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- 02.09.2015
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Kreis mit Kreuz: Heike
Heute ist der Tag, an dem ich seit genau vierundzwanzig Jahren Sex habe. Das ist an sich nichts Besonderes für eine Frau Anfang vierzig. Aber ich habe seit vierundzwanzig Jahren Sex mit dem gleichen Mann. Hans und ich haben dabei ein stillschweigendes Gentlemen Agreement getroffen. Während bei anderen Paaren nach der ersten Brunst häufig das Liebesleben schleichend einschläft, haben wir an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat am frühen Nachmittag vor dem Kaffee unser Schäferstündchen. Nach dem Mittagessen machen wir einen kleinen Spaziergang, dann gehen wir ins Schlafzimmer, ziehen uns aus, legen uns ins Bett, ich rechts und er links, und schlafen erst einmal eine Viertelstunde. Anschließend dreht Hans sich auf seine rechte Seite, drückt mir einen verschämten Kuss auf die Wange, streichelt mir über den Arm und schließlich hievt er sich mit einem Ruck über mich und ruft dabei »Rechtsverkehr«. Er rubbelt ein paar Mal mit seiner Hand über meine Muschi, bevor er in mich eindringt für den ungefähr zehnminütigen Akt, den wir in einer Art abgewandelten Missionarsstellung verbringen. Danach schläft Hans für eine halbe Stunde ein, während ich darauf warte, dass er wieder aufwacht. Ich glaube, wir sind ein gutes Paar.
Und heute ist Sonntag. Der vierte Sonntag im Monat und Hans ist mit seinen Jungs auf dem Weg von München nach Köln zu einem Helene Fischer-Konzert. Ich wünschte ihm viel Spaß und tat so, als machte mir das nichts aus. Dass mein Mann einer Blondine in engen Bühnenkostümen zugrölt. Er wird heiser sein, wenn er zurückkommt und ich werde ihm Salbeitee kochen. Ich möchte mich ja nicht aufführen wie ein Teenager-Mädchen, das ihrem Freund Vorwürfe wegen dem Pin-up-Kalender auf dem Klo macht. Immerhin kann mir diese Helene nicht gefährlich werden, so attraktiv ist Hans nun auch nicht mehr. Aber manchmal da frage ich mich …
Ich greife zu dem Handy und tippe eine Nachricht ein. »An wen denkst Du beim Sex?«, frage ich meinen Bruder. Klausi kann ich alles fragen.
Es piept. »Willst Du das wirklich wissen?«.
»Ja, ich will!«, gebe ich ein.
»An Mutter.«
Ich glaube, ich will es doch nicht wissen. An Mutter? Ich rufe meinen Bruder an, der prompt rangeht. »Heike, na wie …«
»An Mutter? Ist das dein Ernst?«
»Du hast gefragt.«
»Ja, habe ich, aber …«
»Nun, da ist so eine Erinnerung. Ich weiß gar nicht, ob sie echt ist. Aber ich liege auf einem blauen Badetuch auf dem Küchentisch und Mama macht mir eine frische Windel und …«
»Halt die Klappe!« Ich pruste. Mein Bruder ist ein Perversling.
»Warum hast du dann überhaupt gefragt?« Klausis Stimme klingt unschuldig.
»Hans ist bei Helene Fischer.«
»Und jetzt glaubst du, dass er beim Sex an Helene denkt?«
»Nun, ist ja nicht ausgeschlossen …«
»Ist euer Sex heiß und zügellos?«
»Nein. Ich meine, er ist schön, aber – normal.«
»Dann denkt er auch nicht an Helene Fischer. Du, die Nina ist da. Ich lege auf.«
Zack, weg ist Klausi, mein offenbar mit Ödipus-Komplex ausgestatteter Bruder.
Ich lasse mich auf den Sessel fallen. Wir haben keinen heißen und zügellosen Sex, weil mein Mann an mich und nicht an Helene Fischer denkt? Irgendetwas läuft in unserer Ehe komplett verkehrt.
Und mit einem Schlag wird mir klar, was es ist: Wir haben »Rechtsverkehr«.
Wir machen alles so, wie es uns die Priester seit Jahren vorbeten. Wir haben ein geregeltes Ehe-Sexualleben, das zwar aufgrund meines Unfalls kinderlos blieb, aber im Übrigen führen wir eine vorbildliche Beziehung. Wir hätten nichts zum Beichten, keine SM-Abenteuer á la Christian Grey, keine Seitensprünge, die über den Besuch eines Helene-Fischer-Konzerts hinausgingen. Nun ja, die Sache von vor fünfzehn Jahren lasse ich einmal weg. Ich habe Hans verziehen.
Ich stehe auf. Laufe im Wohnzimmer Furchen in den Boden. Nicht einmal Kamasutra gehört in unser Repertoire. Okay, das würden vermutlich auch meine Bandscheiben nicht mehr mitmachen. Mit zweiundvierzig ist man irgendwie nicht alt, aber auch nicht mehr die Jüngste.
