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Kindheit

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05.05.2003
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Kindheit

Die Tür öffnete sich und Oliver trat ängstlich in das dunkle, kalte und feuchte Zimmer. Das Licht von draußen wurde durch die engen Gassen nicht in die Wohnungen gelassen und für Kerzen hatten sie kein Geld. Trotzdem sah er jeden Atemzug in der kalten Luft.
Neben dem kalten Ofen saß sein Vater. Er war ein kräftiger Mann, groß und mit einer markanten Narbe im Gesicht. Vor einem halben Jahr hatte ihm ein Balken während der Arbeit im Hafen das Bein zertrümmert. Einen Arzt konnten sie sich nicht leisten, weshalb der Bruch nicht mehr richtig zusammengewachsen war. Er konnte nun nichts mehr für das Überleben seiner Familie tun und so verbachte er Tag für Tag auf dem unbequemen Holzstuhl, der von Termiten zerfressen wurde. Nun lehnte er seinen Arm auf den Ofen und schaute Oliver vorwurfsvoll an. Seine Hände bildeten Fäuste und Oliver sah die funkelnden Augen in der Dunkelheit. Er wusste was der Junge ihm zu sagen hatte. Insgeheim hatte er auf diesen Augenblick gewartet, aber gehofft, dass er ihn nie erleben würde. Sie sahen sich eine Weile schweigend an. Oliver wartete darauf, dass sein Vater anfing. Er traute sich nicht, es ihm zu sagen und wendete den Blick schließlich auf den Boden.
„Wo kommst du denn her? Musst du nicht arbeiten?“ Er versuchte die Worte wütend auszusprechen, aber zwischen den Zeilen sprach die Angst - die Angst davor, wie es weitergehen sollte – wie sie die Miete zahlen sollten – wie sie das eh schon magere Essen auf den Tisch bringen sollten. Oliver stand in gebückter Haltung im Raum und blickte nun auf seine Hände. Sie waren von den tausenden Fäden, die er wieder zusammenknoten musste ganz rissig. Er suchte nach den richtigen Worten, fand sie aber nicht.
Jetzt kam seine Mutter und schaute verwundert zu Oliver, dann zu seinem Vater. Auch sie hatte ihre Arbeit verloren. Vor drei Monaten wurde sie krank und ist mit Fieber auf dem Weg in die Fabrik zusammengebrochen. Sie kam zwei Stunden zu spät zur Arbeit und an ihrem Platz war schon eine andere Frau. Oliver hielt den Kopf gesenkt. Er war müde und verängstigt. Er wusste, was seine Nachricht für die Familie bedeutete. Nun guckten ihn seine Eltern fragend an.
„Ich... ich bin...“, er seufzte kurz auf und musste all seinen Mut zusammen nehmen. „Ich bin eingeschlafen!“, murmelte er auf den Boden blickend. Jetzt war es raus. Jetzt konnte Vater den Gürtel nehmen und ihn schlagen. Jetzt konnte er ihn rausschmeißen in die Kälte schicken mit der Begründung, dass sie kein Geld mehr hätten, ihn durch zu füttern. Er war auf alles gefasst, aber er war zu müde um Angst vor der Zukunft zu haben.
Niemand redete, seine fünf Geschwister waren in der Fabrik. In der Stille im Raum hörte man die Gespräche von draußen: ein Baby schrie und in der Ferne hörte man die Maschinen der Fabrik, in der er bis eben noch gearbeitet hatte. Ein Schockzustand machte sich im Raum breit. Auch seine Eltern hatten noch auf eine andere Erklärung für Olivers frühes Erscheinen gehofft, aber nun war es Gewissheit. Oliver hob den Kopf jetzt langsam. Die Müdigkeit wich der Angst vor den Konsequenzen. Er sah Mutter ins Gesicht. Die Tränen standen ihr in den Augen. Sein Vater hielt ihre Hand und schaute sie an.
Endlich brach er die unheimliche Stille: „Es ist ok, Oliver. Hat er dir noch den ausstehenden Lohn gegeben?"
Oliver griff in seine Tasche und gab ihm die 3 Pence.
„Danke, du bist ein guter Junge. Jetzt lass uns bitte allein. Geh etwas schlafen. Du bist völlig übermüdet. Morgen suchst du dann neue Arbeit.“
Seine Mutter konnte nichts sagen. Sie weinte nur still vor sich hin. Oliver ging zu ihr und umarmte sie. „Es tut mir leid“, flüsterte er und ihm stiegen die Tränen in die Augen. Schließlich ließ er seine Mutter los und ging ins Bett. Trotz der Decke war ihm kalt.

 

Hallo Flamingo

Mir gefällt deine kurze Geschichte. Ich finde die Stimmungen kommen sehr gut rüber. Wie er sich fürchtet zu beichten was passiert ist, die erwartungsvollen Eltern, die ja bereits wissen/ahnen was es wohl ist, die ganzen Sorgen, die damit auf die Familie fallen...

Ich finde sie dürfte ruhig noch etwas länger sein. Noch etwas mehr reinpacken als den Fakt der Kinderarbeit und was es bedeutet wenn ein Kind den Job verliert. Z.B. habe ich mich beim Lesen gefragt, warum das Kind Oliver heisst, und warum der Text unter "Historik" steht. Zeig noch mehr von diesem Umfeld, sonst kommt einem eher die Kinderarbeit von heute in den 3.Weltländern in den Sinn, wo dann wiederum der Name Oliver überhaupt nicht hinpasst.
Weil der Text hier auf KG.de unter Historik steht kann ich verknüpfen, dass es wohl um Europa zur Zeit der Industrialisierung geht, und nicht um die Kinderarbeit in 3.Weltländern. Aber wenn ich den Text irgendwo gelesen hätte, ohne dass er unter einem solchen Titel steht, wäre ich vielleicht nicht sofort draufgekommen.

