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Kotzkuss

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10.11.2007
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Kotzkuss

Er saß am Fenster und schaute hinaus. Nicht, dass seine Augen irgendetwas festhielten.
Sie waren auf einen Punkt ausgerichtet, den seine Pupillen nur nicht wahrnahmen.
Es war kurz nach sechs am Morgen.
Vier Stunden war es her, als er sich vor das Fenster gesetzt und seinen Kopf auf die Fensterbank gelegt hatte. Drei Stunden war es her, als er aufgehört hatte seine Tränen aufzuhalten. Zwei Stunden war es her, als seine Tränen versiegten. Eine Stunde war es her, als er seinen Kopf gehoben hatte um durch die Fensterscheiben in das noch dunkle Draußen zu starren.
Zwanzig Minuten war es her, dass er die ersten hellen Streifen am Horizont wahrgenommen hatte, ohne sie anzusehen. Fünfzehn Minuten war es her, als der Penner auf den Bürgersteig vor dem Fenster gekotzt hatte. Zehn Minuten war es her, dass die Tageszeitung in seinen Briefkasten gesteckt wurde. Fünf Minuten war es her, dass sich ein Pärchen vor dem Fenster einen verliebten morgendlichen Kuss gegeben hatte, bei dem der Mann mit einem Fuß in dem erbrochenen des Penners stand. All das hat er nicht gesehen, da sich seine wässrig blauen Augen nur den einen ungewissen Punkt in der nahen Ferne fixierten. Zwei Minuten ist es her, dass die Müllabfuhr seine Straße durchquerte um die vollgestopften Mülltonnen zu leeren.
Vor Vier Stunden und vier Minuten hatte er seine Abfälle in die Mülltonne draußen auf der Straße geworfen. Vor einer Minute fingen seine Tränen unkontrolliert an über seine seit Tagen unrasierten Wangen zu laufen. Das war dreißig Sekunden bevor er begriff, dass es nun wirklich vorbei war. Seine Augen hatten es vor ihm gewusst. Sie hatten dreißig Sekunden vor ihm selbst gewusst, dass sie tot waren und ihr Licht verloren haben. Und das ihr restliches Leben mit der Müllabfuhr davon fuhr.

 

Hallo ak90,

der Titel gefällt mir nicht, aber ansonsten hast Du eine sehr schöne Geschichte geschrieben, die auf mich stimmungsvoll gewirkt hat. Vor allem bei dem tristen Novemberwetter... *seufzt*
Gut finde ich, daß Du offen läßt, warum Dein Protagonist so lange vor dem Fenster sitzt. Liebeskummer? Sterbefall? Oder einfach Pubertätsdepression? Das fand ich wie gesagt sehr gut, denn wer kennt die Stunden nicht, die man einfach mit Starren verbringt, ohne irgendetwas zutun oder wahrzunehmen.

Liebe Grüße
stephy

 

... okay, danke für die kritik :)
... ich erkläre meine geschichten selten, ich liebe offene enden, offene stellen, wo jeder interepretieren und rätseln kann, so viel er will ;)

lg, ak

 

Hallo ak90,

ich hatte das jetzt auch nicht als Aufforderung zur Erklärung gemeint, sondern vielmehr als rhetorische Fragen, die sich beim Leser stellen können. ;)
Ich persönlich mag Geschichten eigentlich nicht, die wenig Fragen aufwerfen und sich aus dem Text selbst heraus erklären.

Liebe Grüße
stephy

 

