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Kreuzung Bochumer Straße, Rot

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15.04.2002
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Kreuzung Bochumer Straße, Rot

Ausgerechnet jetzt. Die Ampel zeigt Rot, und ich halte. Kalt, eisernen Zeitlinien gleich, zerschneiden die Schienen der Straßenbahn den nassen Asphalt. Die letzte Bahn ist seit zwei Spätnachrichten weg. Mein Passat grummelt vor sich hin und weckt vielleicht Schlafende hinter diesem oder jenem dunklen Fenster in der Bochumer Straße. Kein Mensch ist zu sehen, kein anderer Wagen, im Rückspiegel keine Vergangenheit.
Immer noch leuchtet das halt gebietende Rot. Ich schaue zur Uhr – 2:44 glimmt die Anzeige, das einzige Grün. Die Ampel hätte längst umspringen müssen. Vielleicht sollte ich einfach fahren, die Straße ist leer, es sieht ja keiner. Aber wie ich mein Glück kenne, tauchen ausgerechnet dann die Bullen auf. Wahrscheinlich warten sie sogar hinter der Ecke, haben mir eine Falle gestellt. Höre ich eine Sirene? Nein.
Ich könnte rückwärts fahren, eine Seitenstraße nehmen. Nein. Im Rückspiegel nähert sich langsam ein anderer Wagen. Seine Scheinwerfer blenden. Ich kann den Fahrer nicht erkennen. Nur, wenn ich den Kopf senke. Nur ein Schemen vor der nass glänzenden Nacht, unbeweglich, geduldig. Im Radio läuft Everybody Hurts von R.E.M. - falsches Lied, falscher Zeitpunkt, der richtige wäre vorgestern gewesen.
Zeigen vielleicht alle Ampeln in der ganzen Stadt rot? Ein Computerproblem in der Verkehrsleitzentrale, sowas ähnliches wird morgen in der Zeitung stehen. Sollte ich die Bullerei anrufen? Nein, die halten mich für einen debilen Irren, wenn ich frage, ob alle Ampeln Rot zeigen. Warten Sie, wir sind gleich bei Ihnen. Guten Abend, Ihre Papiere bitte. Immerhin regnet es nicht mehr. Ich bin müde. Das monotone Trommeln der Tropfen würde mich vollends einschläfern. Ich kneife die Augen zu, bis bunte Blitze aufleuchten.
Der Rumsitzer hinter mir müsste sich auch inzwischen darüber wundern, dass diese verdammte Ampel nicht grün wird. Oder war sie zwischendurch grün, aber ich habe es nicht mitgekriegt, weil ich wieder sinnlos über nichts nachdenke? Nein, dann hätte mein Hintermann auf die Hupe gedrückt oder aufgeblendet. Ich mag es nicht, geblendet zu werden. Und die Menschen hintern den Fenstern wollen schlafen. Wann schauen wohl die ersten hinaus, nach den Idioten, die mitten in der Nacht mit laufendem Motor nerven?
Nur geradeaus schaut der hinter mir. Das sollte ich auch tun. Nicht zurück schauen. Es ist sowieso nichts mehr da, bis auf glühende Asche. Es ist 2:51 Uhr. Ich würde jetzt gerne schlafen. Ich freue mich auf mein Bett, obwohl es einsam ist, nur eine Leere enthält, die mich auch nicht weniger anlächelt als Vera es zuletzt getan hat.
Im Fenster über der Fleischerei sehe ich einen Kopf. Dahinter ist kein Licht, aber ich kann ihn deutlich sehen, er beobachtet mich. Verschwindet er wieder? Nein. Er wartet. Er wartet mit mir und meinem Hintermann darauf, dass die Ampel umspringt. Wir werden immer mehr.