Liebe Grüsse,
Siiba Bulunji

 

Hallo Flamingo,
im Gegensatz zu meinem Vorredner hat mir deine Geschichte eher nicht gefallen. Im Folgenden versuche meine Gründe dafür zu erleutern.

1.Die Beliebigkeit deiner Beschreibungen. Du sagst "alter Stuhl", aber damit kommt kein Bild an. Ich mein, was für ein Stuhl ist das? Woran sieht man, dass er alt ist? Ich weiß, dass ist sehr schwer ist diese Sachen zu zeigen - scheitere wohl selbst regelmäßig daran - aber ich denke, du solltest es zu mindest versuchen. Auch die Wut bzw. Besorgnis des Vaters kommt nicht rüber.

2. Deine Charaktäre sind zu beliebig. Das könnte echt jeder sein. Es gibt eigentlich nichts, was sie besonders macht. Die Mutter weint. Der Vater hat ein kaputtes Bein. Das Kind ist übermüdet und ist bei der Arbeit eingeschlafen. Mehr kommt da nicht. Ein, zwei persönliche Details würden hier schon reichen, um die Personen aus der Stereotypie zu reißen. Gib doch den Eltern je ein äußerliches Merkmal oder dergleichen.

3. Du hast einige sprachliche Unsauberkeiten bzw. allgemein Plätze drin:

Es gab kein Licht, weil die Häuser so nah aneinander gebaut waren und Kerzen waren zu teuer.
Entweder: "so nah aneinander gebaut (waren) und Kerzen zu teuer Waren." Oder ein Komma vor dem und. Sonst passen die beiden Satzteile nicht zusammen.

Sie hatten sich jedoch schon an die Dunkelheit gewöhnt und die Kälte war ebenfalls Teil ihres Lebens geworden.
Sorry, aber das hört sich total billig an. Denk dir doch eine bessere Formulierung aus oder, noch besser, überlege dir, wie man diese Gewöhnung an die Umstände zeigen könnte, statt von ihr zu erzählen.

Er war müde und verängstigt. Er wusste, was das für seine Familie bedeutete.
Das was bezieht sich hier auf das "müde" und "verängstig", dabei meinst du wohl den Verlust der Arbeit.

n der Stille im Raum hörte man die Gespräche von draußen, ein Baby schrie und in der Ferne hörte man die Maschinen der Fabrik, in der er bis eben noch gearbeitet hatte.
Nach "draußen" kannst du einen Doppelpunkt, einen Punkt, einen Gedankenstrich, ein Semikolon machen, aber bitte kein Komma, das wirkt total lasch und der Satz plätschert einfach weiter.

Er weinte leise, bis er nicht mehr konnte und endlich in unruhigen Schlaf fiel.
Diesen Satz hört man ständig, entweder genauso oder in einer Abwandlung - er ist ein Klischee.

Ich hoffe, du verstehst nun, warum mir deine Geschichte nicht zu sagt.
Gruß, Kew

 

Hallo ihr beiden!
Erstmal Danke für eure Beiträge zu meiner Geschichte. Ich habe ein paar Änderungen vorgenommen, die die Geschichte sicherlich etwas besser machen. Falls dennoch Verbesserungsvorschläge da sind, wäre ich froh, wenn ihr sie hier veröffentlicht.
Gruss,
Flamingo

 

Salü Flamingo

Das ging ja schnell! Vielleicht zu schnell? Mir gefiels vorher besser.

LG, Siiba

 

Hi Flamingo!
Ich tippe als Setting für deine Geschichte auf England während der industriellen Revolution.

für Kerzen hatten sie kein Geld.
Damals - soweit ich weiß - waren Kerzen nahezu indiskutabel, aber auch die armen Leute haben sich herrlich rauchende Kienspäne leisten können.
der von Termiten zerfressen wurde
Haben wir in Europa Termiten? Holzwürmer fände ich - aber ich weiß es auch nicht - irgendwie wahrscheinlicher.
das eh schon magere Essen
klingt für mich umgangssprachlich.
und ist mit Fieber auf dem Weg in die Fabrik zusammengebrochen. Sie kam zwei Stunden zu spät zur Arbeit und an ihrem Platz war schon eine andere Frau.
Hier fällst du aus der Zeit
Es ist ok
Finde ich klingt zu modern.
Insgesamt sagt mir deine Geschichte nicht so zu. Einiges wurde oben schon gesagt. Ich finde auch nicht, dass du die Zeit so wirklich triffst. Ich lese mich im Moment ein wenig durch Dickens, und irgendwie - ich kann es nicht so genau festlegen - vermitteln seine Schilderungen eine andere Atmosphäre. Auch von der Familienstruktur. Z.b.
Jetzt lass uns bitte allein.
Ich glaube für den einfachen Arbeiter gab es damals kein "allein". Eine Familie hatte - glaube ich - nur einen Raum. Wie gesagt, ich kenne mich damit auch nicht aus, aber vielleicht wäre es angemessen, dass du nochmal ein wenig recherchierst, und eine etwas breitere Geschichte schreibst.
Ich hoffe, du kannst irgendetwas mit meinem Kommentar anfangen.
S:)nnige Grüße
Cathy

 

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