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06.10.2022
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ÜBERARBEITETE VERSION nach den Kommentaren

Silan tritt einen weiteren Schritt zurück, bis er die Mauer im Rücken spürt. Sein Herz rast, sein Kopf ist leer.
„Stell dich nicht so an“, sagt Juri, die Oberlippe zu einem höhnischen Grinsen verzogen. „Wir wollen nur das, was uns gehört. Nicht unser Problem, wenn dein Bruder nicht blechen kann.“
Silan fährt zusammen, als er das Knacken von Juris Knöcheln hört, die dieser wie beiläufig reibt. Juri sieht ihn von oben herab an, das Grinsen ist verschwunden. Er tritt einen Schritt näher.
Unwillkürlich schieben sich Silans Füße etwas auseinander, seine Oberarme pressen sich an seinen Körper. Er senkt das Kinn und verbirgt es hinter seinen gehobenen Fäusten. Lässt Juri nicht aus den Augen.
„Wie süß“, zischt Juri über die Schulter seinen Freunden zu, die wie eine Mauer hinter ihm stehen. „Der Kleine will kämpfen. Glaubst ehrlich, du hast es drauf, was?“
Juri lacht auf, bevor er unvermittelt einen weiteren Schritt macht und mit einer schnellen Bewegung seine rechte Faust nach vorne stößt.
Doch Silan kennt Juris Rechte. Zu oft hat er ihn dabei beobachtet, wie er die anderen Jungs auf der Straße verprügelt, jedes Mal kleiner und schwächer als er. Wie er seinen Bruder verprügelte, immer und immer wieder, bis dieser ihm endlich das Geld geben konnte. Er weicht Juris Schlag mit einer kaum wahrnehmbaren Drehung aus, sieht dessen ungeschützten Bauch und verpasst ihm einen Leberhaken mit der Linken. Juri stöhnt auf, Silan setzt mit einem rechten Kopfhaken nach.
Noch bevor Juri auf die Knie sinkt, steht Silan wieder in Position und hat den Blick auf Juris Freunde gerichtet, die ungläubig auf ihren am Boden liegenden Anführer blicken.
Vier gegen eins, scheiße –
Silan atmet flach.
Der Arsch hat mich unterschätzt, den gleichen Fehler machen die anderen nicht auch noch. Ich muss hier weg, und zwar schnell.
Als zwei der Angreifer sich zu Juri hinunterbeugen, holt Silan Luft, senkt das Kinn noch etwas tiefer und springt zur Seite, an den anderen vorbei.
„Warte, du Pisser!“
Einer der Angreifer packt ihn am Jackenärmel, aber er schafft es, sich durch eine blitzschnelle Drehbewegung des Armes frei zu machen. Und jetzt rennt er. Er rennt die Gasse entlang, an den stinkenden Mülltonnen des Dönerladens vorbei und hinaus auf die Straße. Hinter sich hört er das Schreien und Keuchen von Juris Kumpeln, die seine Verfolgung aufgenommen haben. Auf der Straße erstarrt er für eine Sekunde, blickt gehetzt um sich. Wohin? In seinem Kopf explodieren die Gedanken - wenn die mich kriegen, bin ich erledigt, was hat Gojko schon wieder für Scheiße gebaut …
Dann Kayhans Stimme: „Dein Kopf ist zu langsam in einem Kampf – dein Körper nicht!“
Er dreht sich nach links und sprintet die Straße entlang, zwischen den Passanten hindurch, auf deren Hilfe er nicht hoffen kann. Zwischen den abgeranzten Plattenbauten und verriegelten Läden kämpft jeder für sich allein.
Er biegt um die Ecke, rennt zwischen aufgerissenen Müllsäcken hindurch, quetscht sich durch die Lücke eines Bauzauns, hofft, dass die anderen zu groß sind, um ihm durch den Spalt zu folgen. Rennt weiter und weiter und weiter. Er hört seine Verfolger nicht mehr, aber riskiert es nicht, jetzt anzuhalten.
Er klettert über den Zaun am andern Ende der Baustelle und dann endlich, endlich biegt er in die kleine Straße ein, reißt die Tür auf und stemmt sich keuchend von innen dagegen.
Sein Herz hämmert, die Lunge brennt, die Beine zittern. Er versucht, sich zu beruhigen und zu lauschen – ist da jemand in der Gasse, waren sie ihm doch gefolgt und würden gleich die Tür aufstemmen?
Aber es passiert nichts. Es ist ruhig, er atmet auf. Sein Blick fällt auf ein verrostetes Rohr, dass neben ihm in der Ecke liegt, und nach kurzem Zögern nimmt er es und steckt es quer durch die Handgriffe der Tür, so dass man sie von außen nicht mehr öffnen kann. Nur zur Sicherheit.
Er wartet, bis sich sein Atem wieder völlig beruhigt hat und geht dann den spärlich beleuchteten Gang entlang auf eine Metalltür zu. Als er diese aufstößt, wird er empfangen von einer Welle von Geräuschen und Gerüchen, die ihn wohlig umschließen wie die Umarmung seiner Mutter. Früher, als sie ihn noch umarmte.
Er hört den rhythmischen, dumpfen Aufprall von Boxhandschuhen auf Pratzen, das Surren von Springseilen, das Klirren der Aufhängung, als jemand mit voller Kraft auf den Boxsack einschlägt. Er hört das Keuchen und Stöhnen und den zischenden Atem der Boxer durch ihren Mundschutz. Und er riecht – den Schweiß, das abgewetzte Leder der Boxsäcke, das frisch gewischte Linoleum. Silan lächelt.
Langsam geht er durch die Trainingshalle, nickend und die Hand zum Gruß gehoben, während er nach Kayhan Ausschau hält. Normalerweise trainiert er jetzt mit Rico, doch der müht sich gerade alleine am Boxsack ab. Was für Kraft Rico hat! Und wie schnell er seine Füße bewegen kann, es war -
„Hatten wir nicht gesagt, du kämpfst im Ring aber sonst nicht?“ Silan zuckt zusammen. Er hatte nicht bemerkt, wie Kayhan neben ihn getreten war.
Kayhan nickt zu einem Riss an Silans Hosenbein.
Verdammt! Den muss ich mir bei der Klettertour über den Bauzaun zugezogen haben.
Er zuckt die Schultern und weicht Kayhans Blick aus. „Ich konnte nichts dafür, die haben mich gecornered, weil Gojko wieder irgendeine Scheiße gemacht hat.“ Dann erhellt sich sein Gesicht. „Aber du hättest meinen Leberhaken sehen sollen, und dann – bäm – ein perfekter Kopfhaken - perfekt! Mit dem Ellbogen im rechten Winkel, genau so -“ Silan beginnt zu tänzeln und einen unsichtbaren Gegner mit präzise ausgeführten Haken zu bombardieren.
„Sehr gut“, erwidert Kayhan und legt Silan eine Hand auf die Schulter, wodurch dieser zur Ruhe kommt. „Aber jede Situation außerhalb des Rings in der du keinen Haken einsetzen musst, ist besser als eine, in der du den perfekten Schlag platzieren kannst. Aber das weißt du“, setzt er hinzu, als er Silans eingezogenen Kopf und sein Nicken sieht.
„Rico, werd‘ nicht schlampig, nur weil du müde wirst“, ruft Kayhan nun und tritt an den Boxsack. „Dein Gegner wartet nur darauf, dass du den Grip verlierst – jeder einzelne Schlag muss gezielt treffen, egal wie fertig du bist. Los los los los!“ Kayhan schlägt im Rhythmus auf den Boxsack und lässt Ricos Fäuste nicht aus den Augen.
Salin sieht ihm fasziniert zu. Kayhan ist der beste Boxtrainer der Stadt und für ihn persönlich der beste Trainer der Welt. Nur ihm hat er es zu verdanken, dass er nicht wie Gojko den Bullen mit Namen bekannt ist oder regelmäßig mit blutigem Gesicht heimkommt. Wobei seine Mutter schon lange nichts mehr sagt. Meistens wirft sie seinem Bruder nur eines der dreckigen Geschirrhandtücher zu und warnt ihn, nicht das Sofa voll zu bluten, bevor sie sich wieder dem Fernseher zuwendet und die nächste Kippe ansteckt. Aber wenigstens trinkt sie nicht. Nicht wie sein Drecksvater. Wo auch immer der gerade ist. Wenn er denn noch ist.