Vielleicht habe ich Halluzinationen. Meint Doktor Kalruth. Dieser wandelnde Stromausfall. Verdammt, ich kann ein rotes Licht doch noch von einem grünen unterscheiden. Ich sollte jetzt vielleicht wirklich einfach fahren. Der hinter mir traut sich wahrscheinlich auch nicht, und indem ich es ihm vor mache, tue ich ihm vielleicht sogar einen Gefallen. Ich könnte aussteigen und ihn fragen, was er von der Sache hält. Aber er tut das ja auch nicht. Vermutlich will er einfach seine Ruhe haben, in Ruhe Radio hören oder sich einen runterholen. Haha! Klar, der holt sich bestimmt gerade einen runter.
Um 3 Uhr kommen Nachrichten. Die Sprecherin sitzt da einsam vor ihrem Mikro und quatscht irgendwas Politisches und niemand hört hin. Dann das Fußballergebnis, das jeder schon seit Stunden kennt. Und ein Haus brennt, in Erle. Egal, ich wohne nicht in Erle. Nicht mehr. Auf der A52 bauen sie wieder an der Ruhrtalbrücke, eine Umleitung ist ausgeschildert. Ich drehe leiser. Im Handschuhfach liegt noch Karstens Beretta 81. Ich habe sie nicht benutzt, weil Vera nicht aufgemacht hat. 700 Gramm, Kaliber 7,62. Für die Ampel wird es reichen. Die Leute sind hier sowieso schon wach und glotzen an den Fenstern, jetzt knallt's, lauter und echter als im Spätkrimi. Ich richte die Beretta auf die Ampel. So wird das nichts, erstens ist die Windschutzscheibe im Weg, zweitens kann ich den Arm nicht ausstrecken um zu zielen. Jetzt wäre ein Schiebedach gut, aber Vera meinte, wir brauchen keins. Nicht ihr einziger Irrtum.
Drüben, an der Fußgängerampel, steht jemand. Wie lange beobachtet er mich schon? Sein Gesicht liegt im Schatten, der Kerl will mich sehen, ohne dass ich ihn sehen kann. Er glaubt bestimmt, dass ich das Feuer gelegt habe. Dabei kennt er mich überhaupt nicht. Gar nichts weiß er. Aber er sieht mich so an, als wäre ich schuld. Schuld daran, dass seine Perle mit einem anderen vögelt. Schuld daran, dass er keinen Bock mehr auf seinen Boss hatte und geflogen ist. Schuld daran, dass er Schulden hat. Das Arschloch macht mich verantwortlich. Ich sollte ihm die Fresse polieren. Ein klein wenig nur, so dass er mich nicht mehr so ansieht, als hätte ich ihm die gelben Flecken in die Unterhose gepisst.
Der Motor verstummt, als ich den Schlüssel drehe. Ich ziehe ihn ab, man weiß ja nie. Tür auf, aussteigen. Der Mann ist nicht mehr da. Abgehaun, als ich ausgestiegen bin, diese feige Drecksau. Aber die Leute an den Fenstern sind noch da. Sie sollen ihre Show haben. Die ganze Straße sieht zu, wie ich auf die Ampel ziele. Rot. Ein rotes Auto hinter meinem. Rot, wie Veras Micra. Während ich mich ihm nähere, wird mir einiges klar. Sie konnte vor dem Feuer fliehen. Ein Benzinkanister war nicht genug. Dann ist sie mir gefolgt. Heimlich. Heimlich, wie immer. Aber ich habe sie erkannt. Ich sehe sie durch die Seitenscheibe und schieße ihr ins Gesicht.
Grün. Die Fußgängerampel zeigt grünes Licht. Ein kleines, fröhliches Männchen. Oder ein Mädchen, man kann es nicht erkennen. Den nassen Asphalt unter den Sohlen, überquere ich endlich die Straße. Auf der anderen Seite steht Sara, und sie lacht mich an. Ich nehme sie in die Arme. Mein Gott, wenn es nach Vera gegangen wäre, hätte ich die Kleine nie wieder gesehen. Aber jetzt hat sie nichts mehr zu sagen. Jetzt gibt es nur noch Sara und mich, und den Sonnenschein, und die bunte Wiese mit den vielen Schmetterlingen.