Hallo ak90,

viel zu rätseln gibt es da doch gar nicht. Die Augen haben ein eigenes Gehirn, das sie nutzen, anstatt Botschaften an das Stammhirn ihres Besitzers weiterzugeben. Sonst können sie ja nicht etwas vorher gewusst haben.
Die Methode Zeit herunter- oder heraufzuzählen, wird gern genutzt, vor alem, wenn man sich daraus einen pointierten Effekt erhofft. Wenn dabei in jedem Satz eine falsche Nebensatzeinleitung verwendet wird, nämlich her/als, wird diese Listung nicht zwangsläufig origineller, nur eben falscher.
Wenn nur das restliche Leben der Augen, nicht aber das, ihres Besitzers mit der Müllabfuhr davon fährt, dann sind auch nur die Augen gestorben, er muss sie sich also ausgestochen haben, sonst hätten sie nicht im Mülleimer landen können. Dann wird es aber her Blut sein, das unkontrolliert über die unrasierten Wangen läuft.
Details:

bei dem der Mann mit einem Fuß in dem erbrochenen des Penners stand
Erbrochenen
da sich seine wässrig blauen Augen nur den einen ungewissen Punkt in der nahen Ferne fixierten
sich
Zwei Minuten ist es her, dass die Müllabfuhr seine Straße durchquerte um die vollgestopften Mülltonnen zu leeren
durchquerte, um
Vor Vier Stunden und vier Minuten
beide "vier" klein

Kleinlich? Ja, dazu stehe ich. Die Struktur hast du gut durchgehalten, den Aufbau gesteigert, nur in den Formulierungen hast du für mein Gefühl danebengegriffen. Und in der Pauschalerklärung von Beitrag #3. Dafür wird hier noch mal das Phrasenschwein eingeführt.

Lieben Gruß, sim

 

Servus ak90,

mir geht es diametral zu Stephy, der Titel spricht mich an, die Geschichte nicht.
Weil die Derbheit, die Brilliantheit der Bilder - die ich nach dem Titel erwartet hätte - sich nicht vorfindet.
Stilistisch finde ich diesen Text ebenfalls eher dürftig, das, was man ggf. als Sprachrhythmik bezeichnen könnte, wirkt auf mich ungelenk.

Vier Stunden war es her, als er sich vor das Fenster gesetzt und seinen Kopf auf die Fensterbank gelegt hatte. Drei Stunden war es her, als er aufgehört hatteKOMMA seine Tränen aufzuhalten. Zwei Stunden war es her, als seine Tränen versiegten. Eine Stunde war es her, als er seinen Kopf gehoben hatteKOMMAum durch die Fensterscheiben in das noch dunkle Draußen zu starren.
Zwanzig Minuten war es her, dass er die ersten hellen Streifen am Horizont wahrgenommen hatte, ohne sie anzusehen. Fünfzehn Minuten war es her, als der Penner auf den Bürgersteig vor dem Fenster gekotzt hatte. Zehn Minuten war es her, dass die Tageszeitung in seinen Briefkasten gesteckt wurde. Fünf Minuten war es her, dass sich ein Pärchen vor dem Fenster einen verliebten morgendlichen Kuss gegeben hatte, bei dem der Mann mit einem Fuß in dem erbrochenen des Penners stand.
Die Rhythmik in den x Minuten war es her, dass ist okay, die dann jedoch stereotype Aneinanderreihung des immer gleichen Satzgrundkonstruktes ist halt, was ich als ungelenk empfinde, nicht als Stilmittel mit der richtigen Wirkung.
Vor einer Minute fingen seine Tränen unkontrolliert an über seine seit Tagen unrasierten Wangen zu laufen.
anKOMMA über
Und das ihr restliches Leben mit der Müllabfuhr davon fuhr.
dass
Sie hatten dreißig Sekunden vor ihm selbst gewusst, dass sie tot waren und ihr Licht verloren haben.
der Logik des Zeitstrahls folgen muss es lauten : dass sie tot sind, schliesslich ist dieser Zustand andauernd

... ich erkläre meine geschichten selten
:rolleyes: Ich hol mal das Phrasenschwein;
ist aber ein Wanderpokal, nicht behalten :D

Insgesamt nicht mein Gusto, dieser Text. Wenn die Bilder wirken sollen, wenn der Text durch Athmosphäre denn durch Geschichte überzeugen soll (und grundsätzlich ist das möglich), dann muss die Pinselführung beim Wortmalen exakt und bewusst sein. Da ist mir Dein Text zu fahrig, zu oberflächlich, zu schnell.

Grüße
C. Seltsem

 

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