Was ist neu

Lichtblick

Veteran
Beitritt
04.01.2002
Beiträge
897
Zuletzt bearbeitet:

Lichtblick

Das Ende war nah. Er konnte durch die bleierne Zeit hindurch fühlen, wie ihn die schattenhaften Vorboten belauerten. Waren es Seelenräuber, oder nur übermächtige Ängste, die einen Weg aus seinem Unterbewußtsein gefunden hatten? Urängste vor dem unbegreiflichen Nichts? Erschöpft von dem Kampf, der hinter ihm lag, ergab er sich.
Liebe, Haß, Hoffnung und Enttäuschung würden binnen kurzer Zeit lediglich Worte werden, ohne jeden Inhalt. Er lebte und erlebte zweiundachtzig Jahre. Zu kurz? Zu lang? Werft Glück und Unglück in eine Waagschale. Was überwiegt? Lohnt der Aufwand die Mühe?

Die Kerze mit seinem Namen war abgebrannt, kurz vor dem Verlöschen. Flackerndes Lebenslicht. Gebunden an ein zitterndes Herz, das Mühe hatte, den vorgeschriebenen Rhythmus zu halten und kraftlos verdünntes Blut durch brüchige Adern pumpte. Eine verbrauchte Hülle mit offenen Augen, nicht sehend, abgelenkt von einem Film der besonderen Art. Sein Leben raste durch seinen müden Geist.
Die Schrecknisse, Mühsale, Demütigungen und Qualen, die er längst vergessen glaubte, meldeten sich ebenso zurück, wie all die Menschen, deren Wege er in Liebe oder Haß gekreuzt hatte. Auch Erinnerungen an schöne Zeiten waren dabei, an glückliche, unbeschwerte Tage voller Zuversicht. Freude im Überfluß.

Loslassen fiel so entsetzlich schwer. Endlich. Der letzte Atemzug. All die Mühsal, all die Anstrengungen der Vergangenheit verschwanden hinter einem Schleier, der die bösen Seiten gnädig verhüllte. Krieg, Vertreibung, der Tod seines Sohnes, nur noch Geschichte. Ein letztes Röcheln, dann hatte die Seele endlich Ruhe. Sie strebte dem Licht entgegen, das sie so magisch anzog und -

trat ein in die Unfaßbarkeit des Alls und Alles. Tauchte ein und fand den Frieden, der sich ihr so lange entzogen hatte. Erfahrungen, Gefühle und das Wissen eines ganzen Lebens wurden zu einem flüchtigen Gedanken, den man festzuhalten nicht imstande ist. Gutes und Schlechtes, Wichtiges und Banales - eine Fülle von Bildern und Emotionen lösten sich auf und verschwanden, wie ein Traum.
Sie ließ sich treiben durch Raum und Zeit.


Die Stunde schlug, das Ziehen wurde stärker. Sie wollte nicht. Wollte sich nicht lösen aus dieser wohltuenden Sphäre der Freiheit. Aus Ziehen wurde Drang und erfüllt von unendlicher Ruhe, die hinter ihr lag, ergab sie sich und -

schlüpfte hinein in die sich beständig teilenden Zellen, um neue Erfahrungen, Empfindungen und neues Wissen in einer ungewissen Zukunft zu sammeln. Entsandt durch universelle, göttliche(?) Magie, entzündete sie ein Lebenslicht in einer neuen Hülle.

 

Hallo Antonia, sagt dir der Name "Jung" etwas?

Eindrucksvoll beschrieben hast du den Übergang vom Leben zum Tode zu neuem Leben, wenn es denn so ist?
Die Hoffnung bleibt, oder die Befürchtung?

ja, du hast einen richtigen Stil, das merke ich daran, dass ich sofort an deine story mit dem wirbelsturm dachte, wie hiess sie nur gleich? Der Namenlose.

Gelungen.

Liebe grüsse arche

 

Hallo Antonia,

Du hast wirklich einen guten Stil und an den „Namenlosen“ erinnert Deine Geschichte auch. Natürlich gefällt mir das Wortspiel „All(e)s“. Was allerdings mit der „früheren Existenz“ gemeint ist, konnte ich erst am Schluß der Geschichte verstehen.
Eigentlich beschreibst Du eine Art Seelenwanderung, mit einer `Zwischenstation´ im Kollektivbeußtsein (der noch Lebenden, oder eines Seelen- Kollektivbewußtseins?).
Du hast wieder einmal sehr behutsam, in feiner Sprach(ab)stimmung Deine Gedanken in einer Geschichte entwickelt, man möchte beim Lesen eine Kerze anzünden...

Alles Gute,

tschüß... Siegbert

 

Hallo Antonia,
was Du beschreibst, erinnert an den Glauben der Aborigines: die Seelen kommen aus der großen Ur-Seele und dorthin gehen sie auch wieder zurück.

Sprachlich hat Dein Text mich nicht hundertprozentig überzeugt. Deine Formulierungen wirken auf mich teilweise pathetischer, als ich es mir gewünscht hätte.