Aber all das ist jetzt egal. Was zählt ist, dass er hier ist, wie jeden Nachmittag, mit Kayhan und den anderen. Seit dem Abend, an dem Kayhan ihn und Gojko mit aufgeplatzten Lippen und zugeschwollenen Augen aufgesammelt und hierher gebracht hat.
Gojko und er waren bei der alten Rutsche auf dem Spielplatz gewesen, hatten sich in deren Schatten verkrochen und sich nicht getraut, nach Hause zu gehen. Nach Hause wo damals noch der Vater war. Der nach einem Blick auf ihre zerschlagenen Gesichter das zu Ende führen würde, was die Polen angefangen hatten. Der keine Schisser als Söhne haben wollte, keine Memmen, keine Mädchen, keine Verlierer.
Sie kannten Kayhan vom Sehen, einige der älteren Jungs trainierten bei ihm. In der Trainingshalle hatte er ihnen geholfen, ihre Gesichter zu waschen, hatte ihnen Pflaster und Wundsalbe gegeben. Und er hatte ihnen angeboten, am nächsten Tag vorbeizukommen – er würde ihnen zeigen, wie sie sich verteidigen könnten. Silan war gekommen. Gojko nicht. So wie an allen darauffolgenden Tagen.
Das Knallen von Ricos Schlägen auf Kayhans Pratzen wird lauter, Kayhan fordert ihn mit immer neuen Kombinationen heraus. Silan konzentriert sich, saugt jede Bewegung von Rico auf. Rico ist schnell und stark, seine Technik unglaublich. So will er auch einmal boxen können.
Plötzlich sieht er, wie Kayhan eine Pratze nicht schnell genug bewegt und Rico ihm einen Hieb in den Brustkorb versetzt. Kayhan keucht und taumelt ein paar Schritte zurück. Er und Rico stürzen auf ihn zu, bekommen Kayhan noch zu fassen, ehe er auf die hinter ihm liegenden Gewichte stürzt.
„Boss, es tut mir so leid, ich weiß nicht -“, beginnt Rico, doch Kayhan bringt ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
„Ich war zu langsam, du hast nichts falsch gemacht, Junge“, bringt er zwischen zusammengepressten Lippen hervor, während er gebeugt dasteht. „So wird der Schüler doch zum Meister“, fügt er mit schiefem Lächeln hinzu. Inzwischen haben sich die anderen Boxer ebenfalls um ihn geschart.
Silans Herz rast. Kayhan war noch nie zu langsam gewesen – vor allem nicht, wenn Rico zum Trainingsende hin selbst langsamer wurde.
Zwei der Jungs nehmen Kayhan in ihre Mitte und führen ihn ins Trainerbüro. Die anderen bleiben zurück, stehen weiter dicht beieinander, werfen sich undeutbare Blicke zu.
„Es scheint schlimmer zu werden“, murmelt Malek zu Rico, während dieser seine Handschuhe auszieht.
„Ich hatte gehofft, es dauert noch“, antwortet Rico, die Stirn in Falten gelegt
„Was? Was ist schlimmer geworden?“, fragt Silan. Was ist hier los, warum stehen die anderen so unruhig und stumm beieinander? Warum sehen sie so … ja, so besorgt aus?
„Was ist mit Kayhan?“, fragt er noch einmal, seine Kehle trocken und rau.
„Ach Kleiner“, erwidert Rico und versucht, ihm eine Hand auf die Schulter zu legen. Doch Salin duckt sich weg.
Er ist es leid, nicht ernst genommen zu werden, immer nur als der Kleine am Rand zu stehen. Nur Kayhan nimmt ihn ernst. … Ein eiskalter Hammer wird in seinen Magen gerammt. Aber auch Kayhan hat ihm nicht gesagt, was alle anderen anscheinend bereits wissen.
Er läuft zum Trainerbüro und sieht, wie die anderen Kayhan dabei helfen, sich auf einen Stuhl zu setzen. Kayhans Gesicht ist aschfahl, seine Hände zittern.
Silan zwingt sich zu überlegen, durchforstet sein Gedächtnis nach einem Moment, in dem Kayhan krank erschien, zerbrechlich, in dem er weniger war als der stärkste und beste Boxer. Doch es fällt ihm nichts ein.
Vielleicht ist er etwas dünner geworden in letzter Zeit, ist weniger oft mit uns in den Ring gestiegen - aber das ist doch nichts, das heißt doch nicht, dass mit Kayhan etwas nicht stimmt! … Oder?
Kayhans Augen wirken dumpf, als Silan schließlich seinen Blick auffängt. Er weicht den Jungs aus, als diese auf ein Zeichen von Kayhan hin das Büro verlassen.
„Silan, mein Junge“, flüstert Kayhan.
Silan schüttelt den Kopf. Nein. Kayhan ist stark, er ist drahtig und flink und der beste Boxtrainer der Welt. Er ist immer für ihn da und schützt ihn, lässt nicht zu, dass jemand ihm weh tut. Hat ihm Unterschlupf gewährt, als es zu Hause besonders schlimm war. Und hat sich seinem Vater gestellt, als der betrunken und wütend eines Nachts vor der Halle stand und verlangte, dass sein Versagersohn endlich nach Hause kommt. Dass er ihm schon beibringen würde, was man fürs Leben braucht. Nein, Kayhan ist niemand, der zusammengesunken und hilflos auf einem Stuhl sitzt. Er …
„Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen soll“, sagt Kayhan. Doch Silans Kopf ist gefüllt von einem einzigen Wort, das immer größer und lauter wird und endlose Bahnen in seinem Inneren zieht - er hört nicht mehr alles, was Kayhan sagt.
Nein nein nein nein „… zu spät erkannt -“ Nein nein nein nein „… noch ein paar Monate -“
Nein nein nein nein - „NEIN!“, schreit Silan. „Nein, niemals, was für … was für eine Scheiße, eine riesengroße Scheiße, wie kannst du sowas nur machen! FUCK!“
Alles um ihn dreht sich, dehnt sich aus, zieht sich gleichzeitig wieder zusammen. Er dreht sich um und stolpert zur Tür.
Ich muss hier weg, muss raus, muss weg von Kayhan, von den anderen. Ich muss allein sein, muss verstehen was hier gerade passiert.
Er stürzt aus der Trainingshalle auf die dunkle Straße, kann kaum etwas sehen, wischt sich wütend die Tränen vom Gesicht und rennt dann weiter, immer weiter, bis er irgendwann stehen bleiben muss, weil er vor lauter Schluchzen keine Luft mehr bekommt. Und dann setzt er sich, setzt sich in einen Hauseingang, vergräbt das Gesicht in den Armen und lässt alle Kontrolle von sich fallen.
Nach einiger Zeit beruhigt er sich, starrt stumpf vor sich hin.
Kayhan, Kayhan wird mich allein lassen, so wie alle anderen mich auch allein gelassen haben. Vater, Gojko, selbst Mutter. Nur Kayhan habe ich noch. Und … er erstarrt. Er sieht Kayhans Gesicht vor sich, wie bleich und ausgezehrt er ausgesehen hat. Wie verzweifelt, als er vorhin versuchte, zu erklären, was los ist. Und er, Silan, war einfach abgehauen, hatte ihn allein gelassen, hatte zu viel Angst gehabt vor dem, was er hören würde.
Er springt auf und beginnt, den Weg, den er gekommen war, zurückzulaufen.
Als er wenige Minuten später ins Trainerbüro tritt, sitzt Kayhan immer noch auf seinem Stuhl, zusammengesunken, den Blick auf ein Poster von Holyfield gerichtet. Doch er sieht Silan an, als dieser auf ihn zukommt, sich hinunterbeugt und ihn umarmt. Silan umarmt Kayhan und hält ihn fest. Er hält ihn fest, als dessen Schultern zu beben beginnen, erst ganz leicht und dann immer stärker.
Wenn Kayhan nicht mehr stark sein kann, würde er es für ihn sein. Kayhan kann sich