Ich glaube, wir sind zufrieden, aber sind wir auch befriedigt? Atemlos? Ist das die Midlife-Crisis?, frage ich mich und überlege für einen Moment, ob ich meine Haare bleachen lassen soll. Verschiebe den Gedanken so schnell, wie er gekommen war, wieder in die Schublade der beknackten Ideen einsamer Sonntage. Aber etwas brodelt in mir. »Rechtsverkehr«. Das hört sich schon so ordentlich an. Als wären wir unsere eigenen Großeltern. War es das, was wir wollten, als wir uns als Teenies in der Diskothek zu Erotica »Max, don’t have Sex with your Ex« die Kehle ausschrieen? Uns »cool« fanden, weil Sex nicht länger ein Tabuthema war? Und nun? Nun zogen wir die Vorhänge zu an jedem ersten und dritten Sonntagnachmittag im Monat. Als ob die Nachbarn nicht wüssten, was dahinter geschieht. Wir sollten Sex bei offenen Vorhängen haben und die Pfeiffers sollten vor Neid blass werden, wenn sie sehen, wie es bei uns rumpelt!
»Rechtsverkehr« klingt es in meinem Kopf noch lange an diesem Tag nach. Den haben Anwälte, aber kein Liebespaar. Ich wälze mich im Bett hin und her und frage mich, was uns fehlt. Und ich treffe in dieser Nacht einen Entschluss ...
Ich mache mir eine Tasse Kaffee und setze mich an den Laptop. »Wie peppt man …«
» ... seine Beziehung auf«, gleich der erste Treffer. Knapp gefolgt von »... seine grauen Haare« und »... ein altes Bad«. Ich schmunzele und drücke auf Return. Und da war sie, die Lösung: Ein Blog zum Thema Sex in der Ehe. Das fängt gut an.
»Überraschen Sie Ihren Ehemann mit heißen Dessous …«, lese ich mir selbst laut vor. An so etwas dachte ich nicht gerade. Ich klicke mich weiter durch die Vorschläge des Blogs mit dem verheißungsvollen Namen »Die verflixte 7«. Finde dort alles von aphrodisierenden Kochrezepten bis hin zu angeblich aufregenden Handschellenspielen mit zweckentfremdeten Kochlöffeln und Kaffeefiltern. Ich seufze und sehe mich schon in Frischhaltefolie gewickelt, Hans die Tür öffnen. Wie Kathy Bates in »Grüne Tomaten«. Zumindest die gleiche Frisur haben wir ja schon.
Und wie das so ist mit dem Teufel, höre ich genau in diesem Moment die Schlüssel im Schloss. Hans kommt von seinem Helene-Fischer-Abenteuer zurück. Die Tür öffnet sich und ich klappe schnell den Laptop zu. Vertrautes Schlurfen ist zu hören. Er hüstelt im Flur und ich sehe vor meinem inneren Auge, wie er die Hand zu einer lockeren Faust ballt.
»Benutze den Ellenbogen!«, rufe ich vom Schreibtisch aus. »Soll ich dir einen Salbeitee kochen?«
Ein Murren ist aus dem Flur zu hören und schließlich erscheint er an der Tür. Für seine fast Fünfzig hat er sich gut gehalten. Die schwarzen Haare sind von grauen Strähnen durchzogen und sein Bauch gleicht dem einer Schwangeren im fünften Monat, aber welcher Mann über vierzig ist noch schlank und rank wie ein Eros?
»Was gibt es zum Essen?«, fragt Hans mit heiserer Stimme und reibt sich mit dem Unterarm über die Nase, zieht dabei hörbar seinen Allergieschnupfen hoch. Hausstaub, Katzen- und Hundehaare und allerlei Grünzeug.
Ich lächele ihn an. »Hast du deine Tropfen wieder vergessen?«
Er grummelt etwas, während er aus dem Wohnzimmer Richtung Bad schlurft.
»Braten und Knödel!«, rufe ich ihm hinterher, klappe schnell wieder den Laptop auf.
Ich gehe zurück auf die Suchmaschinenergebnisse. Das kann doch nicht alles sein. Handschellen und rote Dessous. Ich drücke noch einmal auf Return, die Seite lädt neu –
und ich bleibe an einer Anzeige hängen, die rechts mit einem rosa Bildchen einer Muschel versehen ist: »Perlengruß – Professionelle Yoni-Massage für die Frau … Betreten Sie Ihren Tempel und finden Sie den Punkt der Göttin, denn keine Frau sollte sich weniger wert sein.«
Ich klicke mich durch zu der in einem dezenten Rosé gehaltenen Webseite und lese neugierig weiter: »Sie vermissen das Feuer, das einst in Ihrer Partnerschaft loderte? Yoni wird Ihnen helfen, Ihre energetischen Flüsse zu aktivieren und ihre Weiblichkeit zu reaktivieren. Damit bringen Sie neuen Pep in Ihre Beziehung. Werden Sie zur Muschel für Ihre persönliche Perle - Rufen sie uns an unter der 0800…«
Ich klicke auf die Bilder, erröte und schmunzle. Was es nicht alles gibt. Ich schüttle mich und schließe rasch das Browserfenster. Meine Wangen glühen. Yoni! Unglaublich.