Ansonsten sind mir ein paar Komma-Fehler aufgefallen, vielleicht gehst Du da nochmal drüber.

 

Hallo, Arche!

Meinst Du C. G. Jung? Stimmt. Hatte vor einigen Monaten ein Buch von ihm gelesen über Symbole.
Hauptthema meiner Überlegungen war der Dualismus und irgendwie kam ich dabei auch zu Jung.

Die vorliegende KG ist der Versuch, mir selbst ein Bild von der Unsterblichkeit der Seele (an die ich glaube) zu machen.
Hoffnung oder Befürchtung? Schwer zu sagen. Je nach Tageslaune.


Liebe Grüße
Antonia


Hallo, Siegbert!

Die Zwischenstation bei dieser Seelenwanderung sollte sich auf das Kollektivbewußtsein nicht mehr Lebender beziehen (muß ich eventuell verdeutlichen, wie auch die Sache mit der früheren Existenz).

Auslöser meiner Gedanken: wäre es denkbar, dass der Sinn des Lebens ist, im Auftrag einer höheren Macht Lebens-Erfahrungen jedweder Art zu sammeln - wofür auch immer?

Ich denke, ich könnte ein Licht gebrauchen, das mir aufgeht.


Liebe Grüße
Antonia


Hallo, Armelle!

Das mit dem Glauben der Aborigines passt wirklich gut in meine These der Seelenwanderung.

Schade, dass Dir mein pathetischer Stil nicht zusagt, aber er hilft mir, das auszudrücken, was mich an Gefühlen überrollt (eine Art von persönlicher Schutzfunktion).

Was die Komma-Fehler betrifft, bitte ich um Hilfe (man selber sieht sie einfach nicht).


Ciao
Antonia

 

Hallo Antonia,

mit Seelenwanderung kenne ich mich nicht aus. Ich denke, es gibt zwei grundlegende Probleme: Woher kommen neue Seelen? Die Menschheit wächst schließlich. Wie entspricht die Kinderseele den Eltern, die ja beide Erzeuger eine Seele haben.-
Einen ungünstigen Stilbruch sehe ich in Deiner Geschichte nicht, Dir geht es , wie Du schreibst, auch um Dualismus. Vielleicht wird die Sache weniger überraschend, wenn Du die letzten Absätze z.B. kursiv setzt.
Lebenserfahrung soll man für sich selbst gewinnen, um so sein Lebensglück gestalten zu können. Wenn man das (hoffentlich positive) Ergebnis dann weitergeben kann hat man meiner Ansicht nach sehr viel getan und nicht umsonst gelebt.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo, Siegbert!

Jetzt ist mir doch noch ein Licht aufgegangen. Danke, für Deine Hilfe! Die krampfhaften Erklärungsversuche habe ich nun weggelassen und das Ende neu bearbeitet.
Besser, so?

Meine These zum Thema Seelenwanderung werde ich lieber Off-Topic darlegen, da zu abgedreht.

Lebenserfahrung für sich selbst gewinnen, um so sein Lebensglück gestalten zu können? Ein schöner Gedanke, aber nicht immer durchführbar. Ich freue mich für Jeden, der das kann.


Liebe Grüße
Antonia

 

Hallo Antonia,

endlich komme ich dazu, Dir zu schreiben. Ich denke, de rSchluß ist nun klarer, mehr auf den eigentlichen Aussagesatz hin ausgerichtet.
„Die Stunde schlug“ (Ihre Stunde schlug ?) erinnert mich an `Wem die Stunde schlägt´ und ergänzt schön den Schicksalsaspekt, es geht gegen ihren Willen.
Lebenserfahrung benutzen, um Lebensglück zu gestalten - damit meine ich z.B. aus Fehlern lernen, Freudiges wiederholen.

Liebe Grüße,

tschüß... Siegbert

 

Hallo Kristin!

Oh ja, da hast Du einen gesalzenen Finger in eine alte Wunde gelegt. Dieser Text ist tatsächlich ein Frühwerk, das ich heute weitgehend anders schreiben würde. Manche Formulierungen gefallen mir immer noch, aber Aufbau und Inhalt lassen sehr zu wünschen übrig.

Das Manko, das dieser Text hat, wenn man versucht, ihn als Kurzgeschichte zu betrachtet, ist meiner Meinung nach, dass er zu allgemein ist.
Dem stimme ich zu. Das Individuum wird zu wenig berücksichtigt, geht in den benutzten Floskeln unter.
Wenn Loslassen schwerfällt (hier stört mich übrigens das "entsetzlich"), er also eigentlich nicht loslassen will, warum steht dann gleich darauf "endlich"?
Das "endlich" bezieht sich auf die von mir beobachtete Tatsache, dass Menschen selbst unter größten Qualen noch stundenlang gegen den Tod ankämpfen, obwohl er schließlich ein Ende aller Schmerzen bedeutet.
*brrrrr* Was ein billiges Wortspiel!
Dabei fand ich das damals sowas von einfallsreich! :D
Warum das Fragezeichen?
Weil ich dessen Existenz anzweifle. Meine bezweckte Aussage wird aber nur durch dieses Zeichen nicht klar.