 
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„Brauchst keine Angst haben“, sagte Juri, die Oberlippe zu einem höhnischen Grinsen verzogen. „Wir wollen nur das, was uns gehört. Nicht unser Problem, wenn dein Bruder nicht blechen kann.“

Hallo,

was hat dann Silan mit den Schulden seines Bruders zu tun. Ich meine, mehr oder weniger sagt das doch dieser Juri auch. Er müsste sagen: Jetzt IST es dein Problem, dass dein Bruder nicht blechen kann.

„Was bist du für ein Schisser“, hallte eine Stimme durch seinen Kopf, „nur Mädchen haben Angst, sei mal ein Mann!“ Silans Magen wurde eiskalt.
Ich glaube, während einer solchen Situation denkt man nicht wirklich, oder? Da funktioniert man instinkthaft, Kampf oder Flucht.

Hör auf Kayhan, dachte Silan, und nicht auf das, was dein Drecksvater dir gesagt hat, bevor er sich verpisst hat.
Das ist so die Prämisse, das Motiv der ganzen Geschichte, präsentiert im zweiten Absatz. Was hat ihm denn sein Drecksvater gesagt? Warum hat er sich verpisst? Was können wir von diesem Motiv auf die Situation ableiten? Wie hat ihn das zu dem Charakter geformt, der er heute ist und warum kann er dann nur so reagieren? Warum denkt er in einer solchen Situation an seinen Vater?
Unwillkürlich schoben sich Silans Füße etwas auseinander, seine Oberarme pressten sich an seinen Körper.
Um die Trefferfläche beim Boxen kleiner zu machen, setzt man die Füße hintereinander und dreht auch den Oberkörper ein, damit die Hüfte besser mitschwingen kann.

Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, sprang Juri auf Silan zu und stieß mit einer schnellen Bewegung seine rechte Faust nach vorne.
Silan kannte Juris Rechte. Zu oft hatte er ihn dabei beobachtet, wie er die anderen Jungs auf der Straße verprügelte. Wie er seinen Bruder verprügelte, immer und immer wieder, bis dieser ihm endlich das Geld geben konnte. Und Silan wusste, dass Juri seine Deckung vernachlässigte, wenn er sich in der stärkeren Position wähnte - wenn er sich wieder einmal jemanden ausgesucht hatte, der kleiner oder jünger war als er. So wie Silan.
Er hatte aufgepasst und beobachtet, hatte sich die Bewegungen des anderen eingeprägt und verinnerlicht - so wie er gemeinsam mit Kayhan zukünftige Gegner im Ring beobachtet und analysiert hatte.
Er springt auf ihn zu und stößt seine Faust nach vorne? Vor meinem inneren Auge sieht das wie so ein Shaolin-Move aus. Das passt nicht. Dann: Silan beobachtet Juri, wie er andere Jungs, meist wehrlose oder schwächere, verprügelt. Warum braucht Juri dann eine Deckung? Er kämpft doch mit diesen nicht, sondern verpasst denen eine Schelle und das wars. Und überhaupt - funktionieren Straßenkämpfe auch nur annähernd so wie reguläre Boxkämpfe? Auf der Straße dauert ein Kampf doch selten länger als zwei Sekunden, der, der zuerst schlägt und trifft, gewinnt meistens. Ewige lange Boxereien gibt es doch nur in Van Damme Filmen. Auch der Vergleich Boxen mit Straßenkampf; man kann diese Technik nicht eins zu eins übertragen. Mit Bandage und 12 Oz Handschuh schlage ich mit wesentlich mehr Kraft, da würde ich mir bareknuckle die Hand brechen. Deswegen ist diese ganze Szene auch mehr oder weniger unrealistisch. Er verpasst ihm einen Leberhaken und dann einen Kopfhaken, und würde er voll durchziehen wie er es im Training am heavy bag macht, bricht er sich die Hand oder wenigstens ein paar Finger. Mal ein paar Bobby Gunn Fights ansehen, wie präzise und mit wie wenig Kraft der trifft; das sieht übel aus, weil die sich vollbluten wie Sau, aber das sind im Grunde Platzwunden.

Juri stieß ein Stöhnen aus und sank auf die Knie.
Wasn das auch für n Bully? Kriegt eine in die Leber und eine vorn Kopp und is direkt K.O? Ich dachte, der wäre kleiner und schwächer, also wie hart kann das denn sein? Und würde dieser Juri wirklich so agieren, wenn er Silans Bruder kennt und somit auch ihn und weiß, der boxt und ist vielleicht sogar ein guter Boxer? Spricht sich das nicht rum? In meiner Siedlung hat sich das immer sofort rumgesprochen, wenn wer wem beim Training ausgekontert hatte. Das ist also Wissen, was für Juri verfügbar wäre. Ich würde es eher kaufen, wenn Juri einen Totschläger dabei hat weil er genau weiß, der Silan könnte ihm gefährlich werden. Solche Leute wollen doch alles, nur keinen fairen Kampf.

