- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 13
Lange ist es her und doch nicht vorbei
Ich zünde mir eine Zigarette an und schmecke den Geschmack von Menthol. Diese Sucht ist entstanden, als ich im Jahr 2003 in der Psychiatrie in Erfurt war. Eingeliefert wurde ich wegen Depressionen und Selbstverletzendem Verhalten. Dort ist es zur Gewohnheit geworden, nach dem Essen eine rauchen zu gehen. Nebenbei schaue ich immer wieder auf die Uhr, weil ich 14.30 Uhr einen Termin habe, denn da darf ich wieder Auto fahren. Endlich konnte ich mir die Fahrschule leisten. Ich freue mich darauf.
Wieder ziehe ich an der Zigarette und puste den Rauch langsam aus, in der Hoffnung es könnten Ringe entstehen. Aber es ist nicht so, schaffe es nicht Ringe zu pusten, wahrscheinlich auch daher, das neben mir der Ventilator an ist und den Qualm gleich in alle Richtungen treibt. Noch 9 Minuten habe ich, genug Zeit um noch einmal ins Bad zu gehen und danach meinen Tierchen etwas Futter in den Käfig zutun. Das Kaninchen habe ich von meiner Mama bekommen, als ich nach 6 Wochen aus der Psychiatrie entlassen wurde und das Meerschweinchen habe ich von einer Freundin bekommen, da ihr Meerschweinchen schwanger war und sie nicht wusste, wo sie alle unterbringen sollte.
Jetzt mache ich mich auf den Weg und warte das, dass Fahrschulauto vor der Tür steht. 5 Minuten später ist er da. Ich setze mich in das Auto, richte mir den Sitz und die Spiegel ein und dann geht es los. Erst fahren wir durch die Stadt, wie langweilig, dauernd 50 km/h halten und höchste Konzentration sind gefordert. Es ist warm im Auto, doch die Klimaanlage ist schon voll aufgedreht. Wir fahren Ilmenau raus, Richtung Bücheloh.
“Da vorne biegen wir links ab und auf die Autobahn, Richtung Meiningen,” sagte mein Fahrschullehrer ruhig. Ich lächel und freue mich, endlich Autobahn, endlich richtig Gas geben.
Ich nicke nur, denn antworten möchte ich nicht. Auf dem Beschleunigungsstreifen geht es bis 100km/h und dann fahre ich auf den rechten Fahrstreifen. Die Autobahn ist ruhig, nicht viel Verkehr. Ich drücke auf das Gas und schalte in den 5. Gang. Mein Fahrschullehrer neben mir, telefoniert ruhig, während dessen ich weiter auf das Gas trete und mittlerweile bei 160 km/h bin. Dieses Gefühl ist einfach berauschend, fast so gut, als würde man vom 5 Meter Turm springen. Ein Gefühl der Freiheit und gleichzeitig die Angst und Anspannung im Nacken sitzen zu haben. Wir fahren nur ein Stück Autobahn, leider. Den Rest der Zeit heißt es wieder Stadt fahren. Nach anderthalb Stunden bin ich wieder zu Hause. Setze mich erst mal auf meinen Stuhl, rauche eine und schalte die Musik an.
Jetzt bin ich wieder alleine zu Hause, nur mein Kaninchen und mein Meerschweinchen sind noch da. Sie können ja schließlich auch nicht weglaufen, denn sie sitzen beide im Käfig. Sie sind gefangen in ihren Käfigen, wie ich mich manchmal gefangen fühle, wenn ich meine Tür hinter mir schließe. Vor einem Jahr und vier Monaten bin ich von zu Hause ausgezogen. Mittlerweile habe ich mit meiner damaligen Freundin Schluss gemacht und habe einen sehr netten, lieben und verständnisvollen Freund. Ich lege dir Füße hoch und denke an die Zeit vorher zurück. Als es mir noch so schlecht ging, ich das Abitur nicht geschafft habe und mir versucht habe das Leben zu nehmen, daraufhin war ich für 8 Tage in der geschlossenen Psychiatrie in Hildburghausen. Ich hatte noch eine Chance bekommen und durfte die Prüfung nachholen, ich hätte sieben Punkte gebraucht. Aufgeregt war ich und als ich mein Thema gezogen hatte, war ich froh, denn es war besser als das erste. Dennoch hatte es nicht gereicht und ich muss die 12.Klasse noch mal machen. Jeden Tag den ich in der Schule bin ärgert mich, ich hätte es hinter mir haben können, hätte nächstes Jahr eine Ausbildung angefangen und hätte bis dahin mir einen Job gesucht, ich hätte die Schule hinter mir gelassen. Jetzt muss ich wieder dahin, mich teilweise hin quälen, dass einzige was mich beruhigt, ist das wir alles schon mal hatten. Aber ob es mir diesmal hilft? Ich hoffe es einfach.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, denn an meiner Tür klopft es. Ich öffne sie und mein Freund steht davor.
“Hallo.” sagt er, gibt mit einen Kuss und tritt ein.
“Huch, was machst du denn hier?” , denn ich habe mit ihm überhaupt nicht gerechnet, da er ja eigentlich an der Arbeit sein sollte.
“Ich habe heut mal eher Schluss gemacht und da hab ich gedacht ich komme dich besuchen.” Ich lächel und setze mich wieder auf meinen Stuhl. Er setzt sich auf die Bettkante und ich drehe mich zu ihm um.
“Und wie war die Schule heute?”
“Ganz okay.” mehr sage ich nicht, denn ich mag solche Fragen nicht, die mich dauernd wieder daran erinnern, das ich wieder Schulkind bin. Bei ihm war nichts besonderes los. Und nach einiger Zeit rauchen wir eine Wasserpfeife. Ich setze mich zu ihm auf das Bett und wir küssen uns, wälzen uns ein bisschen auf dem Bett herum und ziehen ab und zu mal an der Pfeife. Dann muss er nach Hause zum Abendbrot essen.
Ich bin wieder alleine. Setzte mich wieder an den PC und schaue im Internet auf verschiedenen Seiten umher. Dabei treffe ich auf eine Seite, die ich lieber gleich wieder schließen hätten sollen. Die Bilder taten mir nicht gut, in meinem Kopf ein Strudel aus Gedanken, die Sehnsucht nach früher steigt wieder hoch. Wieder mal ein Gedanke daran, es zu tun, es einfach spüren wollen. Doch ich kann nicht, würde die Personen enttäuschen die mich lieb haben und lieben. Aber umso später es wird, umso weniger interessiert es mich. Ich lenke mich ab, Chatte nebenbei mit meinem Freund, doch ich bekomm diesen Druck nicht los. Nach anderthalb Stunden schreibe ich ihm dass ich ins Bett gehe, er schreibt mir ein Gute Nacht zurück und das er mich liebt.
Ich mache den PC aus, setze mich auf mein Bett, schalte die Gedanken ab und wenige Sekunden später spüre ich diese Gefühl. Das Gefühl das Erleichterung hinaus schreit. Das Gefühl des Metalls das sich durch meine Haut schneidet.
Am nächsten Tag stehe ich auf, ziehe mich an und ziehe auch meine Stulpen über meine Arme, damit niemand meine neuen Wunden sieht.