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Korrespondenz

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23.10.2006
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Korrespondenz

Ich werde heute zu Hause bleiben. Vielleicht auch morgen, übermorgen oder auch den Rest meines Lebens.
Hier drinnen unterscheidet es sich wenig vom Draußen, dort ist es nur ein wenig bunter.
Aber was sind schon Farben, wenn sie zusammen gemischt doch nichts anderes als Schwarz ergeben?!
Hier habe ich alles. Kehliges Rot zum Beispiel. Summendes Anthrazit und tragendes Braun.
Ich sehe atmendes Grün, höre leises, parfümiertes Rose durch die Wand, klapperndes Asphalt und schmecke giftfahles PVC unter den Sohlen.
Wohin sollte ich also gehen? Wo doch alles läuft und läuft, rennt wie eine Wüstenmaus.
Ich habe es satt, habe genug von den Worten, den kläffenden Hunden und schnurrenden Katzen.
Ich schenke lieber dem tropfenden Hahn mein Gehör. Lasse auch mich fallen aus dem Reich der Wörter, hinab ins Sammelbecken des Verlusts.
Mein teurer Freund, es stimmt, ein Leben ist unbezahlbar. Ein Leben ist etwas wundervoll Grausames.
Wenn wir uns sehen …
Treulichst,
B.

Wenn wir uns sehen …
Wie lange sitze ich nun schon hier? Wie lange ist es inzwischen her?
Noch immer kann ich nicht begreifen was passiert ist, Abkehr von mir, von uns.
Dies ist keine Liebesgeschichte, dies ist keine Geschichte, die man erzählen könnte.
Treulichst,
B.

Wo liegt deine Verbundenheit, wenn Du alles hast gehen lassen?
Manolo sagte mir schon damals, dass man sich auf Dich nicht verlassen könne.
Manolo hatte Recht mit vielem, was er sagte. Aber auch er ist nicht hier. Nur ich allein
und Dein Brief.
Wie lange alles her ist …
Und wie direkt es mich dennoch trifft.
Dies ist keine Geschichte. Geschichten sind Fiktion, erzählte Einheiten, Kontext.
Das hier, ist nichts als Fragment.
Vielleicht lässt es sich abführen, abtreiben oder …

Manolo, Du hattest Recht und Du hast mir zugesehen, die ganze Zeit warst Du dabei.
Und jetzt bist Du weg.
Hat B. etwa auch Dir geschrieben? Ich kann es mir nicht vorstellen; damals habt ihr euch gehasst.
Habt gekämpft um mich, mein Urteil zu eurer Trophäe erhoben. Doch auch ich ging, suchte zu vergessen, dass ihr beide Recht hattet.

Nach eurem großen Bruch, Manolo, wie schlecht es dir ging! Noch heute kann ich es hören, das Heulen der Hunde. Und wo war B. damals? Er sagte nichts dazu. Trank seinen Kehligen, webte an sich selbst, bewegte sich nicht mehr als ein Sofakissen.

Ich erinnere mich noch gut an den Abend unserer Offenbarung. Arm in Arm lagen wir da, nackt und aneinander gepresst. Du weißt es, oder? Ich schlief zwölf Stunden lang und als ich erwachte, war es wie ein Traum.

Manolo, B. ist tot,
glaube ich.

Und wenn ich eins nicht verstehe, dann deine Ignoranz. Auch Du hast ihn einmal geliebt.
Wie uns die Worte in den Mund gelegt werden!
Die Worte …
Ein wahrhafter Fluch ist das! Aber was bleibt schon?
Ich schaue auf meine Hände und alles was ich sehe sind Worte.
Ja, ich weiß, wir sind jung und ich hatte schon immer einen Hang zu Theatralik aber sie haben uns eingekerkert, sich verselbstständigt.

Wie sagt man noch?
Kein Blatt vor den Mund nehmen …
Nun, genau das versuchte ich gerade, wie damals B. auch.

In Liebe,
L.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Subart,

Wie Du selbst sagst: Dies ist keine Geschichte, aber schön beschriebene Fragmente einer traurigen Geschichte zwischen L., Manolo und B. (Warum nur einer der drei einen Namen bekam, verstehe ich nicht ganz, aber das hat was. Der Rest ist ja auch recht rätselhaft.)

Ich habe diese Gedankengänge und Einblicke wie durch ein Guckloch ins Leben dreier Menschen gern gelesen und fand sie sehr stimmig und anregend ausgedrückt.

Nur unter Summendem Anthrazit kann ich mir gar nichts vorstellen. Und wie kann ein Mann eine Abtreibung vornehmen? Oder hat das Wort noch eine Bedeutung auf die ich einfach nicht komme?

Liebe Grüsse

Elisabeth

 

Hallo Elisabeth,

danke für deinen Kommentar.

Summendes Anthrazit war als Metapher technologischer Gegenstände, zum Beispiel einem Laptop oder Computermonitor, gedacht, die im Textkontext auch eine entfremdende, isolierende Bedeutungsebene besitzt, bzw. zum Stimmungsbild beitragen soll.

Auf deine Frage nach der männlichen Abtreibung, nun, ehrlich gesagt entstand der Text wie von alleine und Manolo weder als konkret männlich noch weiblich empfunden.

Eine metaphorische Deutung der Abtreibung wäre zwar durchaus denkbar, von mir so jedoch nicht gewollt.

Ich werde wohl eine Weile darüber nachdenken müssen und entweder den Namen ändern, auch wenn ich ihn sehr mag (vielleicht einfach das "o" durch ein "a" austauschen) oder mir etwas anderes überlegen.

LG,
S.

 

Hallo nochmal,

Manolo ist ein sehr häufiger Spanischer Männername. (so wie Hans, Karl oder Fritz)Ich dachte beim Lesen erst, die Korrespondenz geht nach Spanien. Manola - Hilfe, bitte nicht! Zumindest einem Spanier würden sich dabei die Haare sträuben. Ich kannte allerdings mal ein Mädchen, das Magola hiess. Dann ist da noch Lola, Pilar, Imma, Soraya, Lorena...

Sonnige Grüsse

Elisabeth

 

Hallo Elisabeth,

ich denke ich habe eine einfache aber dennoch elegante Lösung gefunden, die den einzelnen Verflechtungen keinen Abbruch tut.
Dein Vermutung gen Süden ist übrigens mehr als passend, habe auch ich dort schon das ein oder andere Mal die Hunde heulen hören.

Grüße aus L.,
S.

 

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