Auf dem Kotti kämpfte jeder für sich allein. Dein Schicksal zwischen den abgeranzten Plattenbauten und geschlossenen Läden betraf immer nur dich selbst.
Das ist so das Hauptproblem, was ich mit dem Text habe: wer sagt das hier? Der Erzähler? Silan? Der Chor der Unterdrückten, les miserables? Dein Schicksal zwischen Gucci-Taschen und Kaviarschnitten betrifft auch immer nur dich selbst. Das reicht einfach als Begründung (für was auch, für die Aktionen die da passieren?) nicht aus, das ist lazy writing, es sind absolute Allgemeinplätze, die so dermaßen abgegriffen klingen. In meinen Ohren klingt das wie aus einem Direct to video Steven Seagal Film: Jeder kämpft für sich allein. Zwischen Plattenbauten und Ratten bist du auf dich alleingestellt. Werde ein Mann. Kämpfe. Ja, Sensei! Es ist nicht so, dass er wegziehen könnte, in einen anderen Stadtteil oder versuchen, sich in eine Bildungseinrichtung zu begeben, oder sich eine Ausbildung suchen, oder oder oder ... er bleibt immer gefangen in dieser Kotti-Hölle, und Schuld ist das System, der Kapitalismus, der Klimawandel. Das wird ja nicht mal erwähnt. Der Text macht sich nicht mal die Mühe, an die wirklichen heißen Themen zu gehen: ich kann all das nicht, mir ist Bildung und Gerechtigkeit verwährt, weil ich den falschen Namen habe.
„Hatten wir nicht gesagt, du kämpfst im Ring aber sonst nicht?“
Sagt der Trainer so halb mahnend, um dann:
„Sehr gut“, erwiderte Kayhan und legte Silan eine Hand auf die Schulter, wodurch dieser zur Ruhe kam. „Jede Situation außerhalb des Rings in der du keinen Haken einsetzen musst, ist besser als eine, in der du den perfekten Schlag platzieren kannst. Aber das weißt du“, setzte er hinzu, als er Silans eingezogenen Kopf und sein Nicken sah.
zu konstatieren. Er lobt seinen Schüler für die gute Technik. Konsequenzen? Null, oder? Ich verstehe auch diese Gleichung nicht: warum ist es besser, keinen Haken einzusetzen als den perfekten Schlag? Oder sollte sich das doch tatsächlich auf eine gewaltfreie Lösung beziehen? Ich komme da nicht ganz mit.
Nur ihm hatte er es zu verdanken, dass er nicht wie Gojko den Bullen mit Namen bekannt war oder regelmäßig mit blutigem Gesicht heimkam
Das wirkt auf mich etwas anders. Wenn Kayhan so ein toller Trainer ist, dann hätte er sich schon lange mal Juri geschnappt und dem ins Gewissen geredet. Er hätte gesagt, fass keinen meiner Schüler und auch sonst keinen an. Er hätte mit dem Vater, der Mutter von Juri reden können, mit seinen Freunden, seinen Bezugspersonen; Lehrer, Sozialarbeiter, wasweißich. Stattdessen bringt er den Jungs das Boxen bei, aber sonst eher nicht so viel, oder? Jedenfalls wird das hier nicht erwähnt. Würden die jetzt zusammen beten oder sich da an einen Kodex halten, den sie von ihm lernen, wo es heißt: Verhalt dich so und so und tue dies und das, bleib ehrenhaft und lerne, dann würden die Jungs diesen Kodex als etwas begreifen, was über den Dingen steht, auch als eine Anleitung zum Empowerement. Wir sind anders als der Rest, wir halten uns an gewisse Normen, an gewisse Regeln. Und dann: warum tun sie das? Warum sind sie eben nicht so wie die anderen? Da wird kein Wort drüber verloren, das schwingt auch nie im Subtext mit. So bleibt von dieser übermächtigen Vaterfigur, die du da aufbauen willst, leider nichts übrig. Doch, ein Typ, der so halblasch sagt, nee, prügel dich nicht auf der Straße, aber dann doch die Technik lobt und sagt, mach weiter, bis er am Boden liegt und dir der Sieg sicher ist. Kann man das alles in dieser testosterongeschwängerten Atmo auseinanderhalten, wie da was gemeint ist? Müsste der nicht entschiedener und konsequenter auftreten? Wenn du dich nochmal prügelst auf der Straße, fliegst du hier raus. Was hat Kayhan, was bringt er ihnen tatsächlich bei, was ist seine "Lehre", sag ich mal?
„Es scheint schlimmer zu werden“, hörte Silan Rico zu Jakub murmeln, während Rico seine Handschuhe auszog. Jakub nickte, die Stirn in Falten gelegt.
Kann er dann, bei welcher Diagnose auch immer, noch so im Gym stehen? Ich weiß nicht. Scheint mir recht unglaubwürdig. Eine Krankheit, die so auszehrt, die sieht man doch, das bemerkt man, Tabletten, Medikamente, Nebenwirkungen, fahle Haut, Schweiß, pathologische Kraftlosigkeit. Und wieso halten die anderen das vor Silan geheim oder reden nicht darüber? Was sind das auch für Schüler, die trotz ihres Wissen da voll auf die Pratze ballern, die ihnen der todkranke Lehrer hinhält? Haben die nicht mal zumindest ein schlechtes Gewissen? Würden die nicht eher untereinander trainieren, wenigstens diese härteren, kraftzehrenden Inhalte?

„Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen soll“, sagte Kayhan.
Das klingt so, als sei Silan irgendwie etwas Besonderes für Kayhan. Warum? Das wird im Text nicht erwähnt. Wenn er so etwas wie der Auserkorene sein soll, der irgendwelche besonderen Fähigkeiten hat oder ihm wird Erfolg oder sogar sozialer Aufstieg zugetraut, dann müsste ich da was von im Text lesen.

Kayhan, Kayhan würde ihn im Stich lassen, so wie alle anderen ihn auch im Stich gelassen hatten.
Im Stich lassen. Der Mann stirbt an einer Krankheit. Und alles was sein Schüler denkt, ist das. Der scheint schon eine spoiled brat zu sein und ein regelrechter Egoist auch noch dazu. Hat er denn nichts gelernt? Der verfehlte Bruder, der verpisste Vater? Da schreit einer nach einer Vaterfigur, sicher, aber die, die er dann hat, der wirft er vor, im Grunde gleich zu handeln, aber hier ist der Lehrer ja machtlos, begegnet man dann so dieser Situation? Und würde er nicht viel eher Erstarren? Er durchlebt das Ganze noch einmal, er wird alleine gelassen, müsste das nicht einsinken wie ein Stein, ihn eher unbeweglich machen? Würde hier zumindest passen, weil hier so viel von Bewegung und Kampf die Rede ist.
Als er wenige Minuten später ins Trainerbüro trat, saß Kayhan immer noch auf seinem Stuhl, zusammengesunken, den Blick auf ein Poster von Ali gerichtet.
Ali, the obvious. Der Trainer sieht gedankenverloren auf das Ali-Poster, first minute, first round, und am Boden Sonny Liston. Ja, ich weiß, diese Poster gibt es. Aber wie schön wäre es, da mal Harry Grebb zu sehen, oder Sam Langford, oder Henry Armstrong oder wenigstens Sugar Ray Robinson.
Wenn Kayhan nicht mehr stark sein konnte, würde er es für ihn sein. Kayhan konnte sich auf ihn verlassen.
Ist auch so eine schöne Behauptung, die wie eine Gewissheit klingt, aber nie bewiesen wird. Warum kann sich Kayhan auf ihn verlassen? Und wieso hat der Protagonist innerhalb von drei Sätzen seine komplette Meinung von er lässt mich im Stich zu er kann sich auf mich verlassen geändert? Was ist da passiert, wie erklärst du das? Geht so etwas so schnell, und wenn ja, warum?