 

HA!

Ich weiß, Bochum ist schlimm, aber so schlimm auch net wieder. Obwohl, in meiner Straße ist auch so eine Ampel... :ak47:

Spaß beiseite, ich hatte mich zum Ausklang des Abends auf eine Deiner bekannt routiniert versierten Geschichten ( denk dabei an den grandiosen Löffel ) gefreut, mich geistig auf Deinen Bildern, Deiner Sprache zu betten.
Kurz gesagt, bis zur Beretta hab ich's Dir wirklich geglaubt.
Ich fand Deine Geschichte toll! (ein volles Toll)
Begründung ( vom Reichsprotektorat gefordert ;) ) :
-Deine rhetorisch solide
- lange und lebhafte
- glaubhafte Einführung
in Kombination mit der
-überraschenden Wende
-Deine weiterhin ebenso lebendige Umschreibung
- des sich steigernden Wahns
- der schwindenden Realität

haben mich zum Lachen gebracht und meine Gefühle hinsichtlich Deines Textes positiv konditioniert.

Weiterschmunzelnd,
Seine Schreibarbeit wider besseren Rats weiterhin verschiebend,
Leif2

 
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Hey Leif2,
die Geschichte spielt in Gelsenkirchen-Ückendorf. Auf Bochumer Stadtgebiet heißt die Straße nicht Bochumer Straße, soweit ich weiß :D (außer vielleicht in Wattenscheid, aber das ist ein anderes Thema)

"schwindende Realität" - Ja, die Hauptfigur leidet unter einem eklatanten Realitätsverlust. Das und die möglichen Gründe, die zum Teil im Dunkel bleiben, sind Thema dieser durch wahre Begebenheiten inspirierten Geschichte.

 

Moin Uwe,

Das hat mir mal wirklich gut gefallen. Zu Beginn schilderst du eine Alltagssituation, wie sie jeder in abgeschwächter Form kennt - warten an einer roten Ampel.
Der Anfang ist sehr gut beschrieben: langsam, quälend langweilt der Leser sich quasi mit. Das hast du gut getroffen. Ich wollte dir hiermit nicht durch die Blume sagen, daß deine Geschichte langweilig wäre (ist sie nicht), sondern daß sie durch das langsame Erzähltempo glaubhaft wird.

Im Handschuhfach liegt noch Karstens Beretta 81. Ich habe sie nicht benutzt, weil Vera nicht aufgemacht hat.
Ich entschuldige mich im Vorraus für diesen Ausdruck, aber der zweite ist einfach ein geiler Satz. Bis zu dieser Stelle ist deine Geschichte recht normal und hier kommt der plötzliche Sprung ins Absurde, völlig unvermittelt. Das sitzt einfach beim Leser.
Auch sehr schön finde ich, daß du diesen Satz einfach so nebenbei in den Text eingebaut hast und ihn an dieser Stelle nicht mal ansatzweise erklärst (das kommt erst später).

Das Ende läßt viel Raum für Spekulationen. Durch die Erwähnung des Feuers bekommen die vorher so nebensächlichen Radionachrichten plötzlich eine neue Bedeutung. Hat er das Feuer in Erle gelegt? Steht da wirklich Maria? Was ist hier noch real, was ist seine Einbildung?

Alles in allem einfach ein gelungener Text.

 
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Nee, Maria steht da nicht, die kommt gar nicht vor :D

Es war eine Gratwanderung, die eigentlich statische Eingangssituation (sowas kritisiere ich ja hier häufig) mit Spannung zu füllen. Bin gespannt auf weitere Meinungen, ob das gelungen ist.

Im Nachhinein bekommen einige Sätze in der Tat eine neue Bedeutung. Danke fürs Kommentieren!

 

Hallo Du,

Jetzt sag ich noch mal was dazu.

Finde, sie ist runder geworden, auch, wenn Du nicht viel geändert hast. (Für alle, die jetzt nach der ersten vErsion suchen: die war hier nie online). Der Anfangssatz ist gut, der Fußgänger rundet die Geschichte weiter ab und bringt den Leser besser auf die Fährte Deiner Geschichte. Dass sie quasi rückwärts erzählt wird, hat mir von Anfang an gut gefallen!

Wären noch die zwei Dinge, die mir aufgefallen sind:

nur eine Leere enthält, die mich auch nicht weniger anlächelt als Vera es zuletzt getan hat.
Ich würde "die mich auch nicht mehr anlächelt als Vera..." daraus machen. Erklärung: Bei "nicht weniger" assoziiert man automatisch, dass Vera gelächelt hat, denn sonst wäre ein Weniger eh nicht möglich. Da Du aber ausdrücken willst, dass weder Vera noch die Leere lächeln, solltest Du dort "nicht mehr" stehen haben, denn das assoziiert, dass sie äußerst wenig bis gar nicht gelächelt hat. - War das jetzt verständlich?

Die Sprecherin sitzt da einsam vor ihrem Mikro und nuschelt irgendwas politisches
etwas Politisches, NRS.

Alles in allem eine Geschichte, die ganz lange behauptet, von einem völlig normalen Mann zu handeln, dann aber immer mehr verrät, wie krank er eigentlich ist. Sehr gut gelungen! :)

:kuss:
chaosqueen :cq:

 
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Mit der Leere bin ich immer noch anderer Meinung. Vera hat wenig gelächelt, die Leere auch nicht weniger (Steigerung von "wenig"), ist also auch nicht schlimmer als wäre Vera da. Es klingen Resignation und Trotz dabei an, finde ich. Im Grunde würde aber auch das "auch nicht mehr" auf das gleiche hinaus laufen, nämlich dass die Leere und Vera gleichwertig waren. Er vermisst nicht sie, sondern die Zeit, in der sie noch gelächelt hat.

