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Kein Schiff nach Arveno

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15.04.2002
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Kein Schiff nach Arveno

Waren Sie mal auf ... verdammt. Wie heißt diese von einem Weltraummüllschlucker ausgekotzte Raumstation doch gleich?
»Kein Schiff nach Arveno«, sagt der Automat lapidar. Ich halte ihm meinen Flugplan vor die Linse. »Schrifterkennung nicht möglich«, plärrt der Lautsprecher.
Vergessen Sie meine Frage.
Ich stehe wie eine unzustellbare Ansichtskarte auf dem Abflug-Deck dieser verdammten Station. Bin gestrandet. Niemand da, den ich anschreien könnte. Nutzlos marschiere ich mit meiner Tasche ein paar Schritte an den hypnotisierenden Werbedisplays vorbei Richtung Ausgang.
Neben einer Säule liegen ein Haufen Müll und ein CosmoAllianca-Geldsack auf seinen Koffern. Vermutlich sinnlos, ihn anzusprechen. Ich tu's trotzdem.
»Wollen Sie auch nach Arveno?«, frage ich.
Der Kerl rührt sich nicht.
Ein paar Schritte weiter hängt ein Display mit den Abflügen. Das Gehäuse ist verkratzt, und rechts unten klebt etwas weiches, stinkendes auf der Scheibe. 19:10 geht ein VegaMega nach Saint Muvraan. Keine Ahnung, wo das ist. Um 19:75 würde ein ParaanExpress nach Korkvolt starten, wenn er nicht gekündigt wäre. Mehr Schiffe gibt es heute nicht mehr. Verdammte Reisevermittlung, die mich hier hat stranden lassen.
Ich trete gegen den Ständer des Displays. Das Echo des metallischen Klangs verschafft mir keine Befriedigung. Wohin jetzt?
Ich komme an ein paar geschlossenen Shops vorbei. Rolltreppen aus stumpfem Blech führen mich eine Ebene tiefer. Die Leuchtschrift eines Automaten blinkt hektisch: Hotelguid, darunter stehen Slogans über Wohlfühlen und Massagen. Neben drei Hotels weinen rote Smileys, aber im Imperial auf Ebene 13 sind noch Zimmer frei.
Schon stehe ich vor den Fahrstühlen. Ich bin auf Ebene 3. Sie zählen von oben nach unten. Die riesige Landefläche, auf der die Raumschiffe parken, ist Ebene 0. Die Ankunftsebene liegt darunter, dann kommt das Abflugdeck. Wie der Stiel eines Pilzes liegen technische Anlagen und Wohnbereiche unter der Landefläche. Mein Hotel liegt also 10 Stockwerke tiefer. Als ich mich vor die Tür des Fahrstuhls stelle, ertönt ein Ping. Eine Schrift leuchtet auf: Bitte warten.
Ich warte.
Der Aufzug kommt nicht.
Nach ein paar Minuten gebe ich es auf. Neben mir ist eine Glastür, die zum Treppenhaus führt. Zehn Stockwerke abwärts sind kein Problem. Also los.
Die Wände sind kahl, die Ebenen nicht einmal mit Zahlen gekennzeichnet. Ich zähle die Treppenabsätze. Ebene 13 stinkt bestialisch. Keine Ahnung, wonach.
Es muss noch eine andere Treppe geben. Ich gehe links um den Zentralschacht herum. Rechts sind die Toiletten. Trifft sich gut. Ich trete durch die Tür und stelle mich an die Pissrinne. Die ist voller Blut. Und neben mir ... eine Blutspur. Sie führt zu einer der Norm-Kabinen für Humanoide. Die Tür ist angelehnt. Ich horche. Ich höre nur angehaltenen Atem. Meinen eigenen? Oder gar nichts?
Ich stoße die Tür auf.
Eine Frau, am Boden. Nackt. Voller Blut. An die Kloschüssel gebunden.
Ich halte mich am Türrahmen fest.
Sie keucht, spuckt Blut. Grinst dreckig. »Hmmm, machs mir!«
Shit. Sie ist ein Mod.
Aber wo ist ihr Meister?
Sie streckt mir ihren Unterleib entgegen. Stöhnt. Macht mich heiß.
Verdammt.
Hübsche Mädchen, von ihren Eltern verkauft. Sklavinnen der CosmoAllianca-Bonzen, mit modifiziertem Bewusstsein, so dass sie alles, aber auch alles mit sich machen lassen – und es auch noch geil finden.
Mit der hier hat ihr Meister etwas zuviel gemacht. Ich weiche zurück. Raus hier.
Auf dem Gang wende ich mich nach links. Das Hotel kann nicht weit sein. Von da aus kann ich das Sheriffbüro anrufen.
Ich beschleunige meine Schritte. Ein uniformierter Vollmensch kommt mir entgegen. Ganz in Blau ... mit Stern ... der Sheriff? Wie gerufen!
»Sheriff«, rufe ich und winke. Energisch kommt er auf mich zu. Zieht einen Schocker. Was ...
»Halt ...«
Zack. Ich liege zuckend auf dem Boden.
»18:86«, sagt der Sheriff in seinen Ärmel, »dringend Tatverdächtiger auf Ebene 13 gefasst.«
»Arrr«, gurgle ich.
»Dreck«, sagt der Sheriff und grinst. Dann tritt er mir ins Gesicht. Zweimal, dreimal. Aus.
Ich wache in einer Zelle auf. Liegend, festgeschnallt. Ich schmecke Blut. Ein Zahn fehlt. Alles ist nass und kalt.
»Endlich wach«, höre ich eine Stimme. Die des Sheriffs. Ich drehe den Kopf. Er steht neben mir, mit einem leeren Eimer in der Hand. Deshalb ist Wasser in meiner Nase.
»Was ...«
»Sie werden zu Vergewaltigung und Mord beschuldigt. Wollen Sie Taten leugnen?«
Ich muss schlucken. Das kann nicht sein Ernst sein. »Ich habe nicht ...«
»Komm, die Beweise is eindeutig. Hast den Mann ausgeknipst und sein süße Mod genommen. Gib's schon zu.« Der Sheriff hat die Hände in den Taschen und sieht zur Decke.
»Welchen Mann?«
»Den Besitzer der Mod.« Er wirft einen Blick auf sein Ärmel-Display. »Nen Dr. Joohan de Kon en Kuip.«
»Kenn ich nicht.«
»Ich auch ned. Aber er liegt tot aufm Abflugdeck.«
Ich erinnere mich. Der Kerl ist tot? »Ich habe ihn nicht ...«
»Auf die Mikronadel, wo er mit eingeschläfert wurde, sind Genspuren von dir.«
»Das ist unmöglich!« Allmählich wird mir klar, was hier läuft. Mir soll etwas an den Gürtel gehängt werden. Ich reiße an den Fesseln, umsonst natürlich. Die Fresse des Sicherheitschefs verzieht sich wieder zu einem Grinsen.
»Danach haste dir die süße Mod schnappt, aufm Klo in Ebene 13 angebunden und mit gespielt und Spaß habt. Kann ich verstehen, die Kleine is süß. Aber nur der Besitzer von ein Mod darf mit ihr machen, was er will. Bei jedem anderen nennt man sowas halt: Ver-Ge-Waltigung.«
Mit der Zunge taste ich meine Zähne ab. Das passiert mir nicht wirklich. »Es war ein anderer«, bringe ich hervor.
Der Sheriff kommt näher, bis sein Gesicht über mir ist. Er tropft mir Speichel auf die Nase. »Es gibt Videoaufnahmen. Von Überwachungskameras.«
»Videos kann man manipulieren.«
»Nur mit Sicherheitsschlüssel.«
»Den haben Sie, nicht ich.«
»Aber ich bin Sheriff. Es gibt keinen Grund, in meiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln.«
Ich schließe die Augen. Das kann nicht sein. Er deckt den wahren Täter. Dafür gibt es nur einen Grund: »Sie waren es selbst.«
»Schön«, säuselt der Sheriff, »ich schreib noch ne böswillige Verleumdung in der Anklageschrift, bevor ich's an Netcourt schicke.«
Mir ist übel. Das bedeutet ...
»Modifizieren und dann Versuchsperson bei CosmoAllianca«, erklärt der Sheriff fröhlich, »auf eine diese gemütliche Massenmenschfarm.«
Das klingt wie das Paradies im Vergleich zu dieser Raumstation. Leider wird mein Ich dann nicht mehr bei mir sein, um es zu erleben.
Dabei wollte ich nur nach Arveno. Wo es für wenig Geld die geilsten Mods im Kosmos gibt.