Na ja. Erinnert mich etwas an Green Street. Sieht gut aus, lässt sich gut ansehen, doch wenn man ein wenig älter wird, denkt man sich: Was ist denn jetzt genau die Botschaft? Sich auf jeden Fall auf die Faust verlassen. Gar nicht erst die anderen Wege gehen, die offiziellen, wie Jurisprudenz oder Polizei oder Klage. Nein! Aufs Maul, weil das haben wir so gelernt, das hilft immer. Wo uns das hinführt, haben wir auch gesehen: Freunde tot, der Sohn von Hatcher tot, Pete tot, die Ehe vom General im Arsch, der Pub ausgebrannt ... aber hey! Violence is always a good idea, because ... why not? Warum sagt Silan nicht: Juri, ich habe mit den Schulden meines Bruders nichts zu tun. Such dir den, frag den. Oder: Juri, ich suche meinen Bruder mit dir, wir klären das. Oder: Juri, ich gehe jetzt weg, weil ich auf deine Scheiße keine Lust habe. Und du kannst mich zwar zusammenschlagen, aber das wird dir das Geld auch nicht zurückbringen, und mein Bruder, der mich wissentlich in so eine Situation hineinzieht, sollte mir im Grunde genauso am Arsch vorbeigehen wie du, weil was ist das denn für ein Typ, der seinen jüngeren Bruder durch sein Fehlverhalten in so eine Situation kommen lässt, ihm dann nicht hilft oder nichts tut, um die Situation und auch zukünftige zu vermeiden oder aufzulösen? Wo bleibt der eigentlich in der Story, der Bruder? Der ist eine Leerstelle.
Diese Sache mit Juri ist eine Alibi-Szene, wo man denkt, ja genau, der Bully kriegt sie aufs Maul, richtig so. Denkt man das konsequent zuende, jagen wir demnächst mit Schrotflinten vermeintliche Verbrecher in einer Bürgerwehr.

Problematisch finde ich an dem Text auch, dass hier, wahrscheinlich unbewusst, bestimmte Stereotype reproduziert werden: Jakub, Silan, Juri, Kayhan, Malek, die Polen. Rico könnte der Quoten-Deutsche sein. Da denkt man vielleicht ganz leicht: Siehste, wusste ich es doch, so sind die eben. Boxclubs, da lernen die aber nix fürs Leben, sondern immer nur aufs Maul. Das sind ja die Brutstätten der Gewalt! So leicht kann man das auch lesen. Ich sage nicht, so lese ich diesen Text, aber oft passiert das unintentional, dass man da Milieu schreiben will, aber die Fassade nur schlecht verkleidet. Würde man den Text anders lesen, wenn Silan Andreas und Kayhan Karl heißen würde? Warum braucht es hier solche Namen? Ich könnte verstehen, wenn sie dadurch gesellschaftlich benachteiligt werden würden, wenn das ein Thema in der Geschichte wäre, das man kontrovers ausbreitet, aber so etwas wird nie erwähnt. Wirkt der Text dadurch realistischer oder authentischer oder irgendwie echter und besser? Auf mich jedenfalls nicht.

Der Trainer hat null Fallhöhe. Der stirbt, und ich denke mir, so what? Wäre der jetzt so eine Figur wie der gute Hirte, so ein Miyagi, dann wäre das etwas anderes. Aber um so eine Figur zu entfalten, bräuchte man hundert Normseiten. Da muss eine Wandlung passieren in der Silan-Figur, und das müsste eine Spiegelung der Trainer-Figur sein: Ich kenne das, ich kenne deine Situation, dein Umfeld, und sieh her, so habe ich das geschafft, mit diesen Mitteln. Hier wirkt dein Personal wie eine Ansammlung von Pappkameraden, die dann auch noch echt klingende Namen haben sollen, das verdeckt aber nur sehr unzureichend, dass mit denen sonst nicht so viel los ist. Der Konflikt fehlende Vaterfigur muss viel stärker herausgearbeitet werden. Kayhan ist wichtig geworden weil der Vater fehlt. Was ist mit dem Bruder, warum ist dem Kayhan nicht wichtig? Warum wird der Silan nicht so wie der ältere Bruder? Was hat er schon gelernt von Kayhan, was und wo will er damit hin? Was sind seine Ziele? Wo ist der Druck auf die Figuren? Silan klingt in dem ganzen Text so: Und ich so boah voll geil Kopfhaken, hab ich gut gemacht, ja, Boss? Ich weiß ja, is nich so cool sagst du immer, aber Kopfhaken bumm bumm Ailton!

Konstruktiv: Wie willst du erzählen? Warum verhalten sich deine Charakter so wie sie es tun und warum gerade jetzt? Sich auch mal mit show, don't tell beschäftigen. Atmo nicht so kreieren: Kotti, abgranzte Plattenbauten. Sondern diese Welt zeigen. Auch in dem Boxgym: riecht es da nicht nach Tigerbalm? Wie riecht dennalter Schweiß ganz genau? Stechend nach Ammoniak? Ich kriege diese Welt, die ja so echt wirken soll, nie zu fassen. Ich sehe da Ken Duken auf einem Plakat für eine ZDF Neo Serie mit Bandagen um, auf denen Kunstblut ist. Offensichtlich. Auch mehr Fokus: viele Namen in dem kurzen Text. Die Dialoge klingen gestelzt und hölzern, wie aus so einem Fernost-Abreißkalender. Wahrheiten müssen sich im Text beweisen, nicht bloß bei der Behauptung bleiben.