 

Hallo Uwe,

hat sich gelohnt, deine Geschichte zu lesen. Sie erinnerte mich vom Lesegefühl her ein wenig an eine Geschichte von Stephen King, die auch ganz harmlos anfing (Milchmann macht frühmorgens seine Runde) und allmählich in den Irrsin abgleitet (Milchmann ergänzt den Inhalt der Flaschen kreativ).

Und ein Haus brennt, in Erle. Egal, ich wohne nicht in Erle. Nicht mehr.
Ist zwar rückblickend nicht der erste Hinweis, aber ab da ahnt man schon was. Klasse.

Zu der Leere:

nur eine Leere enthält, die mich auch nicht weniger anlächelt als Vera es zuletzt getan hat.
Finde ich nicht falsch, aber zu kompliziert. Warum nicht etwas in der Art: "die mich genauso wenig anlächelt wie Vera zuletzt."?

Gruß
Rainman

 

Hallo Uwe Post,
gar nicht so schlecht Deine Geschichte. Allerdings hätte ich da zumindest für mich, einige Ungereimtheiten zu bemängeln.

Vera`s Haus wurde angezündet...Sie kennt den Darsteller... steht allerdings dann mehr als wohl 20 Minuten hinter seinem Auto... das sie ja auch gut kennen muß, lange, wegen des Schiebedachs... Warum steigt sie dann aber so lang nicht aus und outet sich, hinter ihm zu stehen...
Ausserdem glaube ich nicht so recht das ein derart agressiver Mensch sooo lang vor einer roten Ampel in mitten der Nacht resigniert... er fährt wohl eher nach spätestens zwei Minuten voller Wut los. (Erst recht wenn er von der Brandstiftung kommt).
Und... mitten in der Nacht in einem wenig belebten Viertel der Stadt die "neue" zu treffen ohne das sie wohl irgendwie schockiert ist bzgl. des eben abgegebenen Schusses finde ich eher zweifelhaft.
Ansonsten... wenn es beabsichtigt war eine total, zumindest am Ende kalte KG zu schreiben finde ich sie gelungen.
Fazit: Gute Darstellung der sich generell ausbreitenden Psycho-Brutalität.
Danke
Okinawa

 

Sorry, Okinawa, aber da hast Du was falsch verstanden, bzw. ich habe es nicht genug erklärt.
Der Held leidet unter einem zunehmenden Realitätsverlust. Deshalb hält er seinen Hintermann für Vera, nur weil er ein rotes Auto fährt. Und Sara ist nicht seine "Neue", sondern seine Tochter ("Kleine"), und auch sie ist nicht wirklich anwesend.

 

Hallo Uwe,
ach sooo..., oje oje oje...sorry... tschuldigung...
ja dann... mein Fehler.
Ich nehme meinen Kommentar zurück und überdenke und lese die Geschichte neu... kann aber jetzt schon sagen das ich wahrscheinlich... unter diesen Umständen... die KG recht gut finden werde.
Gruß
Okinawa

 

Hallo Uwe,
es ist ja wohl schon alles gesagt.
Das die Geschichte derartig abdreht ist nicht unbedingt ein Makel, da du das sehr konsequent umgesetzt hast.
Übrigens hat eine Beretta 81 ein Kaliber von 7,65 Millimetern und nicht 7,62.
:p
Ansonsten bleibt mir nicht viel zu sagen, Fehler habe ich sonst keine gefunden.

Viele Grüße,
...para

 

So, 0,03 Millimeter Unterschied - da hab ich wohl schlecht recherchiert ...
Übrigens dreht eigentlich nicht die Geschichte ab, sondern die Figur. Sie erleidet halt einen furchtbaren Realitätsverlust ...

 

Hallo Uwe,

ich hatte mir schon bei der Lesung in Kiel vorgenommen, diese Geschichte nach einiger Zeit noch einmal zu lesen.
Leider schaffe ich es kaum, sie von deinem Vortrag dort zu trennen, noch weniger schaffe ich es, sie von deiner Enttäuschung darüber zu trennen, dass die Zuhörer beim Lesen dankbar gelacht haben.

