- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Löwenzahn
Das Tier hebt witternd den Kopf. Dann legt es den Kopf zu Seite und läßt den Körper hinterher fallen. Es ertönt ein dumpfes Geräusch. Die Zikaden unterbrechen abwartend ihr Konzert, stimmen jedoch empört und mit doppelter Brutalität wieder ein, nachdem nichts weiter geschieht. Das Tier rollt sich auf den Bauch, drückt die Schnauze ins Gras und robbt nach vorn.
„Stephan?
„Ja?“
„Was gibst Du Deinem Pferd zu fressen?“
„Salat...“
Pause
„...wieso?“
„Salat von welcher Pflanze Stephan?“
„Äh...Löwenzahn würde ich sagen...“
Pause
„...wieso?“
„Gut, dann dreh´ dich jetzt bitte nicht um.“
Das Pferd ist an einer Stelle angelangt, wo der dichte Grasteppich eine Lücke aufweist. Sofort beginnt es schnaubend mit den Nüstern in der Erde zu wühlen und eine Vertiefung herauszuarbeiten. Die Erdkrümel fliegen in alle Richtungen fort. Ab und zu wiehert es voller Ungeduld,
„Siehst Du auch ein Pferd, das versucht den Kopf in die Erde zu stecken?“
„Hat es eine Wurzel zwischen den Zähnen?“
„Nein, das ist ein Wurm.“
„Vielleicht rufst Du es lieber bevor es die Koppel umgräbt.“
„G-Punkt!“
Das Pferd hörte seinen Namen, elektrisiert reißt es den Kopf herum und blickt in die Richtung aus der gerufen wurde. Schemenhaft erkennt es zwei Gestalten, die über dem Holzzaun der Koppel hängen. Abwartend blickt es zwischen beiden hin und her.
„Wem gehört das Pferd, Stephan?“
„Meiner Frau...“
Pause
„...wieso?“
„Ach Nichts.“
Pause
„Woran denkst Du?“
„An Deine Frau.“
Das Pferd hat die Stimme erkannt und fixiert den Sprecher. Es verspürt den Drang, ihm die Vorderhufe auf die Schultern zu legen und ihm ins Gesicht zu hecheln. Es wartet auf ein Signal seines Herrchens.
„Stephan?“
„Ja.“
„G-Punkt wedelt mit dem Schwanz und lässt die Zunge hängen.“
„Gut.“
„Ich glaub´, er wird gleich herkommen.“
„Gut.“
Das Pferd vermeint ein leichtes Aufrichten seines Herrchens zu erkennen. Das Signal.
Es spürte einen Energiestrom aufsteigen. Wiehernd springt es hoch und nimmt Anlauf.
„Stephan?“
„Ja?“
„Ich geh´ jetzt in Deckung.“
„Ich auch.“
Das Pferd übersieht ein Grasbüschel, gerät ins Straucheln, fängt sich wieder, verschätzt aber die Geschwindigkeit und beschließt auf den Schornstein hoch zu fliegen, um ein Nest zu bauen.
„Stephan?“
„Ja?“
„Ist das Pferd jetzt über den Zaun gesprungen und gegen das Haus gerannt?“
„Ja.“
Pause
„Ich glaube, es schläft jetzt.“
„Das ist gut.“
Das Pferd träumt von einem Kratzbaum und einem Schälchen Milch. In Ermangelung eines Wollknäuels spielt es mit der Bommel eines Pantoffels von Oma.
„Stephan?“
„Ja?“
„Was rauchen wir eigentlich?“
„Löwenzahn.“