Viel Spass hier im Forum.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Maria_Mina,​

hast Du mich am Schluss ganz schön erwischt - meine Augen wurden nass.
Erst mal Herzlich Willkommen hier bei den Wortkriegern und danke für Deine erste Story.
Fehler hab ich beim ersten Mal lesen nicht gefunden, aber das heißt nichts - ich bin nicht so der Crack, was Rechtschreibung betrifft. Ich kommentiere nur, was ich fühle, wenn ich lese.
Deine Geschichte liest sich flüssig und einfühlsam. Nicht ganz klar ist mir, warum Silan zu Beginn gegen die Geldeintreiber ... aber schlussendlich ist es auch nebensächlich. Das Milieu ist ebenso - aber wissen Kayhan und Konsorten nicht, wo er wohnt? Wo er boxt? Können sie ihm da nicht auflauern? Anyway - den Bogen spannst Du schon ziemlich gekonnt bis zum Schluss, den Du etwas spürbar absichtlich hinauszögerst, aber fulminant zu Abschluss bringst. Das hat mich echt gerührt - super. Streckenweise kam es mir noch ein bisschen zu steif vor - zu genau beschrieben. Aber das ist nur meine Meinung; ich lasse den Leser gerne seine Phantasie bemühen, um dem Faden zu folgen - manche mögen das, manche nicht.
Kurzundgut - ein super Einstieg. Gern gelesen.
Grüße - Detlev

 
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@Detlev Ich danke dir sehr. :) Das mit den genauen Beschreibungen nehme ich nochmal mit - ich arbeite tatsächlich immer sehr bildlich, aber du hast Recht: man muss dem Leser noch Raum für seine Vorstellung lassen.
Das Problem mit "warum lauern die anderen ihm nicht auch zu Hause auf oder wissen nicht, dass er boxt" ist tatsächlich ein guter Punkt. Muss ich mal schauen, wie ich das berichtige. Aber generell zur ganzen Drumherum Geschichte war der Gedanke - das ist nur das Setting, in dem der eigentliche Gedanke eingebettet ist, aber nicht der Punkt der Geschichte. Daher wird einiges nur erwähnt und nicht detaillierter ausgeführt.
Also danke dir, nehme einiges mit von deinem Feedback! :schiel:

 
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@jimmysalaryman Danke dir für dein sehr ausführliches Feedback! Das sind so viele Punkte, das muss ich erst einmal sacken lassen. ;) Beim späteren, nochmal ruhigen Durchlesen finde ich sicherlich 1-2 Punkte, die ich einbauen werde.
Eine kurze ANmerkung zu drei Punkten, die mir besonders wichtig sind:
Bzgl. der Box-Techniken habe ich heute beim Training nochmal genau hingeschaut. Bei einigen DIngen stimme ich dir zu - gut beobachtet. Bei anderen ist meine persönliche Erfahrung anders und ich belasse es so.
Zum generellen Thema, das sich durch deine Kritik durchzieht: Viele der Hintergrundthemen und Details, Erklärungen und Co habe ich bewusst ausgelassen - das ist nicht Zentrum dessen, was ich schreiben möchte. Wenn ich das komplette Universum aufspanne, wirds ein Buch und keine KG. Die Backgroundstory rund um den Vater, den Bruder, die Mutter - das ist alles relevant für wie die Personen sind, aber nicht der Punkt DIESES Ausschnitts. Der Leser hat Fantasie und denkt sich seinen Teil. Zumindest einige Leser. :)
Und letztendlich Kayhan: Kayhan hat nicht die Rolle eines Pädagogen, Sozialberaters, oder Jugendbetreuers. Er hat organisch eine gewisse Rolle im Leben der Jungen eingenommen und ist selbst nicht perfekt. Daher kann ich deine Anmerkungen nachvollziehen, aber sie treffen nicht auf den Kayhan zu, den ich hier darstellen wollte. Es ist aber gut zu wissen, dass sich diese Gedanken bei einigen Lesern durch den Kopf ziehen, werde ich für zukünftige Geschichten beachten!
Merci!

 

Moin @Maria_Mina

und danke für Deine Geschichte.

Ich hab sie gerne gelesen und hier schon schlechtere erste Storys gesehen.
Trotzdem finde ich, dass da noch Luft nach oben ist:
Als Erstes überleg doch mal, ob Du sie nicht vom Präteritum ins Präsens holen willst. Das würde ihr vielleicht im wahrsten Sinne mehr Punch verleihen?

Im ersten Drittel verbaust Du fünfmal einen Verweis darauf, dass Kayhan Silas Trainer ist und ihm Dinge fürs (Boxer-)Leben lehrt. Das könntest Du reduzieren oder ein wenig mehr verteilen, der Punkt wird klar, die Menge auf diesen Raum braucht es nicht.

Ab dem Zeitpunkt in der Boxhalle werden es sehr viele Namen gleichzeitig. Ich finde, Emre, Malek und Jakub braucht es namentlich nicht, die tragen nichts zur Geschichte bei und könnten auch nur "andere Jungs" (oder so) genannt werden, wenn Du weißt, was ich meine?


Er hörte den rhythmischen, dumpfen Aufprall
Er hörte das Keuchen und Stöhnen
Er beobachtete, wie Kayhan inzwischen die Pratzen für Rico hielt
Plötzlich sah er, wie Kayhan eine Pratze nicht schnell genug bewegte
Silan sah, wie Emre und Malek Kayhan in ihre Mitte nahmen
Silan spürte, wie ein eiskalter Hammer
An einigen Stellen stellst Du ein Silan sah/hörte/spürte vor die eigentliche Aktion, die Du zeigen willst. Klopf den Text nochmal auf solche Stellen ab, vielleicht möchtest Du ein paar davon streichen oder ändern? Du brauchst die Einleitung nicht, es ist klar, dass es Silan ist, der das Geschehen erlebt, da wir als Leser:innen es ja aus seiner Sicht erfahren.


In Silans Kopf raste eine Gedankenkette – wohin, wenn die mich kriegen, bin ich erledigt, was hat Gojko schon wieder für Scheiße gebaut
Der Name des Bruders kam aus dem Nichts und hat mich kurz stolpern lassen, da ich nicht sofort einordnen konnte, um wen es geht.


Silan atmete auf. Hier war er sicher, hier würde ihm nichts passieren.
Den zweiten Satz kannst Du streichen, durch das Aufatmen zeigst Du schön, dass er sicher ist, da braucht es die Erklärung nicht.


„Sehr gut“, erwiderte Kayhan und legte Silan eine Hand auf die Schulter, wodurch dieser zur Ruhe kam. „Jede Situation außerhalb des Rings in der du keinen Haken einsetzen musst, ist besser als eine, in der du den perfekten Schlag platzieren kannst. Aber das weißt du“, setzte er hinzu, als er Silans eingezogenen Kopf und sein Nicken sah.
„Rico, werd‘ nicht schlampig, nur weil du müde wirst“, rief Kayhan nun und trat an den Boxsack.
Warum der Zeilenwechsel? Es ist doch immer noch Kayhan, der spricht. Es ist dieselbe Szene. Oder übersehe ich etwas?


Abschließend hätte die Geschichte für mich gerne etwas länger sein dürfen. Die Story in jetziger Form umfasst knapp mehr als 2000 Wörter, da könntest Du gerne nochmal dieselbe Menge draufpacken und mir mehr vom (boxenden) Milieu zeigen. Mehr von Silas Familie, seinem Verhältnis zum Bruder und dem bestimmt nicht leichten Alltag rund um den Berliner Kotti.

Bin gespannt auf weitere Texte von Dir,
gutes Gelingen und beste Grüße
Seth

 

@Seth Gecko Vielen Dank für dein Feedback! Habe den Text jetzt tatsächlich noch etwas umgestellt und den personalen Erzähler stärker (hoffentlich ganz) durchgezogen - dadurch sind auch diverse der von dir angemerkten Stellen rausgefallen. Und du hast Recht - im Präsens wirkt es tatsächlich besser, guter Tipp, genauso wie die unnötigen Namen der anderen Jungs. :D Daher - muchas gracias, hat den Text definitiv nochmal verbessert und inzwischen finde ich ihn wirklich gut. :thumbsup:

 

Hi @Rob F ,
Danke dir für deine Eindrücke. Dann haben wir beide noch ordentlich zu arbeiten an unseren Geschichten, man kann sich immer noch verbessern. :)
Happy Weekend
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin @Maria_Mina,

ich dachte, ich schau’ noch mal rein, da Du den Text in die Gegenwart geholt hast. Ich finde die neue Version besser, doch Du könntest vielleicht noch einzelne Zeilen entschlacken, ein paar Kanten abschleifen.

Kleinigkeiten, alles subjektiv, versteht sich:

Unwillkürlich schieben sich Silans Füße etwas auseinander, seine Oberarme pressen sich an seinen Körper. Er senkt das Kinn und verbirgt es hinter seinen gehobenen Fäusten. Lässt Juri nicht aus den Augen.
Natürlich sind es seine Oberarme, sein Körper und seine Fäuste. Das kannst Du gegen die, den und den austauschen, liest sich sauberer. Das gehoben könntest Du streichen, denn natürlich hebt er die Hände, wie sollte er sonst das Kinn dahinter verstecken. Das Bild ist klar, dieses Wort braucht es nicht.

Juri lacht auf, bevor er unvermittelt einen weiteren Schritt macht und mit einer schnellen Bewegung seine rechte Faust nach vorne stößt.
Alle fett markierten Wörter kannst Du streichen und erneut das seine gegen die austauschen, denn es ist klar, dass Juri die eigene Hand nach vorne stößt.

Zu oft hat er ihn dabei beobachtet, wie er die anderen Jungs auf der Straße verprügelt, jedes Mal kleiner und schwächer als er.
die anderen könntest Du streichen

Wie er seinen Bruder verprügelte, immer und immer wieder, bis dieser ihm endlich das Geld geben konnte.
Wie bei meinem ersten Kommentar erwähnt, kommt der Name des Bruders für mich zu sehr aus dem Nichts. Hier ist die Stelle, an der Du ihn das erste Mal gut einbinden könntest, also: Wie er seinen Bruder Gojko verprügelte,

Noch bevor Juri auf die Knie sinkt, steht Silan wieder in Position und hat den Blick auf Juris Freunde gerichtet, die ungläubig auf ihren am Boden liegenden Anführer blicken.
Der Satz wirkt sperrig auf mich, auch da Du in ihm zweimal auf die Blickrichtung eingehst, wer wo auf wen guckt. Das ist ja generell eine schnellere, chaotische Szene, da würde ich vielleicht zwei Sätze daraus machen und den zweiten Satz einkürzen:
Noch bevor Juri auf die Knie sinkt, steht Silan wieder in Position. Juris Freunde blicken ungläubig auf den am Boden liegenden Anführer.

Der Arsch hat mich unterschätzt, den gleichen Fehler machen die anderen nicht auch noch. Ich muss hier weg, und zwar schnell.
Den ersten Satz kannst Du streichen, der ergibt sich aus der Szene.

Einer der Angreifer packt ihn am Jackenärmel, aber er schafft es, sich durch eine blitzschnelle Drehbewegung des Armes frei zu machen.
Würde ich einkürzen: Einer der Angreifer packt ihn am Ärmel, doch durch eine Drehbewegung befreit Silan den Arm. Es ist klar, dass es eine schnelle Bewegung sein muss. Und auch, dass der Ärmel zu Jacke gehört.

Sein Herz hämmert, die Lunge brennt, die Beine zittern.
Das Herz. Danach passt es ;)

Sein Blick fällt auf ein verrostetes Rohr, dass neben ihm in der Ecke liegt, und nach kurzem Zögern nimmt er es und steckt es quer durch die Handgriffe der Tür, so dass man sie von außen nicht mehr öffnen kann. Nur zur Sicherheit.
Den erklärenden Halbsatz kannst Du streichen, das Bild ist klar.

Den muss ich mir bei der Klettertour über den Bauzaun zugezogen haben.
Würde er zugezogen sagen? Das klingt auf mich, als würdest hier Du anstelle von Silan denken.

Ein eiskalter Hammer wird in seinen Magen gerammt.
Bring den Satz ins Aktiv: Ein eiskalter Hammer trifft ihn in die Magengrube.

Wenn Kayhan nicht mehr stark sein kann, würde er es für ihn sein. Kayhan kann sich
Beim letzten Satz fehlt doch ein Teil, oder?

Das war es erneut von mir,
wünsche Dir einen entspannten Sonntag.

Beste Grüße
Seth

 

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