Ergebnis meiner heutigen Sicht: Aussage bliebe erhalten, aber Form und Rest müssten komplett umgeschrieben werden.

Danke fürs Lesen und Deine Anmerkungen!


Lieben Gruß
Antonia

 

Eins möchte ich noch sagen: Den Gedanken finde ich interessant. Wäre schön, wenn Du den Text "neuschreiben" würdest.

 

Hallo Zaza!

Ganz herzlichen Dank für Deine Anmerkung! Diese Jahreszeit bietet sich stimmungsmäßig für eine ausführliche Überarbeitung an. Mal schauen ...


Lieben Gruß
Antonia

 

Wow, Antonia, das passt ja in die Diskussion!
Toll beschrieben, sprachlich ausgereift, ein Kleinod!

Nur eine Stelle gefällt mir nicht:

trat ein in die Unfaßbarkeit des All(e)s.
Die Doppelsinnigkeit finde ich zwar gut, aber die Klammer stört Atmosphäre und Lesefluss. Kannst du das nicht noch anders ausdrücken?

Gruß, Elisha

 

Servus Elisha!

Stimmt, die Geschichte passt tatsächlich gut zu Dreimeiers interessantem Thread. Danke, für die Blumen! :)

Damals, als ich noch nicht um jedes Wort verbissen ringen musste, gelang es mir offenbar besser, meine Gedanken zu dem Thema auszudrücken. Na ja, vielleicht im nächsten Leben wieder ... :D

Das holprige Gefüge wird umgehend geändert.


Lieben Gruß
Antonia

 

Willkommen im Club!
Wir wissen es besser, Oder?!
Das mit dem All gefällt mir auch nicht, weil das All eine Materielle Räumlichkeit ist, über der der Geist „Ich“ eigentlich steht und daran nicht gebunden ist.
Ich denke, das All spielt für das „Ich“ keine Rolle.
Was? Du willst in diesem Leben nicht mehr schreiben? Da reden wir vorher aber noch drüber, ok?!
Gruß
Manfred

 

Hallo Antonia,

demnach gäbe es immer gleichviele Lebenslichter, außer es kommen neue hinzu (woher?) oder manche schaffen den Übergang nicht (warum?).

Wenn ich mir vorstelle, dass es so etwas wie Reinkarnation geben könnte, stellt sich die Frage, was dieses Licht denn nun sein könnte, wenn es nichts mit körperlichen Eigenschaften oder Erfahrungen eines bestimmten Lebewesens zu tun hat.

Dieser Text ist gut und gefühlvoll geschrieben. Die vielen interessanten Fragen, die das Thema aufwirft, hast Du aber kaum berührt.

Lieben Gruß,

Fritz

 

@Dreimeier:

Schön, dass Du die interessante Diskussion über Reinkarnation losgetreten hast! Dadurch bekomme ich neue, vielschichtige Anregungen über ein Thema, das mich bereits seit langem beschäftigt. Klasse!

Ja, wir wissen es besser ... :D
Das All werde ich nun doch entfernen, da es tatsächlich für das Ich keine Rolle spielt.

Dreimeier schrieb:
Du willst in diesem Leben nicht mehr schreiben?
Gewollt hätte ich schon, aber ich konnte nicht. Nachdem ich immerhin wieder befähigt bin, zumindest schrittweise, auf Kommentare zu antworten, liegt das Schreiben eines Textes im Bereich des Möglichen ...
Vielleicht sogar noch in diesem Leben. :)


@Berg:
Wenn Du zu mir in meine Gummizelle kommst, reden wir darüber. :D

demnach gäbe es immer gleichviele Lebenslichter, außer es kommen neue hinzu (woher?) oder manche schaffen den Übergang nicht (warum?).
Da ich auch die Lebenslichter von Tieren in meine empirischen Berechnungen einbezogen habe, geht das irgendwie auf. Ganze Gattungen sterben aus, u.s.w. ...
Wenn ich mir vorstelle, dass es so etwas wie Reinkarnation geben könnte, stellt sich die Frage, was dieses Licht denn nun sein könnte, wenn es nichts mit körperlichen Eigenschaften oder Erfahrungen eines bestimmten Lebewesens zu tun hat.
Die alte, gängige Bezeichnung Lebenslicht habe ich benutzt, um der gewählten Sprache gerecht zu werden. Das trifft jedoch nicht das, was ich ausdrücken möchte. Hmh. Individuelle Energie vielleicht?
Die vielen interessanten Fragen, die das Thema aufwirft, hast Du aber kaum berührt.
Stimmt. Ich habe lediglich versucht, meine Vorstellung eines schwer fassbaren Vorgangs in Worte zu kleiden.


Danke fürs Lesen und Kommentieren!


Lieben Gruß
Antonia

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom