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Kein Schiff nach Arveno
Waren Sie mal auf ... verdammt. Wie heißt diese von einem Weltraummüllschlucker ausgekotzte Raumstation doch gleich?
»Kein Schiff nach Arveno«, sagt der Automat lapidar. Ich halte ihm meinen Flugplan vor die Linse. »Schrifterkennung nicht möglich«, plärrt der Lautsprecher.
Vergessen Sie meine Frage.
Ich stehe wie eine unzustellbare Ansichtskarte auf dem Abflug-Deck dieser verdammten Station. Bin gestrandet. Niemand da, den ich anschreien könnte. Nutzlos marschiere ich mit meiner Tasche ein paar Schritte an den hypnotisierenden Werbedisplays vorbei Richtung Ausgang.
Neben einer Säule liegen ein Haufen Müll und ein CosmoAllianca-Geldsack auf seinen Koffern. Vermutlich sinnlos, ihn anzusprechen. Ich tu's trotzdem.
»Wollen Sie auch nach Arveno?«, frage ich.
Der Kerl rührt sich nicht.
Ein paar Schritte weiter hängt ein Display mit den Abflügen. Das Gehäuse ist verkratzt, und rechts unten klebt etwas weiches, stinkendes auf der Scheibe. 19:10 geht ein VegaMega nach Saint Muvraan. Keine Ahnung, wo das ist. Um 19:75 würde ein ParaanExpress nach Korkvolt starten, wenn er nicht gekündigt wäre. Mehr Schiffe gibt es heute nicht mehr. Verdammte Reisevermittlung, die mich hier hat stranden lassen.
Ich trete gegen den Ständer des Displays. Das Echo des metallischen Klangs verschafft mir keine Befriedigung. Wohin jetzt?
Ich komme an ein paar geschlossenen Shops vorbei. Rolltreppen aus stumpfem Blech führen mich eine Ebene tiefer. Die Leuchtschrift eines Automaten blinkt hektisch: Hotelguid, darunter stehen Slogans über Wohlfühlen und Massagen. Neben drei Hotels weinen rote Smileys, aber im Imperial auf Ebene 13 sind noch Zimmer frei.
Schon stehe ich vor den Fahrstühlen. Ich bin auf Ebene 3. Sie zählen von oben nach unten. Die riesige Landefläche, auf der die Raumschiffe parken, ist Ebene 0. Die Ankunftsebene liegt darunter, dann kommt das Abflugdeck. Wie der Stiel eines Pilzes liegen technische Anlagen und Wohnbereiche unter der Landefläche. Mein Hotel liegt also 10 Stockwerke tiefer. Als ich mich vor die Tür des Fahrstuhls stelle, ertönt ein Ping. Eine Schrift leuchtet auf: Bitte warten.
Ich warte.
Der Aufzug kommt nicht.
Nach ein paar Minuten gebe ich es auf. Neben mir ist eine Glastür, die zum Treppenhaus führt. Zehn Stockwerke abwärts sind kein Problem. Also los.
Die Wände sind kahl, die Ebenen nicht einmal mit Zahlen gekennzeichnet. Ich zähle die Treppenabsätze. Ebene 13 stinkt bestialisch. Keine Ahnung, wonach.
Es muss noch eine andere Treppe geben. Ich gehe links um den Zentralschacht herum. Rechts sind die Toiletten. Trifft sich gut. Ich trete durch die Tür und stelle mich an die Pissrinne. Die ist voller Blut. Und neben mir ... eine Blutspur. Sie führt zu einer der Norm-Kabinen für Humanoide. Die Tür ist angelehnt. Ich horche. Ich höre nur angehaltenen Atem. Meinen eigenen? Oder gar nichts?
Ich stoße die Tür auf.
Eine Frau, am Boden. Nackt. Voller Blut. An die Kloschüssel gebunden.
Ich halte mich am Türrahmen fest.
Sie keucht, spuckt Blut. Grinst dreckig. »Hmmm, machs mir!«
Shit. Sie ist ein Mod.
Aber wo ist ihr Meister?
Sie streckt mir ihren Unterleib entgegen. Stöhnt. Macht mich heiß.
Verdammt.
Hübsche Mädchen, von ihren Eltern verkauft. Sklavinnen der CosmoAllianca-Bonzen, mit modifiziertem Bewusstsein, so dass sie alles, aber auch alles mit sich machen lassen – und es auch noch geil finden.