 

Okay, ich gebe zu, dass man das klarer machen könnte. Mal sehen ...
Danke jedenfalls für Deine hilfreichen Bemerkungen.

 

Hallo Uwe,

wäre wirklich eine sehr gute Story, wenn das Ende nicht so forciert wäre. Da habe ich wirklich mehr erhofft. Liest sich an einigen Stellen so, als ob du so schnell wie möglich alles auflösen willst. Das ist schade, weil sonst alles so rund ist, wie es nur geht. Der Leser wird schnell in die Handlung reingesogen und etwas hart wieder rausgeworfen.

Und wieso, zum Teufel, haue ich *ausgerechnet jetzt* eine gute SF-Story raus?!? Das kann doch nicht wahr sein [wer diese Äußerung nicht auf Anhieb versteht, braucht auch nicht weiter drüber nachzudenken]
Ich verstehe es nicht, und wollte deinen Rat befolgen. Aber komischerweise will mir das nicht aus dem Kopf gehen und mein schwerfälliges Gehirrrrn kommt leider nicht von selbst drauf...was ist denn "jetzt" anders als sonst? :confused:
Warscheinlich sollte ich aufgeben und einfach akzeptieren, dass die Kräfte die dieses Forum ausser den Mod...eratoren, Admins und Foren-Säcken (whatever...) leiten, weit über mein Vorstellungsvermögen hinaus gehen.

mfg
Prozac

 

Warscheinlich sollte ich aufgeben und einfach akzeptieren, dass die Kräfte die dieses Forum ausser den Mod...eratoren, Admins und Foren-Säcken (whatever...) leiten, weit über mein Vorstellungsvermögen hinaus gehen.
... über die eines jeden Lebewesens, Prozac.

Danke für Deine Bemerkungen. Wenn ich nicht erst einen Tag vor dem Abgabetermin mit dieser Geschichte zu Potte gekommen wäre, hätte ich sicher auch noch ein besseres Ende gefunden. Aber dafür ist ja noch Zeit, denn auch einen irgendwo eingereichten Text kann man noch verbessern.

 

Hi Uwe,

ich weiß, das Raumschiff ... äh .. der Zug ist eigentlich schon abgefahren und die Story eingereicht. Aber ich denke, eine weitere Meinung schadet trotzdem nicht, oder?

Also der Anfang ist richtig klasse und die Raumhafen-Atmosphäre kommt richtig gut rüber, auch wenn ich erst mal umschalten musste, weil ich assoziationsmäßig nach der Überschrift bei weißen Segeln an einer toscanischen Küste war ("Wäänn ein Schiff vorüberfäääärrrrt...").

Ich bin auf Ebene 3. Sie zählen von oben nach unten. Die riesige Landefläche, auf der die Raumschiffe parken, ist Ebene 0. Die Ankunftsebene liegt darunter, dann kommt das Abflugdeck. Wie der Stiel eines Pilzes liegen technische Anlagen und Wohnbereiche unter der Landefläche. Mein Hotel liegt also 10 Stockwerke tiefer.
Das hier ist im Gegensatz zum vorigen tollen Erzählstil eine total sachliche Aufzählung und auch unnötig ausführlich, wie ich finde.

Es muss noch eine andere Treppe geben.
Hier stehe ich voll auf dem Schlauch. Woraus schließt der Prot das? Treppenhaus - Toiletten - Durchgang zur Hotelebene - alles ganz logisch. Aber wo und warum eine zweite Treppe?

Ich höre nur angehaltenen Atem.
Geniale Formulierung - weil man ja den Atem anhält, damit man nichts hört.

Sie ist ein Mod.
Ach, das ist also ein Mod!!! (Der musste sein!) :D

Mit der hier hat ihr Meister etwas zuviel gemacht.
Würde für mich ohne etwas runder klingen. Hängt aber vom Tonfall ab, in dem man es liest.

Wie gerufen!
»Sheriff«, rufe ich
Absichtlich?

»18:86«,
Haha! Die Uhrzeiten gefallen mir - weiter oben auch schon. ;)

»Sie waren es selbst.«
Klingt mir in dieser Situation irgendwie zu unemotional. Wenn ich mir die Reaktion vorstelle, kommt immer irgendein Satz mit "Du Drecksau ..." am Anfang an dieser Stelle. ;)

Alles in allem klasse Geschichte, wenn mich auch der Anfang etwas mehr begeistert als der Schluss.

Gute Nacht und viel Erfolg damit,

kira.

 

Guter Einwurf von kira: Die Sache mit der Uhrzeit war mir ebenfalls aufgefallen, hatte es nur im posting vergessen!

Bin ja auch Befürworter der Einführung eines dekadischen Uhrzeitensystems (Als Lisa Simpsnon mit den Mensa-Leuten für einige Tage die Leitung von Springfield übernommen hatte, war das dort auch eingeführt worden ;) ) und zumindest bei den Minuten hast du das anscheinend schon durchgesetzt.
Aber die Stundenzahl ist noch zu normal. Fügt doch da irgenwo mal ne 26 ein, dann wird das deutlich.

 

Hi kira, hi Hagen,
das mit der Treppe ist ein Artefakt, das ich nach einer anderen Änderung vergessen habe rauszunehmen. Verdammt, es war einfach zu wenig Zeit.
Das "rufen" ist in der Tat eine unschöne Wiederholung.
Die Uhrzeit war eine spontane Idee; und natürlich gibt es auch 100 Stunden - eine Zeit wie 66:86 hätte mir aber zu sehr wie ein Basketball-Ergebnis ausgesehen.
Danke für eure Hinweise!

 

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