Der Braten wartet.
Die junge Dame mit dem bronzenen Teint und den kompliziert aufgetürmten Haaren öffnet mir lächelnd die Tür. Ein rosa Band scheint die Frisur zusammenzuhalten und irgendetwas reizt mich, an dem Schleifchen zu ziehen. Wie viele Stunden man wohl braucht, um das so zu binden?
Ich fange mich wieder. »Ich bin Frau Huber, Heike Huber. Wir haben telefoniert?« Meine Stimme kommt mir zittrig vor. Jedenfalls beben die Beine und die Handflächen sind kaltnass. Wie bloß bin ich auf diese dämliche Idee gekommen, hier anzurufen? Es fällt mir wieder ein: Hans war auf Montage und ich musste erneut an Kathy Bates in Frischhaltefolie denken. Das war es und nun stehe ich hier in den rosé gestrichenen Räumen des Perlengrußes.
»Sie sind das erste Mal bei uns?«, fragt die Dame mit dem schwarzen Haarturm und zeigt mir mit einer Handbewegung an, dass ich ihr folgen soll. Ich nicke. Mein Mund ist so trocken, dass ich keinen Ton herauskriege.
»Ich bin Fräulein Tamara«, fährt sie unbeirrt fort.
Fräulein, denke ich. In welchem Jahrhundert bin ich hier angekommen?
»Sie müssen einen Fragebogen ausfüllen, wenn Sie zum ersten Mal hier sind.« Fräulein Tamara führt mich zu einer Theke, die mich an die meines Zahnarztes erinnert, was nicht gerade die Stimmung hebt. Am liebsten würde ich auf der Stelle umdrehen, aber das ist mir zu peinlich. Jetzt habe ich mich in diese Situation reingeritten, jetzt muss ich auch da durch. Heike, mach keinen Rückzieher! Wenn Klausi hier wäre, er würde sich vor Lachen auf dem Boden wälzen. Aber immerhin: Ich tue das für meine Ehe, für Hans und mich. Wenn ich, wie es auf der Webseite steht, meine Energieflüsse verloren habe, dann muss ich sie wiederfinden.
Ich lasse mir den Fragebogen in die Hand drücken und setze mich in den Wartebereich. Name, Alter, Vorerkrankungen, Erfahrungen mit Tantra ... durchlebte Geschlechtskrankheiten? Wie Syphilis und Chlamydien? Ich schlucke. Die wollen doch jetzt nicht wissen ...? Die paar Chlamydien vor fünfzehn Jahren. Damals als Hans ... nein, das schreibe ich nicht rein.
»Sind Sie fertig?« Fräulein Tamara steht in ihrem violett-glänzenden Sari vor mir, lächelt mich an. Ich reiche ihr den Fragebogen.
»Sie dürfen dann durch diese Tür. Sie führt direkt in die Auskleide. Bitte gehen Sie anschließend durch den Vorhang in den Behandlungsraum. Meister Krishna wird dann kommen.«
Puh, jetzt wird es ernst. Ich nicke, bedanke mich kurz und gehe in die Auskleide. Soll ich mich jetzt wirklich? Ganz nackt? Zu meiner Erleichterung finde ich ein großes Badetuch in der Kabine. Darin eingehüllt, betrete ich durch den Vorhang, der aus unzähligen an Bändern aufgehängten Holzkugeln besteht, das besagte Zimmer. Es klappert hinter mir noch eine Weile weiter. Der kleine Raum ist ebenfalls rosé gestrichen. Auf den Fenstern klebt eine Folie, die wohl den Blick von der gegenüberliegenden Häuserfront blind macht. Von hier aus kann man auf die Paul-Heyse-Straße sehen, stelle ich fest. Es duftet nach exotischen Blumen und aus an der Decke hängenden Lautsprechern ertönt diese Meditationsmusik, die nach einer Mischung aus Walgesängen und Folklore klingt und in jedem gut sortierten Kaufhaus erhältlich ist. Entspann dich Heike!
»Ich grüße Sie!«
Ich schrecke zusammen, wende mich vom Fenster ab. Ein groß gewachsener Mann mit Glatze und in einer Art schwarzem Bademantel steht an dem Waschbecken in der rechten Ecke des Raumes und wäscht sich intensiv die Hände mit Seife.
Ein Kloß brennt sich seinen Weg von meinem Hals in den Magen. Mir wird etwas schwindelig.
»Legen Sie sich doch bitte gerne schon hin.«
Mein Blick fällt auf die dicke rote Decke am Boden. Meine Beine sind weich wie Pudding, als ich auf sie zugehe und mich langsam hinlege. Noch immer in das Badetuch eingehüllt, das ich krampfhaft festhalte.
Der Mann trocknet sich die Hände ab und wendet sich mit dem Gesicht zu mir. Erst jetzt sehe ich den schwarzen Drachen auf seinem Schädel, dessen Feuerflamme sich bis auf die Stirn zieht. Ich schlucke. Wie alt er wohl sein mochte? Fünfzig? Fünfundfünfzig? Das ist nicht gerade der Typ von Mann, mit dem ich ... nun gut, ich werde ja keinen Sex mit ihm haben. Hoffe ich ... ich fummele an dem Badetuch, als würde ich im Sterben liegen.
Barfuß kommt er auf mich zu. Kniet sich seitlich neben mich. »Ich bin Meister Krishna. Und Sie?«
»Heike El... Huber.« Das Elvira, das ich meiner Großmutter zu verdanken habe, schlucke ich schnell runter.
»Ich darf Sie doch Heike nennen?«
Ich nicke, soweit das meine Lage zulässt.
Meister Krishna, der so gar nicht indisch aussieht, lächelt verschmitzt. »Sie können das Badetuch ablegen und drehen Sie sich doch bitte auf den Bauch. Wir fangen mit einer einfachen tantrischen Massage an. Zur Eingewöhnung.«
Kann ich auch das Badetuch anbehalten?, denke ich, drehe mich aber brav zur Seite und ziehe es dabei unter mir weg. Im Moment möchte ich einfach nur noch, dass das hier vorbei ist.
Ich schließe die Augen, höre wie Meister Krishna die Hände aneinander reibt, als wolle er gleich einem Schwein die Kehle durchschneiden.
Dann spüre ich seine kräftigen Hände an meinen Schultern. Sie sind warm, massieren zunächst den Schulter- und Nackenbereich. Wandern den Rücken hinab.
»Sie sind aber verspannt. Da haben wir ja ein ganzes Stück Arbeit vor uns.«
Na, super. Ein Stück Arbeit bin ich also. Ich presse die Augen fester zusammen und lausche der Musik. Die Hände des Tantra-Meisters gleiten derweilen zum Gesäß. Mein Atem wird schneller. Ich nehme eine Erregung wahr, die ich lieber nicht hätte. Am liebsten würde ich aufspringen, mir das Badetuch schnappen und ...
... ein Stöhnen entgleitet mir und das Blut schießt in den Kopf, als die Hand des Meisters durch meine Poritze zur Vulva gleitet, sie sanft massiert. Mit der anderen packt er mich an der Schulter und dreht mich wieder auf den Rücken. Ich fühle mich furchtbar entblößt und presse meine Augen angestrengt zu. Fürchte, mich selbst zu sehen, wenn ich sie öffne. Wie ich puterrot auf der roten Decke liege, während ... ich schnappe nach Luft. Werde an den Beinen gepackt, spüre wie ich mit meinen Oberschenkeln auf den nackten Beinen des knienden Meisters aufliege. Ein kräftiger Daumendruck auf meiner Klitoris raubt mir die Sinne. Der Druck lässt nach, bevor ...
Und auf einmal kann ich loslassen. In meinen Ohren rauscht das Blut und die Musik. Mir wird erst warm, dann heiß. Ein Finger gleitet in mich, übt eine kreisende Bewegung aus. Ich stelle mir kurz vor, dass es Hans ist, der mich liebkost. Doch der Gedanke passt nicht. Deswegen stelle ich mir Krishna vor, wie er seinen Bademantel auszieht und das nicht tut, weil ich ihn bezahle, sondern meinetwegen.
Meine Ohren glühen, als es vorbei ist. Ich liege auf Krishnas Geheiß noch ein wenig auf der Decke rum, während er sich wieder gründlich mit Seife die Hände wäscht. Er nickt mir zu und verschwindet durch eine Tür.
Ein paar Minuten später kommt Fräulein Tamara in den Raum und reißt ein Fenster auf.
»Sie dürfen sich wieder anziehen.«
Ich rapple mich auf und wanke mit dem Badetuch in der Hand in die Auskleide, die jetzt eine Ankleide ist. Nachdem ich angezogen bin, verweile ich dort noch etwas. In meinem Kopf dreht sich alles. Was bloß habe ich da gerade erlebt?
An der Theke angekommen, sitzt dort bereits wieder das Fräulein Tamara. »Ich hoffe, es hat Ihnen bei uns gefallen und Sie beehren uns bald wieder.« Ihre Stimme klingt ein wenig wie die Ansage in den Münchner S-Bahnen. Nicht diese nette, bayerische Dame, die die Haltestellen durchgibt, sondern diejenige, die erschallt, um Zugverspätungen, Signalstörungen und Personen auf dem Gleis zu verkünden.
