er schaut mich an. Immer noch stumm.
„Verdammt, Simon, den ganzen Abend. Bedeutet dir das Ganze denn nichts? Bedeute ich dir denn gar nichts, verdammt nochmal?“.
„Ich... ich.... doch, natürlich, aber .... weißt du...mehr als Freund. Ich wusste gar nicht, dass du solche Gefühle entwickeln kannst. Ich meine....Gott, ich bin sprachlos.“
Ja, Gott, denke ich, Gott, du mieser Sadist, mein Leben ist vorbei und du bist schuld. Hast du dich wenigstens gut amüsiert, da oben? Freut mich, Honorar ist überflüssig, für dich war’s gratis. Autogramme gibt’s später.
„Aber was war denn falsch, Simon? Was stört dich denn an mir?“.
Die Frage ist überflüssig. Ich weiss es. Es ist mein Name.
Ich heiße Thomas.

 

wow.. ich wollte eben schon was in der richtung schreiben, von wegen kitsch und bla... aber respekt.. das ende ist gut

 

hey,
vielen dank für euer lob. hab mich riesig gefreut! :) :) :)

bis bald,

Columbia

 

scheiße mann, das ist ein verdammt eleganter seiltanz, den du da hingelegt hast!

kann eine frau überhaupt so nen` text über männerfreundschaft schreiben???

 

Wow, hab mich gewundert gehabt, wie du das Ende baschteln willscht, und als ich's gelesen hab - klasse!!

 

Hallo Columbia,

ganz so begeistert, wie die bisherigen Kritikern bin ich leider nicht. Das liegt zum einen daran, dass ich das homosexuelle Moment als komische Pointe einfach persönlic ncht witzig finde, wofür du nichts kannst, zu7m anderen aber daran, dass du für mein Gefühl technischmanchmal etwas larifari gewesen bist. Zum Beispiel merkt man bei der viel zu lang geratenen Episode über den noch duschenden Simon für men Gefühl, dass dieser Text von einer Frau geschrieben wurde. Selbst ein schwuler junger Mann regt sich über sowas nicht auf, jedenfalls keiner, den ich kenne. ;) Dabei hätte die Idee was, denn in wievielen Filmen wird dieses Klischee des vollendeten Auftritts der (weiblichen) Hauptperson, die nach ausgiebigem Badaufenthalt die Treppe herunterschreitet bemüht. Du hättest es also toll verarschen können, wenn du es nicht in dem Ärger deines Prot darüber schon erklärt hättest. Lasse Simon den Auftritt als Engel, beschreibe ihn (möglichst geschlechtsunspezifisch) und ziehe deine Pointe der (männlichen Auflösung) an dieser Stelle schon einmal vor. Den David Beckham Gag kannst du dann ja an anderer Stelle bringen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist bei aller Freude an authentischer Rede und einer protcharakterisierenden Sprache die Grammatik, die an vielen Stellen schlicht nicht stimmt. Das sollte sie allerdings trotz des guten lockeren Stils.

Die Vergleiche, die Sprache und die lakonische Art deines Prot und deiner Geschichte wiederum fand ich sehr gelungen und amüsant.

Als Beispiel für "Larifari" mal ein Detail:

Ich bin der Simon, ein Kumpel von Jens.
Bei dem "der" muss ich unwillkürlich an Dieter Krebs in Norwegerpulli und mit Ponyfrisur denken, wenn er sich als "ich bin der Martin" vorstellt. Das ist nicht gerade die Assoziation eines erotischen Engels. ;)

Lieben Gruß, sim

 

Sehr gelungenes Ende und guter Stil...

Hallo Cordelia,

deine Story hat mir im Großen und Ganzen sehr gut gefallen.

Einzige Kritikpunkte (abgesehen von ein paar kleinen Rechtschreib- bzw. Grammatikfehlern, die zu suchen ich jetzt zu faul bin):
Der Anfang ist zu langatmig. Ich hätte etwa nach "weil der liebe Gott ein Sadist ist" aufgehört, dann wieder bei "Es fing alles ganz locker an" eingesetzt und dann nochmal die Dusch-Beschreibungen rausgelassen. Liest man eine Kurzgeschichte, fragt man sich direkt vom Beginn des Lesens, was das Geschriebene wohl bedeuten möge, und wenn Dinge vorkommen, die sich zwar gut lesen, aber keine weitere Bedeutung haben, so sollt man sie sich lieber sparen.

Ansonsten ist mir dein lockerer, frischer Stil als sehr positiv aufgefallen. Nur da muss man aufpassen: ZU lässige und vom Prot extrem salopp dahergesagte Wendungen wirken aufgesetzt.

Mh...was fällt mir noch ein...ah: Gute Vergleiche!
Stephen King sagt, passende Vergleiche seien das A und O bei Beschreibungen, egal ob von Personen, Orten oder Gefühlslagen.
Sehr gut gelungen: "Ich grinse ihn an wie ein Pavian auf Ecstasy und hoffe, dass ich nicht allzu sehr erröte."

Weiter so!

Alles Liebe,
tobbi

 

Hallo Columbia,
kann mich eigentlich den Anderen im Großen und Ganzen anschließen. Du schreibst auf eine sehr legere Art, die gut zu der "Stimmung" der Bravo-Dinger passt. Äh, Stimmung im Sinne von, wenn du damit einsteigst, geh ich auf das Niveau als Leser.
Zwei Formulierungen, die ich wirklich witzig fand:

Ich grinse ihn an wie ein Pavian auf Ecstasy
Wozu brauchte ich noch ein Gehirn? Wollte ich nicht, nützte mir nichts. Doofes Gehirn.
Mmh, das Lesen hat Spaß gemacht.
LG, Zazie :)

 

Ich schließe mich den positiv aufgefallenen Zitaten von Zazie an. Was ich auch gut fand:das alles ist die Bravo für den lieben Gott. Gut!
Deine Pointe hat mich persönlich nicht überrascht. Du hast doch ganz fleißig Hinweise getreut.
Da du weißt, dass es eigentlich eine naja larifari Daily Soap Story ist, nehme doch einfach Abstand davon. Du musst dich nicht auf dieses Niveau begeben. Du kannst die Liebe mit eigenem Stil schreiben. Daher würde ich ein paar Sache umformulieren. Sorry, zu faul zum raussuchen.
Mach weiter!
Anna-Fee

 
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Hallo,

ich habe mich längerer Zeit wieder an die Geschichte gesezt und eure Ratschläge befolgt. Hier ist also die überarbeitete Fassung.

 

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