Du hast recht. Diese Geschcihte ist traurig, sie ist ernst, und dein Prot ist in seiner Art und Weise an dieser roten Ampel den Verstand zu verlieren, wahrhaft zu bedauern.
Und doch hat sie auch beim Lesen ihre komischen Momente, die bei denen dein Prot sich in lakonische Bemerkungen flüchtet (etwa wann die richtige Zeit für "Everybody hurts" gewesen wäre), oder die, in denen sich jeder erkennen kann, etwa bei dem unsinnigen Gehorsam an roten Ampeln nachts gegen drei Uhr.
Selbst den Wunsch, auf die rote Ampel zu schießen kann bestimmt so mancher nachvollziehen, fühlt sich ertappt und kann darüber lachen.
Dein bedauernswerter Prot schildert seine Situation also so, dass sich fast jeder darin bis zu einem gewissen Grad finden kann. Und dadurch erscheint die Situation des Prots nicht in dem Ernst, den der Realtitätsverlust für ihn bedeutet. Im Grunde ist sogar das sehr gut getroffen, denn ichhabe in der Psychatrie einige erlebt, die in derartigem Sarkasmus mit den Schwächen ihrer Seele umgehen. So sehr, dass sie in ihrme Leiden nicht ernst genommen werden.

Wie schon bei der Lesung hat mir die Geschichte auch hier ausgezeichnet gefallen. Ihre Kraft liegt in dem sarkastischen Witz, der einem beim "selber-lesen" allerdings tatsächlich etws mehr im Hals stecken bleibt, als beim "Vorgelesen bekommen".

Lieben Gruß, sim

 

Hi sim,

sicher ist der akute Realitätsverlust überzogen und psychologisch sicher nicht akurat dargestellt. Ich fand es wichtig, dass es aus einer harmlosen Situation heraus passiert, die sich unerwartet mörderisch steigert.

Übrigens: Demnächst kann ich eine Geschichte "Kreuzung Bochumer Straße, grün" schreiben. Dabei geht es allerdings nicht um ein Auto, dass vor einer roten Ampel steht, sondern um ein Fahrrad, dass über eine grüne fährt. Der Fahrer erschießt niemanden, sondern fällt vom Rad. Dafür ist es wirklich passiert :rolleyes:

 

Hallo Uwe,

1) Das mit der Waffe ist wirklich genial, da "springt der Motor der Geschichte an", wie es Sol Stein in etwa ausdrücken würde und alles Vorhergegangene steht plötzlich - wie beabsichtigt - in einem anderen Licht da. Gut!

2) Überhaupt nicht glaubwürdig finde ich den plötzlichen Realitiätsverlust, viel zu abrupt und vor allem: ohne jegliche Vorzeichen, die auf die "innere" Anspannung des Prots hinweisen könnten. Frage ist nur: Ist unser Protagonist innerlich angespannt? Oder einfach nur müde? Mmh, ich glaube, das geht noch etwas genialer ...

3) Ich bin überhaupt kein Fan von zersplitterten Sätzen wie:

Ich kann den Fahrer nicht erkennen. Nur, wenn ich den Kopf senke.

Nur so als lose Anmerkung. ;)

Liebe Grüße

Dante_1

 

zu 2) eigentlich hat die Figur schon ihren Realitätsverlust, bevor die Geschichte beginnt, es wird bloß erst nach und nach klar. Schon das "ausgerechnet jetzt" zeigt (aber erst beim zweiten lesen), dass mit ihm etwas nicht stimmt, bzw. dass es nicht irgendein Typ ist, der vor irgendeiner Ampel steht.

zu 3) Volle Absicht. Freilich hätte ich auch schreiben können: "Ich kann den Fahrer nicht erkennen. Ich senke den Kopf. Jetzt sehe ich ihn." Du siehst: Es sind zwei separate Vorgänge, die zwei Sätze bedingen.

 

zu 2) Geht trotzdem zu schnell :)

zu 3) Dann besser mit Gedankenstrich: "Ich kann den Fahrer nicht erkennen - nur, wenn ich den Kopf senke." Ist aber Korinthen-Kackerei ;)

Nochmals Grüße

 

Nee, es geht nicht zu schnell. In Kurzgeschichten soll man schnell zur Sache kommen. Meine Geschichten sind immer stark komprimiert. Das ungewohnte Ereignis (die rote Ampel) triggert hier ein latentes Ausflipp-Potenzial. Wenn Du den Abzug einer Waffe drückst, kommt die Kugel auch ziemlich schnell raus. Ich mag es nicht, etwas auszuwalzen. Deshalb kann ich auch keine Romane schreiben ;)

 

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