Ich presse die Lippen zusammen und nicke. Warum eigentlich nicht? Umso mehr ich über meinen Körper lerne, desto besser kann ich doch Hans erklären, wie wir wieder Pep in unsere Beziehung bringen.
»Wir hätten noch Donnerstag in einer Woche einen Termin um 14:00 Uhr.« Geschäftig schaut Fräulein Tamara von ihrem Bildschirm auf.
Leicht errötet sage ich zu. Das ist perfekt. Hans wieder auf Montage und Donnerstag ist mein freier Tag.
»Wir haben hier noch eine Informationsbroschüre. Yoni für daheim. Darf ich Sie raus begleiten?« Das Lächeln von der Schwarzhaarigen ist zuckersüß.
Ich lasse mich zur Tür geleiten, gehe durch das Treppenhaus zurück zu meinem Fahrrad. Ich werfe einen Blick auf die Broschüre: »Bringen Sie Ihr Qi wieder zum Fließen.« Auf dem Titelblatt ist ein Bild von Meister Krishna zu sehen. Er trägt darauf ein indisch wirkendes Hemd und die Flamme seines Drachens ist mit roten Steinchen beklebt.
Gedankenversunken rühre ich im Milchkaffee herum. Mir gegenüber sitzt eine Zeitung. Das Schnalzen verrät mir, dass Hans dahinter seinen geliebten Schinkenspeck isst.
Ich starre auf die Toastscheibe vor mir. Sie ist wieder einmal leicht verbrannt. Wie immer, wenn Hans sich um das Frühstück kümmert.
Wann eigentlich wurde unser Leben zu einer verbrannten Toastscheibe? Eine, die man so gerade eben noch essen kann, die aber zwischen den Zähnen knirscht und einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.
Mit einem Male ist mir der Mann gegenüber die rätselhafteste Entscheidung meines Lebens. Nein, nicht mit einem Male, sondern seitdem Krishna mir begegnete. Ich schließe kurz die Augen, denke an seine Hände, wie sie mich berühren an Orten, die Hans in vierundzwanzig Jahren nicht entdeckte.
Die Stimme Krischnas hallt in meinem Kopf nach: »Ich bin der Gebende, du die Empfangende, Yin und Yang.«
In meiner Beziehung zu Hans bin ich die Gebende, die, die seine Kleider wäscht, den Rotkohl kocht und diejenige, die jeden ersten und dritten Sonntag im Monat zur Verfügung steht.
»Willst du nichts essen?« Blaue Augen schauen über den Rand der Zeitung hinweg.
»Das Toast ist verbrannt“, sage ich und wundere mich selbst, wie belanglos das klingt.
»Aha.« In Hans' Räuspern ist deutlich ein »Das-hat-dich-doch-sonst-nicht-interessiert« zu hören.
Ich schnappe mir den Teller und stelle ihn auf die Anrichte. »Ich muss jetzt. Bin mit Anna-Maria verabredet.«
»Heute? Aber du bist zum Kaffee zurück? Heute ist ...«
Ich nicke. »Ich weiß, heute ist der dritte Sonntag im Monat.« Mit meiner Jacke unter dem Arm stehe ich bereits an der Haustür. »Ich versuche, mich zu beeilen.«
Hans verabschiedet mich mit einem Grummeln. Als ich vor der Tür stehe, atme ich erst einmal tief durch.
Dann schnellt der Puls hoch. Mit erröteten Wangen steige ich auf mein Fahrrad und fahre geradewegs zum Perlengruß. Es ist Sonntag. Krishna wird nicht arbeiten, aber vielleicht ist er da und wir könnten in Ruhe reden, ohne dass dieses Fräulein Tamara in der Nähe ist. Gedanklich gehe ich die Sitzungen der letzten Wochen durch. Es ist immer der gleiche Ablauf: Die Begrüßung durch Fräulein Tamara, das Auskleiden in der Kabine, während Tamara die Decken im kleinen Behandlungsraum vorbereitet. Dann kommt Krishna, wäscht sich die Hände, fragt, wie es mir geht. Ich antworte »gut«, frage mich jedes Mal, ob ich die Lüge aufklären soll. Ihm erzählen sollte, wie schlecht es mir geht. Wie ausgepowert, überreizt und unverstanden ich mich fühle. Verloren in meiner Ehe. Die Yoni-Sitzungen bei ihm das Einzige sind, das mich seit Wochen belebt. Mein Qi nur dann fließt, wenn er in meiner Nähe ist. Mein Mann und ich niemals diese Energieströme hatten, ich mein Leben im falschen Boot verbracht habe ...