Mit der hier hat ihr Meister etwas zuviel gemacht. Ich weiche zurück. Raus hier.
Auf dem Gang wende ich mich nach links. Das Hotel kann nicht weit sein. Von da aus kann ich das Sheriffbüro anrufen.
Ich beschleunige meine Schritte. Ein uniformierter Vollmensch kommt mir entgegen. Ganz in Blau ... mit Stern ... der Sheriff? Wie gerufen!
»Sheriff«, rufe ich und winke. Energisch kommt er auf mich zu. Zieht einen Schocker. Was ...
»Halt ...«
Zack. Ich liege zuckend auf dem Boden.
»18:86«, sagt der Sheriff in seinen Ärmel, »dringend Tatverdächtiger auf Ebene 13 gefasst.«
»Arrr«, gurgle ich.
»Dreck«, sagt der Sheriff und grinst. Dann tritt er mir ins Gesicht. Zweimal, dreimal. Aus.
Ich wache in einer Zelle auf. Liegend, festgeschnallt. Ich schmecke Blut. Ein Zahn fehlt. Alles ist nass und kalt.
»Endlich wach«, höre ich eine Stimme. Die des Sheriffs. Ich drehe den Kopf. Er steht neben mir, mit einem leeren Eimer in der Hand. Deshalb ist Wasser in meiner Nase.
»Was ...«
»Sie werden zu Vergewaltigung und Mord beschuldigt. Wollen Sie Taten leugnen?«
Ich muss schlucken. Das kann nicht sein Ernst sein. »Ich habe nicht ...«
»Komm, die Beweise is eindeutig. Hast den Mann ausgeknipst und sein süße Mod genommen. Gib's schon zu.« Der Sheriff hat die Hände in den Taschen und sieht zur Decke.
»Welchen Mann?«
»Den Besitzer der Mod.« Er wirft einen Blick auf sein Ärmel-Display. »Nen Dr. Joohan de Kon en Kuip.«
»Kenn ich nicht.«
»Ich auch ned. Aber er liegt tot aufm Abflugdeck.«
Ich erinnere mich. Der Kerl ist tot? »Ich habe ihn nicht ...«
»Auf die Mikronadel, wo er mit eingeschläfert wurde, sind Genspuren von dir.«
»Das ist unmöglich!« Allmählich wird mir klar, was hier läuft. Mir soll etwas an den Gürtel gehängt werden. Ich reiße an den Fesseln, umsonst natürlich. Die Fresse des Sicherheitschefs verzieht sich wieder zu einem Grinsen.
»Danach haste dir die süße Mod schnappt, aufm Klo in Ebene 13 angebunden und mit gespielt und Spaß habt. Kann ich verstehen, die Kleine is süß. Aber nur der Besitzer von ein Mod darf mit ihr machen, was er will. Bei jedem anderen nennt man sowas halt: Ver-Ge-Waltigung.«
Mit der Zunge taste ich meine Zähne ab. Das passiert mir nicht wirklich. »Es war ein anderer«, bringe ich hervor.
Der Sheriff kommt näher, bis sein Gesicht über mir ist. Er tropft mir Speichel auf die Nase. »Es gibt Videoaufnahmen. Von Überwachungskameras.«
»Videos kann man manipulieren.«
»Nur mit Sicherheitsschlüssel.«
»Den haben Sie, nicht ich.«
»Aber ich bin Sheriff. Es gibt keinen Grund, in meiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln.«
Ich schließe die Augen. Das kann nicht sein. Er deckt den wahren Täter. Dafür gibt es nur einen Grund: »Sie waren es selbst.«
»Schön«, säuselt der Sheriff, »ich schreib noch ne böswillige Verleumdung in der Anklageschrift, bevor ich's an Netcourt schicke.«
Mir ist übel. Das bedeutet ...
»Modifizieren und dann Versuchsperson bei CosmoAllianca«, erklärt der Sheriff fröhlich, »auf eine diese gemütliche Massenmenschfarm.«
Das klingt wie das Paradies im Vergleich zu dieser Raumstation. Leider wird mein Ich dann nicht mehr bei mir sein, um es zu erleben.
Dabei wollte ich nur nach Arveno. Wo es für wenig Geld die geilsten Mods im Kosmos gibt.