Ich trete schneller in die Pedale, erreiche die Bahnhofsgegend. Es ist ein warmer Frühlingstag, aber meine Hände sind kalt und feucht. Ich fühle mich wie ein Schulmädchen, das am Wochenende durch die Gartenhecke ihres Schwarms schaut. In der Hoffnung, einen einzigen Blick auf das Objekt ihrer Begierde zu erhaschen. Aber ich bin kein Schulmädchen mehr, sondern eine erwachsene Frau und ich möchte ihm endlich sagen, dass ich mich verliebt habe. Ich noch nie in meinem Leben jemandem so dermaßen vertraut habe. Dass er recht hatte, als er sagte, dass das Qi meine innere Göttin erwecken und neue Kraft in mein Beziehungsleben brächte. Nur, dass es nicht die Beziehung zu Hans ist ...
Ich erreiche die Seitengasse zum Perlengruß, steige vom Fahrrad, um es die letzten paar Meter zu schieben.
Die Flügeltür des Altbaus öffnet sich. Mein Herz hüpft, als ich erkenne, dass Krishna herauskommt. Ein blaues Tuch im Piratenstil ist um seinen Kopf gewickelt, sodass die Drachentätowierung nicht zu sehen ist. Er hat einen riesigen Wanderrucksack geschultert, an dem Bergstiefel und Gletschereisen baumeln. Er geht Bergsteigen. Ich presse meine Lippen zusammen, blicke an mir runter auf den Konfektionsgröße-Vierundvierzig-Bauch, wie Anna-Maria unsere Figuren halb im Scherz, halb in Resignation nennt.
Nun, was dachte ich? Krishna hat eine drahtige Figur. Natürlich treibt er Sport. Aber das ist doch kein Hindernis ... Dann öffnet sich die Tür nochmals. Eine junge Frau kommt heraus. Ich brauche zweimal, um sie zu erkennen: Fräulein Tamara. Mir bleibt die Luft weg. Die Dame, die ich nur im Sari und mit der Hochsteckfrisur kenne, hat ihre schwarzen Haare zu einem Zopf geflochten, der ihr über den Po reicht. Sie trägt Wanderstöcke unter dem Arm geklemmt. Eine Hose, wie die Bergsteiger sie anziehen, besetzt mit Taschen, betont den makellosen Körper. Wow! So ungeschminkt sieht sie noch jünger aus und ich revidiere in meinem Kopf ihr Alter von Ende zwanzig auf Mitte zwanzig. Sie wirft die Stöcke in Krishnas Kofferraum, legt ihre Hände um seinen Hals und versinkt mit ihm in einen leidenschaftlichen Kuss. Ich blicke zur Seite. Der könnte dein Vater sein, Mädchen.
In meinem Mund zieht sich etwas zusammen und Tränen steigen in mir hoch. Was bloß dachte ich mir? Natürlich führt jemand wie Krishna eine Beziehung mit einer wie Tamara und nicht mit einer – ich atme tief durch, wische mir eine Träne vom Gesicht – wie mir. Einer pummeligen Hausfrau mit Teilzeit-Homeofficejob und einer verkorksten Ehe.
Derweilen löste sich die Umarmung der beiden. Tamara geht zur Beifahrerseite, während Krishna den Kofferraum zuschlägt. Sie fahren gleich los, durchfährt es mich. Ich schwinge mich auf das Fahrrad, trample um mein Leben, um wieder auf die Paul-Heyse-Straße zu kommen. Jetzt bloß nicht gesehen werden. Tränen verschleiern den Blick. Blindlings biege ich Richtung Bahnhof ab. Der Geruch von Abgasen, ranzigem Frittierfett und Taubendreck steigt meine Nase hoch. Jedes Auto, das mich überholt, blinzele ich an. Erleichtert stelle ich fest, dass Krishna und Tamara am anderen Ende der Straße rausgefahren sein müssen.
Reifen quietschen, jemand hupt. Erschrocken drücke ich in die Bremsen und komme zum Stehen. Fliege fast über den Lenker, kann mich gerade noch so halten. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich auf das Auto, in dessen Seite ich beinahe rein geprescht wäre.
»Kruzitirken! Haben Sie keine ...« Ich erkenne die Stimme durch das nun herabgelassene Fenster genau. Schließe kurz die Augen, bevor ich sie wieder öffne und Meister Krishnas grimmige Miene sehe. Wo verdammt ist das Mauseloch, wenn man es braucht?
Erkennen blitzt in des Meisters Gesicht auf. Er fängt sich wieder. »Heike? Ist alles in Ordnung?«
Ich nicke. »Ja, nichts passiert. Alles gut. Entschuldigung. Ich bin etwas durch den Wind.«
Ich mache Anstalten, mich wieder auf das Fahrrad zu setzen. Der Meister erscheint mir wie ein Fremder.
»Sicher?«
»Ja, ja. Nur ein Todesfall. In der Familie«, lüge ich und blicke ihn ein letztes Mal an. Wie er ratlos in Richtung von Fräulein Tamara schaut, noch etwas zu mir sagen will. Aber ich entferne mich schon. Möchte ihn zur Verabschiedung grüßen, traue mich nicht, den Lenker loszulassen.
Außer Atem erreiche ich den Bahnhof, kette mein Fahrrad an einer Straßenlaterne an. Tapse in die Unterführung. Leere macht sich in mir breit. Den Lärm der Unterführung mit seinen ratternden Zügen, den quatschenden Reisenden und den blechernen Durchsagen nehme ich kaum noch wahr. Mir ist egal wohin. Hauptsache weg. Ich nehme die erste S-Bahn Richtung Isartor.
Es ist ein Sonntag im Frühling. Die Isarufer sind voll von Menschen, die mit tragbaren Grillgeräten und Bierkästen einen Platz in der Sonne suchen. Kinder spielen Ball, schreien ...
Ich lasse mich nieder auf den Steinen, blicke in den Fluss.
Denke zurück an meinen Reitunfall, wie ich im Krankenhaus erwachte und erfuhr, dass ich niemals Kinder haben werde. Hans nahm damals meine Hand, lächelte mich an und sagte, dass wir es uns zu zweit schön machen würden. Aber es wurde niemals schön. Und jetzt zwischen den spielenden und lachenden Kindern wird mir klar, dass ich immer welche wollte und mich nie traute, es zu sagen. Wir hätten adoptieren können, als wir noch jünger waren. Aber Hans verkaufte sein »Nur wir zwei« so glaubhaft, dass ich auch daran glauben wollte.
Ich schlucke, wische mir eine weitere Träne aus dem Gesicht. All die verlorenen Möglichkeiten!
Das Yoni sollte meine Ehe retten, aber es hat meine Ehe zerstört. Ich mache einfach alles falsch. Auf einmal fühle ich mich einsamer als je zuvor; beginne, Steine in die Isar zu werfen. Beobachte, wie sie Ringe bilden, wenn sie auf das Wasser aufprallen und schließlich untergehen.
Ich unterdrücke meine Tränen nicht mehr, lasse sie laufen. Paare spazieren an mir vorbei. Scherzend, lachend. Ich stelle mir vor, wie der Meister mit Tamara auf einer Alm sitzt, den Arm um sie legt, sie küsst ... Wie habe ich das übersehen können? Wie habe ich mir einbilden können, dass ...? Ich werde wütend. Auf mich. Auf die Welt. Auf Meister Krishna. Seine Tamara. Verstehe, dass diese ganze Qi-, Perlen- und Göttinnenkacke nur Geschwafel ist. Dass mir Krishna für hundertzwanzig Euro die Stunde das erzählte, von dem er meinte, dass ich es hören wollte. Vermutlich bin ich eine von hunderten Hausfrauen, die bei ihm etwas suchen, was sie längst verloren oder nie besessen haben, und er macht allen mit seinem Gefingere vor, dass das irgendetwas in ihnen erwecken würde. Irgendwelche Perlen, Yin und Yangs und der ganze Eso-Scheiß, an den ich nie glaubte und auf den ich jetzt doch hereinfiel. Nichts als schöne Worte.
Die Wahrheit ist: Ich bin allein auf dieser Welt. Hans ständig auf Montage, auf Helene-Fischer-Konzerten oder sonst wo mit seinen Jungs unterwegs. Nur am ersten und dritten Sonntag im Monat, da wartet er auf mich im Bett und zieht seine Rechtsverkehr-Nummer durch. Ein Zucken geht durch meinen Körper. Der Nachmittag naht, ich muss mich beeilen, wenn ich ...
Nein – ich bleibe hier an der Isar.
Allein.
Ohne Hans und ohne – Krishna.
Es ist Donnerstag. Ich sitze am Laptop, obwohl mein freier Tag ist. Hans ist auf Montage und ich schaue auf die Uhr. Es ist bereits zwanzig nach zwei. Gerade, als ich mich wieder auf das Diktat stürzen will, das mein Chef mir ins Homeoffice schickte, klingelt mein Handy. Der Vibrationsalarm lässt meine Schreibtischplatte singen. Ich gehe nicht ran. Auf dem Display erscheint die Nummer vom Perlengruß. Nach zwei Versuchen bleibt das Handy still. Nun nehme ich es in die Hand und höre die Mailbox ab. »Hallo, Fräulein Tamara hier, ich wollte Sie erinnern an Ihren Termin heute. Ist etwas dazwischen gekommen? Vielleicht können Sie uns eine kleine Nachricht hinterlassen.« Der Hörer wird beiseitegelegt.
»Hast du sie erreicht, Schatz?« Es ist Krishnas Stimme, die leise aus dem Hintergrund erklingt.
»Nein, Mailbox.«
»Die Huber wirkte letztens so verwirrt. Ich hoffe, es ist ihr nichts passiert.«
»Wird schon nichts sein. Dann bleibt mehr Zeit für uns«, säuselt Tamara, bevor der Hörer aufgelegt wird.
Wer hoch fliegt, fällt tief. Das sagte meine Großmutter Elvira immer.
Ich starre auf den Bildschirm des Laptops und das angefangene Diktat. Yoni ist Vergangenheit, doch was ist meine Zukunft? Mich wieder in die Ehe mit Hans fügen? Alles so werden lassen, wie es vor Krishna war?
Ein Sonnenstrahl fällt durch das Fenster hinter mir. Verblendet die Sicht auf den Laptop. Und auf einmal begreife ich. Yoni hat nicht meine Ehe zerstört.
Hans sitzt mir gegenüber und dreht sein Glas Wasser auf der Tischplatte im Kreis umher. »Was willst du mir sagen?« Er wirkt nervös.
Ich ebenfalls, vermute ich, obwohl ich mir Mühe gebe, gelassen zu sein. Ich beiße mir auf die Unterlippe, zaubere ein Sekunden-Lächeln auf mein Gesicht. »Ich will die Scheidung.«
Hans, der gerade sein Wasser zum Mund führt, prustet in das Glas. »Du verarschst mich jetzt?«
»Nein. Ich meine es ernst. Ich will die Scheidung.«
Hans Kopf wird rot und seine Augen groß. »Gibt es einen anderen ...?«
Für einen Moment schauen wir uns nur an. Hans wirkt hilflos. Spielt mit der zusammengerollten Zeitung auf dem Tisch. »Hör zu«, fährt er fort, »wir können darüber ...«
»Da gibt es nichts zu reden.« Ich bemühe mich um Contenance. Jetzt bloß keinen Rückzieher machen.
»Ist es so schlimm?« Sein Atem wird schneller. Seine Lippen beginnen zu zittern. »Wer?«
Ich schlucke. Vielleicht sollte ich ihm jetzt eine Story auftischen von dem rassigen Brasilianer, der mein Herz eroberte. Nein – ich sollte bei der Wahrheit bleiben. »Es gibt niemanden.«
Ungläubig schaut Hans mich an. Dann scheint er Aufwind zu bekommen, richtet sich auf. »Und was soll das dann? Ist das jetzt deine Midlife-Crisis?« Er gibt ein ersticktes Lachen von sich.
Ich schüttle den Kopf. »Vielleicht hatte ich die, aber nun bin ich mir sicher, dass ...«
Mein zukünftiger Ex-Mann sitzt mir wie versteinert gegenüber. Ich atme tief durch. »Hör zu. Wir hatten eine schöne Zeit. Aber wir sind an einem Punkt angekommen, an dem du lieber mit Jörg und Andreas im Brauhaus abhängst und zu Helene Fischer und Andrea Berg fährst und ich nicht mehr zu Hause auf dich warten will. Ich möchte überhaupt nicht mehr auf dich oder irgendetwas warten. Ich möchte mich auf etwas freuen, von dem ich heute noch nicht weiß, was es ist.« Hans ist ruhig. Schaut mich an.
Stille.
Er räuspert sich. »Du spinnst ja. Jetzt werd‘ aber ganz schnell wieder nor...«
»Ich bin normal.«
Er gibt einen Hicks von sich. »Normal heißt bei dir also, dass du heute nach über zwanzig Jahren Ehe so einfach sagst, dass es vorbei ist? Und ich soll das einfach akzeptieren?«
Ich werde wütend, stehe auf. »Ja, das sollst du, das musst du!«
Ich gehe in den Flur und schnappe mir die gepackte Tasche.
Der Türrahmen knackt, als Hans sich dagegen lehnt. Mit großen Augen schaut er mich an, wie ich da stehe, im Mantel mit dem Lodenhut und der Reisetasche, die viel zu lang im Schrank verkümmerte.
»Du hast das also geplant?«
Ich nicke.
»Und wohin willst du jetzt?«
Ich zucke mit den Schultern. »Zu Anna-Maria oder Klausi. Mach‘s gut. Du hörst von meinem Anwalt.«
Hans bleibt zurück. Ich lasse die Haustür hinter mir zufallen, mache die Reisetasche an meinem roten Drahtesel fest und trete in die Pedale. Der Wind rauscht an den Ohren vorbei. Ich höre, wie die Steinchen vom Herzen fallen. Immer mehr. Wie ein Erdrutsch, der den Weg zurück verschüttet. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühle ich mich frei. Ich überlege, wo ich die Nacht verbringen werde. Vielleicht am Tegernsee. Vielleicht ziehe ich dort hin. Oder an den Chiemsee oder ... gleich, was ich tun werde, von nun an habe ich nur noch Linksverkehr.
Ich lache laut auf. Über mich. Über Hans. Über Krishna. Werfe meinen Kopf in den Nacken, schaue in die Wolken, lasse den Lenker los und strecke die Arme aus. Linksverkehr.
Das ist es!
England!
Ich radle nach England! Vielleicht nicht gleich heute, aber irgendwann, wenn mir danach ist.